Protocol of the Session on December 15, 2010

Meine Damen und Herren, ich begrüße Sie zur 26. Plenarsitzung! Ich begrüße unter unseren Gästen Schülerinnen und Schüler der Jean-Clermont-Oberschule Oranienburg. Herzlich willkommen im Landtag Brandenburg!

(Allgemeiner Beifall)

Vor Eintritt in die Tagesordnung ist es mir eine Freude, der Abgeordneten Wöllert zum Geburtstag zu gratulieren. Herzlichen Glückwunsch!

(Beifall)

Ich begrüße unter unseren Gästen den Vizepräsidenten des Parlaments der georgischen Autonomen Republik Adscharien, Herrn Zosidze

(Allgemeiner Beifall)

nebst zweien seiner Abgeordnetenkollegen. Herzlich willkommen bei uns!

(Beifall)

Gibt es Bemerkungen zur Tagesordnung? - Da das nicht der Fall ist, lasse ich über sie abstimmen und bitte um das Handzeichen. - Gibt es Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Beides ist nicht der Fall. Damit ist die Tagesordnung beschlossen.

Neben der Abwesenheit einiger Abgeordneter habe ich Ihnen mitzuteilen, dass der Ministerpräsident heute abwesend ist, da er auf der Ministerpräsidentenkonferenz weilt. Er wird von Minister Dr. Markov vertreten.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 1 auf:

Fragestunde

Drucksache 5/2388

Wir beginnen mit der Frage 393 (Krisenmanagement bei S- Bahn Berlin GmbH und DB Bahn Regio), die von der Abgeordneten Kircheis gestellt wird.

In den letzten Tagen häuften sich wie auch im vergangenen Winter Verspätungen und Zugausfälle sowohl bei der S-Bahn als auch bei der DB Regio, oft verbunden mit unzureichenden Informationen der Fahrgäste.

Aus diesem Grund frage ich die Landesregierung: Welche Möglichkeiten sieht sie, gegenüber der S-Bahn und DB Regio darauf hinzuwirken, dass beide Unternehmen auf erschwerte Witterungsbedingungen vorbereitet sind und ein leistungsfähiges Krisenmanagement sowie einen besseren Service anbieten?

Herr Minister Vogelsänger, welche Möglichkeiten sehen Sie?

Herr Präsident! Meine Damen und Herren Abgeordnete! Ich freue mich, dass Sie heute so gut hier angekommen sind.

(Jürgens [DIE LINKE]: Mit der S-Bahn! - Heiterkeit)

Der Winterdienst tut, was meine Verwaltung betrifft, alles. Wir haben 1 200 Mitarbeiter im Einsatz. Ich hoffe also, dass das Erforderliche gewährleistet ist.

Wir sind im Winter genauso wie zu anderen Jahreszeiten darauf angewiesen, dass Verkehrssysteme funktionieren. Im Dezember ist Winter nichts Ungewöhnliches. Deshalb gibt es keine Entschuldigung für das, was bei der S-Bahn vorgefallen ist. Da werden wir ganz deutliche Worte sprechen.

Ich darf Ihnen sagen: Es wird heute - in Abstimmung mit Frau Senatorin Junge-Reyer - eine förmliche Abmahnung gegenüber der S-Bahn, der DB Netz und dem DB Personenverkehr geben. Das heißt dann Berichtspflicht gegenüber den Aufgabenträgern, und das wird natürlich auch hier im Parlament eine entsprechende Rolle spielen.

Für die Wintervorbereitung und das sachgerechte Krisenmanagement bleibt das Unternehmen zuständig. Das betrifft nicht nur die S-Bahn, das betrifft auch DB Netz für den Netzbetrieb und das Unternehmen insgesamt. Das Unternehmen hat im Oktober 2010 publik gemacht, dass man gut auf den Winter und die entsprechenden Anforderungen vorbereitet sei. Eine gute Vorbereitung konnten wir jedoch nicht erkennen.

