Meine Damen und Herren! Ich eröffne die 82. Sitzung des Landtages Brandenburg, Als unsere Gäste begrüße ich Schülerinnen und Schüler der Maxim-Gorki-Gesamtschule Kleinmachnow. Herzlich willkommen! Ich wünsche euch einen spannenden Vormittag.
Ich habe Ihnen eine klarstellende Mitteilung zu machen: Mir liegt das Protokoll der gestrigen namentlichen Abstimmung zum letzten Tagesordnungspunkt vor, worin von 59 oder 54 Neinstimmen die Rede ist. Ich weiß nicht genau, was ich gesagt habe. Wir werden auf jeden Fall darauf achten, dass im Protokoll die richtige Zahl steht, und die heißt 54.
Gibt es von Ihrer Seite Fragen, Bemerkungen oder Ergänzungen zur Tagesordnung? - Da das nicht der Fall ist, lasse ich über die Tagesordnung abstimmen. Wer damit einverstanden ist, den bitte ich um sein Handzeichen. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Damit ist die Tagesordnung einstimmig beschlossen.
Minister Baaske verlässt uns um 12 Uhr und wird von Minister Holzschuher vertreten. Minister Markov ist den ganzen Tag abwesend und wird von Minister Christoffers vertreten.
Dazu liegt in Drucksache 5/7957 ein Entschließungsantrag der FDP-Fraktion vor. Wir beginnen mit der antragstellenden Fraktion. Der Abgeordnete Büttner spricht zu uns.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Schönen guten Morgen! Es ist an der Zeit, ein neues Kapitel auf dem Gebiet der Fachkräftesicherung aufzuschlagen. Mit dem Ihnen vorliegenden Antrag möchte die FDP-Fraktion den Blick auf die Fachkräfte aus dem europäischen und dem nichteuropäischen Ausland richten. Wir alle kennen, meine Damen und Herren, die Fachkräftestudie der Länder Berlin und Brandenburg und die darin skizzierten Bedarfe auf dem brandenburgischen Arbeitsmarkt. Den enormen Bedarf an Fachkräften hat zuletzt auch der Bericht der Landesregierung zur Entwicklung der pflegerischen Versorgung unterstrichen. Rund 10 000 benötigte Fachkräfte im ambulanten und mehr als 15 000 Fachkräfte im stationären Sektor sind eine große Herausforderung.
Diese Dimensionen können allein durch eine stärkere Ausbildungsneigung, mehr Umschüler oder die Anwerbung von Fach
kräften aus anderen Bundesländern nicht ansatzweise gedeckt werden. Entsprechend muss der Ansatz sein, den Blick endlich mit dem gebotenen Nachdruck ins Ausland zu richten und dort als Land aktiv um gut ausgebildete Menschen zu werben.
Meine Damen und Herren, natürlich weiß meine Fraktion um die Vorbehalte innerhalb der Bevölkerung. Vielfach wird die Forderung erhoben, erst müssten deutsche Jugendliche und Erwerbslose gefördert werden, bevor man Fachkräfte im Ausland abwirbt. Integration vor Alimentation ist auch unser Grundsatz. Aus diesem Grund möchten wir durch eine frühzeitige Berufsorientierung in den Schulen die Lücke zwischen Schule und Berufsleben schließen, und aus diesem Grund setzen wir uns für eine Überprüfung der Arbeitsmarktprogramme des Landes und deren stärkere Ausrichtung an den Bedürfnissen des Arbeitsmarktes ein. Nicht zuletzt deswegen möchte die FDPFraktion über flexible Beschäftigungsmodelle die Beschäftigungsperspektiven älterer Arbeitnehmer verbessern.
Der Wettbewerb, in dem sich auch die Brandenburger Unternehmen befinden, erlaubt es aber nicht, weitere Jahre in der Hoffnung, den Fachkräftebedarf irgendwann aus eigenem Potenzial decken zu können, vergehen zu lassen, während gleichzeitig die Unternehmen aufgrund fehlender Mitarbeiter den Anschluss verlieren. Hier bedarf es eines neuen Ansatzes, den wir mit unserem heutigen Antrag in die öffentliche Wahrnehmung bringen möchten.
