Protocol of the Session on August 29, 2013

Meine Damen und Herren, es ist Punkt 9 Uhr. Ich begrüße Sie herzlich zu dieser ungewohnten Zeit im Plenum.

Ihnen liegt der Entwurf der Tagesordnung vor. Gibt es hierzu Bemerkungen? - Wenn dies nicht der Fall ist, bitte ich um Zustimmungen zur Tagesordnung. - Gibt es Gegenstimmen? Enthaltungen? - Beides ist nicht der Fall. Damit ist die Tagesordnung beschlossen.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 1 auf:

Regierungserklärung des Ministerpräsidenten des Landes Brandenburg und Aussprache

Bitte schön, Herr Ministerpräsident.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Bevor ich mit der Regierungserklärung beginne, gestatten Sie mir eine persönliche Bemerkung:

Am kommenden Sonntag begehen auch wir in Brandenburg den Antikriegstag und erinnern damit an den Einmarsch Hitlerdeutschlands in Polen und den Beginn des Zweiten Weltkriegs vor 74 Jahren. Das millionenfache Leid des Zweiten Weltkriegs ist für mich Anlass, heute Morgen den Blick nach Syrien zu wenden. Ich weiß um die Sorgen vieler Menschen in Brandenburg, und, meine sehr verehrten Damen und Herren, ich teile diese Sorgen. Die Weltgemeinschaft muss geschlossen nach Wegen suchen, diesen fürchterlichen Bürgerkrieg zu beenden. Sie muss nach Wegen suchen, den Flüchtlingen zu helfen. Und sie muss nach Wegen suchen, zu verhindern, dass in dieser Region ein neuer Flächenbrand entsteht, der unkontrollierbare Ausmaße annehmen kann.

(Beifall SPD und DIE LINKE)

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mit dem gestrigen Tag habe ich mein Amt als Ministerpräsident von Brandenburg angetreten. Ich weiß: Auf mich wie auf uns alle kommen in den kommenden Monaten und Jahren große Aufgaben zu. Aber ich weiß auch: Ich stehe im Dienste der Bürgerinnen und Bürger unseres Landes, eines Landes, das in seiner noch jungen Geschichte schon sehr, sehr viel erreicht hat. Wir feiern schon bald unseren 25. Geburtstag. Brandenburg ist damit im wahrsten Sinne des Wortes erwachsen geworden, und Brandenburg ist, meine sehr verehrten Damen und Herren, ein modernes Land.

Brandenburg ist stark, Brandenburg ist lebenswert. Und: Brandenburg hat Zukunft und wird seinen Weg weiter gehen.

Dass ich das alles heute hier so klar sagen kann, ist das Verdienst aller Brandenburgerinnen und Brandenburger, die unser Land gemeinsam aufgebaut haben. Aber es ist auch gerade das Verdienst meiner beiden Amtsvorgänger. Manfred Stolpe und Matthias Platzeck waren außerordentliche Landesväter.

(Beifall SPD und DIE LINKE)

Und sie waren außerordentliche Ministerpräsidenten - der eine wie der andere, jeder auf seine ganz eigene Art. Ohne Manfred Stolpe und Matthias Platzeck würde unser Land heute bei Weitem nicht so gut und so stabil dastehen, wie es das tut.

Im Namen der gesamten Landesregierung danke ich heute unserem scheidenden Ministerpräsidenten Matthias Platzeck nochmals von ganzem Herzen für seine großartige Arbeit im Dienste unseres Landes.

(Beifall SPD und DIE LINKE)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Manfred Stolpe und Matthias Platzeck nachzufolgen bedeutet für mich eine sehr große Herausforderung. Diese Herausforderung nehme ich an - mit großem Respekt, mit großer Ernsthaftigkeit, mit einem guten Schuss Demut, aber auch mit Zuversicht und Optimismus. Ich verspreche Ihnen und verspreche allen Bürgerinnen und Bürgern unseres Landes: Ich werde Ihnen mit ganzer Kraft dienen. Ich werde unserem Land mit ganzer Kraft dienen.