Das Land Brandenburg wird zur Gewährleistung eines zuverlässigen schienengebundenen Personennahverkehrs - die S-Bahn gehört als wichtiger Leistungsträger dazu - maßgeblich auf die verkehrsvertraglich vereinbarten Instrumente zurückgreifen. Der Vertragspartner, die S-Bahn GmbH, ist verpflichtet, die Leistungen zu erbringen. Das ist übrigens überall bzw. bei allen Vertragspartnern so, auch in der freien Wirtschaft, wenn man beispielsweise einen Bauauftrag übernimmt: Verträge sind einzuhalten. Darauf werden wir pochen.

Gewinne dürfen nicht zulasten der Qualität gemacht werden. Die Nachverhandlungen des Verkehrsvertrages sehen empfindliche Zahlungen bei nicht erbrachten Leistungen vor. Der Verkehrsverbund ist beauftragt, das linienscharf nachzuweisen und dann die entsprechenden Malus-Zahlungen zu veranlassen. Aber das ist nicht unser Ziel. Unser Ziel ist - wir sind mitten in den Haushaltsberatungen -, dass die für die S-Bahn eingeplanten Mittel auch für die S-Bahn ausgegeben und die entsprechenden Verkehrsleistungen erbracht werden.

Ich will ein Beispiel nennen. Es hat eine längere Geschichte, insofern ist dies nicht nur Herrn Buchner, dem jetzigen Geschäftsführer der S-Bahn Berlin, zum Vorwurf zu machen. Die Werkstatt - das Gebäude - der S-Bahn in meiner Heimatstadt Erkner wurde saniert und danach stillgelegt. Ich denke, darüber sollte man nachdenken: Werkstattkapazitäten sind vorhanden. Man muss das mit dem entsprechenden Personal untersetzen.

Im Mittelpunkt unserer Anstrengungen müssen die Fahrgäste stehen. Es geht nicht darum, möglichst wenig an die S-Bahn zu zahlen, sondern darum, dass der Verkehrsvertrag erfüllt wird, weil: Die Menschen sind auf die S-Bahn angewiesen. Wir ha

ben mit der S-Bahn auch Zusatzbestellungen, beispielsweise einen Zehn-Minuten-Takt nach Teltow, vereinbart. Wir wollen jetzt schaue ich zu Frau Kaiser - einen 20-Minuten-Takt nach Strausberg-Nord.

(Frau Kaiser [DIE LINKE]: Das wollen wir schon 15 Jah- re lang!)

- Das wollen Sie auch. All das ist unsererseits in Vorbereitung. Wir würden das auch bestellen, aber die Bahn ist zu den Dingen nicht in der Lage - wobei man hinzusetzen muss: Was Strausberg betrifft, bedarf es noch der entsprechenden infrastrukturellen Voraussetzungen, das zu erbringen.

Wir haben also vor, mit der S-Bahn deutlich mehr Leistungen zu vereinbaren. Sie kann sie nur nicht erbringen.

Ich will noch auf drei Gruppen eingehen, die den Ärger abkriegen. Die erste Gruppe sind die Abgeordneten. Frau Abgeordnete Geywitz hat mir dargestellt, wie das dann abläuft: Man wird als Abgeordneter angesprochen. Ich will die Abgeordneten in Schutz nehmen, denn sie setzen sich dafür ein, dass der SPNV, dass der ÖPNV in Brandenburg finanziert werden. Wir haben ein Recht darauf, dass die Mittel, die dafür zur Verfügung gestellt werden, auch dafür eingesetzt werden, dass der Fahrplan eingehalten wird.

Die zweite Gruppe sind unsere Bürgermeister. Sie kriegen den Ärger in Gemeindevertretungen und Stadtverordnetenversammlungen genauso ab. Deshalb habe ich vor, im Frühjahr dieses Jahres alle Bürgermeister der S-Bahn-Gemeinden einzuladen, um noch einmal darüber nachzudenken, wie wir die Qualität bei der S-Bahn verbessern und auch Investitionen in den Bereich S-Bahn absichern können. Es gibt dort viele Vorhaben, beispielsweise Park and Ride, Bike and Ride und andere Dinge. Unser Hauptaugenmerk müssen die Fahrgäste sein, und da sind wir 2011 in der Pflicht, für Verbesserungen zu sorgen, auch angesichts der aktuellen Situation, die nicht im Verschulden des Landes liegt.