Meine Damen und Herren, daher ist neben der Förderung der hiesigen Beschäftigungspotenziale auch die zielgerichtete Steuerung der Zuwanderung von Arbeitnehmern aus dem Ausland nötig. Brandenburg ist keine Insel der Glückseligen, sondern muss sich am internationalen Wettbewerb um die klügsten Köpfe beteiligen. Eine Zuwanderung von ausländischen Arbeitnehmern liegt also im wirtschaftlichen, wissenschaftlichen und gesellschaftlichen Interesse unseres Landes. Deutschland muss ein Instrument bekommen, um flexibel auf die Entwicklungen auf dem hiesigen Arbeitsmarkt reagieren zu können. Die Zuwanderung sollte nach einem speziellen Auswahlverfahren mit Punktesystem gesteuert werden. Das Auswahlverfahren zielt in erster Linie auf hochqualifizierte Arbeitnehmer, von denen ein Beitrag zur wirtschaftlichen Fortentwicklung unseres Landes zu erwarten ist. Aber auch andere qualifizierte Arbeitnehmer sollen die Chance auf Zuwanderung erhalten, wenn der Arbeitsmarkt dies erfordert.
Alle Bewerber sollen zunächst als Mindesterfordernisse die gesundheitliche Eignung, einen guten Leumund, die Sicherung des Lebensunterhalts sowie eine Ausbildung vorweisen können ausgenommen davon sind natürlich Saisonarbeitskräfte. Sichere Deutschkenntnisse sind erforderlich, um sich in Deutschland dauerhaft niederlassen zu können. Die Sprache ist der Schlüssel zur Integration, und schon aus diesem Grund müssen entsprechende Deutschkenntnisse mindestens mit dem Niveau B 1 nachgewiesen werden.
Meine Damen und Herren, es ist an der Zeit, sich einzugestehen, dass der bisherige Brandenburger Weg der Fachkräftesicherung weder mittel- noch langfristig die benötigten Fachkräfte hervorbringen wird, auf die die Unternehmen angewiesen sind. Brandenburg muss sich insbesondere in den ost-, südost- und südeuropäischen Staaten stärker präsentieren. Wirtschaftsmessen, Netzwerktreffen oder Kooperationen von Wirtschaftsverbänden sind geeignete Plattformen, für Brandenburg als Wirtschaftsstandort zu werben. Vor diesem Hintergrund ist
zu überlegen, wie bei Bedarf die Industrie- und Handelskammern in ihren Aktivitäten in den europäischen und den außereuropäischen Staaten unterstützt werden können. Die Anwerbung von Fachkräften muss zu einem festen Bestandteil unserer Außenwirtschaftsstrategie werden.
Meine Fraktion erwartet, dass sich die Landesregierung über den Bundesrat für ein entsprechendes Punktesystem zur Steuerung der Zuwanderung in den Arbeitsmarkt einsetzt, damit Brandenburg auch praktisch zu dem wird, was es seit Jahrzehnten ist: ein Einwanderungsland, welches Menschen aus fremden Kulturkreisen willkommen heißt. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lassen Sie mich mit dem Positiven beginnen: Ich finde es gut und richtig, dass die FDP heute das Thema Fachkräftebedarf in Brandenburg wieder einmal auf die Tagesordnung der Aktuellen Stunde setzt, bietet sich damit doch die Gelegenheit, darüber zu sprechen, welche Instrumente wir haben, um dem steigenden Fachkräftebedarf entgegenzuwirken, und welche Mittel wir noch verstärkt einsetzen müssen.
Meine Damen und Herren, wie Sie alle wissen, ist der wirtschaftliche Erfolg unseres Landes unter anderem davon abhängig, ob wir genügend Fachkräfte haben. Wir brauchen sie in ausreichender Zahl mit ausreichender Qualifizierung, und wir werden sie auch bekommen, denn es ist selbstverständlich Aufgabe der Politik, der Arbeitgeber und der Wirtschaft, dieses Problem gemeinsam anzugehen.
Die demografische Entwicklung stellt Brandenburg vor die Herausforderung, gut ausgebildeten Fachkräftenachwuchs und erfahrene, ebenfalls gut ausgebildete Fachkräfte zu gewinnen und zu halten. Dies ist keine neue Erkenntnis. Deshalb gibt es bereits zahlreiche Aktivitäten des Landes, diese Herausforderung anzunehmen.
