Meine Damen und Herren! Ich eröffne die 34. Plenarsitzung und begrüße als Gäste Schülerinnen und Schüler der KätheKollwitz-Oberschule in Potsdam. Ich wünsche euch einen spannenden Vormittag bei uns im Landtag!
Ihnen liegt der Entwurf der Tagesordnung vor. Da wir königlichen Besuch haben, wird Frau Ministerin Münch heute Nachmittag dort benötigt. Ich schlage Ihnen deshalb vor, die Tagesordnungspunkte 10 und 11 zu tauschen. Gibt es Bemerkungen zur so geänderten Tagesordnung? - Wenn das nicht der Fall ist, bitte ich um ein zustimmendes Handzeichen zur Tagesordnung. Gibt es Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Das ist nicht der Fall, sodass die geänderte Tagesordnung beschlossen ist und wir in Tagesordnungspunkt 1 einsteigen:
Herr Präsident! Guten Morgen, meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste! Wollte man den Zustand unseres Gesundheitswesens am Zustand der Gesundheitswirtschaft ablesen - manche tun das ja -, dann fände man alles zum Besten bestellt. Wenn wir die Gesundheitswirtschaft als Thema der heutigen Aktuellen Stunde benannt hätten, könnte ich mit Erfolgsmeldungen zumindest für private Krankenhausbetreiber wie den Sana-Konzern beginnen, der im letzten Jahr bei einer Umsatzsteigerung von 18 % eine Gewinnsteigerung von 23 % verbuchen konnte, oder den Pharmakonzern Merck mit einem Anstieg seiner Gesamterlöse um satte 20 % - für dieses Jahr werden noch einmal 10 bis 15 % Steigerung erwartet - nennen, und das, meine sehr geehrten Damen und Herren von FDP und CDU, obwohl Sie nicht müde werden, zu betonen, dass zum ersten Male und unter SchwarzGelb sich ein Gesundheitsminister an die Extra-Profite der Pharmakonzerne herantraute. Er traute sich, denn die Profite steigen und steigen und steigen.
Wir reden heute allerdings nicht über die Gesundheitswirtschaft, sondern über die gesundheitliche Versorgung im Land,
und zwar in allen Regionen Brandenburgs, und da hält sich der Jubel der Betroffenen angesichts gestiegener Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung, der schon vorhandenen und noch zu erwartenden Zusatzbeiträge, die ausschließlich die Versicherten zu zahlen haben, der ständig steigenden Selbstbeteiligung an Gesundheitsausgaben und des immer mehr spürbaren Mangels an ärztlicher Versorgung in den verschiedenen Regionen unseres Landes in sehr engen Grenzen. Der Jubel in unserer Fraktion hält sich, ehrlich gesagt, auch in engen Grenzen.
Drohende und bereits vorhandene Unterversorgung oder Ärztemangel sind Stichworte, die seit mehr als zehn Jahren die landespolitischen Diskussionen mitbestimmen. Anfang dieses Jahres hat die Ministerin für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz mit dem Konzept „Künftige Sicherstellung der gesundheitlichen Versorgung in Brandenburg“ erstmals ein Papier vorgelegt, das sich dieser Problematik in ihrer gesamten Breite widmet, und das ist ein wirklich guter Anfang.
Das ist auch deshalb ein guter Anfang, weil alle beteiligten Akteure wie die Kassenärztliche Vereinigung und der Hausärzteverband, die Landesärztekammer, der Bundesverband Medizinischer Versorgungszentren - Gesundheitszentren, Integrierte Versorgung e. V. -, die Landeskrankenhausgesellschaft Brandenburg, die gesetzlichen Krankenkassen, der Städte- und Gemeindebund, der Landkreistag und auch die Bundesagentur für Arbeit in diesen Prozess eingebunden sind. Und da es sich hier um eine Querschnittsaufgabe der Daseinsvorsorge handelt, gibt es natürlich auch den fachlichen Austausch mit den anderen Landesministerien.
