Protocol of the Session on October 21, 2009

Meine Damen und Herren! Zur heutigen konstituierenden Sitzung des 5. Landtages Brandenburg heiße ich Sie herzlich willkommen.

Es ist in der parlamentarischen Praxis üblich, dass die oder der älteste Abgeordnete gleichzeitig Alterspräsidentin oder Alterspräsident ist. Ich heiße Prof. Dr. Sieglinde Heppener, gehöre der Fraktion der SPD an und bin am 8. Oktober 1934 geboren. Der Ordnung halber frage ich, ob sich unter den gewählten Abgeordneten im Saal jemand befindet, der älter ist als ich.

(Leichte Heiterkeit)

Das ist offensichtlich nicht der Fall.

Verehrte Abgeordnete! Ich eröffne hiermit die 1. Sitzung des neugewählten Landtages Brandenburg und begrüße Sie sehr herzlich. Mein besonderer Gruß gilt den Brandenburgerinnen und Brandenburgern, die unsere heutige konstituierende Sitzung an den Fernseh- und Rundfunkgeräten beobachten.

(Allgemeiner Beifall)

In Übereinstimmung mit den Fraktionen benenne ich als vorläufige Schriftführer die Damen und Herren Abgeordneten Baer, Kosanke, Lieske, Richter, Krause, Maresch, Wehlan, Hoffmann, Schulz, Büttner und Niels. Die Abgeordneten Frau Lieske und Frau Schulz bitte ich, neben mir Platz zu nehmen.

Meine Damen und Herren, ich trete nun ans Rednerpult.

Im 20. Jahr nach der friedlichen Revolution und mit der Erinnerung an die Demonstrationen in Leipzig, Potsdam, Dresden und Plauen und an die mehr als 500 000 Menschen am 4. November 1989 auf dem Berliner Alexanderplatz geht unser Blick wie selbstverständlich auf die eigene Befindlichkeit in diesen Tagen zurück. Was hat uns bewegt? Warum und mit welchen Hoffnungen schlossen wir uns den Demonstrationen an? Überwog die freudige Erregung darüber, dass die versteinerten Verhältnisse in der DDR nun endlich zum Tanzen gekommen waren? Oder war da auch Furcht vor dem Kommenden?

Es geschah viel in diesen Tagen. Die Ereignisse überstürzten sich. Wenn ich mich an 1989 erinnere, dann an das erregende Gefühl, im Mittelpunkt eines historischen Geschehens zu stehen, und an die Genugtuung, an ihm unmittelbar teilzuhaben und mitgestalten zu können.

20 Jahre danach und 20 Jahre älter darf ich heute die neue Legislaturperiode des Brandenburger Landtags eröffnen, das Hohe Haus eines Landes, dessen Wiedererstehen selbst Ergebnis der friedlichen Revolution von 1989/90 ist. Der parlamentarische Brauch gibt mir eine Ehre, die ich mit Dankbarkeit annehme. Wie sehr die Wende in den gesellschaftlichen Verhältnissen auch mein Leben verändern und ich einmal das Vertrauen erhalten würde, diesem Haus anzugehören, hätte ich mir in meinen kühnsten Träumen nicht vorstellen können.

Für uns im Osten änderte sich 1989 plötzlich fast alles. Wenig blieb, wie es war. Dem Ruf „Wir sind das Volk!“ entsprang der

ständen und Traditionen dieser Zeit geprägt und müssen mit ihnen zurechtkommen.

Die Solidarität der Generationen ist Voraussetzung unserer sozialen Gemeinschaft, und diese Gemeinschaft ist umso stärker, je mehr wir der Lebensweisheit und den Wertvorstellungen der Älteren vertrauen. Lassen Sie es mich mit den Worten Regine Hildebrandts sagen:

„Wenn die Gesellschaft gut funktionieren soll, dann müssen Verantwortungsbewusstsein, Mitmenschlichkeit, Freude an Gemeinsamkeit, das Gefühl für die Zusammengehörigkeit der Generationen im Alltag ihren angestammten Platz haben.“

Der Landtag hat noch in der vergangenen Legislaturperiode beschlossen, in der Auseinandersetzung mit der SED-Diktatur nicht nachzulassen und für das Land Brandenburg einen Beauftragten für Diktaturfolgen zu schaffen. Das demokratische Brandenburg ist auch und gerade 20 Jahre nach der friedlichen Revolution verpflichtet, über die Verbrechen der Staatssicherheit und des gesamten Systems aufzuklären sowie den aufrechten und mutigen Männern und Frauen, deren Menschenwürde angetastet wurde und deren Widerstandswille gebrochen werden sollte, Ehrerbietung und Schutz zu erweisen. Die Macht der SED-Diktatur und der Staatssicherheit wurde in der friedlichen Revolution unwiderruflich zerbrochen. Dabei wird es bleiben.

Eines erfüllt uns alle mit Freude und Genugtuung: Unser Landtag ist frei von Rechtsextremisten und Neonazis. Die Wählerinnen und Wähler haben den rechtsextremistischen Parteien eine eindeutige Absage erteilt.

