Protocol of the Session on April 25, 2012

Meine Damen und Herren, ich begrüße Sie zur 54. Plenarsitzung des Landtages Brandenburg.

Ich habe die große Freude, dem Abgeordneten Bommert zu seinem heutigen Geburtstag zu gratulieren. Herzlichen Glückwunsch!

(Dem Abgeordneten werden unter dem Beifall der Abge- ordneten Glückwünsche ausgesprochen und Blumen über- reicht.)

Genießen Sie den Tag!

(Allgemeine Heiterkeit)

Meine Damen und Herren, Sie haben ein Informationsschreiben zum Thema „Neubau des Landtages - Bemusterung Plenarsaal“ bekommen. Der Stuhl, der für die Abgeordneten im Plenarsaal vorgesehen ist, steht dort - von mir aus gesehen rechts -: der rote auf Rollen. Sie haben Gelegenheit, ihn auszuprobieren und - sollte es erhebliche Abneigung gegenüber dem Stuhl geben - dies der Bemusterungskommission mitzuteilen. Noch kann man etwas ändern - bald nicht mehr, denn die Ausschreibungen müssen beginnen.

Meine Damen und Herren, Ihnen liegt der Entwurf der Tagesordnung vor. Bevor ich darüber abstimmen lasse, habe ich Ihnen noch eine Information zu geben. Die FDP-Fraktion hat am 17.04.2012 Vorstandswahlen durchgeführt, in deren Ergebnis der bisherige Vorstand der Fraktion wiedergewählt worden ist. Ich wünsche den Kollegen eine erfolgreiche Arbeit im Vorstand der FDP-Fraktion.

(Beifall bei CDU, SPD und DIE LINKE)

Gibt es Bemerkungen zur Tagesordnung? - Da das nicht der Fall ist, bitte ich Sie um Bestätigung der Tagesordnung, dann können wir nach ihr verfahren. - Gibt es Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Beides ist nicht der Fall. Damit ist die Tagesordnung beschlossen.

Wir haben heute bis ca. 12 Uhr auf Frau Ministerin Dr. Münch zu verzichten, die von Minister Dr. Woidke vertreten wird.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 1 auf:

Aktuelle Stunde

Thema: Energiepolitik der Bundesregierung vernichtet Arbeitsplätze in Brandenburg

Antrag der Fraktion DIE LINKE

Des Weiteren liegt Ihnen ein Entschließungsantrag der Fraktion der SPD und der Fraktion DIE LINKE, Drucksache 5/5192, vor.

Wir beginnen mit dem Beitrag der Linksfraktion. Der Abgeordnete Domres spricht zu uns.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Es ist jetzt genau acht Tage her, da lief zur Mittagszeit eine Nachricht über den Ticker, die in Brandenburg und insbesondere in Frankfurt (Oder) wie eine Bombe einschlug: First Solar zieht sich aus Deutschland zurück und schließt seinen Standort in Frankfurt (Oder).

Die Erfolgsgeschichte der Region Ostbrandenburg, insbesondere von Frankfurt (Oder) - man hat sich inzwischen den Ruf einer europäischen Solarhauptstadt erarbeitet -, nimmt offenbar ein jähes Ende. Knall auf Fall werden 1 200 Menschen entlassen und Knall auf Fall fallen 1 200 Industriearbeitsplätze direkt weg. Mit den Zulieferbetrieben und Dienstleistern werden es wohl annähernd 2 000 Arbeitsplätze sein.

Zum Vergleich: Aktuelle Statistiken weisen zum Stichtag 30. Juni 2011 28 796 sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze in Frankfurt (Oder) aus. Wenn man „nur“ die 1 200 direkten Arbeitsplätze bei First Solar nimmt, sind es rund 4,2 % der sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplätze, die wegfallen. Dies wird in der Region nur schwer zu verkraften sein. Das ist auch ein Ergebnis der von der CDU-Fraktion hier im Landtag Brandenburg geforderten Korrektur der angeblichen Fehlentwicklungen bei den Vergütungssätzen im Bereich der Photovoltaik.

