Protocol of the Session on September 1, 2011

Meine Damen und Herren! Ich begrüße Sie zur 41. Plenarsitzung des Landtags Brandenburg.

Gemäß § 20 Absatz 2 Nr. 1 der Geschäftsordnung des Landtags Brandenburg teile ich Ihnen mit, was Sie bereits wissen: Herr Reinhold Dellmann hat mit Ablauf des 31.08.2011 auf seine Mitgliedschaft im Landtag Brandenburg verzichtet, und der Landeswahlleiter hat mitgeteilt, dass Herr Wolfgang Pohl mit Wirkung vom 01.09.2011 Mitglied des Landtags - in der SPDFraktion - geworden ist. Herzlich willkommen, Herr Pohl, und viel Freude an der Arbeit als Abgeordneter!

(Allgemeiner Beifall)

Meine Damen und Herren, Ihnen liegt der Entwurf der Tagesordnung vor. Gibt es hierzu Bemerkungen? - Herr Bischoff, bitte.

Vielen Dank, Herr Präsident. Ich beantrage im Namen der SPD-Fraktion die Erweiterung der Tagesordnung um einen neuen Tagesordnungspunkt 3. Hintergrund ist das Ausscheiden des Kollegen Reinhold Dellmann aus dem Untersuchungsausschuss 5/1 und das Nachrücken von Wolfgang Pohl mit der Überschrift der Drucksache, die schon verteilt worden ist. Es geht um die Wahl eines stellvertretenden Mitglieds im Untersuchungsausschuss 5/1.

Ich stelle diesen Antrag auf Erweiterung der Tagesordnung zur Abstimmung. Wer dem Folge leisten möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Gibt es Gegenstimmen? - Enthaltungen? Das ist nicht der Fall.

Ich stelle die gesamte Tagesordnung zur Abstimmung. Wer ihr Folge leisten möchte, den bitte ich um Zustimmung. - Gibt es Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Das ist nicht der Fall, sodass wir in die nun beschlossene Tagesordnung einsteigen können.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 1 auf:

Aktuelle Stunde

Thema: Keine Einschnitte bei den Arbeitsmarktinstrumenten durch den Bund!

Antrag der Fraktion der SPD

Drucksache 5/3806

Dazu liegt ein Entschließungsantrag der FDP-Fraktion in Drucksache 5/3927 vor.

Ich eröffne die Debatte mit dem Beitrag der SPD-Fraktion. Der Abgeordnete Baer spricht zu uns.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das heutige Thema zieht sich bereits durch die Landtagssitzungen der letzten Monate und hat mehrere Facetten, die es wert sind, einmal gesondert behandelt zu werden. Daher der Antrag zu dieser heutigen Aktuellen Stunde.

Brandenburger Unternehmen verzeichnen zurzeit ein robustes Wachstum mit guter Auftrags- und Beschäftigungslage. Auch der Arbeitsmarkt ist seit Monaten von einer positiven Entwicklung gekennzeichnet. Im August dieses Jahres hatten wir im Land Brandenburg - wie erst gestern vermeldet wurde - eine Arbeitslosenquote von 10,3 % zu verzeichnen. Zur Erinnerung: Im Jahre 2003 lag unsere Arbeitslosenquote bei 18,8 %. Dass wir so weit gekommen sind, bedurfte großer Anstrengungen, und wenn wir diese Entwicklung nicht gefährden wollen, müssen wir den von uns eingeschlagenen Weg auch weiter gehen.

Die SPD-Fraktion hat dieses Thema für die Aktuelle Stunde gewählt, weil die Planungen der Bundesregierung im Arbeitsund Sozialbereich diese Entwicklung gefährden. Der Titel des Gesetzentwurfs der Bundesregierung „Gesetz zur Verbesserung der Eingliederungschancen am Arbeitsmarkt“ verspricht Gutes, aber der Inhalt hält dieses Versprechen nicht. Das neugeordnete Instrumentarium reduziert die Chancen gerade derjenigen, die Hilfe besonders nötig haben, und ist damit unsozial, denn es handelt sich hier lediglich um ein Sparpaket zulasten der Schwachen der Gesellschaft.

Eine der wichtigsten Aufgaben der aktiven Arbeitsmarktpolitik ist es doch, die Integration Arbeitsloser in das Erwerbsleben zu unterstützen. Die anhaltende positive Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt hat aber kaum zu einer Verbesserung gerade in der Gruppe der Langzeitarbeitslosen geführt. Sie haben teils erhebliche Handicaps, die ihnen den Zugang zum Arbeitsmarkt erschweren. Es erfordert darum einen höheren finanziellen und auch personellen Aufwand, sie in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Darum ist gerade in diesem Bereich die staatlich geförderte Beschäftigung weiterhin unerlässlich. Wenn nicht Hunderttausende von Menschen vom Arbeitsmarkt abgekoppelt werden sollen, bedarf es weiterhin einer geregelten öffentlich geförderten Beschäftigung, die nicht losgelöst vom Tarifsystem stattfinden darf.

