Meine Damen und Herren! Wie verabredet beginnen wir heute, indem wir die gestrige Sitzung fortsetzen, mit dem Einzelplan 10 wegen der späteren Abwesenheit von Ministerin Tack.
Wir beginnen die Debatte mit dem Beitrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Der Abgeordnete Jungclaus spricht zu uns.
Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste! Die Reihen sind zwar noch ein wenig licht, trotzdem wünsche ich Ihnen zu dieser ungewohnten Stunde einen wunderschönen guten Morgen.
Morgenstund’ hat Gold im Mund - insofern passt der Einzelplan natürlich hervorragend, die Zeit also zu dem Wert, den der Umweltschutz bei uns einnehmen sollte.
Eine intakte Umwelt ist die Lebensgrundlage für uns und zukünftige Generationen. Ressourcen sind endlich, und eine intakte Umwelt ist ein unersetzliches Gut. Vor dreißig Jahren war die Forderung nach einem schonendem Umgang mit der Umwelt noch eine Provokation und wurde von vielen verhöhnt. Heute ist in Gesellschaft, Politik und Wirtschaft anerkannt, dass Umweltschutz auch Wachstum und Arbeitsplätze schafft.
Doch auch, wenn sich inzwischen jede Partei zum Schutz von Natur und Umwelt bekennt oder zumindest ihr Programm grün färbt, gibt es nach wie vor deutliche Defizite bei der Umsetzung umweltpolitischer Ziele.
Brandenburg ist reich an Natur und schönen Landschaften; da werden mir alle in diesem Hause zustimmen. Aus dieser Reichhaltigkeit leitet sich aber auch eine besondere Verantwortung für die Politik in diesem Lande ab, Natur und Umwelt zu schützen und für zukünftige Generationen zu bewahren. Diese Verantwortung muss sich auch im Haushalt widerspiegeln. Hier hätten wir uns daher erheblich deutlichere Akzente gewünscht.
Es geht uns dabei nicht um den Schutz von Natur und Umwelt um ihrer selbst willen, sondern um den Erhalt der Lebensgrundlage unserer Gesellschaft, denn nicht nur ethische Gründe verpflichten uns dazu. Umweltschutz ist auch aus rein ökonomischen Gründen zwingend.
Bereits vor einigen Jahren hat die vom BMU finanzierte und viel beachtete Studie „Die Ökonomie von Ökosystem und der Biodiversität“ den ökonomischen Mehrwert intakter Ökosysteme deutlich hervorgehoben. Investitionen in den Erhalt und den Schutz von Ökosystemen und damit verbundene natürliche Funktionen sind die kostengünstigste Methode zu notwendigen Anpassung an die Auswirkungen des Klimawandels oder zur Vorbeugung von Naturkatastrophen.
Der Erhalt von Ökosystemen und der darin enthaltenen biologischen Vielfalt, so der Bericht, ist bei weitem kostengünstiger als die Versuche, einmal zerstörte Funktionen wiederherzustellen oder durch technische Lösungen auszugleichen. Beispiele sind hier die Luftreinhaltung durch den Erhalt von Wäldern oder die Gewinnung von sauberem Trinkwasser in intakten Ökosystemen. Dieser Ansatz sollte bei der Haushaltsplanung wesentlich stärker berücksichtigt werden.
Investitionen in den Natur- und Umweltschutz sind Zukunftsinvestitionen. Wir sollten nicht davor zurückschrecken, diese zu tätigen. Wir müssen haushaltspolitisch Prioritäten setzen, beispielsweise indem wir nicht unnötig Gelder für eine Veranstaltung wie die Luft- und Raumfahrtausstellung ausgeben. Die ILA ist zum großen Teil Leistungsschau der militärischen Luftfahrtindustrie. Wenn in dieser Branche das Bedürfnis nach einer internationalen Luftfahrtmesse besteht, sollte sie diese selbst finanzieren. Wir sehen hier jedenfalls keine Zuständigkeit der öffentlichen Hand. Die für die ILA vorgesehenen Gelder könnten sehr viel sinnvoller in den Vertragsnaturschutz investiert werden. Wir stellen daher einen entsprechenden Antrag zur Abstimmung.
Naturschutz steht und fällt mit der Umsetzung vor Ort. Deshalb müssen die Landnutzer stärker einbezogen werden. Der Vertragsnaturschutz bildet die Grundlage für eine freiwillige und konstruktive Zusammenarbeit. Die Akzeptanz des Naturschutzes bei den Flächennutzern und die Kooperation mit ihnen ist unabdingbar, um die biologische Vielfalt zu erhalten und ressourcenschonende Bewirtschaftungsmethoden zu etablieren. Mit einer Aufstockung der Mittel würden wir zusätzliche Anreize für naturverträgliche Land- und Forstnutzung schaffen.
