Protocol of the Session on June 6, 2013

Zunächst begrüße ich unsere erste Gästedelegation: Schülerinnen und Schüler des Humboldt-Gymnasiums Potsdam. Herzlich willkommen im Landtag Brandenburg!

(Allgemeiner Beifall)

Ich habe die weitere erfreuliche Aufgabe, dem Präsidenten des Landesrechnungshofes, Herrn Christoph Weiser, zu seinem heutigen Geburtstag zu gratulieren. Herzlichen Glückwunsch!

(Allgemeiner Beifall - Ministerpräsident Platzeck, Minis- ter Baaske, Abgeordneter Dombrowski [CDU] und Abge- ordneter Goetz [FDP] gratulieren)

Schöner als hier im Plenum kann man seinen Geburtstag nicht verbringen.

(Heiterkeit)

Ihnen liegt die Einladung mit dem Entwurf der Tagesordnung vor. Gibt es hierzu Bemerkungen? - Bitte, Herr Bischoff.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Aufgrund der aktuellen Entwicklung bezüglich des Hochwassers haben sich die fünf Parlamentarischen Geschäftsführer darauf verständigt, den Ministerpräsidenten zu bitten, vor Einstieg in die heutige Tagesordnung eine kurze Einschätzung der Hochwassersituation im Land Brandenburg zu geben. - Vielen Dank.

Gibt es Einverständnis, dass wir diesen Bericht vor die Tagesordnung setzen?

(Bischoff [SPD]: Ohne Debatte!)

Widerspruch sehe ich nicht; ich danke Ihnen.

Wenn die Tagesordnung im Übrigen Ihre Zustimmung findet, bitte ich um Ihr Handzeichen. - Gibt es Gegenstimmen? Stimmenthaltungen? - Beides ist nicht der Fall. Die Tagesordnung ist bestätigt worden.

Damit hat der Ministerpräsident das Wort für seinen Bericht.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir erleben, wie wir alle in den letzten Tagen verfolgen konnten, nicht nur in Brandenburg eine außergewöhnliche Situation. Ich sage gleich vorweg: Wir haben uns schon vor längerer Zeit abgewöhnt, die über uns kommenden Hochwasser „Jahrhunderthochwasser“ zu nennen; das haben wir 1997 zum letzten Mal gemacht. Wir sind gut beraten, uns auf solche Situationen ein

zustellen. Die Dichte von Hochwasserereignissen in den letzten Jahren zeigt, dass es sich nicht mehr um außergewöhnliche Ereignisse handelt.

Dennoch hat jedes Hochwasser seine Besonderheiten; das merken wir auch dieses Mal. Mancherorts - Passau und Halle (Saale) seien genannt - werden Wasserstände wie seit Jahrhunderten nicht mehr verzeichnet. Das ist natürlich mit neuen Herausforderungen verbunden.

Für uns im Land Brandenburg liegt die Spezifität dieses Hochwassers darin begründet, dass wir, was die Elbe betrifft, nicht mehr so genaue Vorherhersagen treffen können. Früher wurde von unseren tschechischen Nachbarn der Wasserpegel gemeldet. Das Wasser floss dann durch Sachsen, und wir konnten relativ genaue Berechnungen anstellen - in Magdeburg steht der zentrale Hochwasserrechner für den gesamten Elbebereich - und uns einrichten.

Dass sich das dieses Mal als komplizierter erweist, kann man schon aus der Situation der Flüsse in Brandenburg heraus begründen. Wir verzeichnen parallele Hochwassersituationen an Neiße, Spree, Schwarzer Elster und Elbe. Das Eigenwasseraufkommen ist sehr hoch, weil es auch hier tagelang intensiv geregnet hat. Dazu bekommen wir das übliche Wasser von unseren tschechischen Nachbarn. Da das Wasser der Flüsse Mulde, Weiße Elster und Saale letztlich durch die Prignitz fließen muss, sind die Auswirkungen für diese Region besonders groß.

