Unter unseren Gästen begrüße ich Schülerinnen und Schüler des Ernst-Haeckel-Gymnasiums aus Werder. Ich wünsche euch einen spannenden Vormittag!
Zudem begrüße ich den Gesandten des Botschaftsrats, Dr. Zareba, der im Auftrag von Botschafter Marek Prawda an unserer Sitzung teilnimmt. Herzlich willkommen bei uns im Landtag Brandenburg!
Ich darf herzliche Geburtstagswünsche aussprechen. Die Abgeordnete Steinmetzer-Mann hat heute Geburtstag. Viel Freude an Ihrem Geburtstag!
Des Weiteren gratuliere ich der Abgeordneten Monika Schulz zu ihrer in der letzten Woche erfolgten Eheschließung. Viel Erfolg dafür!
Gibt es zur vorliegenden Tagesordnung Bemerkungen oder Änderungswünsche? - Das ist nicht der Fall. Daher lasse ich über die Tagesordnung abstimmen. Wer nach ihr arbeiten möchte, den bitte ich um ein zustimmendes Handzeichen. - Gibt es Gegenstimmen oder Enthaltungen? - Beides ist, wie üblich, nicht der Fall.
Zudem liegt ein Entschließungsantrag der Fraktion der SPD und der Fraktion DIE LINKE in der Drucksache 5/281 vor.
Die Debatte wird mit einem Beitrag der Linksfraktion eröffnet. Die Abgeordnete Kaiser erhält das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Leider mussten wir am 14. Januar in einem Zeitungskommentar lesen:
„Wenn die Oderpartnerschaft nicht bald zu greifbareren Ergebnissen als bisher führt, wird sie als zwar schöne, aber nicht erfolgreiche Idee enden.“
Lange und sorgfältig ist das zweite Spitzentreffen zur Oderpartnerschaft unter maßgeblicher Beteiligung der Brandenburger Landesregierung vorbereitet worden. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter unserer Landesverwaltung, der Verwaltungen der beteiligten Marschall- und Woiwodenämter haben das Treffen engagiert mit vorbereitet. Dafür ist ihnen zu danken. Dennoch hat das Spitzentreffen nicht das gebracht, was wir uns in Brandenburg erhofft hatten; denn der anvisierte Maßnahmenplan bedeutsamer Verkehrsinfrastrukturmaßnahmen für die kommenden zehn bis 15 Jahre ist eben nicht beschlossen worden. Auch sonst wurde kein Dokument beschlossen. Dieser Tatsache müssen wir uns - Parlament und Landesregierung - zwar stellen, jedoch müssen wir uns nicht mit ihr abfinden.
Wie geht es nun weiter? - Unserer Meinung nach brauchen wir eine solide Analyse der Gründe, die dazu geführt haben. Warum hat die Oderpartnerschaft knapp vier Jahre nach ihrer Gründung noch immer nicht richtig Tritt gefasst, obwohl es doch regelmäßige, vielfältige, kleinteilige Abstimmungen der Fachebene - unter anderem zum Bahnverkehr, zur Wirtschaftsförderung, zur Technologie sowie zum Tourismus - gegeben hat?
Auf Initiative unserer Staatskanzlei fand im Januar 2008 ein Workshop in Genshagen statt. Neue Themenfelder wurden ins Auge gefasst: Bildung, Flughäfen, Energie, ländlicher Raum und auch die Fußball-EM 2012. In den vergangenen Monaten gab es zudem wichtige gemeinsame Signale in Bezug auf die Bahnlinien Berlin-Szczecin, Berlin-Cottbus-Wroclaw und Berlin-Potsdam-Pozna´n sowie Signale zur Überwindung der zahlreichen technischen Hürden im Bahnverkehr zwischen beiden Ländern.
Erfreulich ist, dass wir mittlerweile eine gute Internetpräsentation haben, auf der jeder, der es will, sich zur Oderpartnerschaft informieren kann. Fakt ist aber auch, dass insbesondere die Verständigung zu mittel- und langfristigen Projekten, die für die Entwicklung der Gesamtregion wichtig sind, bisher nicht funktioniert. Von dem, was in anderen europäischen Regionen heute an abgestimmter grenzüberschreitender Entwicklung praktiziert wird, sind wir - auch hier wieder leider - meilenweit entfernt. Die Gründe liegen unter anderem auf nationaler Ebene - im Auf und Ab der deutsch-polnischen Beziehungen der vergangenen Jahre.
