Protocol of the Session on February 27, 2014

Meine Damen und Herren! Es ist Punkt 10 Uhr. Ich eröffne die heutige Sitzung.

Ich sehe gerade unsere erste Besuchergruppe einströmen, Schülerinnen und Schüler aus dem Gymnasium Dallgow-Döberitz. Herzlich willkommen im Landtag Brandenburg.

(Allgemeiner Beifall)

Ihnen liegt der Entwurf der Tagesordnung vor. Gibt es hierzu Bemerkungen? Ja, bitte.

Herr Präsident, vielen Dank. - Wir haben heute in der Presse nachlesen können, dass es im Bildungsministerium offensichtlich verschiedene Auffassungen über die Art und Weise gibt, wie das Ministerium von der Ministerin geführt bzw. geleitet wird. Die Berichte sprechen auch von einer Unterschriftenaktion in einem Ministerium, was aus meiner Sicht eine einmalige Aktion ist.

Deswegen bitten wir darum, einen neuen Punkt 4 in die Tagesordnung aufzunehmen, der nach der Mittagspause behandelt werden soll: Erklärung der Ministerin zu den aktuellen Vorgängen in ihrem Ministerium.

Das war ein Antrag auf Erweiterung der Tagesordnung. Gibt es hierzu Bemerkungen anderer Fraktionen? - Das sehe ich im Augenblick nicht. Dann lasse ich über diesen Antrag zuerst abstimmen. Wer die Tagesordnung in diesem Sinne erweitern möchte, den bitte ich um Handzeichen. - Gibt es Gegenstimmen? - Gibt es Enthaltungen? - Enthaltungen stelle ich nicht fest. Dann ist dieser Antrag mit Mehrheit abgelehnt.

Wir kommen zur Abstimmung über die vorliegende Tagesordnung. Wer nach ihr arbeiten möchte, den bitte ich um Handzeichen. - Gibt es Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Bei einer merklichen Anzahl von Enthaltungen ist die Tagesordnung mehrheitlich so angenommen worden.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 1 auf:

Aktuelle Stunde

Thema: Empfehlungen der Enquete-Kommission 5/2 ernst nehmen: Starke Kommunen für ein starkes Brandenburg

Antrag der Fraktion der FDP

Drucksache 5/8520

Der Abgeordnete Büttner beginnt die Debatte für die antragstellende Fraktion.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Land Brandenburg steht vor einschneidenden Veränderungen. Im Jahr 2019 werden die Finanzzuweisungen, die wir vom Bund bekommen - die von der Europäischen Union schon früher -, dramatisch gekürzt. Wir haben in diesem Land eine demografische Entwicklung, die sehr unterschiedlich ist. Rund um die Hauptstadt Berlin - im sogenannten Speckgürtel - verzeichnen wir einen Bevölkerungszuwachs, in der Fläche dagegen, im ländlichen Raum, einen teilweise dramatischen Rückgang.

Aus diesem Grund hat dieser Landtag im April 2011, damals auf Erstinitiative der CDU-Fraktion, die Einsetzung einer Enquetekommission beschlossen, in der wir uns genau mit diesen Fragen zweieinhalb Jahre beschäftigt haben. Wir haben überlegt: Wie können wir dieses Land in seinen Strukturen so aufstellen, dass es zukunftsfest ist und dass wir mit dem Wandel in den Finanzzuweisungen - mit dem Wandel auch in der Bevölkerung zukunftsweisend und langfristig umgehen können?

Zweieinhalb Jahre einer intensiven Diskussion, zweieinhalb Jahre auch einer kontroversen Diskussion, die aber im Ergebnis zu einem Abschlussbericht geführt hat, den ich in der Debatte zu dieser Enquetekommission als Glücksfall bezeichnet habe: Bei allen Unterschiedlichkeiten, die in den Fraktionen vorhanden waren, ist es zu einem Ergebnis gekommen, mit dem im Wesentlichen alle Fraktionen - mit Ausnahme der CDU-Fraktion, die dem Abschlussbericht nicht zugestimmt hat - gut leben konnten. Wir haben uns in umfangreichen, langen Diskussionen auch über eine Funktionalreform verständigt. Wir haben uns darüber verständigt, dass wir einen Zielkorridor für eine Neueinteilung der Landkreise in diesem Land brauchen. Nur durch die Arbeit der parlamentarischen und der nichtparlamentarischen Mitglieder der Enquetekommission war es möglich, eine weitgehende Einigung in diesen schwierigen Fragen für die Zukunft von Brandenburg herbeizuführen.

