Protocol of the Session on October 7, 2010

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich eröffne die 23. Plenarsitzung und begrüße als unsere Gäste Schülerinnen und Schüler des Bertolt-Brecht-Gymnasiums aus dem schönen Bad Freienwalde. Herzlich willkommen im Landtag!

(Allgemeiner Beifall)

Meine Damen und Herren! Gibt es Bemerkungen zur Tagesordnung? - Da das nicht der Fall ist, wollen wir über sie abstimmen. Wer nach dieser Tagesordnung arbeiten möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Gibt es Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Das ist nicht der Fall. Damit ist die Tagesordnung beschlossen.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 1 auf:

Wahl eines Mitgliedes des Präsidiums

Antrag mit Wahlvorschlag der Fraktion der SPD

Drucksache 5/2068

Es wurde vereinbart, hierzu keine Debatte zu führen. Wir kommen direkt zur Abstimmung über den Antrag in der Drucksache 5/2068. Wer dem Antrag Folge leisten möchte, den bitte ich um sein Handzeichen. - Gibt es Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Das ist nicht der Fall. Damit ist der Abgeordnete Holzschuher als Mitglied des Präsidiums gewählt. Herzlichen Glückwunsch und erfolgreiche Arbeit in diesem Gremium!

(Beifall SPD und DIE LINKE)

Ich schließe Tagesordnungspunkt 1 und rufe Tagesordnungspunkt 2 auf:

Aktuelle Stunde

Thema: Flugrouten am BBI: Lärmschutz muss Priorität haben

Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Drucksache 5/2047

Dazu liegt ein Entschließungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN - Drucksache 5/2116 -, ein Entschließungsantrag der Fraktion der SPD und der Fraktion DIE LINKE Drucksache 5/2119 - sowie ein Entschließungsantrag der Fraktion der CDU und der Fraktion der FDP - der Drucksache 5/2120 - vor.

Wir beginnen mit dem Beitrag der antragstellenden Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Der Abgeordnete Jungclaus spricht zu uns.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen Abgeordnete!

Liebe Gäste! Anfang September dieses Jahres gab nach einer langen Zeit des Wartens die Deutsche Flugsicherung ihre aktuellen Planungen für den BBI bekannt. Zur großen Überraschung aller Beteiligten sind die vorgestellten Flugrouten jedoch nicht deckungsgleich mit den Annahmen des Planfeststellungsverfahrens, und nun herrscht verständlicherweise eine riesige Aufregung bei Alt- und Neubetroffenen. Was noch schlimmer ist: Auch diese Routen sind nicht der letzte Stand. Wir dürfen uns also in den kommenden Monaten - bis zur Eröffnung auf weitere Überraschungen freuen.

Dieses Planungs- und Kommunikationsdesaster hat uns zu dieser Aktuellen Stunde veranlasst. Der Entschließungsantrag ist die Konsequenz aus dem Ablauf der Sitzung des Infrastrukturausschusses in der vergangenen Woche, in der sich sowohl die Landesregierung als auch die Deutsche Flugsicherung vor klaren Aussagen gedrückt haben. Vor dem Hintergrund musste ich schon ein wenig schmunzeln, als ich Ihren Entschließungsantrag „Daten auf den Tisch“ sah. Ich weiß ja nicht, wie lang der Draht zwischen Regierung und Koalition inzwischen ist, aber die Daten hätten längst auf dem Tisch liegen können.

(Beifall GRÜNE/B90 und vereinzelt CDU und FDP)

Was hier zutage tritt, ist der reine bürokratische Irrsinn. Erst wälzt das Land die Lärmproblematik aufwendig in einem Planfeststellungsverfahren hin und her - im vergangenen Plenum haben wir daraufhin mit den Stimmen der Regierungsfraktionen einen Antrag verabschiedet, mit dem die Landesregierung aufgefordert wurde, so schnell wie möglich eine Lärmkartierung vorzulegen -, und nun teilt die Landesregierung den Bürgerinnen und Bürgern mit, dass die Flugsicherung die Flugrouten jederzeit wieder ändern kann.

Auf meine im Ausschuss mehrfach gestellte Frage, ob dies zum Anlass genommen werden soll, die Lärmkartierung weiter zu verzögern, erhielt ich keine Antwort. Hier verfolgt die Landesregierung offenbar dieselbe Hinhaltetaktik, die sie bisher in Sachen Lärmkartierung angewandt hat - mit dem Ergebnis, dass die betroffenen Bürgerinnen und Bürger noch stärker verunsichert werden. Durch eine frühzeitige Abstimmung der Behörden wäre dies mit Sicherheit zu vermeiden gewesen.

