Protocol of the Session on February 23, 2012

Meine Damen und Herren! Ich begrüße Sie zur 51. Plenarsitzung! Ich begrüße unsere Gäste, Schülerinnen und Schüler des Humboldt-Gymnasiums Eberswalde. Herzlich willkommen!

(Allgemeiner Beifall)

Ihnen liegt der Entwurf der Tagesordnung vor. Wer bereit ist, nach der Tagesordnung zu verfahren, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Beides ist nicht der Fall. Damit ist die Tagesordnung beschlossen.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 1 auf:

Aktuelle Stunde

Thema: Energieuniversität Lausitz: Die Chance für den Wissenschaftsstandort

Antrag der Fraktion der SPD

Drucksache 5/4756

Dazu liegen Ihnen ein Entschließungsantrag der CDU-Fraktion - Drucksache 5/4802 - sowie ein Entschließungsantrag der FDPFraktion - Drucksache 5/4808 - vor.

Wir beginnen mit dem Redebeitrag der antragstellenden Fraktion. Die Abgeordnete Melior spricht für die SPD-Fraktion.

Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Panta rhei - alles fließt; niemand steigt zum zweiten Mal in denselben Fluss; nichts bleibt, wie es war; alles unterliegt ständiger Veränderung - das gilt einmal mehr für Bereiche, die Lehre und Forschung, Wissenschaft und Fortschritt in sich vereinen, deren ureigenste Sache es ist, Fragen zu stellen, Dinge voranzutreiben, Neues zu erfinden und junge Menschen für diesen Fortgang zu begeistern.

Unsere Hochschullandschaft in Brandenburg ist eine sehr junge und schnell gewachsene. Dennoch, meine Damen und Herren, sind bereits 20 Jahre von der Gründung bzw. Neugründung unserer Hochschulen vergangen. Nicht nur unser Bundesland Brandenburg hat sich in dieser Zeit verändert, sondern gerade die Hochschulen unterlagen mit der europaweiten Bologna-Reform starken Veränderungen und Neuorientierungen.

Von daher ist es nur legitim, dass das Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kultur sich der nicht leichten Aufgabe verschrieben hat, unsere Hochschullandschaft unter die Lupe zu nehmen und nach Möglichkeiten der Neuausrichtung, der Kooperation und stärkeren Profilierung zu suchen. Die Hochschulen in der Lausitz sind dabei von besonderem Interesse. Deren Forschung und Lehre richtet sich auf die nicht so zahlreich vorhandenen Industriearbeitsplätze in Brandenburg. Außerdem kämpfen sie mit den großen demografischen Veränderungen in ihrem Umfeld, und ihre Lage zwischen den beiden

großen Technischen Universitäten in Dresden und Berlin ist nicht einfach und birgt besondere Herausforderungen. Auch deshalb ist zuerst die sogenannte Lausitz-Kommission - damals noch von der Ministerin Münch unter Leitung von Prof. Emmermann - eingesetzt worden.

Meine Damen und Herren, vor knapp zwei Wochen wurden die Ergebnisse der Analyse vorgestellt und mit den Hochschulen vor Ort diskutiert. Wir haben also heute hier im Landtag eine sehr Aktuelle Stunde, ein sehr aktuelles Thema auf der Tagesordnung. Im Ausschuss für Wissenschaft, Forschung und Kultur haben wir die Ergebnisse bereits diskutieren und vor allem auch den weitergehenden Vorschlag von Ministerin Kunst zur Neugründung einer Universität in der Lausitz miteinander besprechen können.

Die Emmermann-Kommission war zu folgendem Ergebnis gekommen: Beide Hochschulen haben ihr Profil, beide sollten stärker als bisher miteinander kooperieren, bis hin zu gemeinsamen Fakultäten und strukturübergreifenden Zentren. Es wurde eine radikale Neustrukturierung und grundlegende Neuausrichtung in Lehre und Forschung eingefordert. Der Hochschule Lausitz bescheinigt die Kommission eine enge Einbindung in die Region und eine gute Vernetzung mit der Wirtschaft. In der Biotechnologie hat die Hochschule universitäres Niveau erreicht, und in den Gesundheitsberufen werden gute Entwicklungspotenziale gesehen.

