Meine Damen und Herren! Ich eröffne die heutige Sitzung. Ich begrüße unsere erste Gästegruppe: Schülerinnen und Schüler der Oberschule Schwanebeck. Ich wünsche euch einen spannenden Vormittag hier im Landtag Brandenburg.
Ich habe die erfreuliche Aufgabe, dem Abgeordneten Dieter Groß zu seinem heutigen Geburtstag zu gratulieren.
Ich haben Ihnen mitzuteilen, dass die Entschließungsanträge 5/6709 und 5/6735 durch die Antragsteller zurückgezogen worden sind.
Gibt es zum vorliegenden Entwurf der Tagesordnung weitere Bemerkungen? - Wenn das nicht der Fall ist, lasse ich über die Tagesordnung abstimmen. Wer ihr zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Gibt es Gegenstimmen oder Enthaltungen? - Beides ist nicht der Fall.
Wir haben auch heute auf Herrn Minister Baaske und auf Frau Ministerin Prof. Dr.-Ing. Dr. Kunst zu verzichten, die durch Herrn Minister Vogelsänger und Frau Ministerin Dr. Münch vertreten werden.
Des Weiteren liegt ein Entschließungsantrag der Fraktion der SPD, der Fraktion DIE LINKE, der Fraktion der CDU, der Fraktion der FDP und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Drucksache 5/6756, vor.
Wir beginnen die Debatte mit dem Beitrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Die Abgeordnete Niels spricht zu uns.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich möchte damit beginnen, meine Zufriedenheit darüber zum Ausdruck zu bringen, dass wir es geschafft haben, dass alle fünf im Landtag vertretenen Fraktionen einen gemeinsamen
Zusammen mit den Kolleginnen und Kollegen der Fraktion DIE LINKE in unserem Parlament und mit vielen Umweltverbänden hatten wir im Jahr 2007 eine Volkinitiative, die später in die Phase des Volksbegehrens eintrat, initiiert. Wir als BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN, die Linke und viele Umweltverbände hatten ein Volksbegehren mit dem Namen „Keine neuen Tagebaue - für eine zukunftsfähige Energiepolitik“ durchgeführt.
Im Rahmen dessen haben wir immer wieder darauf hingewiesen, dass es seit vielen Jahrzehnten in Brandenburg das Problem gibt, dass sich durch die Grundwasserabsenkung im Zusammenhang mit der Braunkohlegewinnung und durch die damit verbundenen Oxidationsprozesse - denn Braunkohle besteht zu ungefähr 50 % aus Wasser - zum Beispiel Eisenocker und Sulfate bilden und wir bei der Trinkwassergewinnung ein ganz großes Problem haben.
Der Raum Frankfurt (Oder) wird aus dem Wasserwerk Briesen mit Trinkwasser versorgt. Das Oberflächenwasser wird zu 90 % für die Trinkwassergewinnung verwendet. Seit vielen Jahren ist das Problem bekannt, dass die Sulfatfrachten dort sehr hoch sind und teilweise 120 mg pro Liter betragen. Im Wasserwerk Friedrichshagen in Berlin werden 70 % bis 80 % des Oberflächenwassers für die Trinkwassergewinnung verwendet. Auch dort hat man mit sehr hohen Sulfatwerten zu tun. Ab und an wurden die Berliner schon gar nicht mehr vom Wasserwerk Friedrichshagen versorgt. Diese Probleme sind seit vielen Jahren bekannt. Ich betone, dass die Sulfatfrachten auch ein Problem von aktiven Tagebauen sind.
In dem Antrag haben wir uns auf das Eisenocker fokussiert. Das Problem der Verockerung ist damit in Zusammenhang zu bringen, dass beim Grundwasserwiederanstieg alter Tagebaue das Eisenocker gelöst wird und sich damit in die Spreeläufe begibt. Dieses Problem ist sichtbar geworden.
Während wir noch bis 2008 auch im Spreewald mit dem Volksbegehren für eine zukunftsfähige Energiepolitik unterwegs waren und immer wieder auf die Problematiken im Zusammenhang mit dem Tagebau hingewiesen haben und relativ wenig Gehör fanden - wie ich einmal sage -, ist das Problem mittlerweile augenfällig geworden, und zwar in einem sehr extremen Ausmaß.