Darüber hinaus sollten wir aber auch verstärkt in die Bereiche investieren, in denen wir Synergieeffekte erzielen können, beispielsweise beim Moor- und Auenschutz. In diesem Bereich kann mit Landschaftsschutz durch die Schaffung und den Erhalt von Kohlenstoffsenken ein ganz konkreter Beitrag zum Klimaschutz geleistet werden. Mit Freude habe ich die Ankündigung vonseiten des Umweltministeriums im Ausschuss vernommen, einen eigenen Haushaltstitel zum Moor- und Auenschutz schaffen zu wollen. Einen entsprechenden Antrag unsererseits konnten wir daraufhin folgerichtig zurückziehen.
In der Regel aber lehnt die Regierung unsere Forderung nach einem umfassenderen Umweltschutz mit dem Verweis auf knappe Haushaltsmittel ab. Umso dramatischer ist es, wenn die Landesregierung zur Verfügung stehende Mittel nicht nutzt. So wurden zum Beispiel ca. 20 Millionen Euro aus dem Konjunkturpaket II des Bundes, die für den Hochwasserschutz zur Verfügung standen, nicht abgerufen. Eine solche Panne ist dem Ansehen der Politik abträglich und in Zeiten knapper Kassen absolut unverständlich. Das Land muss in der Lage sein, solche Mittel abzurufen. Und es liegt in der Verantwortung der Landesregierung, den Stellenplan im Umweltbereich entsprechend
zu gestalten, denn Hochwasserschutz ist für Brandenburg von zentraler Bedeutung. Das sollte vor allen Dingen jemand wissen, dem einst der Titel „Deichgraf“ zuteil wurde.
Auch für die gewissenhafte und zielführende Umsetzung von EU- und Bundesvorgaben müssen ausreichend Gelder bereitgestellt werden. Bislang hapert es hier in Brandenburg erheblich. Das 2001 von der Europäischen Union gesetzte Ziel, den Rückgang der biologischen Vielfalt bis zum Jahr 2010 signifikant zu reduzieren, kann in Brandenburg leider nicht mehr erreicht werden. Im Gegensatz zu vielen anderen Bundesländern hat es unsere Landesregierung bisher versäumt, eine Landesstrategie zur biologischen Vielfalt mit verbindlichen Zielen und Maßnahmen vorzulegen. Dabei ist es höchste Zeit zu handeln.
Bislang ist es nicht gelungen, den Rückgang der Artenvielfalt entscheidend zu verlangsamen. Nur noch etwa ein Viertel der bedrohten Arten findet hier gesicherte Lebensbedingungen vor. Durch Flächenversiegelung und -zerschneidung, industriell betriebene Landwirtschaft, den Braunkohletagebau und durch den Klimawandel bedingt sinkende Grundwasserpegel werden immer mehr natürliche Lebensräume zerstört. Die Landesregierung muss daher endlich konkrete Maßnahmen zur Umsetzung der Biodiversitätsstrategie vorlegen.
Es ist absolut unverständlich, dass einerseits 9 Millionen Euro für Impfstoffe gegen die sogenannte Schweinegrippe angeschafft werden, von denen dann nur 15 % eingesetzt wurden, andererseits aber kein einziger Euro für eine landeseigene Biodiversitätsstrategie aufgewendet wird. Jeder Schüler lernt es im Biologieunterricht: Der wirksamste Schutz gegen Seuchen ist Artenvielfalt. Wir sind jedenfalls auf die diesbezügliche Plenardebatte zu unserer im April eingereichen Großen Anfrage gespannt.
Eine andere Aufgabe mit erheblichen Auswirkungen auf den Haushalt ist die Implementierung der Vorgaben der Wasserrahmenrichtlinie in Brandenburg. Wir fordern die Landesregierung auf, die im vergangenen Jahr vorgelegten Bewirtschaftungspläne zügig umzusetzen und die entsprechenden Maßnahmen zu ergreifen. Ob die im Haushalt eingestellten Mittel für die erforderlichen Maßnahmen ausreichen, bleibt abzuwarten. Entscheidend ist, ob die für das Jahr 2015 angestrebte Gewässergüte erreicht wird.
Die Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie wird hoffentlich einen haushalts- wie umweltpolitischen Skandal vermeiden, nämlich die Befreiung vom Wassernutzungsentgelt. Bislang zahlt zum Beispiel Vattenfall keinen einzigen Cent für über 200 Millionen Kubikmeter Wasser pro Jahr. Die Richtlinie sieht aber vor, ab dem Jahr 2010 Wassergebühren auf Grundlage des Verursacherprinzips kostendeckend zu erheben, und zwar unter Berücksichtigung der ökologischen, sozialen und wirtschaftlichen Auswirkungen.