Deswegen finden wir es umso schlimmer, wenn nicht einmal drei Monate später vom Ministerpräsidenten und SPD-Spitzenkandidaten bereits ein wesentlicher Punkt - die Durchführung einer Kreisgebietsreform - aufgegeben wird. Damit verbunden ist auch - das ist die logische Schlussfolgerung daraus - die Aufgabe einer für Brandenburg so dringend notwendigen Funktionalreform. Brandenburg braucht Verlässlichkeit. Die Kommunalverantwortlichen brauchen Verlässlichkeit. Und ja, auch die Bürgerinnen und Bürger unseres Landes brauchen Verlässlichkeit.

Wir als Liberale stehen zu den Empfehlungen der Enquetekommission. Wir haben in einem Sondervotum deutlich gemacht, welche Akzente wir anders gesetzt hätten. Aber Wankelmütigkeit gibt es mit uns in dieser Frage nicht.

(Beifall FDP)

Wir haben keine Angst - wie offensichtlich die SPD -, uns mit den Bürgerinnen und Bürgern auch vor einer Kommunalwahl auseinanderzusetzen und klarzumachen, dass es notwendig und wichtig ist, eine Funktionalreform in diesem Land umzusetzen, um die Städte und Gemeinden in unserem Land zu stärken.

Anders der Ministerpräsident: Seine Aussagen können nur so verstanden werden, dass er und seine SPD sich nicht mehr an die Empfehlungen, die wir gemeinsam mit den Kollegen und den Sachverständigen in der Enquetekommission erarbeitet haben, gebunden fühlen.

In den vergangenen Tagen war der Presse bereits zu entnehmen, dass die Aussage des Ministerpräsidenten, eine Verringerung der Anzahl der Landkreise komme nur dann in Betracht, wenn es dafür funktional eine Notwendigkeit gebe, zu Verunsicherung führt. Die „Lausitzer Rundschau“ vom 19.02.2014 schreibt: „Kommunalpolitiker in Südbrandenburg überrascht vom Ausstieg der SPD aus Neugliederung“. Die „Märkische Allgemeine“ schreibt: „Vize-Landrat: Die Kreisreform wird kommen“.

Sehr geehrter Herr Görke, Sie feiern in einem Interview in der „Lausitzer Rundschau“, dass der Ministerpräsident nun die Position übernommen habe, die Ihre Fraktion in der Enquetekommission immer vertreten hat.

(Frau Vogdt [FDP]: Ja!)

Ich habe Herrn Dr. Scharfenberg in dieser Enquetekommission ganz anders verstanden.

(Zuruf des Abgeordneten Dr. Scharfenberg [DIE LINKE])

- Ja, das können Sie nachher erklären, Herr Dr. Scharfenberg. Ich zitiere Herrn Görke:

„Es wäre eine Riesenaufgabe und ein Riesenerfolg, wenn wir es schaffen würden, bis dahin“

- bis zur Kommunalwahl 2019 -

„die Aufgaben der Landkreise, Städte und Gemeinden abschließend zu definieren und alle damit verbundenen Gesetzesänderungen unter Dach und Fach zu bringen.“

Wir wissen natürlich auch, dass die Umsetzung einer Funktionalreform und einer Kreisgebietsreform dauert. Selbstverständlich ist uns klar, dass eine Umsetzung vor 2019 überhaupt nicht geschehen könnte, schon weil man den kommunalen Vertretern das Mandat gar nicht entziehen könnte. Aber so wenige Ambitionen, Herr Görke, hatte ich den Linken dann doch nicht zugetraut. Ja, wir brauchen für eine substanzielle Funktionalreform Zeit. Aber eine gesamte Legislaturperiode dafür zu veranschlagen, um überhaupt einmal zu definieren, welche Aufgaben Landkreise, Städte und Gemeinden künftig übernehmen sollen, ist schon angekündigter politischer Stillstand.

Meine Damen und Herren, wir als Liberale, wir als FDP stehen für starke Kommunen ein. Starke Kommunen in Brandenburg kann es aber nur geben, wenn wir endlich aufhören, unablässig neue Aufgaben auf Kreise und Gemeinden zu übertragen und diese eben nicht vollständig auszufinanzieren.