(Beifall DIE LINKE sowie vereinzelt SPD)

Mit dieser Argumentation wird vonseiten der Brandenburger CDU versucht, die von der schwarz-gelben Bundesregierung vorgenommene willkürliche maßlose Kürzung der Einspeisevergütung beim Solarstrom zu rechtfertigen. Natürlich ist die Kürzung der Einspeisevergütung bei den momentanen weltweiten Überkapazitäten am Markt nur ein Grund von vielen. Letztendlich ist diese Kürzung aus Sicht meiner Fraktion aber der entscheidende Stein, der - wie man so schön sagt - den Solar-Dominoeffekt in der ganzen Bundesrepublik ausgelöst hat. Ein Unternehmen nach dem anderen geht in die Insolvenz oder schließt Produktionsstätten.

Meine Damen und Herren von CDU und FDP! Die Photovoltaikbranche befindet sich derzeit in einem besonders harten internationalen Wettbewerb. Es gibt Überkapazitäten, es gibt einen enormen Kostendruck und einen harten Kampf um die Märkte. Leider sorgt die Bundespolitik mit ihrer überzogenen Kürzung der Solarförderung für massive zusätzliche Unsicherheiten.

(Vereinzelt Beifall SPD und DIE LINKE)

Wenn Schwarz-Gelb so weitermacht, wird Deutschland als Standort dieser Zukunftstechnologie deutlich an Attraktivität verlieren.

Auch Ihnen dürfte nicht entgangen sein, dass das Kerngeschäft von First Solar große Freiflächenanlagen sind. Mit dem Gesetz zur Änderung des Rechtsrahmens für Strom aus solarer Strahlungsenergie und zu weiteren Änderungen im Recht der Erneuerbaren Energien beschloss der Bundestag mit schwarz-gelber

Mehrheit die komplette Streichung der Vergütung bzw. Förderung für Anlagen über 10 Megawatt. Darauf hat auch der Vertreter von First Solar, Herr Wortmann, am 28.03. in der Anhörung des Wirtschaftsausschusses zur Situation der Solarbranche in Brandenburg hingewiesen.

Die industrie- und strukturpolitische Bedeutung, die die Solarbranche für Brandenburg und Ostdeutschland insgesamt hat, ist bis heute weder bei der brandenburgischen CDU noch bei der schwarz-gelben Bundesregierung angekommen. Es scheint, erst recht nicht bei der FDP in Brandenburg.

Wenn ich die Presseerklärung des Landesvorsitzenden der FDP zur Schließung von First Solar lese, lassen mich die dargelegten Unrichtigkeiten und das Unwissen schaudern. „Subventionen sind Innovationskiller“ heißt es schon in der Überschrift, und dann wird China gelobt. Wissen Sie eigentlich, meine Damen und Herren von der FDP, worauf die chinesische Weltführerschaft bei der Herstellung von Solarmodulen auch zurückzuführen ist? Sie ist auf die massive Subventionierung der Produktion durch den chinesischen Staat mittels zinsgünstiger Kredite zurückzuführen.

(Frau Kaiser [DIE LINKE]: Eben! Genau!)

Hinsichtlich der Weiterentwicklung von Förderinstrumenten hat wohl eindeutig die Bundesregierung die Zeit verschlafen.

(Beifall DIE LINKE, SPD sowie GRÜNE/B90)

Stattdessen soll nun zum vierten Mal in nur drei Jahren die Einspeisevergütung für Solarstrom gesenkt werden, und zwar drastisch. Niemand kann auf einer solchen Basis vernünftig planen und investieren.

