Meine Damen und Herren! Ich eröffne die heutige Sitzung. Zunächst begrüße ich Schülerinnen und Schüler des Sally-BeinGymnasiums Beelitz. Ihr seid sehr eifrig, denn ihr seid schon die dritte Gruppe. Herzlich willkommen im Landtag Brandenburg!
Ich beglückwünsche die Abgeordnete Böhnisch, wenn auch krankheitsbedingt in Abwesenheit, zu ihrem heutigen Geburtstag. Wir wünschen ihr gute Besserung.
Gibt es Bemerkungen zum Entwurf der Tagesordnung? - Wenn das nicht der Fall ist, bitte ich um Ihr zustimmendes Handzeichen zu dieser Tagesordnung. - Gibt es Gegenstimmen oder Enthaltungen? - Das ist wie üblich nicht der Fall.
Thema: Brandenburgs Energiepolitik in der öffentlichen Diskussion - Entwurf für die „Energiestrategie 2030“ vorgelegt
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Am 10. Januar 2012 haben Wirtschafts- und Europaminister Ralf Christoffers und Umweltministerin Anita Tack den Entwurf für die „Energiestrategie 2030“ nebst Maßnahmenkatalog vorgelegt. Auf 55 Seiten werden die Schwerpunkte und Ziele der Brandenburger Energiepolitik für die nächsten Jahre formuliert. Die ersten Reaktionen machen deutlich: Es wäre schon wünschenswert, dass Sachlichkeit, Realismus und Ehrlichkeit die Grundlagen der Diskussion über den Entwurf sind.
Gegenwärtig läuft das Beteiligungsverfahren. Bis Mitte Februar haben Umwelt- und Wirtschaftsverbände, die Energiewirtschaft, der Nachhaltigkeitsbeirat, die Mitglieder der Umweltpartnerschaft sowie Gewerkschaften und Kammern Gelegenheit, Stellungnahmen abzugeben, die für die endgültige Fassung der „Energiestrategie 2030“ ausgewertet werden sollen.
Dieses vom MWE gewählte Verfahren ist neu und soll die Transparenz erhöhen. Am 8. Februar führt der Wirtschaftsausschuss eine Anhörung zum Entwurf der „Energiestrategie 2030“ durch.
Mit 34 Anzuhörenden wird diese mit Sicherheit eine der größten Anhörungen in dieser Wahlperiode sein. Am 15. Februar sollen eine Auswertung der Anhörung stattfinden und eine Empfehlung an die Landesregierung erarbeitet werden. Aber auch der Landtag sollte die Gelegenheit wahrnehmen, sich in diese öffentliche Debatte frühzeitig einzubringen. Dazu soll aus Sicht meiner Fraktion diese Aktuelle Stunde einen Beitrag leisten.
Dies alles macht deutlich: Rot-Rot ist es wichtig, dass der Prozess hin zur „Energiestrategie 2030“ offen und transparent gestaltet und damit die gegebene Zusage auch eingehalten wird. Ich wünsche mir, dass es uns heute gelingt, sich fraktionsübergreifend konstruktiv mit der Energiepolitik des Landes Brandenburg auseinanderzusetzen. Dabei sollte sich aus meiner Sicht die Debatte an dem Ziel-Viereck aus Umweltund Klimaverträglichkeit, Wirtschaftlichkeit, Versorgungssicherheit sowie Akzeptanz und Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger orientieren. Es wäre wirklich schade, wenn der Landtag diese Chance vertun und sich stattdessen in Mutmaßungen und Vorwürfen verstiege, warum und wieso der Ministerpräsident hier heute keine Regierungserklärung abgibt.
Aus meiner Sicht wäre dieses Signal fatal und der Bedeutung dieses Themas nicht angemessen. Es ist völlig klar, dass es gerade in der Energiepolitik unterschiedliche, auch sich widersprechende Interessen gibt. Es allen recht zu machen wird uns nicht gelingen. Zu unterschiedlich sind die Auffassungen - auch hier im Parlament.