Trotz aller Verbesserungen sind diese Beziehungen noch weit vom Optimum entfernt. Allzu oft bleibt noch im politischen Alltag die deutsch-polnische Vergangenheit - darunter mehr als 100 Jahre Verlust der eigenen polnischen Staatlichkeit und insbesondere auch das, was Deutschland Polen in den sechs Jahren der Besatzung zwischen 1939 und 1945 an Leid zugefügt hat ausgeblendet oder zumindest unterbelichtet. Hinzu kommt das immer wiederkehrende Störfeuer aus den Spitzen der Vertriebenenverbände. Angesichts dessen empfinde ich es als zeitgemäß, dass sowohl der ehemalige als auch der amtierende Bundesaußenminister deutliche Signale nach Warschau gesandt haben.
Auch und gerade vor diesem historischen Hintergrund - das ist nicht neu - gab und gibt es in der Republik Polen Diskussionen darüber, was die einzelnen Woiwodschaften - insbesondere diejenigen, die sich in unmittelbarer Nähe zur östlichen Grenze der Bundesrepublik befinden - an selbstständigen politischen Kontakten zu ihren unmittelbaren Nachbarn realisieren können. Die Situation erfordert es möglicherweise, weshalb ich es hier unterstreichen möchte. Die von Berlin und Brandenburg ausgehende Initiative achtet die Rechtsordnung der Republik Polen sowohl hinsichtlich der territorialen Integrität als auch im Hinblick auf die Zuständigkeitsverteilung zwischen Sejm Ministerrat - einerseits und den Selbstverwaltungsorganen in den 16 Woiwodschaften andererseits. So weit zu den sogenannten außenpolitischen Fragen.
Erstens: Die Linke hat die Initiative für die Oderpartnerschaft von Anfang an unterstützt. Dennoch war sie eine Art Kopfgeburt - die Initiative ging von der Exekutive aus - und ist es bis heute im Wesentlichen geblieben. Trotzdem haben wir - auch als Opposition - bereits von Beginn an versucht, den Arbeitsprozess zu begleiten sowie eigene Ideen und Vorschläge nicht nur eingebracht, sondern auch verwirklicht. Sie erinnern sich möglicherweise an Anträge, direkte Treffen und Konferenzen. Die Oderpartnerschaft ist als parteipolitischer Zankapfel tatsächlich denkbar ungeeignet.
Zweitens: Der Landtag Brandenburg hat sich in den vergangenen Jahren mehrheitlich nicht sehr interessiert verhalten. Ich denke, dies ist ein weiterer innerer Grund, dem wir abhelfen können.
Drittens: Wir sind mit dem Netzwerk nicht wirklich in die Breite des Landes gekommen. Euro-Regionen, Unternehmen und Zivilgesellschaft saßen - wenn überhaupt - bisher am Katzentisch.
Viertens: Die Oderpartnerschaft war von Beginn an vor allem auf die Wachstumszentren in der Region gerichtet. Der ländliche Raum fühlte sich nicht berücksichtigt oder zumindest unterrepräsentiert. Das wird unter anderem in Lubuskie immer wieder angesprochen, ist aber auch für unseren ländlichen Raum von Bedeutung.
Fünftens: Die benachbarten Woiwodschaften haben natürlich eine sehr unterschiedliche Wirtschafts- und Verwaltungskraft.
Sechstens: Auf deutscher Seite mussten wir in den vergangenen Jahren immer wieder konstatieren, dass das Interesse der vier beteiligten Bundesländer an einer Mitarbeit sehr unterschiedlich ist. Da es jedoch trotz dieser unterschiedlichen Sichten und Fakten gemeinsame Interessen gibt, die man nur gemeinsam bewältigen kann, gibt es diese Oderpartnerschaft als erklärtes Ziel noch immer. Das sieht man auch auf der anderen Seite der Oder. Ich zitiere den Marschall unserer Nachbar-Woiwodschaft Jablonski:
„Eines der wichtigsten Ziele der Verkehrspolitik der Woiwodschaft Lubuskie ist eine Stärkung der Bahnverbindungen mit Brandenburg.“
Wenn wir jetzt über Verkehrsinfrastruktur reden, geht es auch und gerade um die Nutzung des BBI für die gesamte deutsch
polnische Region, was die Anbindung aus Richtung Osten her erfordert. Oder man redet auch über die Planungen der polnischen Regierung für ein Hochgeschwindigkeitsbahnnetz. Diese Bahnen enden ja bisher, von Warschau aus gesehen, bereits in Pozna´n bzw. in Wrozlaw.