(Beifall SPD, DIE LINKE, FDP sowie BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Wir müssen das unsägliche populistisch-provokante Geschwätz der DVU-Fraktion nicht mehr ertragen. Neonazismus, Rassismus, Antisemitismus, Ausländerhass und Menschenverachtung haben im Brandenburger Landtag keine Stimme mehr. Aber bleiben wir wachsam! Hüten wir das Bündnis aller Demokraten für Toleranz und Menschlichkeit! Bedenken wir gut, dass mit dem Verschwinden der hetzerischen Wahlplakate aus dem Straßenbild rechtsextremistisches Denken und Handeln nicht überall aus den Köpfen verschwunden sind. Rechtsextremistische Straftaten müssen weiterhin mit aller Konsequenz unserer Gesetze verfolgt werden.

Achten und schützen wir die Schwachen unserer Gesellschaft! Unterstützen wir in Schule und Familie die Aufklärung und Erziehung zu selbstverständlichen menschlichen Werten! Eröffnen wir allen Jugendlichen Lebenschancen! Lassen wir sie von früh an durch gute Bildung zu starken Persönlichkeiten heranwachsen, die einen geachteten Platz im Beruf und im Leben der Gesellschaft finden!

Unbeschadet aller parteipolitischen und sicherlich auch weltanschaulichen Unterschiede vereinen die hier im Brandenburger Landtag vertretenen Parteien gemeinsame Grundwerte. Wir sind uns einig, wenn es um die Achtung des Lebens und der Würde jedes einzelnen Menschen, sein Recht auf Selbstbestimmung und soziale Gerechtigkeit geht. Sozialer Ausgleich ist ein Grundbestandteil unserer Demokratie. Es gilt, jedem Mitglied unserer Gesellschaft gleiche Lebenschancen zu eröffnen

und die Balance zu wahren zwischen individueller Selbstverantwortung und der Solidarität mit den Menschen, die sich nicht selbst helfen können.

Wie im persönlichen Leben so sind auch in der Politik unterschiedliche Herangehensweisen an existenzielle Fragen selbstverständlich. Es ist weder ein Unglück noch ein Makel, unterschiedliche und gegensätzliche Positionen zu vertreten. Nur wenn wir sie klar benennen und uns damit als konfliktfähig erweisen, gewinnen wir Toleranz und kommen zur Verständigung über die vor uns gemeinsam stehenden komplizierten Probleme der Gegenwart und der Zukunft. Toleranz schließt Auseinandersetzungen ein. Ich zitiere Manfred Stolpe:

„Es geht nicht um billige Toleranz, die jeden nach seiner Fasson selig werden lassen will und ihn letztlich außer Acht lässt. Nein, wirkliche Toleranz muss mehr sein, nämlich das Bewusstsein, dass auch der Andersdenkende einen Teil der Wahrheit besitzen kann.“

Dissens gehört zur Demokratie und muss ausgehalten werden. Das Zusammenspiel von regierenden und oppositionellen demokratischen Parteien, ihr Wettbewerb um die richtigen Fragen der Zeit und die bestmögliche Antwort gehören zu den grundsätzlichen Voraussetzungen der Demokratie. Sie schaffen die Möglichkeit, unter Wahrnehmung unterschiedlicher Standpunkte in kritischen Situationen Lösungswege zu finden. Nur so können wir wieder das Vertrauen der Menschen in die Politik und in die Politiker gewinnen. Der demokratische Grundkonsens über die Fraktionen hinweg ist Voraussetzung für Verständigungsbereitschaft und Vertrauen, ein Vertrauen, das damit beginnt, einander zuzuhören, die andere Meinung ernst zu nehmen, die Redlichkeit der Absichten auch des politischen Kontrahenten anzuerkennen und zu respektieren.

Richard von Weizsäcker sagte zum 40. Jahrestag des Grundgesetzes über dessen Mütter und Väter:

„Man hatte davon gelernt, was Demokraten nie vergessen dürfen, nämlich bei allem Streit zuerst daran zu denken, was sie gemeinsam zu schützen haben.“

„Ihnen ist zu danken, dass die Bereitschaft zum elementaren Streit mit der Kraft zum grundlegenden Konsens verbunden blieb. Das hat unsere Demokratie stark gemacht, und ich meine, bis auf den heutigen Tag!“

Jedes geschichtliche Ereignis ist einmalig. Geschichte wiederholt sich nicht. Trotzdem ist es für mich bedeutsam, dass der heute konstituierte Brandenburger Landtag wieder die fünf Fraktionen hat, die sich über Fraktionsgrenzen hinweg auf den Entwurf unserer Verfassung verständigt haben, sodass dieser 1992 vom Landtag mehrheitlich verabschiedet werden konnte und die Verfassung mit dem Volksentscheid von der Brandenburger Bevölkerung angenommen wurde. Die Fraktionen taten dies, wie es in der Präambel der Verfassung heißt:

„... im Geiste der Traditionen von Recht, Toleranz und Solidarität in der Mark Brandenburg, gründend auf den friedlichen Veränderungen im Herbst 1989, von dem Willen beseelt, die Würde und Freiheit des Menschen zu sichern, das Gemeinschaftsleben in sozialer Gerechtigkeit zu ordnen, das Wohl aller zu fördern, Natur und Umwelt zu bewahren und zu schützen, und entschlossen, das Bundes

land Brandenburg als lebendiges Glied der Bundesrepublik Deutschland in einem sich einigenden Europa und in der Einen Welt zu gestalten.“

Eine zukunftsweisende Weichenstellung! Ich wünsche uns die Kraft und den Mut, unserer Verantwortung gegenüber den Brandenburgerinnen und Brandenburgern gerecht zu werden. Ich danke Ihnen.

(Allgemeiner Beifall)

Werte Kolleginnen und Kollegen, wir kommen nun zum Namensaufruf der Abgeordneten, um die Beschlussfähigkeit des Landtages festzustellen. Dazu bitte ich Sie, jeweils mit Ja zu antworten und sich dabei von Ihrem Platz zu erheben, damit wir zum ersten Mal Ihren Namen mit einem Gesicht und einer Gestalt in Zusammenhang bringen können.

Ich bitte die Schriftführer, die Namen der Abgeordneten zu verlesen.

Namensaufruf durch die Schriftführer Jutta Lieske und Monika Schulz:

Frau Adolph Frau Alter Herr Baaske Herr Baer Herr Dr. Bernig Herr Beyer Herr Bischoff Frau Blechinger Herr Bochow Frau Böhnisch Herr Bommert Herr Bretz Herr Büchel Herr Büttner Herr Burkardt Herr Christoffers Herr Dellmann Herr Dombrowski Herr Domres Herr Dr. Ehler Herr Eichelbaum Frau Fischer Herr Folgart Frau Fortunato Herr Fritsch Frau Dr. Funck Herr Genilke Frau Geywitz Herr Görke Herr Goetz Herr Gorholt Frau Gregor-Ness Herr Groß Frau Große Herr Günther Frau von Halem Frau Heinrich Herr Henschke Frau Prof. Dr. Heppener Herr Dr. Hoffmann

Herr Hoffmann Herr Holzschuher Herr Homeyer Herr Jürgens Herr Jungclaus Frau Kaiser Herr Kosanke Herr Krause Herr Kuhnert Frau Lehmann Frau Lieske Herr Lipsdorf Herr Ludwig Herr Dr. Luthardt Frau Mächtig Herr Maresch Frau Meier Frau Melior Frau Dr. Münch Herr Ness Frau Niels Frau Nonnemacher Herr Petke Herr Platzeck Frau Richstein Herr Richter Herr Rupprecht Herr Dr. Scharfenberg Frau Schier Herr Prof. Dr. Schierack Herr Schippel Frau Schulz Herr Schulze Herr Senftleben Herr Speer Frau Stark Frau Steinmetzer-Mann Frau Stobrawa Frau Tack Frau Teuteberg Herr Tomczak Frau Vogdt Herr Vogel Frau Prof. Dr. Wanka Frau Wehlan Frau Wöllert Herr Dr. Woidke Herr Ziel

Ich danke Ihnen. Wir kommen nunmehr zur

Beschlussfassung über die vorläufige Geschäftsordnung

Antrag der Abgeordneten Prof. Dr. Heppener

Drucksache 5/1

Gemäß Artikel 68 der Verfassung des Landes Brandenburg gibt sich der Landtag eine Geschäftsordnung. Ich schlage vor, die Geschäftsordnung des 4. Landtages mit den veränderten Festlegungen der Rededauer während der Plenarsitzung so, wie sie

Ihnen mit Drucksache 5/1 vorliegt, als vorläufige Geschäftsordnung des 5. Landtages Brandenburg zu beschließen.

Wenn es keine weiteren Bemerkungen zum vorliegenden Entwurf der vorläufigen Geschäftsordnung des Landtages Brandenburg gibt, lasse ich über den Antrag in Drucksache 5/1 abstimmen. Wer der vorläufigen Geschäftsordnung seine Zustimmung gibt, den bitte ich um sein Handzeichen. - Die Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Ich darf feststellen, dass die vorläufige Geschäftsordnung des Landtages Brandenburg einstimmig angenommen wurde.

Die Parlamentarischen Geschäftsführer haben sich darauf verständigt, unmittelbar nach der Beschlussfassung über die vorläufige Geschäftsordnung folgende Beratungsgegenstände zu behandeln:

Änderungen der vorläufigen Geschäftsordnung des Landtages Brandenburg Wahl von zwei Vizepräsidenten

Änderungsantrag der Fraktion der CDU der Fraktion der FDP der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Drucksache 5/18

in Verbindung damit:

Öffentlichkeit der Ausschüsse