Die Brandenburgische Technische Universität ist trotz international beachteter Forschungsergebnisse noch immer nicht Mitglied der Deutschen Forschungsgemeinschaft. Die Empfehlungen des Wissenschaftsrats von 2002 sind leider nicht beachtet, Kernkompetenzen sind nicht zur Profilbildung genutzt worden. Dennoch ist es der BTU gelungen, sowohl die Anzahl der Studierenden unter weitaus ungünstigeren Bedingungen, als wir sie hier in Potsdam oder in Wildau haben, zu erhöhen, als auch den Anteil an Drittmitteleinwerbung deutlich zu steigern und gemeinsam mit Vattenfall oder auch der Helmholtz-Gesellschaft in Teltow-Seehof/Geesthacht wegweisende Professuren auf den Weg zu bringen.

Meine Damen und Herren, es geht hier also nicht um Beschimpfung oder Verunglimpfung, es geht um den klaren, unverstellten Blick auf die Situation und die richtigen Schlussfolgerungen für ein profiliertes, hervorragendes Wissenschaftsangebot in der Lausitz.

Prof. Emmermann hat im Ausschuss selbst gesagt:

„Man darf nicht kleckern, sondern muss klotzen.“

Den Präsidenten der Hochschule Lausitz, Prof. Schulz, zitiere ich ebenfalls:

„Ohne Rahmengesetz wird es nicht gehen.“

Meine Damen und Herren, ich finde den weitergehenden Schritt der Ministerin sehr mutig, und ich unterstelle den Kritikern, dass sie dieser Frau den großen Schritt nicht zugetraut haben, dass sie neidvoll auf den Mut schauen, mit der sie diese Umgestaltung angeht, und dass sie diese vielen vertanen Chancen ihrerseits bedauern.

Wenn der Wissenschaftsrat vor zehn Jahren seine Empfehlung für eine stärkere Kooperation, für eine sinnvolle Vernetzung

und für eine stärkere Nutzung der Chancen von Bologna ausgesprochen hat und seitdem wenig passiert ist, dann muss die Frage erlaubt sein, wie das besser werden kann und wie der Prozess insgesamt zu beschleunigen ist. Die Antwort der Ministerin lautet: Auflösung beider Hochschulen und Neugründung einer neuen Universität. Das ist ein Modell, das in Deutschland nicht ganz neu ist, das sowohl in Lüneburg als auch Oldenburg und auch in Essen/Dortmund bereits praktiziert wurde.

Meine Damen und Herren, Ministerin Kunst musste damit rechnen, dass die Bedenkenträger sofort aufschreien. Warum es aber ausgerechnet die CDU ist, Herr Schierack, die sich hier zum vermeintlichen Retter der Lausitz erhebt, ist mir doch nicht so klar. Herr Schierack, wenn Sie heute fordern, die Kooperation hätte von Landesseite über die Zielvereinbarungen herbeigeführt werden können, frage ich Sie, warum die damalige Ministerin Wanka - CDU - das nicht getan hat.

(Vereinzelt Beifall SPD und DIE LINKE)

Wenn es Ihnen jetzt zu schnell geht, warum haben Sie die notwendige Umsteuerung dann nicht eher begonnen? Warum gab es keinen Antrag von Ihrer Seite hier im Landtag? Mit Ihrem gestern vorgelegten Entschließungsantrag - auch dazu werden wir uns heute hier verhalten - fordern Sie den Landtag auf, sich zu beiden Hochschulstandorten zu bekennen und diese auf Dauer zu erhalten. Alles soll so bleiben, wie es ist; nichts darf sich verändern. Das kann nach dem sehr kritischen Bericht der Emmermann-Kommission nicht wirklich Ihr Ernst sein! Um der Wissenschaft in der Lausitz willen können wir die Augen nicht verschließen und so tun, als ob weiter Warten helfen würde. FDP und Grüne - Herr Lipsdorf wie auch Marie Luise von Halem hegen weit weniger Bedenken und haben im Ausschuss dem mutigen Schritt der Ministerin durchaus Hochachtung gezollt.

