Protocol of the Session on November 9, 2011

Meine Damen und Herren! Ich begrüße Sie an diesem geschichtsträchtigen 9. November 2011 zur 44. Plenarsitzung des Landtages Brandenburg. Ich begrüße ebenfalls ganz herzlich unsere Besuchergruppe, und zwar Gäste aus Werder an der Havel. Herzlich willkommen und einen spannenden Vormittag für Sie.

(Allgemeiner Beifall)

Meine Damen und Herren! Bevor wir in die Tagesordnung einsteigen, habe ich Ihnen gemäß § 20 der Geschäftsordnung mitzuteilen, dass die CDU-Fraktion am 01.11.2011 ihren Fraktionsvorstand neu gewählt hat. Die Abgeordnete Frau Dr. Ludwig wurde als Fraktionsvorsitzende und die Herren Abgeordneten Dombrowski und Prof. Dr. Schierack wurden als stellvertretende Fraktionsvorsitzende wiedergewählt. Herzlichen Glückwunsch!

(Allgemeiner Beifall)

Der Abgeordnete Genilke wurde anstelle des Abgeordneten Petke als stellvertretender Fraktionsvorsitzender gewählt. Der Abgeordnete Senftleben wurde als Parlamentarischer Geschäftsführer wiedergewählt.

Des Weiteren teile ich Ihnen gemäß § 20 Ab. 2 der Geschäftsordnung mit, dass der Abgeordnete Herr Eichelbaum am 03.11.2011 als Vorsitzender des Rechtsausschusses gewählt wurde. Ich wünsche allen Gewählten viel Freude und Erfolg bei Ihrer Arbeit.

(Allgemeiner Beifall)

Ihnen liegt der Entwurf der Tagesordnung vor. Gibt es hierzu Bemerkungen? - Wenn das nicht der Fall ist, dann bitte ich um Ihr zustimmendes Handzeichen zur Tagesordnung. - Gibt es Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Beides ist nicht der Fall. Dann ist die Tagesordnung so beschlossen.

Wir müssen heute ganztägig auf Minister Dr. Schöneburg verzichten, der von Ministerin Tack würdig vertreten wird.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 1 auf:

Aktuelle Stunde

Thema: Brandenburgische Hochschullandschaft stärken Kürzungen verhindern

Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Drucksache 5/4180

Wir beginnen mit dem Redebeitrag der antragstellenden Fraktion. Es spricht die Abgeordnete von Halem.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Gäste! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Guten Morgen!

Legen wir die brandenburgische Hochschullandschaft auf die Waage: In der einen Waagschale liegt dann eine ausdifferenzierte und international anerkannte Hochschullandschaft, die aufgrund teilweise sehr innovativer Studiengänge, der Metropolenlage Berlins, vieler neuer Gebäude und der Fülle von außeruniversitären Forschungseinrichtungen hoch attraktiv für Studierende und Wissenschaftler ist.

Auf der anderen Seite fallen überfüllte Hörsäle, Seminare mit über hundert Studierenden, mangelhafte Betreuungsangebote für Studierende, Missstände bei den Arbeitsbedingungen der wissenschaftlichen Mitarbeiter, immer mehr Lehrbeauftragte in prekären Beschäftigungsverhältnissen und die schlechte finanzielle Ausstattung der Hochschulen immer mehr ins Gewicht.

Derzeit scheint die Waage austariert - noch.

Zu Beginn des neuen Wintersemesters sind mehr als 80 000 Studienplatzbewerbungen an den Brandenburger Hochschulen eingegangen, und zwar für ca. 9 500 Studienplätze. Das sind 30 000 Bewerbungen mehr als im Vorjahr. Die vom HIS-Institut für Hochschulforschung erstellte Studie aus dem Juni 2011 prognostiziert trotz des demografischen Wandels annähernd gleichbleibend hohe Studienanfängerzahlen bis 2025.

Dessen ungeachtet kürzt die Landesregierung bei den Hochschulen insgesamt 17 Millionen Euro - fast 7 % der Mittel für die Hochschulen. Diese Kürzungen sind vor dem Hintergrund, dass mehr als 85 % der jetzigen Mittel für Personal ausgegeben werden, kaum verkraftbar. Die Waagschalen drohen ins Wanken zu geraten.