Die Medien haben mich bereits als „Dr. Sachlich“ klassifiziert; das ist in Ordnung. Nach vielen Jahren als Abgeordneter, in zwei Ministerämtern und einem Jahr als Vorsitzender der SPDFraktion hier im Brandenburger Landtag kann ich mit diesem Image gut leben. Aber, meine Damen und Herren, Sachlichkeit ist nicht alles. Sie alle kennen Max Webers berühmte Definition von Politik als dem „Bohren von harten Brettern mit Leidenschaft und Augenmaß zugleich“. Seien Sie ganz sicher: Meine Leidenschaft für Brandenburg ist genauso groß wie das Augenmaß, das ich bei meiner politischen Arbeit angestrebt habe und natürlich auch in Zukunft anstreben werde. Augenmaß und Leidenschaft, beides gehört zusammen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir in Brandenburg haben Verhältnisse geschaffen, in denen es sich sehr gut leben lässt. Wir haben Vertrauen zueinander und im Verhältnis zwischen Bürgern und Staat erlangt. Und wir in Brandenburg haben eine gemeinsame Identität gefunden. Brandenburgs Bürgerinnen und Bürger sind stolz auf ihr Land. Liebe Kolleginnen und Kollegen, das ist großes Kapital für uns.

Für die Herausforderungen, die vor uns liegen, sind wir gewappnet. Das müssen wir auch sein, denn diese Herausforderungen werden beträchtlich sein und uns über viele Jahre begleiten. Es geht um ganz zentrale Fragen: um den inneren Zusammenhalt unseres Landes, den demografischen Umbruch, die Energiewende und die Sicherung unseres Landes als Industriestandort. Es geht aber auch darum, wie wir Brandenburg als ein Land der guten, anständig bezahlten und sicheren Arbeit ausgestalten.

(Beifall SPD und DIE LINKE)

Es geht darum, eine vorsorgende Gesellschafts- und Sozialpolitik zu betreiben, die eben nicht erst dann eingreift, wenn Entwicklungen bereits aus dem Ruder gelaufen sind. Es geht auch um solide öffentliche Finanzen.

Es handelt sich hier, meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, nicht um einmalig auftauchende oder gar um schnell zu lösende Probleme, sondern um große strukturelle Aufgaben, die uns über Jahre hinaus beschäftigen werden. An der Lösung dieser zentralen Aufgaben

für unser Land Brandenburg werden wir alle gemeinsam gemessen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, nicht wenige habe die Brandenburger Große Koalition aus SPD und Linkspartei anfänglich mit Vorbehalten - ich kann hinzufügen: großen Vorbehalten - begleitet. Diese Vorbehalte sind gewichen. Die rot-rote Regierungskoalition arbeitet intensiv und erfolgreich für unser Land. „Gemeinsinn und Erneuerung“ - das Motto unseres Koalitionsvertrages - durchzieht wie ein roter Faden unsere Politik. Dabei wird es auch in den verbleibenden 13 Monaten dieser Legislaturperiode bleiben. Sozialdemokratie und Linkspartei beweisen gerade hier in Brandenburg, dass es nach zwei Jahrzehnten Demokratie möglich ist, vertrauensvoll zusammenzuarbeiten -

(Beifall SPD, DIE LINKE sowie von der Regierungsbank)

- zusammenzuarbeiten, ohne Vergangenes zu vergessen oder zu verdrängen, und gemeinsam nach vorn zu blicken und die Probleme unseres Landes entschlossen anzugehen.

Gemeinsam haben wir dafür gesorgt, dass gute Arbeit immer mehr zur Realität hier in unserem Land Brandenburg wird. Dafür steht unser Vergabegesetz. Die Landesregierung wird in Kürze einen Gesetzentwurf vorlegen, mit dem der bestehende Mindestlohn bei öffentlichen Aufträgen auf 8,50 Euro erhöht wird. Damit folgen wir dem Vorschlag der Mindestlohnkommission.

(Beifall SPD, DIE LINKE sowie von der Regierungsbank)

Gute Arbeit heißt für uns auch: Unternehmen mit zu hoher Leiharbeiterquote sind von der Förderung im Rahmen der Richtlinie zur Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur ausgenommen. Dafür steht auch der von der Landesregierung initiierte und vorangetriebene Dialog der Sozialpartner. Wir wollen und haben - selbstbewusste Unternehmerinnen und Unternehmer. Und wir haben starke Gewerkschaften. Darum kann ich auch an dieser Stelle alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nur ausdrücklich aufrufen: Treten Sie in die Gewerkschaften ein!

(Beifall SPD, DIE LINKE sowie von der Regierungsbank)

Für alle Unternehmer gilt: Werden Sie Mitglied in den Arbeitgeberverbänden!

(Beifall SPD sowie vereinzelt von der Regierungsbank)

Am Leitbild guter Arbeit orientieren sich auch die von dieser Regierung verbesserten Integrationsmöglichkeiten für Langzeitarbeitslose und unser energischer Einsatz für einen bundesweit einheitlichen gesetzlichen Mindestlohn.