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, es geht in den kommenden Wochen darum, einen größtmöglichen gesellschaftlichen Kompromiss über die Ziele der Energiestrategie und, was auch meiner Sicht noch viel wichtiger ist, über den Weg zum Erreichen der Klimaschutzziele zu erzielen.
Für die Linke ist Energiepolitik eine zentrale Säule zukunftsfähiger Wirtschafts- und Klimaschutzpolitik und somit von gesellschaftspolitischer Bedeutung. Brandenburg war, ist und bleibt Energieland mit einer in Veränderung begriffenen Energieträgerstruktur. Die Linke in Brandenburg betrachtet eine nachhaltige Energiepolitik mit Sicherung der Versorgungssicherheit zu sozial verträglichen Preisen als gesamtgesellschaftliche Aufgabe.
Dass wir mit unserem Thema der Aktuellen Stunde richtig liegen, zeigen neben der von Greenpeace vorgestern vorgestellten Studie „Erneuerbare Energien - Potenziale in Brandenburg 2030“ auch die aktuellen Nachrichten aus der Photovoltaik-Branche. Sie lassen wenig Gutes erwarten. Überregional bekannte Firmen müssen leider den Gang in die Insolvenz antreten oder kündigen Kurzarbeit an. Die Solarbranche trifft es aktuell hart, weil sie zu große Produktionskapazitäten für einen nicht so schnell wachsenden Markt aufgebaut hat. Europaweit ist der Zubau - anders als in Deutschland - geschrumpft. Die von der heimischen Industrie beklagte Verzerrung im Wettbewerb mit den asiatischen Konkurrenten ist eine weitere Ursache. Eines ist sicher: Diese Probleme und Konflikte werden auch in Zukunft nicht abnehmen.
Auf der Ebene des Bundes streiten sich der Umweltminister und der Wirtschaftsminister über die Kürzung der Solareinspeisevergütung. Lösungen für den Kapazitätsmarkt sind nicht in Sicht. Der Wirtschaftsminister hat den Wirtschaftsausschuss
informiert, dass im Jahr 2012 allein 16 Gesetze und Verordnungen im Energierecht verändert werden sollen. Das heißt: Der Rechtsrahmen für die Energiepolitik wird nicht stabiler.
Nicht zuletzt ist da noch die Preissituation. Die Finanzierungsund Kostenfrage der Energiewende ist nach wie vor nicht geklärt. All dies stellt ein großes Risiko für das gesellschaftspolitische Gelingen der Energiewende generell und für die Entwicklung der Strompreise im Besonderen dar.
Einfache Lösungen gibt es in Sachen Energiepolitik nicht. Eine Menge Arbeit liegt in Brandenburg noch vor uns. Dazu brauchen wir eine ehrliche Diskussion über die Wege, um die eingeleitete Energiewende umsetzen zu können. Mit der „Energiestrategie 2030“ muss der Weg zur Erreichung der Ausbauziele bei den erneuerbaren Energien und der Klimaschutzziele aufgezeigt werden. Schwerpunkte müssen die Minimierung und Beseitigung der Kerndefizite, zum Beispiel unzureichende Energieeffizienz, sein. Notwendige Schritte in diese Richtung sind Energieeinsparung und insbesondere der Aus-, Um- und Neubau der Netze sowie deren Ertüchtigung.
Von besonderer Bedeutung sind die Lösung der Flächenproblematik - hier ist die Flächenkonkurrenz zu anderen Nutzungsarten anzusprechen -, die Schaffung gesellschaftlicher Akzeptanz - die Kritik am Netzausbau und am Bau von ErneuerbareEnergien-Anlagen kennen wir alle - und nicht zuletzt die Herstellung von Versorgungssicherheit aus erneuerbaren Energien durch den Aufbau von Speicherkapazitäten. Von der nötigen Transparenz habe ich schon gesprochen.