Das Ziel der vorliegenden Reform liegt auf der Hand: Es geht der Bundesregierung mit dem Gesetzentwurf eben nicht darum, Menschen durch Arbeit und Beschäftigung eine dauerhafte Teilhabe an der Gesellschaft zu ermöglichen, sondern einfach darum, Finanzmittel auf Kosten der sozial Schwachen zu sparen. Das hat mit der von uns geforderten Fairness auf dem Arbeitsmarkt nichts zu tun.

(Beifall SPD und DIE LINKE)

Wie man mit Begrenzungen der Mittel für Existenzgründungen aus der Arbeitslosigkeit und der drastischen Mittelkürzung im Bereich der öffentlich geförderten Beschäftigung die Eingliederungschancen verbessern soll, ist mir unerklärlich. Die Begründung der Mittelkürzung mit dem Hinweis auf die sinkende Zahl der Arbeitslosen - wie ja auch heute im Antrag der FDPFraktion formuliert ist - müsste eigentlich klar machen, dass der Aufschwung auf dem Arbeitsmarkt an Langzeitarbeitslosen

und benachteiligten Gruppen vorbeigeht. Und gerade jetzt haben wir doch die Möglichkeit, auch diese Menschen erfolgreich in Beschäftigung zu bringen. Von den Streichungen im Bereich der ABM sind insbesondere Frauen betroffen. Fördermöglichkeiten bei Schwerbehinderten werden ebenfalls verschlechtert. Ein leistungsfähiger, sozialer Arbeitsmarkt sieht anders aus.

Wir in Brandenburg gehen schon seit vielen Jahren den besseren Weg: Wir entwickeln innovative Konzepte der Arbeitsförderung. Ziel der brandenburgischen Arbeitsmarktpolitik ist es eben nicht, Arbeitslosigkeit zu verwalten. Der Arbeitsmarkt im Land Brandenburg braucht jeden einzelnen Menschen. Demografischer Wandel und steigender Fachkräftebedarf machen dies auch dringend erforderlich.

Das arbeitspolitische Programm in Brandenburg 2011/2012 „In Menschen investieren und Regionen stärken“ zeigt, worauf unser Hauptaugenmerk gerichtet ist: Wir setzen auf Qualifizierung der Menschen. Aber eines dürfen wir in Brandenburg nicht vergessen: Wir sind nachhaltig auf die Gelder der EU und des Bundes angewiesen. Die geplanten Kürzungen würden verheerende Auswirkungen haben. Diese Politik der Bundesregierung ist eine Politik auf dem Rücken der Menschen, die gerade die Unterstützung der Gesellschaft brauchen.

(Vereinzelt Beifall SPD und DIE LINKE)

Wenn Rechtsansprüche von Arbeitsuchenden auf Leistungen der Arbeitsmarktpolitik durch die Umwandlung von Pflicht- in Ermessensentscheidungen eingeschränkt werden, ist damit niemandem geholfen, nicht den Fallmanagern in der Bundesagentur für Arbeit und erst recht nicht den Arbeitsuchenden. Ist das Budget erschöpft, gibt es keine Förderung mehr, allein durch die Umwandlung von Pflicht- in Ermessensleistungen plant die Bundesarbeitsministerin 2011 2 Milliarden Euro und ab 2014 jährlich 5 Milliarden Euro einzusparen.

Zahlreiche Maßnahmen werden in dem neuen Gesetz gleich komplett gestrichen, so zum Beispiel der Qualifizierungsbonus für jüngere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer oder die Entgeltsicherung für Ältere. Das, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist keine verlässliche Arbeitsmarktpolitik.

(Vereinzelt Beifall SPD und DIE LINKE)

Die Pläne der Bundesregierung sehen im Zeitraum von 2012 bis 2015 allein für Brandenburg Kürzungen zulasten der Langzeitarbeitslosen - also des SGB-II-Bereichs - von mehr als 900 Millionen Euro vor. Durch die Kürzungen fehlen Brandenburg im Bereich des SGB III im gleichen Zeitraum fast 600 Millionen Euro. Insgesamt werden die Mittel also um rund 1,5 Milliarden Euro gekürzt.

Es wundert darum überhaupt nicht, wenn renommierte Fachleute der Arbeits- und Sozialpolitik aus Sozialverbänden, Hochschulen und Gewerkschaften gegen das Gesetzesvorhaben Sturm laufen und unter der Überschrift „Arbeitsmarktpolitik für alle!“ zur Umkehr aufrufen. Sie fordern erstens eine Rücknahme der Sparbeschlüsse in der Beschäftigungsförderung, zweitens mehr Handlungsspielräume für die Jobcenter vor Ort und drittens mehr sinnvolle Beschäftigungsangebote für schwer vermittelbare Langzeitarbeitslose. Die Forderung nach einem arbeitsmarktpolitischen Kurswechsel ist nicht nur nachvollzieh

bar, sondern eine logische Konsequenz aus der geplanten massiven Einschränkung der Handlungsfähigkeit dieser Verbände.

Gute Arbeitsmarktpolitik setzt auf Bildung, Ausbildung und Qualifizierung. Gute Arbeitsmarktpolitik setzt auf öffentlich geförderte Beschäftigung, um auch benachteiligte Personengruppen in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Und: Gute Arbeitsmarktpolitik, liebe Kolleginnen und Kollegen, setzt auf faire Löhne.

