Klaus Bartl

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Last Statements

Vielen Dank, Herr Präsident.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich erstatte jetzt den Bericht des 2. Untersuchungsausschusses. Entsprechend der Entscheidung des Untersuchungsausschusses wurde der Vorsitzende zum Berichterstatter bestimmt.
Um dieser Rechenschaftspflicht des Untersuchungsausschusses genügen zu können, hat der Untersuchungsausschuss am 9. Juni 2009 den Beschluss gefasst, dass er sowohl seine Beweisaufnahme als auch seine Untersuchungen beendet, obgleich er – das sei an dieser Stelle ausdrücklich hervorgehoben – nach der übereinstimmenden Auffassung aller seiner Mitglieder aus verschiedenen, noch näher darzulegenden Gründen nicht in der Lage war, den Einsetzungsauftrag auch nur in Annäherung vollständig zu erfüllen.
Der Ausschuss hatte sich unverzüglich nach seiner Sitzung vom 27. Juli 2007 konstituiert und in dieser Sitzung auch bereits die ersten Beschlüsse zur Beweiserhebung gefasst. Sie betrafen nahezu wortgleich gemäß den Anträgen von den Koalitionsfraktionen und den Oppositionsfraktionen zunächst das Anliegen an das Sächsische Staatsministerium des Innern zur Übergabe sämtlicher im damaligen OK-Referat 33/34 des Landesamtes für Verfassungsschutz zur Beobachtung der Organisierten Kriminalität geschaffenen Akten, Aktenteile und sonstigen Unterlagen in der Fassung, wie sie vom Landesamt für Verfassungsschutz vorher der Parlamentarischen Kontrollkommission vorgelegt wurden und wie sie nach deren Beschluss vom 15. Mai 2007 der Staatsanwaltschaft übergeben wurden.
Mit Schreiben vom 28. August 2007 teilte der Sächsische Staatsminister des Innern dem Ausschuss mit, dass das Sächsische Staatsministerium der Justiz gegen eine Herausgabe der Akten des Landesamtes für Verfassungsschutz im Hinblick auf § 477 StPO Bedenken geäußert habe. Es wurde also der Einwand vorgetragen, dass die Herausgabe dieser Unterlagen an den Untersuchungsausschuss den Zweck der zwischenzeitlich durch die Staatsanwaltschaft Dresden eingeleiteten Ermittlungen gefährden könne. Der Ausschuss äußerte hierüber in der anschließenden 2. Sitzung vom 30. August 2007 gegenüber dem Beauftragten der Staatsregierung im Ausschuss sein Erstaunen, da die Parallelität zwischen der Untersu
chungstätigkeit eines Untersuchungsausschusses und einem laufenden Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft in der parlamentarischen bzw. in der gesellschaftlichen Praxis geradezu die Regel ist.
Mit Schreiben vom 14. September 2007 teilte der Sächsische Staatsminister des Innern dem 2. Untersuchungsausschuss mit, dass er die Herausgabe der abgeforderten Unterlagen generell ablehne. Dies unter Berufung darauf, dass der den Untersuchungsausschuss einsetzende Landtagsbeschluss verfassungswidrig sei. Das Sächsische Staatsministerium des Innern bezog sich dabei auf zwei vom Sächsischen Staatsministerium der Justiz in Auftrag gegebene Rechtsgutachten, die behaupteten, der Einsetzungsbeschluss sei zu unbestimmt, er nehme Wertungen vorweg, verstoße gegen den Grundsatz der Gewaltenteilung und greife in den Kernbereich der exekutiven Eigenverantwortung ein. Darüber hinaus stünden der Herausgabe der Akten – später zum Teil aufgegebene – Einwände des Bundesamtes sowie anderer Landesämter für Verfassungsschutz entgegen. Zudem sei schließlich die Gefährdung der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen zu befürchten. Mit diesen Gründen wurde die generelle Herausgabe von Unterlagen verweigert.
Im Weiteren brachten die Vertreter der Staatsregierung im Ausschuss auch zum Ausdruck, dass bis zur Klärung dieser verfassungsrechtlichen Einwände Zeugen, die der Ausschuss laden wolle und die in einem öffentlichrechtlichen Dienstverhältnis mit dem Freistaat Sachsen bzw. seinen Behörden stehen, keine Aussagegenehmigung erhalten werden. Da sich diese Position der Staatsregierung in anschließenden informellen Gesprächen und Verhandlungen nicht überwinden ließ, der Untersuchungsausschuss aber durch diese Konstellation weithin an den ihm durch den Landtag aufgegebenen zielführenden Untersuchungen gehindert war, erhob er – der Ausschuss – nach entsprechender Beschlussfassung in seiner 8. Sitzung am 17. Dezember 2007 eine Organklage gegen die Sächsische Staatsregierung beim Verfassungsgerichtshof des Freistaates Sachsen.