Unsere Forderung für den kommenden Haushalt ist, die hoffentlich bis dahin erhobenen Wassernutzungsentgelte zweckgebunden für Maßnahmen der ökologischen Gewässerentwicklung einzusetzen.
Sehr geehrte Mitglieder der Regierung! Bitten Sie endlich den Tagebau zur Kasse! Neben dem Beispiel der ILA ist der Tagebau ein weiterer Punkt, bei dem wir sagen: Es ist eigentlich gut, dass die Ministerien für Wirtschaft und Umwelt in den Händen einer Regierungspartei liegen. Aber bei beiden Punkten muss man leider sagen: eigentlich.
Die mangelnde Transparenz von Entscheidungen und die fehlende Kooperation zwischen den relevanten Akteuren ist ein Missstand in der Landesumweltpolitik, der sich auch ohne die Einstellung zusätzlicher Finanzen beheben ließe. Naturschutz lebt vor allem vom Engagement der ehrenamtlichen Naturschützerinnen und -schützer. Unter dem Vorwand der Verfahrensbeschleunigung wurden und werden aber die Rechte der Vereine und Verbände - auch der Kreisnaturschutzverbände kontinuierlich beschränkt. Die Landesregierung muss zukünftig die relevanten Akteure viel stärker einbeziehen und verstärkt deren Expertise einholen. Verabschieden Sie sich von der Methode, Strategien in Hinterzimmern zu entwerfen! Wir brauchen hier mehr Transparenz und Beteiligung.
Leider entspricht auch die von der Landesregierung verkleinerte Struktur des Nachhaltigkeitsbeirats nicht unseren Vorstellungen von Kooperation und Integration verschiedener Akteure. Es ist daher nun an den Mitgliedern des Beirats, darauf zu achten, nicht in ihrem Elfenbeinturm zu verharren, sondern die relevanten Akteure aktiv anzusprechen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen Abgeordnete! Brandenburg galt einst als der Vorreiter des Naturschutzes in Deutschland als ein Land, das mit der Bewahrung des heimischen Naturerbes Ernst machte, das mit der Verabschiedung eines vorbildlichen Naturschutzgesetzes und dem Aufbau eines Netzes von Großschutzgebieten zum bundesweiten Vorbild eines innovativen Naturschutzes avancierte. Der frühere Umweltminister Platzeck hat unser Land damals auf einen guten Weg gebracht. Leider ist die Regierung in den vergangenen Jahren von diesem Weg abgekommen. Mit dem Einzug von uns Bündnisgrünen in den Landtag verbinden wir auch die Hoffnung, dass dies korrigiert und Brandenburg wieder auf einen fortschrittlichen Weg im Bereich Umweltschutz geführt wird. - Vielen Dank.
Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Zu solch einem frühen Zeitpunkt haben wir noch keine Gäste zu begrüßen. - Sehr geehrter Herr Jungclaus, in einem Punkt gebe ich Ihnen Recht: Es ist gut, dass die Grünen hier im Landtag sitzen. Ich denke, das wird uns im Bereich Natur- und Umweltschutz viele Impulse geben. Warten wir einmal ab, wie produktiv wir alle damit umgehen können. Eines möchte ich hinzufügen: Ihr Vergleich der Kosten von 9 Millionen Euro für den Schweinegrippeimpfstoff
mit anderen Möglichkeiten des Natur- oder Seuchenschutzes war weit hergeholt, denn in diesem Falle ging es um eine Pandemie.
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Zunächst einige Bemerkungen zum Bereich Gesundheit im Einzelplan 10: Ganz klarer Ausgabenschwerpunkt ist die Krankenhausförderung. Das ist noch keine besondere Leistung und auch nicht weiter verwunderlich, weil die Länder von Gesetzes wegen verpflichtet sind, hierfür Investitionsmittel zur Verfügung zu stellen. Die 400 Millionen Euro in den kommenden fünf Jahren, wie wir sie im Koalitionsvertrag festgeschrieben haben, können sich durchaus sehen lassen. Das ist eine Summe, mit der sich unser Land nicht verstecken muss.