Erfreulicherweise hat sich im Oktober 2012 das Bündnis „Klare Spree“ gegründet. Ich freue mich besonders über den konstruktiven Namen und bin diesem Bündnis beigetreten. Ich habe es mit unterzeichnet, auch wenn in der Erklärung ein kleiner Punkt steht, der heißt, für den Fall des Aufschlusses neuer Tagebaue würde man diese oder jene Maßnahmen ergreifen. Trotzdem habe ich es unterzeichnet. Es ist ein konstruktives Bündnis, so wie es damals auch unser Volksbegehren war.
Ich bin sehr froh, dass man jetzt erkannt hat, dass die Lausitz nicht nur die Kohleverstromung als Branche hat. Wir haben verschiedene Wirtschaftszweige. Wir Bündnisgrünen und auch die Umweltverbände wie auch die Partei DIE LINKE haben immer wieder darauf hingewiesen, man muss sich einmal ein Zukunftskonzept für die Lausitz überlegen und daran denken:
Wir haben den Tourismus in der Lausitz und im Spreewald. Wir haben die Fischerei als Wirtschaftszweig. Im Zusammenhang damit haben wir sehr viel Werbung gemacht und unser Bundesland Brandenburg auch zu Recht beworben. Jetzt endlich ist es so weit, dass man hier in diesem Hohen Hause erkennt: Wir brauchen ein Maßnahmenpaket. Wir müssen die Landesregierung zum sofortigen Handeln auffordern, um das Problem der Verockerung und der Sulfatbelastung in den Griff zu bekommen.
Denn dramatischerweise werden wir dieses Problem mit seinem Belastungshöhepunkt erst im nächsten oder im übernächsten Jahr erleben und ungefähr 100 Jahre mit uns tragen müssen. Es gibt nämlich zurzeit noch keine sehr gute technische Maßnahme, Sulfat aus dem Wasser zu eliminieren. Es gibt bisher Ansätze, besonders in puncto physikalischer Beräumung, Eisenocker wieder aus dem Wasser zu entfernen, aber noch keine wirklich vielversprechenden großtechnischen Maßnahmen. Deswegen muss es nach all diesen Projekten, die es nach dem Monitoring im Jahr 2003, als es die GEOS-Studie zur Sulfatbelastung gab, nach all diesen Messungen, nach allen Pilotprojekten zur Reinigung nun endlich ein Maßnahmenpaket geben und eine ganz stringente Ausrichtung für die Praxis.
Als sich alle fünf Fraktionen zusammengesetzt haben, ist diskutiert worden, was wir von der Landesregierung genau fordern. In einer Debatte wurde festgestellt, dass das Verursacherprinzip für die Probleme gilt und man Vattenfall zur Kasse bitten muss. Ich kann damit leben, dass dies nicht im Antrag steht, da wir geltendes Bundesrecht haben.
Ich möchte aus einer Antwort der Landesregierung aus dem Januar 2012 zitieren. Michael Jungclaus und ich hatten die Frage gestellt: Wer kommt für die Schäden auf, auch im Sinne des Umweltschadensgesetzes?
„Wird für Schäden im Zusammenhang mit der bergbaulichen Tätigkeit sowie dem Grundwasserwiederanstieg in den Sanierungsbereichen eine eindeutige bergrechtliche Verantwortung nachgewiesen, ist der Bergbautreibende bzw. der Sanierungsträger für die Beseitigung/Regulierung verantwortlich.“
Das ist geltendes Recht, und insofern fand ich das für unseren Entschließungsantrag durchaus verzichtbar. Im Zusammenhang mit den Studien, die durch die LMBV auch noch weitergeführt werden - im Frühjahr werden uns noch weitere Teile dieser Studie präsentiert, was besonders den Osten der Lausitz betrifft -, wird man feststellen, wer aktuell die Verursacher sind. Auch hinsichtlich der Finanzierung wird es dann erst noch die großen Debatten geben. Das, was wir heute in Angriff nehmen, ist ein allererster Schritt nach dem, was in all den vergangenen Jahren verschlafen wurde. Nun wird gehandelt, und dafür bin ich dankbar. - Danke schön.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mein Dank gilt zuerst dem Aktionsbündnis „Klare Spree“, welches über alle politischen Grenzen hinweg die bislang größte Gefahr für den Spreewald, die sogenannte Verockerung, genauso gezielt wie aber auch sachlich in das Bewusstsein der Öffentlichkeit getragen hat. Frau Niels, hier unterscheiden wir uns. Das finde ich gut. Ich bin diesem Aktionsbündnis auch beigetreten,
weil dort zwischen Sanierungsbergbau und aktivem Bergbau differenziert wird. Kein Wirtschaftsexperte, kein Bergbausanierer, kein kommerzieller oder naturfachlicher Interessenvertreter hat das in dieser Art und Weise vorhergesehen. Auch wir Einwohner des Spreewaldes wurden von der Größe, der Zeitdauer und der umfassenden Auswirkung des Grundwasserwiederanstieges mit seiner Eisen- und Sulfatlast überrascht. Diese Überraschung kann aber ab heute nicht mehr als Vorwand für die stillschweigende Akzeptanz durch Verantwortliche herhalten.