Für die erwartbare Situation, dass immer mehr junge Menschen an die Hochschulen drängen, haben Bund und Länder den Hochschulpakt 2020 vereinbart. Brandenburg hat sich darin verpflichtet, die Studienanfängerzahlen aus dem Jahr 2005 konstant zu halten. Das ist passiert - sogar ein bisschen über den „Durst“ -, und die damalige Wissenschaftsministerin ist immer sehr stolz darauf gewesen. Diese Studierenden sind nun im „System Hochschule“, und sie haben ein Recht auf gute Betreuungs- und Studienbedingungen.

(Beifall GRÜNE/B90)

Jetzt hat der Bund 25 Millionen Euro im Rahmen des Hochschulpaktes 2020 für Brandenburg angekündigt. Davon werden im Etat des Wissenschaftsministeriums lediglich 15 Millionen Euro als Einnahmen verbucht, und zwar mit dem Vermerk, Mehreinnahmen dürften - nicht müssten - weitergegeben werden. Von diesen 15 Millionen Euro waren 5 Millionen Euro einfach verschwunden. Es wurden nur 10 Millionen Euro weitergereicht. Das allerdings ist jetzt doch aufgefallen. Vielleicht haben auch unsere Hinweise etwas bewirkt.

Der Presse war zudem in der letzten Woche zu entnehmen, die Mittel würden jetzt doch vollständig weitergereicht, wozu das Land im Übrigen sogar verpflichtet ist. Aber die 5 Millionen Euro werden aus den Rücklagen für den Hochschulbau genommen. Also auch hier gibt es wieder einen faulen Taschenspielertrick. Und die Tatsache, dass sie bei den Hochschulbaurücklagen übrig sind, hat nichts damit zu tun, dass sie da nicht nötig wären, sondern vielmehr damit, dass der BLB mit dem Bauen nicht hinterherkommt.

Wo bleiben jetzt die 10 Millionen Euro Differenz zwischen den vom Bund angekündigten 25 Millionen Euro gegenüber den eingestellten 15 Millionen Euro? Was macht die Landesregierung mit dem Geld, das für zusätzliche Stellen an den Hochschulen und für ein qualitativ hochwertiges Studium zweckgebunden ausgegeben werden muss? - Es fehlen 10 Millionen Euro zweckgebundener Mittel, die nach den §§ 6 und 7 der Verwaltungsvereinbarung zwischen Bund und Ländern zwingend weitergereicht werden müssen. Was passiert damit? Verschwinden sie in Markovs großer Tasche?

(Heiterkeit)

Angesichts der Kürzungen treibt uns eine weitere Frage um. Es sieht nämlich so aus, als ob mit den Sparbeschlüssen über 17 Millionen Euro - also 12 Millionen Euro globale Minderausgabe plus 5 Millionen Euro Hochschulpaktmittel - den Hochschulstrukturkommissionen das Leben schwer gemacht werden soll. Welchen Empfehlungsspielraum haben sie denn überhaupt noch? Oder werden erst einmal alle Beteiligten so scharf an die Kandare genommen, damit die Ergebnisse der Strukturkommissionen dann nur noch als Nachlassen des Schmerzes wahrgenommen werden?

Zu dieser allgemein angespannten Situation kommen dann noch weitere Unsicherheitsfaktoren, die ebenfalls Wind in die Waagschale der Hochschulpolitik blasen:

Erstens. Die beiden erwähnten Strukturkommissionen lähmen die Arbeit der Hochschulen. Planbarkeit wird Wunschdenken.

Zweitens. Die Vorgabe, freiwerdende Professuren nicht neu zu besetzen, führt zu zunehmend untragbaren Studiensituationen.

Drittens. Der kürzlich vorgelegte Bericht der Landesregierung zur notwendigen Einführung akademischer Studienangebote für Pflege und Gesundheit errechnet hierfür einen Finanzbedarf in Höhe von jährlich 3,2 Millionen Euro. Notwendig wäre das, aber die Umsetzungsstrategie der Landesregierung lautet: Watte statt Tatendrang.