Für die Erarbeitung und noch viel mehr für die Umsetzung der Energiestrategie wird es von großer Bedeutung sein, wie die verschiedenen Akteure in den Prozess eingebunden werden. Die bestehende Möglichkeit der Umweltpartnerschaft bzw. der Abschluss von Klimaschutzvereinbarungen durch die Landesregierung - das MIL hat da schon die ersten Schritte unternommen - sind gute Grundlagen für die aktive Einbeziehung besagter Akteure.
Ein wesentlicher Punkt wird auch sein, ob und wie wir es gemeinsam schaffen, die Rolle und die Verantwortung der Kommunen, ihrer Stadtwerke, der regionalen Versorger und Produzenten zu stärken. Dazu gehören die Beratung und Begleitung von dezentralen Projekten, die Unterstützung weiterer Initiativen für mehr Beteiligung von Bürgerinnen und Bürgern, die Erarbeitung kommunaler und regionaler Energieund Klimaschutzkonzepte sowie deren Förderung und Umsetzung. Für 2012 haben wir als Koalition die Voraussetzung dafür im Haushalt geschaffen.
Die Umsetzung der Energiestrategie muss sich im Haushalt 2013/2014 sowie in der kommenden Umsetzung der EU-Strukturfonds-Periode abbilden. Dazu sind die Förderprogramme und Richtlinien weiterhin auf Klimaschutz, Energieeinsparungs- und Energieeffizienzmaßnahmen sowie auf Steigerung der Nachhaltigkeit auszurichten.
Um die Energiestrategie erfolgreich umzusetzen, bedarf es im Besonderen der frühzeitigen Einbeziehung der Anwohner, Kommunalpolitiker, Naturschutzverbände, Grundstückseigentümer, Landwirtschaftsverbände, Kirchen und Vertreter von Bürgerinitiativen zur Mitgestaltung in den Planungsverfahren. Die Frage wird sein - auch hier im Parlament -, ob und wie es gelingt, das
Planungs- und Beteiligungsrecht zu verändern. Ziel muss es sein, diese Rechte transparenter und effektiver zu gestalten.
Planungsverfahren von mehr als 10 Jahren sind für die Umsetzung der Energiestrategie sicherlich hinderlich. Transparenz und Bürgerbeteiligung sind die wichtigsten Bausteine für die Akzeptanz von Projekten. Mit den Maßnahmen aus dem vorgelegten Maßnahmenpaket sind wir auf einem guten Weg.
Im Entwurf der „Energiestrategie 2030“ wird davon ausgegangen, dass Brandenburg noch vor 2020 seinen eigenen Strombedarf aus erneuerbaren Energien decken wird, den mit Berlin zusammen bis 2030. Interessant in dem Zusammenhang ist, dass das von Greenpeace vorgestellte Gutachten in vielen Punkten die Argumente des Entwurfs der Energiestrategie stützt und keine wesentlich neuen Erkenntnisse liefert. Die Bedeutung von regionalwirtschaftlichen Effekten des Ausbaus der erneuerbaren Energien ist, wie ich denke, unstrittig. Auch das Gutachten von Greenpeace weist darauf hin, dass im gesamtdeutschen Kontext durchaus Handlungsbedarf besteht, wenn der überschüssige Strom weiterhin zu akzeptablen Konditionen exportiert werden soll.
Wenn Brandenburg aufgrund seiner guten Standortbedingungen Stromerzeugungsland und Stromexporteur bleiben will, muss es sich auf nationaler und gegebenenfalls auch auf internationaler Ebene aktiv um die Lösung der Systemintegration bemühen. Die Systemintegration ist die zentrale Herausforderung bei der weiteren Realisierung der Energiewende in der Bundespolitik und bei der Umsetzung der Energiestrategie im Land Brandenburg. Das bedeutet vor allem, die Entwicklung von innovativen Speichertechnologien sowie den Um- und Ausbau der Netze in den nächsten Jahren massiv voranzutreiben.
