Protocol of the Session on December 16, 2011

Meine Damen und Herren! Ich eröffne die 47. Plenarsitzung. Ich habe noch keine Gelegenheit, Schüler oder andere Besucher als Gäste zu begrüßen. Aber einen besonderen Gast möchte ich heute begrüßen: Frau Prof. Dr. Weiss, unsere Integrationsbeauftragte. Sie hat jahrelang erfolgreiche Arbeit in und für Brandenburg geleistet und konnte dieses auch wegen ihres persönlichen Hintergrundes - wie ich glaube - mit besonderem Erfolg leisten.

Inzwischen hat uns, wie Sie wissen, die Nachricht erreicht, dass sie, ich sage jetzt nicht republikflüchtig ist, aber das Land verlassen wird, weil sie in Rheinland-Pfalz im dortigen Ministerium eine ähnliche Aufgabe übernehmen wird. Ich hoffe, in Ihrer aller Namen zu sprechen, wenn ich mich recht herzlich bei ihr für die in Brandenburg geleistete Arbeit bedanke, verbunden mit den besten Wünschen für erfolgreiches Wirken in Rheinland-Pfalz.

(Anhaltender allgemeiner Beifall sowie von der Regie- rungsbank - Präsident Fritsch überreicht der Integrations- beauftragten, Frau Prof. Dr. Weiss, einen Blumenstrauß und gratuliert ihr - Ministerpräsident Platzeck und Minis- ter Baaske gratulieren ihr ebenfalls.)

Meine Damen und Herren! Ihnen liegt die Tagesordnung vor. Gibt es hierzu Bemerkungen? Wenn das nicht der Fall ist, bitte ich um Zustimmung zur Tagesordnung. - Gibt es Gegenstimmen oder Enthaltungen? - Beides ist nicht der Fall.

Wir haben heute ganztägig auf Ministerin Prof. Dr. Kunst zu verzichten, die von Herrn Minister Baaske vertreten wird.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 1 auf:

Fragestunde

Wir beginnen mit der Dringlichen Anfrage 56 (Strafe für Län- der mit zu hohen Haushaltsdefiziten). Die Abgeordnete Geywitz erhält das Wort.

Letzte Woche Freitag haben sich die europäischen Staats- und Regierungschefs bis auf David Cameron darauf geeinigt, dass es in Zukunft für Staaten mit einem Haushaltsdefizit automatische Sanktionsmechanismen geben kann und die Europäische Kommission ermächtigt ist, verbindliche Zielvorgaben zu formulieren.

Ich frage die Landesregierung, wie das beabsichtigte Verfahren mit dem Budgetrecht des Landesparlamentes im Einklang steht.

Darauf wird der Finanzminister antworten.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Einen recht schönen guten Morgen! Ja, Frau Geywitz, die Staatsund Regierungschefs haben sich in Brüssel darauf geeinigt, so etwas Ähnliches wie die grundgesetzlich verankerte Schuldenbremse in der Bundesrepublik Deutschland auch für die Mitgliedsstaaten der Euro-Zone einzuführen.

Sie haben sich darauf geeinigt, dass der Grundsatz einzuhalten ist, wonach das jährliche strukturelle Defizit - 0,5 % des Bruttoinlandsproduktes - nicht überschritten werden darf. Vergleichen wir das mit dem bundesrepublikanischen Grundsatz: Bei uns darf der Bund ab 2016 0,35 % des BIP nicht mehr überschreiten. Die Länder, wie Brandenburg, dürfen ab 2020 gar keine strukturellen Kredite mehr aufnehmen.

Das war in der Europäischen Union an sich schon vorher so. Neu ist aber, dass diese Festlegung in die Verfassungen der Mitgliedsländer oder in analoge Regelungen eingebaut werden soll, sodass sie im Rang höher gestellt wird.

Neu ist auch, dass der Europäische Gerichtshof dafür zuständig sein soll, die Einhaltung dieses Mechanismus zu überprüfen. Wie das konkret gemacht werden soll, darüber sind noch keine Festlegungen getroffen worden. Das soll bis März ausdebattiert werden.

Sicher ist aber schon jetzt, dass Mitgliedsstaaten, die eine Schuldenquote von mehr als 60 % im Verhältnis zum BIP haben, dazu verpflichtet werden sollen, eine numerische Degressionsphase festzulegen, aus der man erkennen kann, in welchen Jahren diese Verschuldung in welcher Höhe abgesenkt werden soll. Das halte ich vom Grundprinzip her für keine schlechte Regel.

Es gibt in meinen Augen aber ein sehr großes Problem. Die Länder, die sich gegenwärtig schon im Defizitverfahren befinden, sollen eine sogenannte Reformpartnerschaft eingehen, in der sie darlegen sollen, wie sie sehr schnell zur Minimierung ihres Defizits kommen. Wenn ich mir anschaue, was bisher mit Defizitstaaten passiert ist, nämlich, dass man darauf setzt, die Sozialleistungen zu kürzen, die Gehälter zu kürzen und diejenigen, die eh schon nicht gut situiert in dieser Gesellschaft leben, stärker zur Kasse zu bitten, diejenigen aber, die sehr viel verdienen, nicht zur Kasse zu bitten, glaube ich: Schon jetzt ist vorhersehbar, dass das wieder in eine Richtung gehen wird.