Damit wir uns richtig verstehen: Auch die Linke will keine Dauersubventionen für die Wirtschaft. Innerhalb von drei Jahren sind die Herstellungskosten in der Solarbranche halbiert worden. Insofern ist es legitim, die Förderung zu verringern das sieht selbst die Branche so -, nur nicht so abrupt, nicht so drastisch und nicht so unberechenbar. Die Linke setzt deshalb darauf, dass es im Bundesrat eine entsprechende Mehrheit gibt, um die Kürzungen zu stoppen und den Vermittlungsausschuss anzurufen.

(Vereinzelt Beifall DIE LINKE und SPD)

Aber auch bei der CDU-Fraktion im Landtag Brandenburg sieht es nicht besser aus. Dies ist allerdings nicht verwunderlich, weil sie ja überall gegen den Ausbau der Erneuerbaren Energien polemisiert und sich ihm entgegenstellt. Der Verlust von Industriearbeitsplätzen wird dabei billigend in Kauf genommen, Massenentlassungen ebenfalls.

Der wirtschaftspolitische Sprecher der CDU schreibt ja lieber Briefe an den Wirtschaftsausschuss, um die Anhörung zur Situation der Solarbranche zu verschieben, weil es kurzzeitig so aussah, als ob der Wirtschaftsminister dieser nicht beiwohnen könne. Die Anhörung des Ausschusses fand letzten Endes statt der Wirtschaftsminister war dabei. Wer aber fehlte, war der wirtschaftspolitische Sprecher der CDU. So ist sie eben, die Brandenburger CDU in Opposition.

(Vereinzelt Beifall DIE LINKE und SPD)

Dass es auch anders gehen kann, zeigen Sachsen-Anhalt und Thüringen: Sowohl die Ministerpräsidentin von Thüringen als auch der Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt haben letzte Woche angekündigt, die Kürzung der Solarförderung im Bundesrat nicht mitzutragen. Bereits im Februar hat sich die schwarzrote Koalition im Landtag von Sachsen-Anhalt zum Erhalt der Arbeitsplätze in der Solarbranche bekannt und das vom Land aufgelegte Darlehensprogramm zur Unterstützung der Branche begrüßt und unterstützt. Wohlgemerkt die CDU in SachsenAnhalt! Die brandenburgische CDU spricht dagegen von Veruntreuung, wenn ein linker Wirtschaftsminister einem angeschlagenen Unternehmen der Solarbranche eine Rettungsbeihilfe gewährt.

Herr Homeyer, auch Ihnen dürfte nicht entgangen sein, dass es das Konsolidierungs- und Standortsicherungsprogramm nicht erst seit gestern gibt. Kleine und mittlere Unternehmen, die sich in existenzbedrohenden Schwierigkeiten befinden, können mit dem KoSta-Programm im Land Brandenburg Unterstützung bekommen. Dazu zählen auch Rettungsbeihilfe-Darlehen. Unternehmen in exitenzbedrohenden Schwierigkeiten können dem Land zwar Sicherheiten geben, und dies ist in diesem Fall auch geschehen, trotzdem kann niemand hundertprozentig garantieren, dass das Steuergeld nicht unwiederbringlich verloren ist.

Natürlich kann man darüber vortrefflich polemisieren, aber dabei sollten wir hier nicht vergessen: Es geht immer um Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die ihren Arbeitsplatz verlieren.

(Vereinzelt Beifall DIE LINKE)

Auf deren Rücken - das kann ich hier nur jedem raten - sollte man nicht versuchen, sich politisch zu profilieren. Das Gegenteil muss der Fall sein. Die Politik muss Lösungen finden, damit Menschen trotz aller Rückschläge im Land Brandenburg weiterhin Zukunft haben. Vorwürfe sind da fehl am Platze.

Von mir aus können Sie, meine Damen und Herren von der CDU, für jede einzelne Kommune von der Landesregierung ein Wirtschaftskonzept fordern, so wie es Ihr wirtschaftspolitischer Sprecher in der letzten Woche für Frankfurt (Oder) gefordert hat. Aber nehmen Sie bitte auch zur Kenntnis: Die besten Konzepte sind völlig nutzlos, wenn der ordnungspolitische Rahmen und die Instrumente ständig geändert werden.