Lassen Sie mich stichwortartig einige dieser Aktivitäten in Erinnerung rufen: Bereits seit Februar 2006 existiert das Bündnis für Fachkräftesicherung, seit 2010 der Landesarbeitskreis für Fachkräfte. Sie alle kennen den Maßnahmenplan für Fachkräftesicherung. Im Februar 2010 wurde die gemeinsame Fachkräftestudie von Berlin und Brandenburg vorgelegt, die deutlich machte, dass der Bedarf an Fachkräften durch das Zusammenwirken einiger Handlungsfelder gedeckt werden kann. Diese will ich hier aufzählen.
Erstens: Erhöhung der Erwerbsbeteiligung, also Integration von Arbeitslosen und Nichterwerbstätigen. Zweitens: Steigerung der Erwerbsbeteiligung von Frauen, insbesondere durch Verbesserung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Drittens: Ausweitung der Erwerbsarbeit, zum Beispiel durch Erhöhung des Arbeitsumfangs von Teilzeitbeschäftigten. Viertens: Erhöhung der Bildungsbeteiligung durch Höherqualifizierung der vorhandenen Arbeitskräfte. Fünftens: Flexibilisierung der Tä
tigkeitsorientierung durch gezielte Fort- und Weiterbildung. Bilden, halten, gewinnen - das sind die Ziele der Landesregierung, die sie mit ihrer Fachkräftestrategie verfolgt.
Diese Aufzählung macht deutlich: Wir haben hier in unserem Land genügend Möglichkeiten, die wir aber noch stärker nutzen sollten, um dem Fachkräftebedarf der Wirtschaft gerecht zu werden. Wir sind in Deutschland trotz positiver Entwicklung von Vollzeitbeschäftigung noch viel zu weit entfernt. Im Juli 2010 wurde der Antrag der Regierungskoalition „Potenziale zur Fachkräftesicherung in Brandenburg nutzen“ beschlossen, und im Mai 2011 legte die Landesregierung dazu einen Bericht vor. Ebenfalls im Mai 2011 gab es die von Bündnis 90/ Die Grünen - auch der FDP - und der Regierungskoalition gemeinsam getragene Beschlussempfehlung „Zuwanderung, Rückkehr und Integration als Beitrag zur Fachkräftesicherung in Brandenburg“. Dabei ging es nicht allein darum, Rückkehrer wieder für das Land Brandenburg zu gewinnen, sondern um Fachkräftegewinnung und Fachkräftesicherung. Rückkehrer waren eine Zielgruppe, aber auch Zuwanderer und ausländische Hochschulabsolventinnen und -absolventen hatten wir dabei im Blick.
Uns kam es darauf an, bereits existierende Maßnahmen, Angebote und Strukturen so auszurichten, dass Fernpendler, ausländische Studienabsolventen und Gastwissenschaftler stärker berücksichtigt werden, und das Engagement aller Akteure zu bündeln.
Erst gestern gab es die 1. Lesung des Brandenburger Gesetzes zur Verbesserung der Feststellung und Anerkennung im Ausland erworbener Berufsqualifikationen. Dieses Gesetz folgt einem von den Bundesländern erarbeiteten Entwurf. Damit sollen die in Deutschland lebenden Migrantinnen und Migranten, aber auch Deutsche, die eine berufliche Qualifikation im Ausland erworben haben, in die Lage versetzt werden, diese Qualifikation auf dem deutschen Arbeitsmarkt angemessen zu nutzen. Die Praxis zeigt, dass arbeitslose Fachkräfte aus anderen europäischen Ländern bereits jetzt nach Deutschland bzw. in andere europäische Staaten kommen können, um dort zu arbeiten. Das tun sie auch, wenn sie hier ordentliche Arbeitsbedingungen vorfinden.
Zur Wahrheit gehört aber auch, dass immer noch deutsche Fachkräfte ins europäische Ausland gehen, weil sie dort arbeiten können, und zwar zu einem Lohn, der in Deutschland nicht gezahlt wird. Hier ist eindeutig die Wirtschaft gefragt. Es liegt erst einmal in der Verantwortung der Unternehmen, den Fachkräften solche Löhne zu zahlen, dass sie bleiben und nicht mit der gesamten Familie das Land verlassen. Fachkräftegewinnung ist und bleibt vorrangige Aufgabe der Unternehmen bzw. Betriebe.