(Senftleben [CDU]: Das ist doch Quatsch!)

Eine nächste Festlegung ist, dass die Einführung des ESM - der Europäische Rettungsschirm - um ein Jahr nach vorn gezogen werden soll. Er soll nicht erst 2013, sondern bereits 2012 kommen. Daraus ergibt sich zwingend für die Bundesrepublik Deutschland, dass ein Nachtragshaushalt für den Haushalt 2012 aufzustellen ist, weil dieser schon beschlossen ist. Die voraussichtliche Zurverfügungstellung von zusätzlichen knapp über 4 Milliarden Euro muss ja irgendwoher definiert werden. Das wird garantiert so kommen.

Es gibt durchaus Bedenken, wie man all diese Regelungen, die jetzt eingeführt werden sollen, mit dem Vertrag von Lissabon in Einklang bringen soll. Denn es gibt unterschiedliche Herangehensweisen und auch Interpretationen über die Wirksamkeit

der Rechtsbindung. Das heißt: Auch dann, wenn dieses übernommen wird, hat der Bundesrat - und damit ist auch Brandenburg mit im Boot - darüber mit zu entscheiden. Insofern werden wir diese politische Debatte garantiert auch hier im Landtag noch führen.

(Beifall DIE LINKE und SPD)

Es gibt Nachfragen, Herr Minister, vom Kollegen Burkardt.

Herr Minister, wenn wir von der Rettung der Welt wieder zur konkreten Frage von Frau Geywitz zurückkommen, möchte ich wissen: Könnte es sein, dass die Antwort auf die Frage von Frau Geywitz lauten könnte: Nein, unmittelbar rechtliche Wirkungen entfaltet der Beschluss, der in Brüssel gefasst worden ist, nicht, sondern er bedarf der konkreten Umsetzung in dem jeweiligen Mitgliedsland der EU, das dort mitmacht?

Diese Frage kann ich so nicht beantworten, weil die dezidierte Ausgestaltung dessen, was man politisch als Leitlinie beschlossen hat, erst bis März erfolgen soll. Wenn das vorliegt und es in den Bundestag und in den Bundesrat geht, kann ich Ihnen jede Detailfrage dazu beantworten.

(Zuruf von der CDU: Das ist aber eine Aussage!)

Vielen Dank. - Wir kommen zur Dringlichen Anfrage 57 (Kinderschutzgesetz und Netzwerk Gesunde Kinder) , die die Abgeordnete Lehmann stellt.

Der Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat hat sich Medienberichten zufolge auf ein Kinderschutzgesetz verständigt; es soll heute den Bundesrat passieren. Entgegen bisheriger Befürchtungen soll es gelungen sein, mit dem neuen Gesetz auch die Netzwerke Gesunde Kinder im Land Brandenburg zu stärken.

Ich frage die Landesregierung: Werden dadurch die insbesondere auf ehrenamtlicher Arbeit beruhenden Netzwerke Gesunde Kinder tatsächlich langfristig stabilisiert, und können finanzielle Mittel der Bundesinitiative „Familienhebammen“ für die Netzwerke verwendet werden?

Minister Baaske wird antworten.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Einen schönen guten Morgen auch von mir! Das ist in der Tat eine spannende Frage und ein spannender Tag; Kollegin Kunst ist ja heute im Bundesrat und wird dort über das abstimmen, was der Vermittlungsausschuss am Mittwoch schon vorbesprochen

hat. Brandenburg hat vor zwei Wochen den Vermittlungsausschuss angerufen, weil gerade im Begehren des Bundes bzw. der Bundesregierung, solche Netzwerke zu initiieren, die ehrenamtlichen Strukturen nicht enthalten waren. Ich trage das kurz vor. Im Bundeskinderschutzgesetz hieß es bisher:

„Dieses Netzwerk soll zur Beförderung früher Hilfen durch den Einsatz von Familienhebammen gestärkt werden. Das Bundesministerium für Familie, Frauen, Senioren und Jugend unterstützt den Aus- und Aufbau der Netzwerke Frühe Hilfen und des Einsatzes von Familienhebammen durch eine zeitlich auf vier Jahre befristete Bundesinitiative.“

Von ehrenamtlichen Strukturen ist hier nicht die Rede.

Jetzt heißt es:

„... unterstützt den Aus- und Aufbau der Netzwerke Frühe Hilfen und des Einsatzes von Familienhebammen auch unter Einbeziehung ehrenamtlicher Strukturen.“

Das ist eine Initiative, die für die nächsten vier Jahre durch das BMFSJ finanziert wird - im intensivsten Teil, den Jahren 2013 und 2014, mit jeweils 51 Millionen Euro für die Länder. Brandenburg wird davon in etwa 1 Million Euro erhalten. Dieses Geld wird nach dem Königssteiner Schlüssel verteilt, plus einer Sozialklausel - sprich: Hartz-IV-Klausel, die auf der Zahl der Hartz-IV-Empfänger in den Ländern beruht; das wird noch ausgerechnet. Es gibt dann Verwaltungsverfahren und noch einiges mehr. Danach soll es einen Bundesfonds geben, aus dem diese Leistungen zu bezahlen sind.

