Wir begrüßen als Erstes Schülerinnen und Schüler der MaximGorki-Gesamtschule Kleinmachnow und wünschen euch einen spannenden Vormittag im Landtag Brandenburg.
Meine Damen und Herren Abgeordnete, Sie sind unter Vorlage des Entwurfs der Tagesordnung eingeladen worden. Gibt es dazu Bemerkungen? - Wenn das nicht der Fall ist, bitte ich um Bestätigung der Tagesordnung durch Handzeichen. - Gibt es Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Beides ist nicht der Fall. Damit ist die Tagesordnung beschlossen.
Meine Damen und Herren, die CDU-Fraktion hat mitgeteilt, dass sie am 18. September 2012 den Abgeordneten Dombrowski als Fraktionsvorsitzenden gewählt hat. Ich würde ihm gern gratulieren, aber er ist im Moment nicht hier. Trotzdem: Viel Erfolg bei der Arbeit!
Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Schülerinnen und Schüler aus Kleinmachnow! Es war ein gewaltiger Paukenschlag, als Arbeitsministerin Ursula von der Leyen am 2. September via „Bild am Sonntag“ ihre „Rentenschocktabelle“ unters Volk brachte und damit drastisch vor Augen führte, was man schon lange hätte wissen können, aber nicht wahrhaben wollte: Das Armutsrisiko künftiger Rentnergenerationen ist erheblich, und selbst langjährigen Durchschnittsverdienern droht eine Rente auf Sozialhilfeniveau.
Nach den Berechnungen des Arbeitsministeriums erwartet bei Renteneintritt ab 2030 selbst jene Arbeitnehmer eine Rente auf Grundsicherungsniveau von derzeit 688 Euro im Monat, die über 35 Jahre in Vollzeit gearbeitet und 2 500 Euro brutto im Monat verdient haben. Diese 2 500 Euro Bruttolohn monatlich
entsprechen übrigens einem Stundenlohn von 14,20 Euro; dies sei schon einmal als Vorgriff auf die morgige Mindestlohndebatte angeführt. Selbst bei 40 Jahren Beitragszahlung bedarf es eines durchgehenden Durchschnittseinkommens von 2 200 Euro, um einen Rentenanspruch in Höhe der Grundsicherung zu erwerben.
Gegen die Modellrechnung der Arbeitsministerin ist viel eingewandt worden: dass die Einführung des Nachhaltigkeitsfaktors in die Rentenformel 2004 nicht automatisch zu einer Absenkung des Rentenniveaus auf 43 % im Jahre 2030 führen müsse, dass Einkommenssteigerungen und die Erhöhung des Renteneintrittsalters nicht ausreichend berücksichtigt seien. Nicht berücksichtigt wurden aber auch Inflation oder mögliche Finanzkrisen, die sich aggravierend auswirken könnten. Nein, wenn man sich die Entwicklung des Rentenniveaus seit 1992 und die Auswirkungen der Arbeitsmarktpolitik mit einer Tendenz zur „Prekarisierung“ von Arbeitsverhältnissen anschaut, dann stellt man fest, dass die Berechnungen aus dem Hause von der Leyen bei aller Unsicherheit schon einen erschreckend hohen Realitätsgehalt haben.
Nach Berechnungen des Statistischen Bundesamtes haben 2010 36 % der Beschäftigten in Deutschland weniger als 2 500 Euro im Monat verdient - bundesweit wohlgemerkt.
Schauen wir nach Brandenburg, so sieht das Bild noch düsterer aus. Andreas Kaczynski, der Sprecher der Landesarmutskonferenz, hat es klar auf den Punkt gebracht: „Wer verdient hier schon 2 500 Euro im Monat?“ Tatsächlich betrug der durchschnittliche Bruttolohn bei allen Beschäftigten in Brandenburg 2011 2 467 Euro. Durchschnittslöhne von über 2 500 Euro brutto werden bei uns nur in 8 von 18 Branchen gezahlt.
Schaut man sich das Lohnniveau von Frauen an, die besonders häufig im Niedriglohnsektor beschäftigt sind, so stellt man fest, dass sie nur in 4 der 18 Branchen ein derartiges Einkommen erzielen. Damit ist klar, dass die berechtigte Angst vor Altersarmut nicht mehr als ein Randproblem von Langzeitarbeitslosen angesehen werden kann, sondern mitten in der Gesellschaft angekommen ist.
Die anschauliche Größe von 2 500 Euro brutto betrifft viele Beschäftigte des Einzelhandels, Erzieherinnen, das Gaststättengewerbe, medizinische Berufe wie Altenpflegerinnen, Krankenpflegerinnen, Arzthelferinnen, Physiotherapeuten, aber auch handwerkliche Berufe wie Bäcker, Maler und Dachdecker. Wenn aber schon für einen relevanten Anteil von Normalverdienern mit langjährigen Erwerbsbiografien die Zukunftsaussichten nicht gerade rosig erscheinen, wie sieht es dann bei den Benachteiligten aus? Wer verfügt heutzutage und in absehbarer Zukunft noch über sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse von 35, 40, ja 45 Jahren Dauer?