Ein Skandal, der allerdings außerhalb der Verantwortung der Landesregierung liegt, ist die Praxis, dass Flugrouten nicht im Rahmen der Planfeststellung festgelegt werden. Unter Fachleuten ist das seit Jahrzehnten bekannt. Leider hat sich weder die Politik noch die Öffentlichkeit groß dafür interessiert. Die momentane Situation zeigt deutlich, dass die Durchführung eines Planfeststellungsverfahrens unabhängig von den Flugrouten der absolut falsche Weg ist.

Hier hat die Politik der Luftverkehrslobby zulasten der Bevölkerung klein beigegeben. Als Politiker sind wir aber nicht in erster Linie den Wirtschaftsinteressen der Luftfahrtbranche, sondern der Gesundheit unserer Bürgerinnen und Bürger verpflichtet.

(Beifall GRÜNE/B90 und CDU sowie des Abgeordneten Goetz [FDP])

Es liegt in der Verantwortung der Politik, für einen umfassenden Lärmschutz für Flughafenanrainer zu sorgen, und dafür müssen wir die infrage kommenden Flugrouten kennen. Die

Abwägung der Routen muss in einem transparenten Verfahren erfolgen. Nachvollziehbares Daten- und Kartenmaterial muss vorgelegt und öffentlich diskutiert werden. An diesem Verfahren sollten auch Immissionsschutzbehörden beteiligt werden. Die endgültige Festlegung darf nicht allein der Flugsicherung obliegen.

Wir fordern die Landesregierung daher auf, die Flugsicherung zu veranlassen, dass alle in Betracht kommenden Routenvarianten offengelegt und mit Daten untermauert werden. Zu jeder Variante muss nachvollziehbares Kartenmaterial vorgelegt werden, aus dem hervorgeht, wie viele Menschen mit welcher Lärmbelastung - getrennt nach Tag und Nacht - in welchen Gebieten betroffen sind. In der Abwägung der Flugrouten muss es dann darum gehen, die gesundheitlichen Beeinträchtigungen möglichst gering zu halten, unabhängig davon, ob die Betroffenen in Berlin oder in Brandenburg leben.

Wie uns die Flugsicherung im Ausschuss sehr eindrücklich dargelegt hat, liegt ihre Priorität selbstverständlich nicht auf Lärmschutz für die Betroffenen. An erster Stelle steht die Sicherheit, dann die von der Wirtschaft geforderte Kapazität, und erst an dritter Stelle wurden Umwelt- und Lärmbeeinträchtigungen genannt. Wir fordern die Landesregierung auf, sich gegenüber dem Bundesministerium dafür einzusetzen, dem Lärmschutz eine höhere Priorität einzuräumen.

(Beifall GRÜNE/B90 und FDP)

Im Interesse der vom Lärm betroffenen Bürgerinnen und Bürger müssen an dem Abwägungsprozess der Flugrouten auch Immissionsschutzbehörden beteiligt werden, und auch das Umweltministerium muss die Verantwortung für den Lärmschutz der betroffenen Bürgerinnen und Bürger übernehmen und darf diese Thematik nicht allein dem Infrastrukturministerium überlassen.

Im Zusammenhang mit der Abwägung der Flugrouten müssen alle infrage kommenden Varianten, auch die vollständige Südabkurvung vor den Siedlungsgebieten an der Dresdner und Görlitzer Bahn, untersucht werden. Entgegen der Aussage der DFS - der Deutschen Flugsicherung -, dies sei nicht möglich, liegen hierzu bereits Gutachten vor, die diese Varianten sehr wohl für umsetzbar halten.

Die eigentliche Ursache für die gravierenden Probleme im Zusammenhang mit dem Bau des BBI liegen jedoch in der Standortentscheidung. Es war eigentlich die ganze Zeit über klar: Wer einen Großflughafen in unmittelbarer Nähe zur Stadt errichtet, nimmt immer auch eine massive Lärmbelastung für eine hohe Bevölkerungszahl in Kauf. Großflughäfen führen zu einer großräumigen Verlärmung der angrenzenden Siedlungsgebiete. Nun wird immer deutlicher, dass die Standortentscheidung für Schönefeld eine gravierende Fehlentscheidung war. Daran möchte ich auch die Kolleginnen und Kollegen von der CDU an dieser Stelle erinnern. Im Ausschuss kündigten Sie an, kein politisches Kapital aus der Sache schlagen zu wollen. Ich frage mich: Wie denn auch?

(Lachen bei GRÜNE/B90)

Schließlich haben Sie diese falsche Standortentscheidung mitgetroffen, und das, obwohl von vornherein klar war: Durch den BBI werden deutlich mehr Menschen belastet als durch den Alternativstandort Sperenberg.

