Sehr geehrte Damen und Herren! Ich eröffne die 18. Plenarsitzung des Landtags Brandenburg. Ich freue mich, unter unseren Gästen Schülerinnen und Schüler des Weinberggymnasiums Kleinmachnow begrüßen zu dürfen. Ich wünsche euch einen spannenden Vormittag bei uns im Landtag!
Es ist mir eine ganz besondere Freude, Abgeordnetenkollegen aus Georgien zu begrüßen: den Präsidenten des Parlaments der Autonomen Republik Adscharien in Batumi, Herrn Michael Macharadse, und seine Kollegen. Herzlich willkommen!
Ich teile Ihnen gemäß § 20 Abs. 2 Nr. 2 der Geschäftsordnung des Landtags mit, dass die CDU-Fraktion in ihrer Sitzung am 29. Juni 2010 den Abgeordneten Petke als Stellvertreter der Fraktionsvorsitzenden gewählt hat. Herzlichen Glückwunsch und eine erfolgreiche Arbeit!
Außerdem teile ich Ihnen mit, dass der Ausschuss für Haushalt und Finanzen in seiner Sitzung am 3. Juni den Abgeordneten Burkardt anstelle von Frau Dr. Ludwig als Vorsitzenden gewählt hat. Auch Ihnen ein erfolgreiches Arbeiten!
Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Am Anfang der Tagesordnung steht eine Aktuelle Stunde zu den „Auswirkungen des unsozialen Sparpakets der Bundesregierung auf Brandenburg“.
Ich kann verstehen, dass jeder anderes aktuell und wichtig findet. Ich kann auch verstehen, dass man gern über Probleme der Bundesregierung spricht, anstatt sich mit den Problemen zu befassen, die wir in unserem eigenen Land haben.
Was ich nicht nachvollziehen kann, ist, dass man bereits im Antrag selbst eine Wertung vornimmt - das ist unüblich.
(Bischoff [SPD]: Am Ende der Stunde werden Sie wis- sen, warum! - Zurufe von der Fraktion DIE LINKE sowie Beifall CDU)
Darin ist von einem unsozialen Sparpaket die Rede. Das mag man in der Debatte erörtern. Aber einen Tagesordnungspunkt so zu benennen ist schlechter Stil. Ich würde erwarten, dass Sie die Neutralität, die einem solchen Antrag geziemt, wahren. Wir werden uns nicht in gleicher Weise darauf einlassen, obwohl
wir das tun könnten, indem wir von unsozialen, unqualifizierten und schlechten Anträgen der Koalitionsfraktionen redeten. Das machen wir ausdrücklich nicht, denn wir glauben, dieses Haus hat einen anderen Stil verdient. Wir würden uns sehr wünschen, dass Sie sich daran halten. - Danke.
Gibt es weitere Bemerkungen zur Tagesordnung? - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Das ist nicht der Fall. Damit ist die Tagesordnung beschlossen.
Ich teile Ihnen mit, dass uns Herr Minister Speer um 15 Uhr verlassen muss. Er wird durch Minister Rupprecht vertreten.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr verehrte Gäste! Bundeskanzlerin Merkel hat das Sparpaket der Bundesregierung als das mit 82 Milliarden Euro größte in der Geschichte der Bundesregierung bezeichnet. Die Bundeskanzlerin hat auch gesagt, dass das Sparpaket eine Herausforderung für uns alle sei, und es als sozial ausgewogen beschrieben. Das Sparpaket hat finanzielle Auswirkungen auf Brandenburg, aber vor allem auf die Brandenburgerinnen und Brandenburger. Insofern ist es nur logisch, dass wir es in der heutigen Aktuellen Stunde diskutieren und näher beleuchten.
