Meine Damen und Herren, Sie sehen: Es ist Punkt 9.30 Uhr. In Anbetracht der sportlichen Großereignisse am heutigen Tag beginnen wir eine halbe Stunde früher. Ich bitte Sie, Ihre Plätze einzunehmen.
Ich begrüße Sie zur 96. Plenarsitzung des Landtages Brandenburgs und gehe davon aus, dass Sie form- und fristgemäß unter Vorlage eines Tagesordnungsentwurfs eingeladen worden sind. Gibt es Bemerkungen zu dem Entwurf? - Wenn das nicht der Fall ist, lasse ich über die Tagesordnung abstimmen. Wer nach dieser Tagesordnung verfahren will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gibt es Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Beides ist nicht der Fall. Damit ist die Tagesordnung beschlossen.
Wir haben heute auf Minister Görke und Frau Ministerin Kunst zu verzichten, die von Herrn Minister Christoffers bzw. Frau Ministerin Münch vertreten werden.
Wir beginnen die Debatte mit der antragstellenden Fraktion. Die Abgeordnete Mächtig eröffnet die Debatte.
Guten Morgen, Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Gäste! Was doch so eine Weltmeisterschaft alles möglich macht: dass sich das Parlament sogar eher trifft als geplant! Mal sehen, ob das beim Frauenschwimmen auch so ist.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Als wir uns für das Thema der heutigen Aktuellen Stunde entschieden haben, hörte ich die Opposition förmlich fragen: Was soll denn daran aktuell sein?
Ich kann Ihnen versichern: Wir haben sehr genau überlegt, ob das planmäßige Ende einer fünfjährigen Legislaturperiode genug Aktualität bietet, um eine Aktuelle Stunde zu rechtfertigen.
Bestätigt wurden wir in unseren Überlegungen - für mich übrigens völlig überraschend -, als wir die Drucksache 5/9202 den Antrag der FDP für die morgige Aktuelle Stunde - lasen.
dass für die Rechenschaftslegung einer Legislaturperiode, die wohl zu einer ordentlichen Arbeit gehört, eine Aktuelle Stunde gar nicht ausreichen wird, und beantragte sogleich eine zweite.
(Beifall DIE LINKE und SPD - Beyer [FDP]: Die Fehler kann man nicht in einer abarbeiten! - Büttner [FDP]: Fünf Minuten brauchen wir schon für euch!)
Liest man jedoch beide Anträge, hat es den Anschein, wir wollten über zwei verschiedene Länder reden:
einerseits über ein modernes, ökonomisch, sozialökologisch stärker werdendes Land, über ein Land mit Toleranz und Weltoffenheit, über ein bodenständiges Land, das sich seiner Herausforderungen ebenso bewusst ist wie seiner eigenen Kraft,
andererseits über ein in Unfreiheit, Verfall, Unmoral und Unfähigkeit versackendes Land, das den Anschluss an die Zukunft verliert und dessen irregeleitetes passives Volk von finsteren Mächten um die Früchte von Freiheit und Fortschritt gebracht worden ist. - So die Begründung der FDP.
(Büttner [FDP]: Lassen Sie mich doch erst einmal reden! - Genilke [CDU]: Damit haben Sie Erfahrungen! - Zuruf: Die Wahrheit liegt in der Mitte!)
Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen, nein, es stimmt eben nicht: Nicht immer liegt die Wahrheit in der Mitte,
und in Brandenburg schon gar nicht. Das macht schon ein Blick auf ein paar wichtige Indikatoren deutlich.
Erstens: Brandenburg ist nach den tiefen Einbrüchen und manchen Fehlschlägen der letzten Jahrzehnte auf dem Weg zu einem erfolgreichen Industrieland. Das sagt das Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung an der Universität München, nicht die Regierungskoalition - obwohl: Widersprechen wollen wir dem nicht.
Nach den aktuellen Konjunkturumfragen bewerten viele Unternehmen ihre Geschäftslage und die Aussichten für 2014 als so gut wie noch nie. Die Umfragen lassen eine weitere Belebung der wirtschaftlichen Entwicklung für 2014 erwarten. Knapp 100 000 Leute sind hier inzwischen beschäftigt. Wenn Sie sich erinnern: 10 % mehr als 2009.
Die Wettbewerbsfähigkeit der Brandenburger Industrie liegt nach Einschätzung dieses Instituts deutlich höher als die der meisten ostdeutschen Bundesländer. Alles in allem erzielte Brandenburg 2013 ein Wachstum von 0,7 % und lag damit deutlich über der Wachstumsrate Deutschlands von nämlich 0,4 %. Damit sind wir Spitze in Ostdeutschland. Ja, die Region Berlin-Brandenburg insgesamt ist Spitzenreiter bundesweit.
Die Exportkraft der märkischen Wirtschaft ist gestiegen. Fast ein Drittel aller Umsätze erzielen die Unternehmen unseres Landes im Ausland.