Auch von der FDP-Fraktion liegt heute ein Entschließungsantrag vor. Verehrte Freie Demokraten, Sie lehnen die Neugründung nicht von vornherein ab - das ehrt Sie -, aber Sie wollen die Risiken und Chancen einer Fusion ausgelotet sehen. Die Frage stellt sich - mit Verlaub - auch andersherum: Was riskieren wir, wenn nicht schnell gehandelt wird und die günstigen Rahmenbedingungen nicht zügig genutzt werden? Lassen Sie mich Ihr Fraktionsmitglied Linda Teuteberg aus ihrem heute veröffentlichten Interview in der „MAZ“ zitieren:

„Liberale begreifen den Fortschritt nicht als Gefahr für das Bestehende, sondern als Chance für die Gesellschaft.“

Ich finde, da hat sie Recht, und es entspricht im Übrigen auch dem sozialdemokratischen Fortschrittsdenken.

Ich meine, wir sollten nicht weiter Konzepte und Gutachten schreiben, sondern aus der vorgelegten Bilanz die richtigen Schlüsse ziehen sowie Lehre, Forschung und Entwicklung für die Lausitz und für die Zukunft nachhaltig aufstellen.

Fontane sagt zu Recht:

„Am Mute hängt der Erfolg.“

Lassen Sie uns in dieser Sache mutig sein!

Zurzeit sind 26 Professuren in der Lausitz nicht besetzt - das ist heftig kritisiert worden, bietet jedoch die Möglichkeit, das als

Chance für die Neugründung einzusetzen und dann auch etwas daraus zu machen. Zwei Hochschulen kommen nach Vorschlag des Ministeriums unter ein neues Dach, alle Beschäftigten werden übernommen, allen Studierenden wird die Fortsetzung ihres Studiums bis zum gewünschten Abschluss garantiert. Fachhochschule und Universität sind mit je drei Fakultäten und zwei gemeinsamen Bereichen - Architektur und Bauingenieurwesen und Betriebswirtschaftslehre plus Wirtschaftsingenieurwesen - mit allen Fachkompetenzen dabei. Das Doktorandenkolleg und die Zentren für Weiterbildung und Studiengewinnung sowie Studienvorbereitung komplettieren laut Plan das gemeinsame Angebot.

Natürlich machen sich Beschäftigte Sorgen um ihren Arbeitsplatz - das verstehe ich. Und ich verstehe auch die vielen Fragen von AStA und Studierendenvertretungen. Der Zeitplan ist ein ambitionierter; er erfordert es, dass vor Ort zügig mit allen Betroffenen geredet wird, dass alle Fragen beantwortet und die notwendigen Voraussetzungen schnell geschaffen werden. Auch die finanziellen Mittel dafür - das sage ich hier ausdrücklich sind ausreichend bereitzustellen.

Der Vorwurf der Christdemokraten, daraus werde eine Sparuniversität und auf Kosten der Lausitz solle hier der Rotstift angesetzt werden, entbehrt jeder Grundlage. Beide Präsidenten gehen in absehbarer Zeit in den Ruhestand. Wenn dann ein neuer Präsident oder eine neue Präsidentin gewählt bzw. berufen wird, spart das eine Stelle - das wäre es dann aber auch. Es geht nicht um Sparen, es geht um Zukunft und um eine den Anforderungen angepasste und mit den Kompetenzen der Lausitz ausgestattete moderne universitäre Forschung und Lehre. Nur so können die wichtigen Industriearbeitsplätze auf Dauer gesichert werden. Das ist mehr als Energie, das ist eine ganze Region mit ihrer gesamten Wertschöpfung.

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich zum Schluss noch kurz zum Namen der Neugründung kommen: Bologna-Universität, Energieuniversität, Lausitzuniversität - für mich sind das Arbeitstitel, die alle etwas für sich und zugleich Nachteile haben. Beim einen verengt sich der Blick auf einen Wirtschaftsbereich, der selbst starken Veränderungen unterliegt und - wenn überhaupt - nur in seiner gesamten Breite gemeint sein kann. Der andere klingt zu technokratisch. Ich meine, wir sollten auf das Kürzel „Technische Universität“ nicht verzichten. Das steht für die hervorragend aufgestellte Biotechnologie der Hochschule Lausitz genauso wie für die Spitzenforschung der Brandenburgischen Technischen Universität, und das mindert auch nicht die akademisierten medizinischen Berufe und das Wirtschaftsingenieurwesen. Im Gegenteil: Es ist die Antwort auf täglich neue Herausforderungen, denen sich die Lausitz stellt. - Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit und wünsche „Glück auf!“ für die neue Universität.