Nun könnte man ja meinen, es sei nicht der Rede wert, sei doch selbstverständlich, dass sich eine Landesregierung sorgt, wenn die gesundheitliche Versorgung in der Fläche oder in einigen Landesteilen gefährdet ist. Natürlich ist es selbstverständlich, sich zu sorgen, aber es ist eben nicht selbstverständlich, innerhalb dieser von der Bundespolitik vorgegebenen Rahmensetzung als Landesregierung auch tatsächlich handeln zu können.
Genau um den Punkt geht es; da herrscht wiederum parteiübergreifende Einigkeit in der Konferenz der Gesundheitsministerinnen und -minister der Länder. Sie haben sich nämlich deshalb ebenfalls mit dem Thema „Sicherstellung der medizinischen Versorgung“ befasst und konnten einige Maßnahmen für mehr Mitbestimmungs- und Mitwirkungsrechte der Länder, die auch in dem neuen Versorgungsgesetz ihren Niederschlag finden sollen, beim Bundesminister durchsetzen. So titelte die „Ärzte Zeitung“ am Donnerstag vergangener Woche:
„Das böse Erwachen kam für die Gesundheitsminister der Länder schnell: Nach Feierlaune am vergangenen Mittwoch herrscht seit Freitag Katerstimmung.“ Deshalb will Hessens CDU-Gesundheitsminister neue Gespräche mit
„Sollte Gesundheitsminister Philipp Rösler das Konzept nicht noch einmal deutlich überarbeiten, dann zeigen die Länder ihm die rote Karte.“... „Für uns Länder stellt sich die Frage: Ist Rösler überhaupt verhandlungsfähig? Lohnt es sich, sich mit ihm stundenlang zusammenzusetzen, wenn er die Einigung nicht mal in seinen Fraktionen durchkriegt?“
So weit der Gesundheitsstaatssekretär aus Bremen. Zu den Gesprächen mit dem Bundesgesundheitsminister wird die Ministerin in ihrem Redebeitrag sicher Näheres ausführen.
Das „Handelsblatt“ schrieb in seiner Ausgabe vom 5. April 2011 unter dem Titel „Die Anatomie des Versagens“:
„'Die sozialen Sicherungssysteme lassen sich so, wie sie historisch gewachsen sind und wie sie heute funktionieren, nicht fortführen', warnte der Sachverständigenrat bereits im November 1996. 'Der durch Ineffizienz bedingte Anstieg der Kosten im Gesundheitssystem muss bekämpft werden', heißt es im Jahresgutachten der Wirtschaftsweisen.“
Die Autoren dieser Zeitung kommen zu dem Schluss, dass es heute noch genauso aktuell wie vor 15 Jahren sei, denn trotz vieler Reformversuche habe sich am Grundproblem wenig geändert.
Deshalb stehen wir auch heute wieder aus dem gleichen Grund an dieser Stelle. In der Einschätzung dieser Lage stimmt meine Fraktion DIE LINKE dieser Aussage zu. In den Schlussfolgerungen liegen wir allerdings sehr weit auseinander. Während wir eine solidarische Bürgerversicherung
und die Einbeziehung aller Beitragszahler in die gesetzliche Krankenversicherung als Regelversicherung fordern, sieht der Autor dieses Artikels die Lösung in mehr Wettbewerb der gesetzlichen Krankenversicherungen, obwohl doch gerade dieser Wettbewerb in der gesundheitlichen Versorgung grandios versagt hat sowie verstärkt und in schnellerem Tempo zu den Versorgungsproblemen führte, vor denen wir heute stehen.
in der er unter schwereren Bedingungen, für weniger Geld als in Ballungsgebieten arbeiten muss. Was wir im Land, aber auch bundesweit brauchen, ist nicht mehr Wettbewerb, sondern mehr Solidarität,
und wir brauchen bessere Steuerungsmöglichkeiten, wirkliche Planung für die gerechte Verteilung von Ressourcen.
Mit sektorenübergreifenden Ansätzen, das heißt, mehr Vernetzung, mehr Verknüpfung von Krankenhausarbeit mit ambulant tätiger Arbeit, mehr Vernetzung im Gesundheitssystem,
wie es die Gesundheitsministerkonferenz vorgeschlagen hat, wäre wenigstens ein erster Schritt getan. Mit einer Ausdehnung der Bedarfsplanung auf eine Versorgungsplanung, was etwas anderes wäre, wäre ein weiterer Schritt getan. Es ist gut, dass dieses Thema nun endlich von den Bundesländern auf die Tagesordnung gesetzt werden konnte. Von der jetzigen Bundesregierung und vom jetzigen Bundesgesundheitsminister wäre aus eigener Kraft und aus eigenem Antrieb dergleichen nicht zu erwarten gewesen.