Jetzt will ich etwas zu den Mitarbeitern der S-Bahn sagen: Die Mitarbeiter der S-Bahn leiden genauso unter der Situation wie die Fahrgäste. Sie sind mit ihrem Unternehmen stark verwurzelt. Die erste S-Bahn, Frau Abgeordnete Stark, fuhr 1924 nach Bernau über Zepernick. Seitdem wurde ein sehr leistungsfähiges S-Bahn-Netz entwickelt, auf das wir angewiesen sind. Die ersten Mitarbeiter der S-Bahn nehmen ihren Dienst um 3.30 Uhr auf, die letzten Mitarbeiter haben um 1.00 Uhr Schichtende. Sie leiden genauso darunter, dass ihr Unternehmen immer schlechte Presse hat. Deshalb spreche ich von meiner Seite auch einen Dank an die Mitarbeiter aus. An ihnen liegt es nicht. Es liegt am Management. Da müssen wir ganz deutlich sagen, wer die Verantwortung trägt. Es wird sicherlich nicht das letzte Gespräch sein. Die förmliche Abmahnung ist hoffentlich das letzte Warnsignal für die S-Bahn GmbH. - Vielen Dank, meine Damen und Herren.

Vielen Dank. - Ich rufe Frage 394 (Demokratie stärken mit Pflichtbekenntnis?) auf, die von der Abgeordneten Kaiser gestellt wird.

Im Rahmen des Bundesprogramms „Toleranz fördern - Demokratie stärken“ soll den zu fördernden Projekten eine Erklärung vorgelegt werden, mit der diese sich nicht nur zur freiheitlich demokratischen Grundordnung bekennen, sondern in der die Projekte ab 2011 auch dazu aufgefordert werden, sämtliche Partner - Organisationen, Referenten usw. - auf ihre Verfassungstreue zu überprüfen. Die den Projekten abverlangte Erklärung soll Bedingung für die Bewilligung ihrer Förderung sein.

Aus juristischer Sicht wird diese Absicht der Bundesregierung inzwischen unterschiedlich bewertet und auch infrage gestellt. Nicht nur Vertreter anerkannter Träger solcher Projekte - wie die Mitglieder des Aktionsbündnisses Brandenburg gegen Gewalt, Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit - diskutieren derzeit, wie dieser Sachverhalt einzuschätzen ist und wie sie mit dieser den Projekten abverlangten Erklärung umgehen sollen. Der Kreistag Märkisch-Oderland lehnte die Anwendung dieser Überprüfung sogar ab.

Vor diesem Hintergrund frage ich die Landesregierung: Wie bewertet sie das Vorhaben der Bundesregierung, die Bewilligung von Projektförderungen in dieser Form an das Bekennen und die Überprüfung von Verfassungstreue zu binden?

Minister Rupprecht antwortet.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Kaiser, das von Ihnen angesprochene Vorhaben der Bundesregierung wird von der Landesregierung differenziert beurteilt. Die von der Bundesregierung vorgesehene Bestätigung umfasst ja, wie Sie es richtig gesagt haben, das Bekenntnis des Zuwendungsempfängers zur freiheitlich demokratischen Grundordnung der Bundesrepublik sowie die Versicherung, eine den Zielen des Grundgesetzes dienliche Arbeit zu leisten. Dieser Teil ist nicht nur für die Landesregierung völlig unstrittig und in Ordnung, sondern ich habe auch von keinem potenziellen Träger gehört, dass er nicht bereit sei, das zu unterschreiben. Der Gedanke ist übrigens nicht neu. Im Kinder- und Jugendhilfegesetz finden sich beispielsweise in § 74 ganz ähnliche Voraussetzungen für die Förderung freier Träger der Jugendhilfe.