Betrachten wir die Flüsse von Osten nach Westen, können wir Stand heute Früh - sagen, dass die Situation an der Neiße beherrschbar ist. In den nächsten Tagen wird es dort wahrscheinlich vorbei sein. In Guben sind Verbaumaßnahmen ergriffen worden. Es sieht so aus, dass der Scheitel - in Bademeusel sinkt der Pegel bereits - heute Guben passiert und wir dort dann keinen größeren Ärger mehr haben werden.

Schwieriger ist die Situation an der Spree. Die Talsperre Bautzen ist zwar nicht kaputt, aber übergelaufen. Die Talsperre Spremberg ist sehr voll. Das bedeutet, dass aller Voraussicht nach in den nächsten Stunden durch Cottbus mehr Wasser geleitet werden muss als bis dato. Wir hatten 2010 Spitzenwerte von ungefähr 90 m3 pro Sekunde, die durch Cottbus fließen mussten. Diesmal wird es wahrscheinlich mehr sein, ungefähr 110 m3 pro Sekunde werden im Laufe des heutigen Tages in Cottbus erreicht werden. Nach den Informationen, die ich habe, und den von mir heute Früh geführten Gesprächen sind die Vorbereitungsarbeiten in Cottbus sehr gut gelaufen, sodass man annimmt, auch noch etwas mehr Wasser werde ohne Schäden für Menschen und Gebäude durch die Stadt geleitet werden können.

In Spremberg wird der Scheitel vorher erreicht. Auch dort hat man sich sehr gut vorbereitet. Es sieht so aus, als ob das Spreehochwasser auch diese Stadt ohne Schäden für Personen und Gebäude passieren kann.

An der Schwarzen Elster wird sich die Situation für einen längeren Zeitraum komplizierter darstellen. Stand heute Früh sieht es so aus, dass in Bad Liebenwerda und in Herzberg keine Evakuierungen nötig sein werden, aber wir werden noch etliche Tage speziell in Herzberg mit Alarmstufe 4 rechnen müssen. Das hängt nicht mehr mit den Zuflüssen aus den Oberläu

fen zusammen - insoweit ist an der Elster schon ein Rückgang zu verzeichnen -, aber das Elbewasser beginnt sich zurückzustauen, da der Abfluss nicht mehr gewährleistet ist. Eigentlich konzentriert sich das auf das sachsenanhaltinische Gebiet, aber es wird sich wohl bis Herzberg stauen. Deshalb haben wir dort lange mit einem hohen Wasserstand zu rechnen. Das ist angesichts des Zustands der Deiche eine große Herausforderung. Der Deichbruch von 20 m Länge in Arnsnesta, von dem Sie bestimmt gehört haben, gefährdet keine Personen. Es wird dennoch versucht, von sachsen-anhaltinischer Seite aus mit Helfern den Deich zu reparieren. Wir werden also sowohl in Bad Liebenwerda als auch in Herzberg weit über das Wochenende hinaus eine angespannte, komplizierte Situation haben.

An der Elbe konzentriert sich im Moment alles auf Mühlberg. Wir können noch nicht genau sagen, auch heute Früh noch nicht, ob der Höchststand von 2002, der für diese Stadt schon fast zu viel war, erreicht oder überschritten wird. Wir gehen davon aus, dass morgen in etwa der Stand von 2002 erreicht wird, und bereiten uns auf einiges mehr vor, auch durch Verbaumaßnahmen. Die Baustelle in Mühlberg ist gesichert. Ein Teil des Deiches dort ist bereits erneuert worden, ebenso die Hafenmauer und vieles andere.

Wir haben gestern Abend wahrnehmen können, dass in der Stadt eine sehr sachliche, nüchterne Stimmung herrscht. Es wird sehr professionell gearbeitet, zumal Mühlberg nicht zum ersten Mal in dieser Situation ist.

Ältere, hilfebedürftige oder pflegebedürftige Personen sind in sichere Gebiete gebracht worden. Auch viele Familien, insbesondere Familien mit kleinen Kindern oder mit älteren Angehörigen, haben die Stadt verlassen. Gestern ist auch eine entsprechende Aufforderung ergangen. Wir haben mit einigen Familien sprechen können. Sie sehen das sehr klar und haben alles vorbereitet. Die Sachen sind gepackt bzw. in höhere Stockwerke gebracht worden, damit man für den Fall der Fälle die Stadt schnell verlassen kann. Es kann sein, dass im Laufe des heutigen oder des morgigen Tages eine Anordnung ergeht, dass auch diejenigen, die noch da sind, die Stadt verlassen müssen, aber das wird sich zeigen.