Starke Kommunen brauchen Augenhöhe bei der Zusammenarbeit mit dem Parlament. Gemäß Artikel 97 Abs. 4 der Landesverfassung ist es notwendig, dass Kommunen, bevor durch ein Gesetz oder eine Rechtsverordnung allgemeine Fragen geregelt werden, zu dem gehört werden, was sie unmittelbar berührt. Wenn aber dieses Anhörungsrecht zu einer bloßen For

malie verkümmert - ich erinnere dazu an die jüngste Beratung zum Landespersonalvertretungsgesetz -, wird die Verfassung nicht mehr ernst genommen. Starke Kommunen brauchen auch eine auskömmliche Finanzierung. Seit Jahren leiden die Kommunen in Brandenburg unter knappen Kassen. Allein in dieser Wahlperiode wurde das Finanzausgleichsgesetz mehrfach geändert.

(Domres [DIE LINKE]: Verbessert!)

Immerhin wird der Vorwegabzug im Finanzausgleichsgesetz schrittweise reduziert.

(Bischoff [SPD]: Immerhin!)

Jedoch erstattet das Land bisher nicht vollständig die Kosten für die Pflichtaufgaben nach Weisung, die es auf die Kommunen übertragen hat, obwohl es ein verfassungsrechtlich zugesichertes Konnexitätsprinzip gibt.

Ich mache das einmal am Beispiel der Stadt Eberswalde deutlich, wo es für Weisungsaufgaben einen Zuschussbedarf von etwa 3,8 Millionen Euro gibt und vom Land nur 0,7 Millionen Euro erstattet werden. Natürlich hätte das Land die Möglichkeit, die Städte zu stärken. Die Stärkung der Städte könnte das Land mit einer besseren Einwohnergewichtung beim Hauptansatz gemäß § 8 Abs. 2 Finanzausgleichsgesetz erreichen, zum Beispiel 150 % für Städte ab 30 000 Einwohnern.

(Dr. Scharfenberg [DIE LINKE]: Genial!)

Genauso haben wir als FDP-Fraktion gefordert, die Verbundquote von 20 % schrittweise wieder auf 25 % zu erhöhen.

In dieser Landesregierung sind keine Konzepte erkennbar, wie sie auf die finanziellen Herausforderungen reagieren will, die mit dem Neuverschuldungsverbot ab 2020, dem Auslaufen des Solidarpakts II bis 2019, der Bankenregulierung Basel III 2018, dem Einwohnerrückgang mit Auswirkungen auf den Finanzausgleich und den Pensionslasten des Landes auf uns zukommen.

Das Fazit, meine Damen und Herren: Der Landesregierung fehlen klare Konzepte, mit denen sie den Realitäten ins Auge blickt und das Land mit vernünftigen Schwerpunktsetzungen auf die Herausforderungen vorbereitet, die da kommen. Wir als Freie Demokraten stehen dafür ein, dass wir starke Städte und Gemeinden in unserem Land haben. Ja, wir brauchen und wollen eine Funktionalreform. Und ja, wir wissen, dass es dann ohne Kreisgebietsreform nicht gehen wird. Diese Ehrlichkeit gehört zur Debatte, Feigheit überlassen wir Ihnen. - Vielen Dank.

(Beifall FDP und B90/GRÜNE - Oh! bei der SPD und der Fraktion DIE LINKE)

Wir setzen mit dem Beitrag des Abgeordneten Richter für die SPD-Fraktion fort.

(Ministerpräsident Dr. Woidke: Vorwärts immer, rück- wärts nimmer! - Jürgens [DIE LINKE]: Mit allen Mitteln über die 5%-Hürde?)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Büttner, Sie haben zu Beginn Ihrer Rede eine gute Situationsbeschreibung gegeben - die teile ich vollkommen. Das sind die Notwendigkeiten, das ist die Situation, wie wir sie haben.

Sie haben dann - natürlich - ein Abrücken der SPD-Fraktion von den Zielen, die wir gemeinsam erarbeitet haben, konstruiert, und das kann ich überhaupt nicht nachvollziehen. Der Anlass für die Aktuelle Stunde der FDP-Fraktion - das ist auch eine erstaunliche Situation - ist die Vorstellung des Wahlprogramms der SPD. Das ist der eigentliche Anlass heute.

(Beifall SPD - Ness [SPD]: Danke für die Werbung!)

Das Thema „Empfehlungen der Enquetekommission 5/2 ernst nehmen: Starke Kommunen für ein starkes Brandenburg“ kann ich voll und ganz unterschreiben. Ja, wir brauchen tatsächlich starke Kommunen mit leistungsfähigen, effizienten Verwaltungen, damit wir den Bürgern und der Wirtschaft auch in 20 Jahren noch die gewohnten Verwaltungsdienstleistungen schnell, kompetent und rechtssicher anbieten können.