Das schwarz-gelbe Sparpaket ist ein Angriff auf das Gemeinwohl. Vor allem Familien, Kinder und Arme zahlen die Zeche der Krise. Ich habe Minister Baaske oft sagen hören, ihm sei die Kinnlade heruntergefallen, als er von den Sparmaßnahmen gehört habe. Für mich räume ich ein: Mir ist fast die Luft weggeblieben. Ich konnte mir wirklich nicht vorstellen, dass eine Bundesregierung angesichts der Erfahrungen mit der HartzIVProblematik - es gab in den letzten Jahren nicht ohne Grund die ein oder andere Nachbesserung -, nach dem Bundesverfassungsgerichtsurteil in puncto Transparenz der Regelsätze bis zum Jahresende und angesichts der unerträglich langen Hängepartie für die Rechtsform der Jobcenter je auf die Idee kommen
Der Arbeitsmarkt und der Sozialbereich sind überdurchschnittlich von massiven Kürzungen betroffen. Vor allem die Arbeitsförderung wird stark zusammengestrichen, während die möglichen Belastungen der Wirtschaft unscharf und wolkig bleiben. Die schwachen und nicht die starken Schultern werden belastet. Allein die Arbeitslosen sollen nach dem Willen von Schwarz-Gelb die Hälfte der Einsparungen aufbringen. Kanzlerin Merkel sagte zu den Sparbeschlüssen der schwarz-gelben Koalition:
Dazu sage ich: Wo sie Recht hat, hat sie Recht. Das ist ein Paket mit sozialer Schieflage. Es fehlt die soziale Balance, es ist keineswegs - wie behauptet - ein ausgewogenes und gerechtes Sparpaket. In der Tat: Das ist nicht nur die Meinung in der SPD, sondern mehr als 80 % der Bundesbürger sehen die Sparbeschlüsse als einseitig und unsozial an. Der Paritätische Gesamtverband bezeichnet das Sparpaket als absolut inakzeptabel; der Sozialverband VdK Deutschland erklärt, die Sparbeschlüsse führten zu mehr Armut, die Kluft zwischen Reich und Arm in Deutschland werde weiter wachsen. Ver.di und der DGB rufen sogar gemeinsam zu Protestaktionen auf.
Meine Damen und Herren, völlig unbenommen steht unser Land vor großen sozialen Belastungsproben. Die Einnahmen von Kommunen und Ländern sinken, es steigen demgegenüber die Ausgaben. Ursache dafür ist aber nicht die vermeintlich spätrömische Dekadenz der Bürgerinnen und Bürger, sondern das fahrlässige Glücksspiel der Spekulanten auf den Finanzmärkten. Bei diesem Sparpaket vermisse ich schmerzlich einen echten Beitrag der Finanzbranche.
Stattdessen sollen Familien und Sozialschwache die Zeche der Krise zahlen. Die Streichung des Elterngeldes für Arbeitslosengeld-II-Empfänger ist ein besonders drastischer Knackpunkt der schwarz-gelben Sparpläne. Es trifft gerade jene Familien, die am wenigsten haben. Hier wird eine ganze Bevölkerungsgruppe stigmatisiert, denn: Sie ist zur Armut verdammt.
Das ist nicht nur sozial unausgewogen; es ist auch sozial ungerecht und höchst bedenklich. Die Hausfrau mit dem gut verdienenden Ehemann wird auch weiterhin das Elterngeld bekommen. Es kann doch nicht sein, dass die Erziehungszeit der Eltern, die von Grundsicherung leben müssen, dem Staat weniger wert sein soll. Das ist für mich bedenklich.
Natürlich trifft die Streichung des Elterngeldes besonders Alleinerziehende hart. In Brandenburg leben derzeit 55 000 Alleinerziehende; knapp 50 % davon sind Hartz - IV - Empfänger. Mit Wegfall des Elterngeldes wird sich gerade ihre Lebenssituation dramatisch verschlechtern - und damit auch die Lebenssituation ihrer Kinder. Eine so zugespitzte Benachteiligung macht sich in den allermeisten Fällen auch bei den Zukunftschancen der Kinder bemerkbar. Mit mehr Kita-Personal, Neueinstellungen von Lehrern und Schüler-BAföG versuchen wir in Brandenburg vehement, mehr Chancengleichheit und bessere Lebenschancen gerade für unsere Jüngsten, also für unsere Zukunft, zu ermöglichen.