Ich habe mit großer Dankbarkeit zur Kenntnis genommen, dass wir sehr mündige, aufgeklärte Bürger haben, die die Situation sachlich einschätzen und mit den städtischen und den kreislichen Stellen sehr gut zusammenarbeiten.

Wir werden in den nächsten Tagen viele Bemühungen auf den Nordwesten unseres Landes konzentrieren; denn all das Wasser, das den Süden Brandenburgs passiert hat, wird später oben in der Prignitz - salopp gesagt - „vorbeikommen“.

Denn da ist am Wochenende zwar ein Höchststand zu erwarten, aber es wird nicht so sein, dass dann ab Montag Ruhe ist. Wir wissen heute noch nicht - da ist auch das Modell überfragt, das bisher für die Elbe existiert -, wie die Scheitel laufen werden; das heißt, was die Entwässerung von Halle, Leipzig betrifft. Alles, was dort unterwegs ist, wird uns dann wahrscheinlich längere Zeit einen sehr hohen Wasserstand bescheren.

Wenn ich von manchen Unsicherheiten spreche, dann hat das mit dieser Situation, die ich schon geschildert habe, zu tun, aber wir können uns auch nicht auf die Erfahrungen von 2002

verlassen, was Mühlberg angeht, denn damals haben wir sehr viele Deichbrüche auf sächsischem Gebiet - im Vorlauf - gehabt. Das, was also der Pegel von Dresden ausgesagt hat und was er heute aussagt, ist nicht so klar. Denn wir werden jetzt damit rechnen müssen, dass es keine Deichbrüche auf dem Weg mehr geben wird und dass alles Wasser, das ankommt, dann auch bei uns vorbei kommt. Das ist eine andere Situation als vor zehn, elf Jahren. Das ist ja gut, denn die Gelder, die eingesetzt worden sind, müssen sich ja auch bemerkbar machen. Aber in Teilen wird uns das dann doch noch einmal vor neue Herausforderungen stellen.

Insgesamt kann man sagen, die Zusammenarbeit der Lagestäbe in den Kreisen, des Lagezentrums im Innenministerium, im Umweltministerium - das hat sich in diesen Tagen gezeigt läuft sehr gut, läuft sehr professionell. Man merkt, dass auch ein gewisser Trainingseffekt und -zustand da ist. Die Räder greifen sehr schnell ineinander. Da gibt es wenig Reibungsverluste. Aber natürlich gibt es auch immer Beschwerden, es gibt auch immer Gegenden bzw. Menschen, die sich nicht hinreichend gut behandelt fühlen.

Wir haben das Problem des Deichbaus als Generationenaufgabe. Wir haben die Oder fast fertig. Wir sind an der Elbe sehr, sehr weit. Das nächste große Projektgebiet wird die Schwarze Elster sein - keine Frage. Aber es sind über 400 Millionen Euro in diese Maßnahmen geflossen, und alles gleichzeitig geht nicht.

Ich sage hier aber auch: Wir werden dieses Hochwasser zum Anlass nehmen müssen, die Bemühungen im Gebiet der Schwarzen Elster noch deutlich zu intensivieren. Denn wir merken, es sind keine einmaligen Ereignisse. Wir werden immer wieder damit konfrontiert sein. Deshalb müssen wir jetzt wirklich die Kräfte konzentrieren und dort auch erheblich deutlicher und schneller vorankommen, damit niemand den Eindruck hat, man wäre in irgendeiner Form vergessen worden oder werde nicht ausreichend berücksichtigt.