Bei diesen und ähnlichen Problemen muss die Politik in Ostdeutschland und in Westpolen an einem Strang ziehen, damit die Region nicht abgehängt wird. Einen wichtigen Schritt auf dem Weg wären wir vorangekommen, würden wir uns selbst und würde man uns von außen als eine Region verstehen und auch wahrnehmen. Aber noch sei der Ausgang offen, endet der erwähnte Pressekommentar.
Was ist deshalb von der Politik zu tun, vor allem bei uns hier im Land? - Ich will sechs Themen in Stichworten aufgreifen, die wir dann in der Diskussion vertiefen.
Das erste Thema ist die Verlässlichkeit aller Partner als unabdingbare Voraussetzung für die Oderpartnerschaft. Nur dann, wenn wir alle hier in der Region begreifen, dass wir nur miteinander als eine europäische Region in enger Zusammenarbeit etwas bewerkstelligen können, werden wir auch so handeln. Alle Partner haben sich dazu bekannt, auch am vergangenen Mittwoch. Den Erklärungen müssen jetzt konkrete Taten folgen.
Ein zweites Thema ist die stärkere Einbeziehung der Bundesebene, nicht nur der deutsch-polnischen Regierungskommission, die ja auf der Konferenz vertreten war, sondern es geht auch darum, den Bundestag, die Bundesregierung und den Sejm als Partner zu gewinnen. Die eine Frage ist, wie wir jetzt konkret mit dem Maßnahmenkatalog Verkehrsinfrastruktur umgehen, die andere ist die generelle Ausrichtung der Oderpartnerschaft, über die eben auch gesprochen werden muss, zum Beispiel über konkrete Vorschläge zu den Parlamentsbeziehungen. Das wird von unserer Seite nachher Frau Stobrawa machen.
Ein drittes Thema ist die personelle Basis der Oderpartnerschaft, die in Brandenburg stabilisiert und schrittweise erweitert werden sollte. Wir haben dafür nicht zu viel Kapazitäten in unserer Landesverwaltung, angesichts der Aufgabe eher zu wenig. Also lassen Sie uns die vorhandenen Potenziale nicht weiter zersplittern!
Ein in diesem Parlament öfter erörtertes Stichwort - viertens sind die Sprachkenntnisse. Viele im Raum können sich erinnern: Die Linke setzt sich seit langem für ein Landeskonzept für die Mehrsprachigkeit ein, in dem Polnisch einen hohen Stellenwert hat. Nunmehr, ausgehend von der Koalitionsvereinbarung, werden wir das auf den Weg bringen.
Wir schließen uns ausdrücklich nicht der vor Tagen geäußerten Meinung an, Polnisch zu lernen sei verzichtbar, weil ja unsere Polizistinnen und Polizisten mit ihren polnischen Kolleginnen und Kollegen auch Englisch reden könnten.
Fünftes Thema: Wir brauchen eine stärkere Kommunikation und Abstimmung mit Berlin, aber auch mit Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen, nicht nur auf der Ebene der Landesverwaltungen, sondern auch der Parlamente. Hier kann jede Frak
tion mit ihren Partnerfraktionen in den betreffenden Parlamenten arbeiten. Es gab bereits einmal einen Vorschlag aus Mecklenburg-Vorpommern, wonach sich die vier ostdeutschen Parlamente in einer ersten Stufe untereinander abstimmen sollten und dann in einer zweiten Stufe mit den Abgeordneten des Sejmiks. Das sollten wir nun angehen.
Sechstes Stichwort ist die Verkehrsinfrastruktur. Dieses Thema konnte am vergangenen Mittwoch nicht abgearbeitet werden. Wir plädieren für eine Erweiterung des Themenkatalogs. Während des Spitzentreffens am 13. Januar wurden für den Herbst die Themen Zusammenarbeit, Wissenschaft und Innovationen angekündigt, und auch einige andere Themen liegen auf der Hand.
So steht ab 1. Mai 2011 die volle Arbeitnehmerfreizügigkeit ohnehin auf der Tagesordnung, ohne dass wir die Grundlagen für einen gemeinsamen Arbeitsmarkt gelegt haben. Auch das Thema muss jetzt angepackt werden.
Weitere Themen finden sich in der Koalitionsvereinbarung von SPD und der Linken. Ich bin gespannt auf die weitere Diskussion.