Brandenburg hat wie alle ostdeutschen Länder neben den grundsätzlich sinkenden Anwartschaften für Neurentner in der gesetzlichen Rentenversicherung mit folgenden Problemen zu kämpfen: wendebedingt stark gebrochene Erwerbsbiografien und lange Zeiten von Arbeitslosigkeit, sinkende Bedeutung sozialversicherungspflichtiger Beschäftigungsverhältnisse, starker Ausbau des Niedriglohnsektors, starke Zunahme prekärer Beschäftigungsverhältnisse wie Minijobs, Leiharbeit und Teilzeitarbeit, wesentlich geringere Vermögensbildung als in Westdeutschland und damit kaum Zusatzeinkünfte, nur eine sehr
War bis vor wenigen Jahren die finanzielle Situation der älteren Bevölkerung in Brandenburg noch relativ gut und die Inanspruchnahme der Grundsicherung im Alter gering - das lässt sich im Lebenslagenbericht von 2008 nachlesen -, so ist in den nächsten Jahren und insbesondere mit Projektion auf die Jahre jenseits 2030 mit einer drastischen Zunahme von Altersarmut zu rechnen. Halb Brandenburg ein Fall fürs Sozialamt? Was also tun?
Im September 2012 haben in der Republik plötzlich Rentenkonzepte Hochkonjunktur. Die Arbeitsministerin tourt mit ihrer Zuschussrente durch die Republik, die SPD hält eine Solidarrente in gleicher Höhe dagegen, die Grünen haben eine steuerfinanzierte Garantierente im Angebot, die Linke setzt seit dem 19.09. auf ihre solidarische Mindestrente und die FDP ist - wie üblich - für Besitzstandswahrung.
Daran ändert auch Ihr Entschließungsantrag, Herr Büttner, mit Ihren homöopathischen Vorschlägen nichts.
So sehr Ursula von der Leyen anzurechnen ist, dass sie mit bestechender Dramaturgie das wirklich dringende Problem Altersarmut auf die Agenda gehoben hat, so sehr ist ihre Zuschussrente weiße Salbe. Ihre sehr langen Mitgliedschaften und hohen Beitragszahlungen in die gesetzliche Rentenversicherung und der Zwang zur Privatvorsorge bauen zu hohe Hürden auf und schließen all diejenigen, die besonders von Altersarmut betroffen sein werden, von vornherein aus.
Die Rentendebatte, die sobald nicht beendet sein dürfte, und alle vorgelegten und noch vorzulegenden Konzepte kommen um eine bittere Erkenntnis nicht herum: Das Kardinalproblem für die zu erwartende Altersarmut ist die von einer rot-grünen Bundesregierung beschlossene Absenkung des Sicherungsniveaus der Rente vor Steuern auf ca. 43 % bis 2030.
Die damals gehegte Vorstellung, die durch Absenkung des Rentenniveaus gerissene Versorgungslücke durch private Versorgung schließen zu können, hat inzwischen Ernüchterung Platz gemacht. So alt kann selbst in Deutschland kaum einer werden, dass diverse Riesterprodukte einen rentierlichen Ertrag abwerfen. Die Teilprivatisierung der Altersvorsorge läuft eher auf eine staatliche Subventionierung der Versicherungswirtschaft, denn auf eine verlässliche Absicherung der Bevölkerung hinaus.
(Jürgens [DIE LINKE]: Aha! Das erkennen Sie nur ein bisschen spät, Frau Nonnemacher! - Beifall DIE LINKE)
- Ich erkenne das rechtzeitig! - Gerade in Zeiten internationaler Finanzmarktkrisen ist das Setzen auf kapitalgedeckte Sicherungssysteme hochproblematisch. Das trifft im Übrigen auch auf die von Herrn Gabriel propagierte „Betriebsrente plus“ zu.
Auch die dritte Säule der betrieblichen Altersversorgung könnte sich als Chimäre erweisen. Schon heute haben betriebliche Pensionskassen erhebliche Schwierigkeiten, die zugesagten Renditen zu erwirtschaften. Über die Problematik hochspekulativer Anlagen - Stichwort Kaimaninseln - haben wir in diesem Haus ja schon öfter debattiert.