Umstritten ist - Sie hatten darauf hingewiesen, Frau Kaiser die als Zweites vorgesehene Verpflichtung, die Verfassungstreue auch bei allen Partnern zu kontrollieren, mit denen man in diesem Projekt arbeiten will.

Es gibt ein Rechtsgutachten von Prof. Ulrich Battis aus Berlin, der einschätzt, dass die Formulierungen des Bundes einfach nicht präzise genug sind, um zu erreichen - das ist ja offensichtlich das Ziel -, dass nur Personen und Gruppen Nutznießer der Förderung werden, die sich für die Demokratie im Sinne des Grundgesetzes einsetzen. Die Landesregierung, speziell die Koordinierungsstelle Tolerantes Brandenburg, hat im Vorfeld versucht, mit dem Bund eine einvernehmliche Lösung zu finden, zum einen die Vorbehalte der Träger gegen den zweiten Teil zu berücksichtigen, zum anderen auch die Interessen des

Bundes zu wahren. Wir werden uns - bisher hat es noch keine einvernehmliche Lösung gegeben - weiterhin beim Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend dafür einsetzen, dass es eine Änderung des zweiten Teils dieser Bestätigungserklärung gibt. - Soweit von mir.

Es gibt Nachfragen. Frau Kaiser, bitte.

Herr Minister, Sie sprachen das Gutachten von Prof. Ulrich Battis zur Zulässigkeit der Extremismusklausel im Bundesprogramm „Toleranz fördern - Kompetenz stärken“ an; es wurde am 29. November verfasst. Teilen Sie die Einschätzung dieses Gutachtens, dass die Sätze 2 und 3 im Entwurf dieser Klausel der Bundesregierung nicht nur unnötig, unverhältnismäßig und nicht geeignet sind, um das beabsichtigte Ziel zu erreichen, sondern sogar einen Verstoß gegen Artikel 3 Abs. 1 Grundgesetz in Verbindung mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und dem Bestimmtheitsgebot darstellen? Wenn ja, inwieweit sind Sie mit der Bundesregierung und den Kommunen bzw. Trägern des Landes im Gespräch, um zu verhindern, dass hier eine verfassungswidrige Klausel zur Anwendung kommt?

Frau Kaiser, Sie haben den Termin genannt, seit dem wir dieses Gutachten haben. Wir befinden uns in einer juristischen Prüfung. Ich kann mich jetzt nur auf Teil 1 beziehen - Sie haben das Gutachten zitiert -, auf die Unverhältnismäßigkeit und die Unnötigkeit der Sätze 2 und 3. Ich denke, das, was in Satz 1 abgebildet ist, reicht völlig aus.

Eine juristische Prüfung läuft derzeit. Ich hoffe, dass wir mit unseren Trägern, mit allen, die an diesem Prozess beteiligt sind speziell mit dem Bundesministerium -, eine einvernehmliche Lösung finden werden, mit der dann alle gut leben können.

Vielen Dank. - Der Abgeordnete Petke stellt die Frage 395 (Unabhängigkeit der Justiz).

In einer bisher einmaligen Art hat der Ministerpräsident des Landes die Staatsanwaltschaft kritisiert. Nach Medienberichten vom 16. November 2010 hat der Ministerpräsident insofern Kritik an der Staatsanwaltschaft geübt, als es nach seiner Auffassung ein - Zitat - „schwieriger Punkt“ sei, dass der Abgeordnete Speer zu diesem Zeitpunkt keine Informationen über das erhalten habe, was gegen ihn vorliege.

Ich frage die Landesregierung: Hat der Minister der Justiz in dem Ermittlungsverfahren gegen den Abgeordneten Speer wegen des Verdachts auf falsche Versicherung an Eides statt von seinem Weisungsrecht gemäß § 146 GVG Gebrauch gemacht, und hat es Gespräche zwischen dem Justizministerium und der Staatsanwaltschaft gegeben?

Der Minister der Justiz Dr. Schöneburg wird antworten.