Wahr ist aber auch, und das gehört dazu: Nach wie vor dominieren kleine und Kleinstunternehmen die Wirtschaft unseres Landes. Es mangelt nach wie vor an industriellen Kernen, die Innovationsimpulse geben und weitere starke regionale Netzwerke von Zulieferern und Dienstleistern bilden.
Große regionale Unterschiede bestehen nach wie vor zwischen der Metropolenregion um Berlin und dem ländlichen Raum.
Wir sind nicht blind, sondern wir projizieren. Eine vorausschauende Wirtschaftspolitik, die diese Unternehmen stabilisiert und ihre Kräfte bündelt, den Strukturwandel mit Nachdruck und Augenmaß vorantreiben kann und den Unternehmen somit eine Perspektive eröffnet, ist und bleibt für uns unverzichtbar und Auftrag für die Zukunft.
Zweitens: Die Arbeitslosenquote in Brandenburg sank 2013 unter 10 %; sie lag bei 9,9 %, um genau zu sein. Damit lag sie 2,4 % unter dem Niveau von 2009. Man mag diese Zahlen belächeln - für manchen ist das Ausdruck von Lebensqualität. Das Pro-Kopf-Einkommen lag 2013 um 15,3 % über dem Niveau von 2009.
Wahr ist aber auch: Nach wie vor haben wir es mit einem hohen Anteil von Langzeitarbeitslosen zu tun. Prekäre Arbeitsverhältnisse wie Leiharbeit, mehr aber noch befristete Anstellungen haben deutlich zugenommen. Mehr als jeder dritte Beschäftigte befindet sich heute in einer solchen Erwerbssituation. Armut ist in unserem Land nicht auf dem Rückzug, sondern drückt sehr, sehr viele Menschen. Vor allem drückt sie Kinder.
Wir haben dem 2009 mit dem Programm „Arbeit für Brandenburg“, mit dem 8 000 ordentliche Arbeitsplätze im öffentlichen Beschäftigungssektor geschaffen werden sollten, abhelfen wollen. 40 Millionen Euro hatten wir für dieses Programm vorgesehen. Wahr ist aber eben auch: Wegen der drastischen Kürzungen des Bundes bei der Arbeitsförderung konnten nur 2 200 sozialversicherungspflichtige Stellen geschaffen werden. So sieht es aus, wenn CDU und FDP Regie führen, meine Damen und Herren, und nicht anders.
Der Armut im Land begegnen wir, indem wir nach wie vor auf Teilhabe, Integration und Chancen setzen. Wir haben das Schüler-BAföG eingeführt, um jungen Menschen den Weg zum Abitur zu erleichtern. Wir haben das Mobilitätsticket für das ganze Land. Wir haben den Schulsozialfonds gesichert und wir haben den Familienpass.
Die Wahrheit ist also: Brandenburg ist gerade nach fünf Jahren Rot-Rot kein Land der Finsternis und der sozialen Kälte. Es ist ein Land, das sich auf den Weg gemacht hat - nicht mit wilden Sprüngen, sondern zielorientiert, langsam, Schritt für Schritt.
Die allgemeine Lebenszufriedenheit ist so hoch wie noch nie, sagt der gerade vorgelegte Sozialreport 2014. Insgesamt 54 % der Frauen und Männer in Brandenburg sind mit ihrem Leben zufrieden. Erinnern Sie sich? 2008 waren es deutlich weniger: 40 %. Natürlich darf man diese Werte nicht einfach politisch vereinnahmen. Natürlich muss man sehen, dass die Menschen mit dem, was sie selbst für ihr Leben tun, zufriedener sind als mit dem, was Politik und Gesellschaft tun. Und natürlich muss man die großen regionalen Unterschiede in unserem Land im Auge behalten. Aber all das sind Herausforderungen, denen wir uns gestellt haben und uns weiter stellen.
Meine Damen und Herren! Brandenburg ist ein Land, das sich selbstbewusst auf einen guten Weg gemacht hat. Wo Dinge sich ändern, wo Dinge sich wandeln, da geht es immer auch um die Frage des richtigen Weges und vor allem um das richtige Ziel. Es geht auch darum, dass Menschen die Änderungen aktiv begleiten und gestalten.
Politik kann und muss Schwerpunkte setzen und Entwicklungen ermöglichen. Sie kann und muss dafür die Rahmenbedingungen schaffen, notwendige Ressourcen bereitstellen, materielle und nichtmaterielle Kräfte mobilisieren und organisieren. Dabei geht es um Geld, um Gesetze, um Verwaltung. Es geht aber auch um Motivation und Gemeinsinn. Und vor allem geht es darum, es gemeinsam mit den Menschen im Land, mit den Akteuren, den Unternehmen zu tun, sonst läuft da nichts. Vergessen Sie das bitte nicht, liebe Opposition: Bloßer Schlagabtausch im Parlament produziert nur heiße Luft und rote Ohren - mehr leider nicht.