(Beifall SPD, DIE LINKE sowie von der Regierungsbank)

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Jeder weiß: Bildung ist der Rohstoff, aus dem Wohlstand und Lebenschancen gemacht werden. Deshalb haben wir auf dem Gebiet der Bildung systematisch in Qualität und Chancengleichheit investiert. Wir haben den Betreuungsschlüssel in den Kitas verbessert und damit die Voraussetzungen für 1 000 zusätzliche Erzieherstellen geschaffen. Wir haben das Brandenburger Schüler-BAföG einge

führt, weil Bildung eben nicht vom Geldbeutel der Eltern abhängen darf und soziale Gerechtigkeit immer auch und vor allem Bildungsgerechtigkeit heißt.

(Beifall SPD, DIE LINKE sowie von der Regierungsbank)

Wir haben rund 2 000 neue Lehrerinnen und Lehrer eingestellt, fast doppelt so viele, wie wir es 2009 zugesagt hatten.

(Beifall SPD und DIE LINKE)

Das bringt frischen Wind in die Klassenzimmer. Davon profitieren letztlich wir alle. In diesem Zusammenhang sage ich hier klipp und klar: Meine Regierung wird für eine weitere Verbesserung an unseren Schulen sorgen. Wir erhöhen die Vertretungsreserve bei den Lehrern ab dem Frühjahr 2014 um 50 %, ohne dass es Abstriche an den Konsolidierungszielen des Haushaltes geben wird.

(Beifall SPD, DIE LINKE sowie von der Regierungsbank)

Damit werden die Schulen Unterrichtsausfall schneller und besser begegnen können. Meine sehr verehrten Damen und Herren, das bedeutet immerhin 10 Millionen Euro mehr - zusätzlich! - ab dem Frühjahr 2014 für Bildung in unserem Land. Dieses Geld ist gut angelegtes Geld.

(Beifall SPD, DIE LINKE sowie von der Regierungsbank)

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben den Rahmen für eine lebendige Zivilgesellschaft geschaffen, beispielsweise durch unsere systematische Förderung des bürgerschaftlichen Engagements, aber auch durch die Herabsetzung des Wahlalters bei Brandenburger Wahlen auf 16 Jahre. Gerade in dieser Entscheidung kommt zugleich die Wertschätzung zum Ausdruck, die diese Landesregierung den jungen Menschen im Land entgegenbringt. Sie sind das Kostbarste, was wir in Brandenburg haben.

(Beifall SPD, DIE LINKE sowie von der Regierungsbank)

Ohne sie hätte Brandenburg keine Zukunft. Wir werden durch gute Bildung jeden jungen Menschen so unterstützen, dass seine Fähigkeiten und Begabungen voll entfaltet werden können. Die Wahrheit ist: Jeder einzelne junge Mensch in unserem Land, der sich ein bisschen anstrengt, kann sich heute ziemlich sicher sein, gebraucht zu werden - jede einzelne junge Frau und jeder einzelne junge Mann.

Das ist auch deshalb so, weil sich die Wirtschaftslage in unserem Land in den vergangenen Jahren deutlich verbessert hat. Dies wiederum verdanken wir zuerst den vielen tüchtigen Unternehmerinnen und Unternehmern. Wir verdanken es unserem Mittelstand, den Handwerkern, den Handel- und Gewerbetreibenden hier im Land. Sie haben Arbeitsplätze geschaffen. Sie halten unsere Wirtschaft unter Dampf.

(Beifall SPD, DIE LINKE sowie von der Regierungsbank)

Aber die Lage wird komplizierter. Im Schuljahr 1995/1996 gab es in Brandenburg noch fast 34 000 Schulabgänger. Inzwischen hat sich diese Zahl nahezu halbiert. Daraus ergibt sich im Umkehrschluss eine sehr gute Nachricht, nämlich die, dass wir in Brandenburg im Prinzip jeder jungen Frau und jedem

jungen Mann einen guten Arbeitsplatz bieten können. Das bedeutet, dass wir Lebens-, Berufs- und Aufstiegschancen allen jungen Menschen bieten können. Was für ein Kontrast zu den hinter uns liegenden Jahren, vor allen Dingen zu den 90er-Jahren der Massenarbeitslosigkeit und der Perspektivlosigkeit.

Wenn wir gemeinsam auf dieser Erfolgsspur bleiben wollen, müssen wir wirklich jeden jungen Mann und jede junge Frau mitnehmen. Darum appelliere ich eindringlich an alle Unternehmen hier im Land: Schaffen Sie Ausbildungsplätze, wo immer Sie nur können!