(Beifall SPD und DIE LINKE)

Vielen Dank. - Der Abgeordente Schierack setzt für die CDUFraktion fort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrte Ministerin! Liebe Gäste! Ich danke zunächst dem Gut

achterteam der sogenannten Lausitz-Kommission um Herrn Emmermann für die solide, fachlich gute Analyse des Hochschulstandorts. Sie zeigt dezidiert die Stärken, aber auch die Schwächen der beiden Hochschulen in der Lausitz und bescheinigt ihnen eine gute, teilweise sogar eine ausgezeichnete wissenschaftliche Basis. Insbesondere der hohe wissenschaftliche Standard an der Hochschule Lausitz wird hervorgehoben, und es zeigt sich, meine Damen und Herren, gerade am Beispiel der Biotechnologie, zu welchen außergewöhnlichen Leistungen doch forschungsstarke Fachhochschulen im Land Brandenburg fähig sind.

Vor mehr als zehn Jahren wurde die Vision, die Biotechnologie in Senftenberg zu etablieren, geboren, und mit dem Optimismus, auch mit der Zähigkeit der Professoren und mit Unterstützung von Bund und Land ist es gelungen, gerade auch unter den schwierigen regionalen Bedingungen in der Lausitz etwas zu schaffen, auch weitab von den Metropolen Dresden und Berlin, das so wunderbar in Forschung und Lehre gedeihen kann.

Die Fachhochschule hat eindrucksvoll bewiesen, dass sie in den anderen technischen Bereichen hervorragend mit den regionalen Wirtschaftspartnern kooperiert und sich auf diese Weise wunderbar an die heimischen Studierenden anpasst. Aber auch die Energie-, Umwelt-, Strömungs- und Antriebstechnik der BTU ist wissenschaftlich hervorragend aufgestellt. Die BTU ist überregional in bestimmten Bereichen zu einer bekannten und anerkannten Marke geworden. Die Architektur und das Bauingenieurwesen sind in der Lehre bundesweit spitze. Die Drittmitteleinwerbungen beider Hochschulen sind - bundesweit gemessen an den Zuwendungen des Landes am Globalhaushalt weit überdurchschnittlich: Aus einem Euro, den das Land den Hochschulen gibt, machen sie 50 Cent zusätzlich aus anderen Quellen. Das heißt, es ist gut investiertes Geld, es wird also an unseren Hochschulen vermehrt.

Die Leistungen der Hochschulen, meine Damen und Herren bei aller Diskussion um die Schwächen der Hochschulen, die ja insbesondere in der BTU aufgezeigt wurden -, verdienen aufgrund der schwierigen Rahmenbedingungen allerhöchste Anerkennung. Folglich kommen die Gutachter zu dem Schluss, bei Betrachtung aller - ich sage: aller - Optionen den Erhalt beider Einrichtungen zu empfehlen - explizit ausgeschlossen: Fusion und Neugründung.

Gefordert wird jedoch - und das ist absolut nachvollziehbar eine bessere Kooperation, eine stärkere Profilierung und eine Zusammenlegung von Fakultäten und hochschulübergreifenden Institutionen, da, wo es Duplizitäten gibt und wo Schwächen vorhanden sind. Der überraschend von der Wissenschaftsministerin Prof. Dr. Kunst vorgeschlagene Weg zur Gründung einer neuen Universität ist nicht mit dem Vorschlag im Gutachten gedeckt, sondern ist ein völlig anderes Herangehen.

Meine Damen und Herren! Wir stehen deshalb nun vor der Entscheidung, entweder alles so zu belassen - ich sage definitiv: das ist die schlechteste Variante, es ist auch nicht die Intention unseres Antrags - oder dem Gutachterteam zu folgen oder auch den Weg der Ministerin zu beschreiten.

Ich sehe mich heute völlig außerstande, über die Chancen und Risiken des einen oder anderen Weges fachlich zu diskutieren, denn im Gegensatz zu dem Emmermann-Vorschlag diskutieren wir heute eine Überschrift, die da heißt: „Neugründung einer

Energieuniversität“, so steht es im Antrag, also einer Programmuniversität oder einer Bologna-Universität - auch vor dem Hintergrund des Positionspapiers des Wissenschaftsministeriums vom 17.02.2012.