Man sollte aber deshalb nicht übersehen, dass in anderen Bereichen der gesundheitlichen Versorgung andere Finanzierungsgrundlagen gelten. Für die ambulante medizinische Versorgung werden in Brandenburg jährlich 700 bis 800 Millionen Euro aufgewendet, und zwar finanziert von den Krankenkassen - also beitragsfinanziert - und nicht aus dem Landeshaushalt. Ich erwähne das deshalb, damit ein wenig klarer wird, was wir als Land wirklich bewirken können und was nicht. Wir können schwerlich mit 350 000 Euro alle Probleme lösen, die wir vorher mit einer dreiviertel Milliarde Euro der Krankenkassen nicht lösen konnten. Das betrifft zum Beispiel die Finanzierung der Praxisassistentinnen. Wir haben im Fachausschuss ausführlich begründet, warum wir diese Ausgabe ablehnen. Es ist keine Landesausgabe - wir würden das System der Finanzierung im Gesundheitswesen völlig durchbrechen.
Ich will dabei nicht noch einmal auf die Deckungsquellen abstellen, die von der FDP als Argument herangezogen werden, die man jedoch wegen rechtlicher Verpflichtungen nicht heranziehen kann. Das ist zum Beispiel bei der Spielsuchtforschung und der Prävention der Fall. Wir wollen eben nicht den Weg beschreiten, einfach Löcher zu stopfen. Wir würden dann mehr als eines der berüchtigten Fässer ohne Boden vorfinden oder andere dazu animieren, weitere solche Fässer zu öffnen. So viel zum Bereich Gesundheit.
Lassen Sie mich noch einige Ausführungen zum Verbraucherschutz machen. Ich schicke voraus, dass meine Kollegin Kircheis von der Koalitionsfraktion der SPD zum Thema Umwelt sprechen wird. Ich werde dieses Thema jetzt ausklammern.
Nach Jahren entsprechender Forderungen haben wir im Bereich der Verbraucheraufklärung endlich eine Erhöhung der Mittel in Höhe von 24 900 Euro gegenüber dem Jahr 2009 zu verzeichnen. Beim Zuschuss für die Verbraucherzentralen handelt es sich sogar um die Summe von 180 000 Euro. Das sind keine riesigen Zahlen, aber in Anbetracht der Haushaltslage merken Sie, dass schon etwas dahintersteckt, wenn sich unser Ministerium auch als Ministerium der Lebensqualität bezeichnet. Denn Verbraucherschutz gehört einfach zu einer guten Lebensqualität. Dass hier seit Jahren zum ersten Mal eine Erhöhung der Mittel erfolgt, ist ein Zeichen dafür, dass wir uns auf einem guten Weg befinden.
Es ist ein deutliches Zeichen von Rot-Rot in Richtung Unterstützung des Verbraucherschutzes und der Arbeit der Verbraucherzentralen zu erkennen - im Gegensatz zur Vorgängerregie
rung. Daher ist es sehr verwunderlich, dass die CDU den Verbraucherschutz, den sie all die Jahre zuvor immer an der kurzen Leine gehalten hat, nun für sich entdeckt zu haben scheint. Herr Prof. Schierack, ich hoffe, dass Sie etwas dazu sagen werden!
Durch die Erhöhung der Zuschüsse an die Verbraucherzentralen kann die Tarif- und Mieterhöhung für das Jahr 2010 kompensiert werden, und es kommt nicht zu Einschnitten in die Arbeit. Hätten wir ein „Weiter so“ gehabt wie unter Rot-Schwarz, bei denen es keine erhöhten Zuschüsse gegeben hätte, wären die Konsequenzen Kürzungen beim Personal und bei Projekten gewesen. Wir sichern jetzt gemeinsam mit unserem Koalitionspartner die bisher sehr gute Arbeit dieser Einrichtung ab.
Dazu gehört auch der Jugendverbraucherschutz in Sachen Internet, der bereits in der Verbraucherschutzzentrale umgesetzt wird. Zusätzlich wurden Gelder für das Projekt „Vernetzungsstelle Schulverpflegung“ zur Verfügung gestellt. Die Verantwortung hierfür wird in Kooperation mit dem Ministerium für Bildung, Jugend und Sport wahrgenommen. In Kooperation mit dem Arbeitsfeld „Gesundheit und Soziales“ sind bessere Voraussetzungen für eine gesunde Ernährung an unseren Schulen zu schaffen. Daran wird deutlich, dass der Antrag der CDU überflüssig ist.
Die FDP möchte eine Stärkung der Verbraucherzentrale in Bezug auf die Verflechtung mit der Republik Polen. Wir haben aber in Frankfurt (Oder) schon eine deutsch-polnische Beratungsstelle, die recht gut arbeitet und funktioniert. Uns geht es darum, die Qualität dieser Einrichtung zu verbessern, bevor wir neue Projekte beginnen. Ich denke, dafür ist die Finanzierung des Bereichs Verbraucherschutz eine gute Voraussetzung. Ich danke Ihnen.