Liebe Kolleginnen und Kollegen der FDP-Fraktion, ich komme auf Ihren Entschließungsantrag zu sprechen. Sie wollen dem Fachkräftebedarf durch Zuzug von Fachkräften aus dem Ausland begegnen, und zwar durch Regelungen der Politik. Ich finde es schon bemerkenswert, wenn gerade die freien Liberalen in Brandenburg plötzlich nach der ordnenden Hand des Staates rufen,
wenn Sie nicht mehr auf die Eigenverantwortung der Menschen oder der Unternehmen verweisen und wenn Sie den freien Wettbewerb nun plötzlich nicht mehr als unantastbar ansehen.
In Ihrem Antrag heißt es: „Einziges Kriterium muss die fachliche Eignung sein!“ Sie untermauern das mit Ihrem Dreisäulenmodell als Punktesystem. Diese Forderung lehnen wir - Sie vermuten es schon - ab, denn eine Einwanderungserlaubnis nach Qualifikation, Arbeitsmarktlage und Gesundheitszustand, wie wir eben gehört haben, kommt für uns nicht infrage.
Meine Damen und Herren, Sie setzen noch einen drauf. Im Entschließungsantrag machen Sie von der FDP-Fraktion sich auch darüber Gedanken, was mit qualifizierten ausländischen Arbeitnehmern geschehen soll, die keine Arbeit mehr haben. Ich zitiere:
„Der Arbeitgeber muss bei Nichtfortsetzung des Arbeitsverhältnisses für eine etwaige Rückführung des Arbeitnehmers die finanzielle Verantwortung übernehmen.“
Meine Damen und Herren, ich bin der Auffassung: Mit dieser Formulierung haben Sie deutlich danebengegriffen.
Der Begriff „Rückführung von ausländischen Staatsbürgern“ ist mir eher von Gruppierungen und Parteien bekannt, von denen wir wohl alle froh sind, dass sie in diesem Hause nicht oder nicht mehr vertreten sind.
Liebe Kolleginnen und Kollegen der FDP-Fraktion, auch in der Antwort auf Ihre Große Anfrage „Der Mittelstand - Rückgrat der brandenburgischen Wirtschaft“ hat Ihnen die Landesregierung ausführlich die Situation dargestellt und ausgeführt, mit welchen Maßnahmen sie die Wirtschaft bereits jetzt unterstützt. Ich zitiere:
„Ergebnisse des Betriebspanels zeigen zudem, dass größere Betriebe deutlich weniger Probleme bei der Besetzung von Fachkräftestellen haben als kleinere. Die Schwierigkeiten kleinerer Betriebe bei der Fachkräftegewinnung resultieren unter anderem aus einem niedrigeren Lohnniveau, geringeren Unterstützungsleistungen für ihre Beschäftigten und mangelnden Ressourcen für die Personalentwicklung. Ebenso haben vor allem Kleinstbetriebe Probleme, Ausbildungsplätze zu besetzen.“
Die Landesregierung unterstützt darum kleine und mittelständische Unternehmen bei der Sicherung des Fachkräftebedarfs schon lange. Die berufliche Weiterbildung in KMU wird durch Zuschüsse unterstützt, zum Beispiel mit der Weiterbildungsrichtlinie des MASF und mit dem Programm zur qualifizierten Ausbildung im Verbundsystem. Ergänzend dazu hat Minister Baaske gestern in Beantwortung der mündlichen Anfrage von Frau Schier auf die geplante kammerübergreifende Lehrstellenbörse hingewiesen.
Mit der Förderung von Innovationsassistenten und dem sogenannten Brandenburg-Stipendium sollen hochqualifizierte Nachwuchskräfte der Universitäten und Fachhochschulen frühzeitig an brandenburgische KMU gebunden und damit im Land gehalten werden.
Das Fachkräfteportal Brandenburg bietet Unternehmen auch die Möglichkeit, ihr Unternehmen und vorhandene Stellenangebote sichtbar zu machen. Das Fachkräfteportal spricht auch Fachkräfte aus den südeuropäischen Ländern an. Das Integrationskonzept des Landes wird momentan überarbeitet und soll im I. Quartal nächsten Jahres dem Landtag vorgestellt werden. Uns ist es weiterhin wichtig, eine Willkommenskultur zu fördern und zu verbessern - und das in allen gesellschaftlichen Bereichen.