Viertens. Die Einführung der Sonder- bzw. Inklusionspädagogik an der Universität Potsdam wird uns heute noch beschäftigen. Hierzu gibt es jetzt immerhin einen Zeitplan, der allerdings dem Begriff „zukunftsweisend“ wahrlich eine neue Bedeutung verschaffen wird.

Fünftens. Lehrerbildung: Schaffen wir es, mehr Lehrerinnen und Lehrer besser auszubilden und gleichzeitig dafür weniger Geld auszugeben?

Sechstens. Schließlich kommt noch die angekündigte Novellierung des Hochschulgesetzes dazu.

All diese Unsicherheiten und unklaren Zukunftsperspektiven sind Gift für das Wissenschaftssystem. Aktuell wird das deutlich durch den angedrohten Umzug des Abraham Geiger Kollegs nach Bayern und die Klage von Naturwissenschaftlern über finanzielle Wettbewerbsnachteile.

Planbarkeit und Verlässlichkeit wären der Humus, auf dem starke Hochschulen gedeihen und gute Köpfe für die brandenburgische Hochschullandschaft gewonnen werden könnten. Da uns das so wichtig ist, haben wir Bündnisgrünen vorgerechnet,

wie das Land auf Kürzungen im Hochschul- und Bildungsbereich komplett verzichten könnte, ohne neue Schulden aufzunehmen. Details finden Sie in unserer Pressemitteilung vom 18. Oktober. Die Steuermehreinnahmen, von denen ganz aktuell die Rede ist, sind dabei noch gar nicht berücksichtigt. Für uns hat Bildung höchste Priorität.

(Frau Kaiser [DIE LINKE]: Genau!)

Das ist der Bereich, in dem nicht gespart werden darf.

(Beifall GRÜNE/B90)

Wir wollen das Gewicht des Positiven und Attraktiven an der brandenburgischen Hochschullandschaft stärken und einen ersten Schritt gehen, die Studien- und Arbeitsbedingungen in den Hochschulen zu verbessern. Gute Bildung - das ist der Output, den wir für unsere Zukunft brauchen.

(Beifall GRÜNE/B90)

Für die SPD-Fraktion setzt die Abgeordnete Melior die Debatte fort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste! An einem solch geschichtsträchtigen Datum heute ist der 9. November - möchte ich über jüdisches Leben in Brandenburg, Schutz von Minderheiten, Toleranz und friedliches Zusammenleben, über friedliche Revolutionen und deutsch-deutsche Geschichte reden, nicht unbedingt über haushaltspolitische Aspekte der Hochschulpolitik. Wobei ich ausdrücklich unterstreiche: Das ist durchaus ein wichtiges Thema.

(Beifall SPD und DIE LINKE)

Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat nun genau das beantragt und damit die Haushaltsdebatte, die wir eigentlich erst im Dezember miteinander führen, ein Stück weit vorweggenommen.

Meine Damen und Herren, um es gleich konkret zu sagen: Meine Fraktion teilt die Einschätzung der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN nicht. Wir kennen die haushaltspolitischen Rahmenbedingungen im Land und wissen, dass in allen Bereichen gespart werden muss. Dennoch ist es gelungen, im Hochschulbereich nicht über Gebühr Sparmaßnahmen vorzunehmen. Eine Deckung über 5 Millionen Euro mehr für die Hochschulen ist gefunden und im Ausschuss beschlossen worden. Dass wir bei den Pro-Kopf-Ausgaben nicht besonders gut dastehen, hat auch mit dem Nichtvorhandensein von teuren Medizin-Studienplätzen zu tun; wir haben schon mehrfach darüber gesprochen.

Eine Präjudizierung der beauftragten Strukturkommission sehen wir ebenfalls nicht. Im Gegenteil, wir erhoffen uns von ihrer Arbeit wichtige Ergebnisse, um die akademische Ausbildung in Brandenburg noch zielgerichteter und zukunftsfester hinzubekomen.

Zur Erinnerung: Die Hochschullandschaft in Brandenburg ist eine junge Schöpfung, quasi aus der Retorte, keine gewachse

ne, altehrwürdige Struktur. Das macht es manchmal schwer, zusätzliche Mittel in Politik und Wirtschaft zu akquirieren.