Nun stehen wir vor dem Scherbenhaufen dieser Fehlentscheidung, und es ist ein Schrecken, dass die Landesregierung trotz der Siedlungsnähe einen umfangreichen Nachtflugbetrieb genehmigen will, und dieser anscheinend nur noch durch Klagen von Betroffenen und Gemeinden aufrechterhalten werden kann. Es wäre deshalb gut, wenn die Kolleginnen und Kollegen der CDU einmal mit ihren Parteikollegen auf Bundesebene reden würden, denn auch Ramsauer und Röttgen werden an der Entscheidung über die Flugrouten beteiligt sein. Hieraus können Sie von uns aus dann auch gern politisches Kapital schlagen.

(Beifall GRÜNE/B90 und FDP)

Die aktuellen Geschehnisse zeigen aber auch noch etwas anderes, nämlich, dass die Betroffenen und ihre Verbände in keinster Weise ernst genommen werden. Potenziell betroffene Bürgerinnen und Bürger fühlen sich zu Recht verschaukelt. Auch deshalb ist es dringend erforderlich, mehr Transparenz in das gesamte Verfahren zu bringen, und es ist an der Landesregierung, dahin gehend Druck auf die Flugsicherung auszuüben. Es reicht eben nicht aus, dass der zuständige Staatssekretär im Ausschuss Fehler einräumt.

Zum Schluss möchte ich noch einen Appell an die Betroffenen richten: Alle Anwohnerinnen und Anwohner sind gleichermaßen lärmempfindlich, schätzen ein ruhiges Wohnumfeld wie auch ihre Naherholungsgebiete, möchten Wertverluste ihrer Grundstücke nicht hinnehmen und brauchen gleichviel Schlaf. Erfolgreich werden sie in ihrem Protest aber nur dann sein, wenn sie gemeinsam und nicht gegeneinander auftreten. - Vielen Dank.

(Beifall GRÜNE/B90 und FDP)

Wir setzen die Debatte mit dem Beitrag der SPD-Fraktion fort. Die Abgeordnete Gregor-Ness spricht zu uns.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste! Ich bin froh, dass Herr Jungclaus noch so versöhnlich geendet hat, denn zwischenzeitlich sind Begriffe aufgetaucht, die dem Thema nicht angemessen sind. Hinhaltetaktik, Lobbyismus, Skandal - all das sind Begriffe, die der notwendigen Sachlichkeit der Diskussion nicht zuträglich sind.

(Beifall SPD und DIE LINKE)

Deshalb will ich auch anders, als ich ursprünglich vorhatte, beginnen. Ich möchte Sie alle einladen, sich drei Fragen zu beantworten. Die erste Frage wäre: Braucht unsere Region, braucht die Metropolregion Berlin/Brandenburg einen modernen, leistungsfähigen und natürlich auch sicheren Flughafen?

Die zweite Frage: Ist es vernünftiger, einen großen Flughafen in der Region Berlin-Brandenburg zu haben als - ehemals - drei jetzt noch zwei - kleinere und veraltete?

Die dritte Frage: Hat die Sicherheit sowohl von Passagieren Fluggästen - als auch der betroffenen Anwohner Vorrang?

Wenn Sie diese drei Fragen mit Ja beantworten, können wir ins Gespräch kommen, denn der BBI muss in seiner Planung, in

seiner Erbauung und seiner Betriebsphase insgesamt natürlich dem Gemeinwohl verpflichtet sein. Er schafft eine moderne Infrastruktur, er schafft Arbeitsplätze in der Region, und er verringert - großräumig gesehen - selbstverständlich die Lärmbelastung.

Diese Gemeinwohlorientierung setzt natürlich eines voraus: Sie setzt voraus, dass wir die entsprechende Kommunikation miteinander üben - nicht wüste Beschimpfungen -, dass wir den Dialog suchen und Bereitschaft zum Kompromiss mitbringen. Gerade aber daran fehlt es zurzeit dramatisch, wie man feststellt, wenn man sich die Pressespiegel der letzten Wochen anschaut. Konfrontation, verbale Entgleisungen und eine Entweder/oder-Haltung bestimmen zurzeit die Debatte.

Aus dieser emotional geführten Debatte kommen wir natürlich nur durch Versachlichung heraus. Was wir brauchen, ist eine nüchterne Problemdarstellung und sind natürlich - das ist unbenommen - wesentlich bessere Informationen. Wir brauchen sozusagen eine Objektivierung. Aber wir brauchen auch eine Optimierung der Flugrouten.

Fakt ist - objektiv gesehen -, dass sich die Zahl der Überflüge im Berliner Raum in Zukunft halbieren wird und dadurch natürlich auch die Betroffenheit im Berliner Raum extrem sinkt. Drei Flughäfen werden konzentriert. Das bedeutet natürlich, dass netto eine Entlastung erfolgt. Es bedeutet im Umkehrschluss aber auch, dass an dieser konzentrierten Stelle, nämlich genau im Umfeld Schönefelds bzw. des Flughafens Berlin Brandenburg International, in Zukunft eine konzentrierte Belastung unserer Bevölkerung erfolgt.