Von der Geschwindigkeit, mit der der Übergang zu einer versorgungssicheren und nachhaltigen Energieversorgung aus erneuerbaren Energien wie Wind, Biomasse und Sonne umgesetzt werden kann, wird es abhängen, ab wann wir auf fossile Energieträger wie Kohle oder Gas für die sichere und preisgünstige Energieversorgung verzichten können.
Genau das ist ein Schwerpunkt der „Energiestrategie 2030“. Ein weiterer ist die erstmals erfolgte Schwerpunktsetzung zum weiteren verstärkten Ausbau der erneuerbaren Energien. Das bedeutet im Umkehrschluss - das möchte ich für die Fraktion sagen - weniger Braunkohleverstromung.
Die Pressemitteilung von Greenpeace wurde mit dem Halbsatz eingeleitet: „Weg von der Braunkohle und hin zu mehr erneuerbaren Energien“. Genau das ist auch unser Ziel. Nur der Weg dorthin wird sich unterscheiden. Es ist durchaus legitim und auch opportun, wenn Greenpeace oder andere Umweltverbände fordern, dass Brandenburg bis 2030 aus der Braunkohleverstromung aussteigt. Das ist nun einmal die Rolle, die Greenpeace in der Gesellschaft einnimmt. Ich würde es begrüßen, wenn ein möglicher Weg dahin aufgezeigt würde. Nur leider fehlen hier die Antworten.
Eine Landesregierung muss berücksichtigen, dass die Infrastruktur - sprich Übertragungsnetze - schon jetzt an die Grenzen
ihrer Belastbarkeit kommt. Die Speicherfähigkeit der erneuerbaren Energien steckt erst in den Kinderschuhen, wenn überhaupt. Hier gibt es unterschiedliche Verantwortungen. Das ist auch zu der Rolle von Parteien zu sagen. Politische Parolen und Forderungen können nun einmal nicht physikalische Gesetzmäßigkeiten außer Kraft setzen.
Brandenburg wird mit der „Energiestrategie 2030“ und dem dazugehörigen Maßnahmenpaket Antworten liefern; wir werden sie diskutieren. Ich sagte es schon: Brandenburg war, ist und bleibt Energieland mit einer in Veränderung begriffenen Energiestruktur. Liebe Kolleginnen und Kollegen, diese Feststellung gehört, wie ich denke, dazu.
Eine nachhaltige Energiepolitik und die Sicherung der Versorgungssicherheit zu sozial verträglichen Preisen sind eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Für die Linke ist völlig klar: Je schneller es gelingt, unser vordringliches Vorhaben, die Energieversorgung aus erneuerbaren Energiequellen, so umzusetzen, dass sie grundlastfähig ist und somit Versorgungssicherheit schafft, desto schneller ist es möglich, aus der Stromerzeugung mit Braunkohle auszusteigen. Der Entwurf der „Energiestrategie 2030“ bietet hierfür eine gute Grundlage. - Herzlichen Dank.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gestatten Sie mir eine persönliche Anmerkung in Richtung unseres Ministerpräsidenten, Herrn Matthias Platzeck: Herr Ministerpräsident, ich hätte es gut und richtig gefunden, wenn Sie die Gelegenheit genutzt hätten, hier den Entwurf der Energiestrategie des Landes Brandenburg in einer Regierungserklärung vorzustellen, wenn Sie den Brandenburgerinnen und Brandenburgern, wenn Sie diesem Hause erklärt hätten, was die Leitlinien Ihrer Energiepolitik sind. Schade, dass Sie diese Chance verpasst haben.
Wir meinen - lassen Sie mich das in dieser Deutlichkeit sagen -: Das hätte auch etwas von Stil und Würde gehabt.
Ich will zweitens sagen, dass wir in diesem Hause große Übereinstimmung darin haben, dass der Umbau unserer Energiesysteme ein kompliziertes, komplexes, schwer zu prognostizierendes und, ja, auch schwer zu administrierendes Politikfeld ist.