Ein leistungsfähiger, sozialer Arbeitsmarkt heißt: Gut ausgebildete Fachkräfte arbeiten zu auskömmlichen Löhnen. Wir brauchen eine neue, eine faire Ordnung am Arbeitsmarkt, die mit einer zielgerichteten, arbeitsmarktnahen Politik die Zahl der Menschen, die ohne Arbeit sind, senkt, die die Leiharbeit und prekäre Arbeit reguliert und flächendeckend und allgemeinverbindlich einen gesetzlichen Mindestlohn einführt.

(Beifall SPD und DIE LINKE)

Nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit entsteht bereits heute mehr als jeder vierte Arbeitsplatz in geringfügiger Beschäftigung. Darum bedeutet mehr Regulierung auch mehr Sicherheit und Teilhabe am Aufschwung für alle Beschäftigten. Die positiven Auswirkungen auf die problematische Situation auch in den Sozialversicherungen sind dabei ebenfalls nicht zu übersehen.

Ich habe hier schon einmal gesagt: Gut ein Drittel der erwerbsfähigen ALG-II-Bezieher seien erwerbstätig, aber ihr Lohn reiche eben nicht aus, um davon ihren Lebensunterhalt bestreiten zu können. Über 2 Milliarden Euro pro Jahr gibt der Staat derzeit für Aufstocker mit Vollzeitjob aus und subventioniert damit die Arbeitgeber, die Abnehmer zu Hungerlöhnen beschäftigen. Das gehört auch zur Wahrheit: Ein auskömmlicher, fairer Lohn würde so manche ALG-II-Zahlung unnötig machen. Die Bundesregierung selbst bezeichnet die Ausweitung des Niedriglohnsektors in ihrem Armutsbericht als besorgniserregend. Ich kann nur sagen: Recht hat sie!

(Beifall SPD und DIE LINKE)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, der Arbeitsmarkt steht vor großen Herausforderungen, weil er trotz positiver Gesamtentwicklung einen verfestigten Sockel von Langzeitarbeitslosen aufweist. Darum brauchen wir auch weiterhin - und nicht weniger, sondern mehr - Engagement in der aktiven Arbeitsmarktpolitik, und dafür gilt es sich hier einzusetzen. - Vielen Dank.

(Beifall SPD und DIE LINKE)

Wir setzen die Aussprache mit dem Beitrag der CDU-Fraktion fort. Es spricht die Abgeordnete Schier.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der tiefere Sinn des vorliegenden Antrags will sich mir nicht so recht erschließen, denn die Krise, die es durch den Einbruch der Arbeitsmärkte in den neuen Bundesländern nach der Wende gegeben hat, ist ja definitiv vorbei.

Im Jahr 2010 hat die Erwerbstätigkeit den höchsten Stand seit der Wiedervereinigung erreicht. Ich möchte das am Beispiel

des wirklich gebeutelten Senftenberg deutlich machen: Mitte der 90er Jahre gab es dort eine Arbeitslosenquote von über 30 %; heute sind es 14,3 %. Jeder Arbeitslose ist einer zu viel, aber das ist eine Halbierung der Arbeitslosigkeit, und darüber kann man sich freuen. Besonders stark hat die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung zugenommen, und das betrifft nicht nur die Teilzeitbeschäftigung, sondern gerade die Vollzeitbeschäftigung.

Die Nachfrage nach Arbeitskräften nimmt laut Bundesarbeitsagentur deutlich zu. Im August beispielsweise wurden über die Jobbörse der BA 900 000 offene Stellen und 200 000 Ausbildungsplätze angeboten. Das sind längst nicht alle freien Arbeitsplätze, denn viele Unternehmen suchen eigenständig nach Arbeitskräften.

Der demografische Wandel und die zunehmende Nachfrage nach Fachkräften haben zu einer Abnahme des Arbeitskräfteangebots geführt. Brandenburg hat folglich - wie fast alle anderen Bundesländer - rückläufige Arbeitslosenzahlen. Gestern wurden die Arbeitsmarktzahlen für den August veröffentlicht. Herr Baer sagte es schon: Mit 10,3 % ist das der niedrigste Augustwert seit 20 Jahren. Das ist doch ein Riesenerfolg!

(Beifall CDU - Holzschuher [SPD]: Das ist doch kein Grund aufzuhören!)

- Dazu komme ich noch.

Besonders unsere Schulabgänger, unsere jungen Menschen haben wesentlich bessere Chancen, einen Beruf zu finden, als noch vor fünf Jahren.

Rückläufige Arbeitslosenzahlen - und davor darf man die Augen bitte nicht verschließen - bedeuten auch einen Rückgang der Mittel für die arbeitsmarktpolitischen Instrumente.

(Frau Lehmann [SPD]: Genau! Das wollen Sie!)

Zudem kommt es innerhalb - Moment, ich bin noch gar nicht fertig. Kollegin Lehmann; Sie lassen mich ja gar nicht zu Wort kommen