(Gelächter bei der CDU)

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, Frankfurt (Oder) hat zusammen mit dem Land und dem Bund in der Vergangenheit erfolgreich auf die Ansiedlung von Unternehmen der Solarbranche gesetzt. Die Bundespolitik hat durch die vorgenommenen Veränderungen beim EEG dazu beigetragen, dass diese Entwicklung ein jähes Ende findet, wenn jetzt nicht gegengesteuert wird.

In keiner anderen Region in Brandenburg sind in den vergangenen zehn Jahren in dieser Geschwindigkeit Arbeitsplätze in der Industrie entstanden. Nach dem Niedergang der ostdeutschen Wirtschaft in den 1990er-Jahren mit dem dramatischen Verlust industrieller Kapazitäten und Arbeitsplätze muss die Region Ostbrandenburg einen schweren strukturellen Rückschlag hinnehmen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, leider ist die Stimmung in der Branche der erneuerbaren Energien insgesamt deutschlandweit auf dem Tiefpunkt angelangt. Das ist das ernüchternde Ergebnis des jüngsten Investitionsklimaindexes. Die Investitionen der deutschen Unternehmen sind deutlich zurückgegangen. Die Investitionsbereitschaft der Unternehmen war vor Fukushima größer als nach dem richtigen und wichtigen Beschluss der Bundesregierung zum Atomausstieg bis 2022, und das liegt bestimmt nicht daran, dass im Februar hier im Landtag die Energiestrategie 2030 des Landes Brandenburg verabschiedet wurde. Vielmehr kritisiert die Branche den fehlenden politischen Rückenwind. Wie kann das sein - erhebt doch die Bundesregierung zu Recht den Anspruch, die fossile und atomare Energieversorgung abzulösen und 100 % Erneuerbare verwirklichen zu wollen? Mittlerweile habe aber nicht nur ich ernsthafte Zweifel an diesem Ziel. Durch das ständige Herumdoktern an den Förderinstrumenten fehlt eine klare, langfristige Investitionssicherheit. Auch die Linke ist sich durchaus bewusst, dass Subventionen zurückgefahren werden müssen. Doch das jetzige Vorgehen der schwarz-gelben Bundesregierung könnte den Sargnagel zumindest für die Solarbranche bedeuten. Sie befindet sich im Sturzflug.

Nach wie vor liegt kein Plan der Bundesregierung vor, der alle nötigen Maßnahmen zur Förderung der Energieeinsparung und Energieeffizienz, für den Ausbau der erneuerbaren Energien, zum Netz- und Speicherausbau und zur ergänzenden konventionellen Kapazitätsplanung umfasst. Das Fehlen eines solchen Plans verunsichert gleichermaßen Energieversorger, Industrie wie Verbraucher und Verbraucherinnen, hemmt notwendige Investitionen und gefährdet die Versorgungssicherheit in Deutschland. Lediglich Kürzungen im Bereich der regenerativen Energien vorzunehmen ist falsch. Die Konsequenzen bekommen wir jetzt schon zu spüren - First Solar macht dicht.

Wichtiger wäre es, stattdessen die Innovationskraft der regenerativen Energiewirtschaft zu stärken. Der Bund ist aufgefordert, dazu gemeinsam mit den Ländern geeignete Anreize und Instrumentarien innerhalb und außerhalb des EEG zu schaffen. Nur so kann die Ökobranche unverzichtbarer Bestandteil des Industriestandortes Deutschland und insbesondere Brandenburg bleiben.

(Vereinzelt Beifall DIE LINKE)

Brandenburg allein ist damit schlichtweg überfordert. Kleinstaaterei hilft dabei nicht weiter.