Es macht auch keinen Sinn, im Nachhinein eine lange Rückschau zu halten und weiter Ursachenforschung betreiben zu wollen, wer wofür wann Verantwortung getragen hat. Der Bergbau hat eine 160 Jahre alte Tradition in der Lausitz. Wenn man zu Beginn über seine Auswirkungen nach Jahrzehnten nichts wusste, so war es zu DDR-Zeiten der größte Raubbau, der mit einer menschenverachtenden Devastierung einherging, ohne und das ist der Unterschied zu heute - dass die ökonomischen Grundlagen für eine wirkliche und umfassende Entschädigung und Sanierung bereitgestellt wurden.
Selbst mit Stilllegung der Tagebaue Anfang der 90er-Jahre konnte man über die tatsächliche Größe der Auswirkungen nur Vermutungen anstellen. Ich gebe Ihnen Recht, Frau Niels, umso wichtiger ist heute, dass der jetzt aktive Bergbau Rückstellungen für dessen Folgen und für die Sanierung zwingend und gegen Nachweis einstellt. In dem Antrag finden wir einen Passus, in dem es heißt, dass die Landesregierung im III. Quartal in einem Bericht die Maßnahmen aufzeigen soll, zu denen Vattenfall aufgefordert ist, um den Menschen in der betroffenen Region die Gewissheit zu geben, dass sich etwas geändert hat.
Meine Damen und Herren, um es mit aller Deutlichkeit zu sagen, jetzt ist - um einen Begriff zu gebrauchen, der kurzfristiges Handeln in Notstandssituationen erlaubt bzw. sogar gebietet - Gefahr im Verzug sowohl in der Spree selbst als auch in den Fließgewässern unterhalb der Talsperre. Die schnellstmögliche Wiederinbetriebnahme der Grubenwasserreinigungsanla
ge Vetschau oder der kurzfristige Bau zweier neuer Anlagen am Greifenhainer Fließ oder an der Wudritz würden zumindest eine langfristige Teillösung darstellen, bevor man wesentlich umfangreichere, aber unbedingt notwendige weitere Maßnahmen realisiert, und zwar dann auch oberhalb der Talsperre.
Helfen kann das alles nur, wenn Planungsabläufe, Beteiligungsverfahren und Realisierung sowie die Suche nach Deponierungsmöglichkeiten - auch das ist noch ein Punkt - für Vetschau noch im Jahr 2013 und, wenn es geht, für die neuen Anlagen im Jahr 2014 erfolgen. Das gilt gleichzeitig für den Erwerb, die Pacht oder die Enteignung benötigter Flächen. Es kann nicht sein, dass es wie in der Vergangenheit - laut Aussage der LMBV zu jahrelangem Stillstand im Beteiligungsverfahren kommt, weil eine bestimmte Käferart, eine bestimmte Lurchart an einer bestimmten Stelle die Dinge über Jahre verzögern. Wer weiter so an diese Sache herangeht, der riskiert nicht nur, dass an einer bestimmten Stelle für einen bestimmten Zeitraum eine Art verschwindet, der riskiert auch, dass Flora und Fauna des gesamten Spreewaldes nachhaltig geschädigt werden.
Es kann nicht sein, dass aufgrund von Verfahrensdauern über Jahre hinweg Arbeitsplätze im Tourismus des Spreewaldes oder auch in der Seenkette - die ist genauso betroffen - gefährdet werden. Frau Niels, Sie haben darauf hingewiesen. Ich warne auch davor, zu sagen: Jetzt geht die Welt unter. Denn das wäre schädlich. Wir sind im Moment an einem Punkt, wo wir das Problem noch beherrschen können. Aber dieser Punkt ist heute und jetzt, dieser Punkt ist nicht in zwei oder drei Jahren.