Herr Rösler wird ja von seiner Partei und der Union auch jetzt schon wieder genau in die falsche Richtung geschickt.
Völlig kontraproduktiv wäre jedoch eine Ausdehnung der Honorierung von ärztlichen Leistungen in unterversorgten Regionen, wenn dafür nicht gleichzeitig die Finanzierung durch Abschläge in deutlich überversorgten Gebieten erfolgte, denn dann zahlen wieder die Versicherten - aber diesmal allein - über Zusatzbeiträge. Genau das würde nämlich passieren, wenn sich der Vorschlag von Schwarz-Gelb durchsetzt. Der vorgeschlagene Strukturfonds, der sich aus 0,1 % der Gesamtvergütung der Kassenärztlichen Vereinigung und noch einmal aus der gleichen Summe von den gesetzlich Krankenversicherten zusammensetzen soll, löst das Problem nicht, denn bei einer geplanten Vergütung von 33 Milliarden Euro im kassenärztlichen Bereich 2011 wären dann von den Versicherten zusätzlich 330 Millionen Euro aufzubringen. Das würde laut Gesetz der schwarz-gelben Bundesregierung allein über die Erhebung von Zusatzbeiträgen geschehen. Das, meine Damen und Herren, ist weder solidarisch, noch bringt es eine Erhöhung der Effizienz in der gesundheitlichen Versorgung, weil eigentlich alles bleibt wie gehabt und der Versicherte letztendlich wieder tüchtig zur Kasse gebeten wird.
Eine Versorgungsplanung, wie sie auch das Ministerium für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz fordert, würde demgegenüber durch mehr Vernetzungsmöglichkeiten ambulanter und stationärer Versorgung auch mehr Effektivität in dieses System bringen, gleichzeitig die wohnortnahe stationäre Grundversorgung und die fachärztliche Versorgung in Kooperation mit den Niedergelassenen gewährleisten. Das wäre für die Kostenentwicklung, die Menschen, die diese Versorgungsleistungen brauchen, und auch für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Gesundheitswesen der richtige Weg, und den wollen wir beschreiten.
Wir setzen mit dem Beitrag der CDU-Fraktion fort, für die der Abgeordnete Prof. Dr. Schierack spricht.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Abgeordnete! Liebe Gäste! Liebe Brandenburgerinnen und Brandenburger! Die Menschen wissen, dass wir ein gutes und leistungsfähiges Gesundheitssystem in Deutschland haben. Sie wissen aber auch, dass sich ihre gesellschaftliche Umwelt ändert. Das hat damit zu tun, dass wir Menschen Gott sei Dank immer älter werden, dass wir immer mehr alte Menschen in unserem Land haben, auf der anderen Seite aber immer weniger Menschen geboren werden und junge Menschen dieses Land nach wie vor verlassen. Ganze Regionen leiden unter diesem Bevölkerungsschwund. Diese Veränderung tangiert natürlich auch unser Gesundheitssystem. Jenseits der Diskussion um die Finanzierung dieses Gesundheitssystems machen sich die Menschen natürlich Sorgen und fragen sich, ob sie die medizinischen Leistungen vor Ort, in den regionalen Bezirken, dort, wo Unterversorgung droht, noch in vollem Umfang in Anspruch nehmen können.
Obwohl diese Menschen immer wieder von der Politik, insbesondere von dieser Landesregierung, hören, es gäbe genug Mediziner, spüren sie jetzt schon den Mangel auf dem Land, wenn sie einen Termin beim Fach- oder Hausarzt haben möchten. Deshalb ist es an der Zeit, dass wir über eine flächendeckende - so habe ich jedenfalls Ihren Antrag verstanden - medizinische Versorgung in diesem Land diskutieren - und nicht nur diskutieren, sondern endlich handeln. Dazu fordere ich die Landesregierung auf.