Daraufhin habe ich Frau Bundesministerin Schröder am Mittwoch im Vermittlungsausschuss gefragt, ob auch die ehrenamtlichen Strukturen in diesem Bundesfonds erfasst sind. Das hat sie bejaht, sodass ich davon ausgehe, dass uns auch die ehrenamtlichen Strukturen im Netzwerk Gesunde Kinder dauerhaft aus diesem Fonds finanziert werden. Ich finde, das ist eine hervorragende Angelegenheit, und es hat sich gelohnt, den Vermittlungsausschuss anzurufen. - Schönen Dank.

(Beifall SPD)

Es gibt Nachfragen von Frau Schier.

Ja, ich finde das auch gelungen. Die Frage ist jetzt für mich: Wenn wir als Land Brandenburg summa summarum 1 Millionen Euro erhalten, dürfen wir diese 1 Million Euro entweder für Familienhebammen oder Netzwerke Gesunde Kinder einsetzen, oder ist das festgelegt? Sie wissen ja, wir legen großen Wert auf die Weiterentwicklung der Familienhebammen.

Frau Bundesministerin Schröder und auch die andere Verhandlungsführerin, Frau Schwesig, haben mir am Mittwoch explizit bestätigt, dass es darum geht, die Formulierungen, die später auch bei dem Fonds gefasst werden, so zu fassen, dass all das, was in den nächsten Jahren an guten Ideen entsteht, auch aus

dem Fonds finanziert werden kann. Das heißt also, es ist recht breit gefasst: Sowohl die Netzwerke Gesunde Kinder als auch das, was wir zum Beispiel in der Prignitz oder in Potsdam haben - wo man ganz anders mit Profis arbeitet -, kann aus diesem Topf finanziert werden. Insofern werde ich gemeinsam mit dem Finanzminister in den nächsten Wochen überlegen müssen, was wir jetzt mit dem zusätzlichen Geld, mit dem Geld, das uns zusteht, machen. Welche Strukturen finanzieren wir aus welchen Möglichkeiten und Töpfen? Auf jeden Fall sind die Netzwerke damit explizit dauerhaft finanziert, und das ist erst einmal das Wichtige. - Danke.

(Beifall SPD und DIE LINKE)

Vielen Dank. - Damit sind wir bei der Frage 804 (Programm zur qualifizierten Ausbildung im Verbundsystem), gestellt vom Abgeordneten Baer.

Für das Ausbildungsjahr 2011/2012 haben Betriebe im Land Brandenburg mehr Ausbildungsverträge geschlossen als im Vorjahr. Mit insgesamt 9 377 neuen betrieblichen Verträgen konnten wir im Land Brandenburg im Vergleich zu 2010/2011 einen Zuwachs von 2,3 % verzeichnen.

Mit dem Programm zur qualifizierten Ausbildung im Verbundsystem unterstützt das Land kleinere Betriebe in der Ausbildung. Die entsprechende Richtlinie gilt ab dem Ausbildungsjahr 2011/2012. Insbesondere kleinere Unternehmen klagen über Schwierigkeiten bei deren Anwendung.

Ich frage daher die Landesregierung: Welche Veränderungen ergeben sich für die Ausbildungsbetriebe, die sich am Verbundsystem beteiligen?

Wiederum antwortet Minister Baaske.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! In der Tat, wir haben die Richtlinie geändert, haben viele Dinge zusammengefasst, haben es etwas einfacher strukturiert und sind auch auf Vorgaben der Europäischen Kommission eingegangen, die gesagt hat: Leute, richtet eure Forderungen in erster Linie an KMU - also an Unternehmen mit weniger als 250 Mitarbeitern. - Und zweitens: Seht zu, dass ihr das bürokratisch so gestaltet, dass es Sinn macht. - Das, denke ich, ist verständlich und gehört sich auch so.

Daraufhin haben wir gesagt: Okay, es wird also keine Forderungen an große Unternehmen mit mehr als 250 Mitarbeitern mehr geben. Verbundausbildung heißt ja, dass Unternehmen Geld dafür bekommen, dass sie ihre Lehrlinge in andere Betriebe oder zum Bildungsträger geben können, weil sie den Bildungsinhalt in ihrem eigenen Betrieb nicht zur Verfügung stellen können. Ich glaube aber, dass man bei Unternehmen mit mehr als 250 Beschäftigten unterstellen kann: Klar werden die die gesamte Ausbildungspalette in ihrem Betrieb anbieten können, und sollten sie es im Einzelfall nicht tun, wird ein solcher Betrieb in der Lage sein, das bei dem Bildungsträger bzw. ei