Meine Damen und Herren, zum Schluss möchte ich ganz ausdrücklich sagen - viele von Ihnen werden ja ähnliche Eindrücke gesammelt haben -: Wir haben bei aller großen Herausforderung zu verzeichnen, dass sehr viel Gemeinsinn unterwegs ist. Wir waren gestern auf dem Weg in den Süden bei mehreren Sandsackplätzen, wo junge und ältere Leute aus der Region, aber auch aus Gebieten außerhalb der Region, zusammen waren und gesagt haben, dass sie das als etwas ganz Normales ansehen, sich für den Schutz ihrer Heimat einzusetzen. Sie haben gesagt: Wir sind gern dabei. - Es gibt viel Hilfsbereitschaft im Verhalten gegenüber älteren Mitbürgern - das haben wir auch gestern Abend erlebt -, dass der Nachbar kommt und sagt: Komm, ich fahre dich da hoch, fahre dich dorthin, wohin du willst, zu deinen Verwandten; du kannst das ja selber nicht machen.

Also, das ist auch ein gutes Gefühl. Ich möchte mich ganz ausdrücklich - wir haben mittlerweile Tausende Kräfte im Einsatz; wir haben Unterstützung durch die Bundeswehr mit zirka 500 Soldatinnen und Soldaten; wir haben Feuerwehren aus anderen Bundesländern; wir haben gestern Abend im Kreis Elbe-Elster einen Einsatzzug aus Hessen begrüßen können, der mit hoher Einsatzbereitschaft, aus Wiesbaden kommend, jetzt in Mühlberg helfen wird - bei den vielen Freiwilligen, aber auch bei

den Hauptamtlichen, die jetzt 12, 14, 16 Stunden unterwegs sind, bedanken. Ich denke, ich kann dies auch in Ihrer aller Namen tun. Ihnen allen ist es zu danken, dass wir bisher relativ schadlos durch die Situation gekommen sind, was wir auch gern bis zum Ende so tun wollen. - Vielen Dank.

(Starker allgemeiner Beifall)

Vielen Dank, Herr Ministerpräsident, für diese Informationen.

Wir steigen damit in den Tagesordnungspunkt 1 ein:

Aktuelle Stunde

Thema: Sicherheitsgefühl der Brandenburger stärken - Kernaufgaben des Staates erfüllen - innere Sicherheit gewährleisten

Antrag der Fraktion der CDU

Drucksache 5/7342

Dazu beginnen wir mit dem Redebeitrag der CDU-Fraktion. Der Abgeordnete Lakenmacher spricht zu uns.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auch ich möchte zu Beginn die Gelegenheit nutzen und mich - ich denke, dass ich im Namen aller sprechen kann - bei den Mitarbeitern der Landesverwaltung und vor allen Dingen bei den freiwillig engagierten Helfern im Hochwassergebiet bedanken. Es ist beeindruckend zu sehen, wie das Land Brandenburg, wie die Brandenburger zusammenstehen. Sie sollen wissen, dass wir uns dessen bewusst sind, wie schwierig die Lage in diesen Gebieten ist.

(Beifall CDU und FDP sowie vereinzelt bei SPD und DIE LINKE)

Meine Damen und Herren, da fällt es natürlich nicht leicht, zur Tagesordnung überzugehen. Dennoch steht hier die Aktuelle Stunde zur inneren Sicherheit auf der Agenda - ein wichtiges Thema.

Ich möchte diese Aktuelle Stunde mit einer Frage beginnen; sie lautet: Können sich die Menschen in Brandenburg noch darauf verlassen, dass die Polizei des Landes in der Lage ist und sein wird, alles zu tun, um ihren gesetzlichen Auftrag - Straftatenverfolgung und Straftatenverhütung - vollumfänglich zu erfüllen?

Und ich frage Sie, Herr Innenminister: Haben Sie sich diese Frage schon gestellt? Haben Sie sich einmal gefragt, was die Menschen in Brandenburg davon halten, dass es bald Polizeireviere mit Öffnungs- und Schließzeiten geben soll? Was halten die Menschen davon, dass dann bei geschlossenen Revieren teilweise über 100 km zurückgelegt werden müssen, um hier im Land Brandenburg eine geöffnete Polizeidienstelle zu erreichen und mit einem Polizisten Auge in Auge sprechen und Anliegen vortragen zu können?

Herr Minister, ich sage es Ihnen: Davon halten die Menschen in Brandenburg nichts.