Der Sparansatz der schwarz-gelben Koalition treibt dagegen einen Keil in unsere Gesellschaft, der bundesweit wirkt. Generell soll das Elterngeld von 67 % auf 65 % des letzten Nettoerwerbseinkommens gesenkt werden. Schwarz-Gelb stellt damit das moderne Konzept des Elterngeldes infrage, das wir Sozialdemokraten entwickelt und in der Großen Koalition durchgesetzt haben. Nun denn - moderne Familienpolitik war schon immer ein Horror für Christdemokraten.
Eine weitere Sparattacke bei den Arbeitslosengeld-II-Empfängern ist der Wegfall des Rentenversicherungsbeitrags. In Brandenburg wären davon derzeit knapp 170 000 Personen betroffen. Diese Kürzung führt ganz klar zu mehr Altersarmut. Gleichzeitig steigen die Kosten für die Kommunen, weil sie für die Grundsicherung von Menschen mit zu niedriger Rente aufkommen müssen. Diese Maßnahme beschädigt nicht nur die sozialen Sicherungssysteme; sie ist außerdem ein großer Verschiebebahnhof zulasten der Städte, Gemeinden und Landkreise.
Im Zuge der Wohngeldreform 2009 wurde auf Initiative der SPD der Heizkostenzuschuss eingeführt. Natürlich wird auch das jetzt von Schwarz-Gelb gekippt. Das trifft vor allem Geringverdiener hart, deren Gehalt bislang noch nicht mit Arbeitslosengeld II aufgestockt werden musste. An dieser Stelle, meine Damen und Herren, bitten wir Sie, unseren Antrag für die heutige Aktuelle Stunde zu korrigieren.
Auch an dieser Stelle zeigt sich das wahre Gesicht der schwarzgelben Sparorgie. Die Begründung, den gestrichenen Heizkostenzuschuss könne man durch Energieeinsparungen faktisch wieder hereinholen, ist zynisch. Auch die Argumentation, der Energiepreis sei wieder gesunken, ist hanebüchen. Der Ölpreis liegt heute wieder um 34 % über dem vom 1. Januar 2009.
Die Streichung der Ausgleichszahlung für Erwerbslose beim Übergang vom Arbeitslosengeld zum Arbeitslosengeld II betrifft etwa 8 000 Brandenburgerinnen und Brandenburger, die zuvor langjährig beschäftigt waren und aufgrund der Krise ihren Arbeitsplatz verloren haben. Wer jahrzehntelang in die Arbeitslosenversicherung eingezahlt hat, wird nach kurzer Zeit genauso gestellt, als wäre nie eingezahlt worden. Diese Streichung ist ein eklatanter Bruch mit dem Prinzip „Leistung muss sich lohnen!“ und entwertet Lebensleistungen.
Die Bundesagentur soll in Zukunft über den Einsatz arbeitsmarktpolitischer Instrumente entscheiden. Dazu sollen Pflichtleistungen in Ermessensleistungen umgewandelt werden. De facto bedeutet das: Die Arbeitsförderung wird massiv zusammengestrichen. Die Bundesregierung verabschiedet sich damit von der aktiven Arbeitsmarktpolitik und geht zu einer Arbeitsmarktpolitik nach Kassenlage über. Das ist das Gegenteil von Verlässlichkeit und bedeutet keineswegs - wie von SchwarzGelb propagiert - eine bessere Förderung. Im Gegenteil, es droht der Zusammenbruch von Aktivierung und Förderung, die bislang zu großen Erfolgen auf dem Arbeitsmarkt geführt haben. Für Brandenburg werden damit die Gestaltungsmöglichkeiten für eine passgenaue Förderung von Arbeitslosen deutlich sinken.
Der Brandenburger Sozialgipfel vom 21.06. dieses Jahres hat es richtig herausgearbeitet: Dieses Sparpaket der Bundesregierung muss mit all unseren Möglichkeiten verhindert werden, weil es dazu durchaus Alternativen gibt, zum Beispiel Steue
rerhöhungen an den richtigen Stellen statt Kürzungen bei den Schwachen. Das wäre nicht nur gerechter; es würde auch Länder und Kommunen entlasten. Beim Spitzensteuersatz ist Luft nach oben, eine Vermögensteuer ist denkbar und eine Finanztransaktionssteuer notwendig.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auch meinerseits ein herzliches Willkommen an die Kollegen Parlamentarier und an die Schüler des Weinberggymnasiums!