Vor allem aber bleibt die Erkenntnis, dass ohne ein ausreichendes Rentenniveau auch höhere Löhne oder die Abschaffung prekärer Arbeitsverhältnisse keine gute armutsfeste Rente garantieren werden. Wenn ein Stundenlohn von 14,20 Euro nach 35 Jahren zu einer Rente auf Grundsicherungsniveau führt, dann kann in einer im globalen Wettbewerb stehenden Wirtschaft kaum ein flächendeckender Mindestlohn durchgesetzt werden, der allein die Rentenproblematik löst. Dies stellt die SPD momentan vor eine Zerreißprobe.
Gibt sie der Forderung ihres linken Parteiflügels nach, das Rentenniveau auf die augenblicklichen 51 % zu fixieren, so desavouiert sie zwei Drittel ihrer Troika - eine unschöne Situation. Aber Spott ist nicht angebracht, denn jede politische Kraft wird sich dem Problem stellen müssen.
Spricht man sich gegen die weitere Absenkung des Rentenniveaus aus, so steigen die Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung weit über die bis 2030 vorgesehenen 22 % hinaus. Die Krux, dass immer schmaler werdende Jahrgänge an Beschäftigten immer breiter werdende Jahrgänge an Rentnern zu versorgen haben, lässt sich auf viele Jahrzehnte nicht aus der Welt schaffen. Da aber im Sinne der Generationengerechtigkeit die Jüngeren nicht doppelt und dreifach belastet werden können, werden sich diese Fragen im bestehenden System der GRV nicht allein lösen lassen. Die Prävention von Altersarmut ist Aufgabe der ganzen Gesellschaft.
Ob es durch eine steuerfinanzierte Grundrente, immer höhere Zuschüsse an Steuermitteln in die gesetzliche Rentenversicherung oder durch die Weiterentwicklung zu einer Bürgerversicherung - wie wir das beabsichtigen - geschieht, ist egal; die Gesellschaft wird an einer Umverteilungsdebatte nicht vorbeikommen. Es ist in Deutschland überfällig, dass privater Reichtum stärker in die Finanzierung öffentlicher Aufgaben einbezogen wird.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr verehrte Gäste! Liebe Schülerinnen und Schüler, es geht auch um eure Rente, also hört gut zu.
Zwar hat die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN das Thema für die heutige Aktuelle Stunde auf die Tagesordnung gesetzt, aber Bewegung in die Rentendebatte brachte Frau
Ministerin von der Leyen mit ihren Vorschlägen. Sie hat ihren Rentenvorschlag sehr offensiv mit dem Hinweis auf Altersarmut gekoppelt - sehr zum Leidwesen der Bundes-CDU und der Kanzlerin Merkel. Schließlich hätte man sich alles als Wahlkampfthema für 2013 vorstellen können, aber nicht die Altersarmut. Die von Frau von der Leyen vorgeschlagene sogenannte Zuschussrente wurde von den CDU-Granden also schnell wieder eingeholt. Offiziell heißt es: Zahlen müssten geprüft werden und die propagierte Zuschussrente sei nicht das richtige Konzept gegen Altersarmut.
Ich finde den Vorstoß von Frau Ministerin von der Leyen gut, weil er uns alle zwingt - Politik, Wirtschaft, Gewerkschaft, Jung und Alt, also die Gesellschaft in Gänze -, das Thema Rentensicherheit und Rentenversorgung ernsthaft in den Blick zu nehmen. Insofern begrüße ich die derzeit breite, querbeet geführte Debatte zu diesem Thema.
Mag sein, dass wir in Deutschland manchmal auf hohem Niveau jammern. Richtig ist auch, dass wir in einem der reichsten Länder der Erde leben. Um unser Sozialsystem beneidet uns die ganze Welt. Vielleicht stimmt es ja, wenn Experten sagen: Viele Menschen fürchten mit Eintritt in das Rentenalter nicht den Absturz in die Armut, sondern vielmehr den Verlust des gewohnten Lebensstandards. Namhafte Ökonomen des Landes halten die Diskussionen über Altersarmut sogar für Panikmache.
Schwierig in dieser Diskussion ist natürlich auch die Tatsache, dass niemand die Entwicklung der Bedürftigkeit im Alter seriös voraussagen kann; denn dies hängt unter anderem von der Wirtschafts-, Beschäftigungs- und Einkommensentwicklung sowie vom Erwerbsverhalten der Menschen ab. Auch die Frage, wie viele Menschen in Zukunft alleinstehend alt werden, spielt eine wichtige Rolle. Dennoch gibt es Entwicklungen und Trends, die Aussagen für die Zukunft zulassen. Renten sind und bleiben Spiegel der Erwerbsphase. Deshalb muss bereits im Erwerbsleben dafür gesorgt werden, Bedürftigkeit im Alter zu vermeiden. Fazit: Gegen Altersarmut helfen am allerbesten durchgehend verlässlich gute Arbeit und faire Löhne.