Am 29. August 2008 traf der Verfassungsgerichtshof des Freistaates Sachsen über diese Klage folgende Entscheidung – Zitat –: „Es wird festgestellt, dass die Antragsgegnerin den Antragsteller dadurch in seinen verfassungsmäßigen Rechten aus Artikel 54 Abs. 4 Sächsische Verfassung verletzt hat, da sie die Vorlage der mit den Beweisbeschlüssen ADS 3, 5, 10, 11, 17 und 21 angeforderten Akten, Aktenteile und sonstigen Unterlagen abgelehnt hat.“
Nach den Feststellungen dieses Urteils des Verfassungsgerichtshofes war mithin der 2. Untersuchungsausschuss von Anfang an wirksam eingesetzt. Die parlamentarische Untersuchung – so weiter das Gericht in seinen Gründen – liege im öffentlichen Interesse. Es gebe ein evidentes öffentliches Interesse an der Aufklärung des Sachverhaltes. Der Einsetzungsbeschluss werde den Geboten der Bestimmtheit und Begrenztheit gerecht. Den Fragenkatalogen lasse sich ein ausreichend konkretes Arbeitspro
gramm entnehmen. Die Bezeichnung des Untersuchungsgegenstandes enthalte keine unzulässig vorweggenommenen Feststellungen und Wertungen.
Auch greife der Untersuchungsgegenstand nicht in unzulässiger Weise in die Bereiche der Judikative ein. Allerdings verletzten Teile des Untersuchungsauftrages den nach dem Gewaltenteilungsprinzip geschützten Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung. Dabei handelt es sich um die Bereiche 5, 7 und 8, die Maßnahmen der Staatsregierung zum Gegenstand hatten, die von dieser erst in Reaktion auf die Berichterstattung in den Medien eingeleitet worden seien. Diese seien mithin in einem Zeitpunkt der Einsetzung des Untersuchungsausschusses zum Großteil noch nicht abgeschlossen gewesen. Gleiches gelte für das Krisenmanagement und die Informationspolitik der Staatsregierung, die nicht Untersuchungsgegenstand sein könnten.
In seiner anschließenden 17. Sitzung am 2. September 2008 verschaffte sich der Untersuchungsausschuss einen Überblick über die Auswirkungen dieses Urteils auf die bereits beschlossenen Beweisanträge und stellte fest, dass die vom Verfassungsgerichtshof für ungültig erklärten Teile des Untersuchungsauftrages den Beweisbeschluss ADS 17 betrafen, welcher im Übrigen nach einer Neufassung durch die Antragsteller später in der 28. Ausschusssitzung am 27. Januar 2009 erneut beschlossen wurde.
In der besagten 17. Sitzung vom 2. September 2008 verständigte sich der 2. Untersuchungsausschuss angesichts der Tatsache, dass ihm effektiv im Hinblick auf die Dauer der Legislaturperiode ein Zeitfenster von circa neun bis zehn Monaten für eigene Untersuchungen verbleibt, darauf, von der Gliederung des Einsetzungsauftrages abzuweichen, diese daher nicht chronologisch abzuarbeiten. Vielmehr beschloss er, sich in einer Art Selbstbeschränkung zunächst mit der Untersuchung der Tätigkeit des Landesamtes für Verfassungsschutz, insbesondere dessen Referats Organisierte Kriminalität, zu befassen, das in der Dauer seiner Existenz von 2003 bis Mai 2006 die hinreichenden Entscheidungen des Landesamtes für Verfassungsschutz auf der Leitungs- und Präsidialebene sowie dessen Zusammenwirken mit dem Sächsischen Staatsministerium des Innern und der Parlamentarischen Kontrollkommission, speziell im Bereich der weiteren Informationspflichten aus § 17 des Sächsischen Verfassungsschutzgesetzes, getroffen hat.
Demgemäß wurde weiter beschlossen, zunächst die Arbeitsebene des Landesamtes für Verfassungsschutz bzw. des zuständigen OK-Referats, hiernach die Leitungsebene des LfV, dann die Aufsichtsebene im Sächsischen Staatsministerium des Innern und schließlich die Führungsebene im Landesamt für Verfassungsschutz und im Sächsischen Staatsministerium des Innern zeugenschaftlich zu vernehmen. Dies mit der weiteren Verabredung, dass dann, wenn dieser Komplex abgeschlossen sei, über die weiteren Beweiserhebungen eine Verständigung im Ausschuss erfolgt.
Am 30. September 2008 vernahm dann der Untersuchungsausschuss als ersten Zeugen den Sächsischen Datenschutzbeauftragten Andreas Schurig. Dies deshalb, weil es der Sächsische Datenschutzbeauftragte war, der mit seiner Beanstandung vom September 2006 die Existenz der entsprechenden umfänglichen Datenbestände, die während der Arbeit des Referats 33/34 des LfV zur Beobachtung von vermeintlichen Strukturen der Organisierten Kriminalität angelegt worden waren, überhaupt erst öffentlich gemacht hatte.
Jenseits der vorstehend in Bezug genommenen grundsätzlichen Verständigung in der Ausschusssitzung vom 2. September 2008 begann dann auch relativ zeitnah die Übersendung der von den Behörden des Freistaates Sachsen durch den 2. Untersuchungsausschuss per Beweisbeschlüssen zumeist Monate zuvor abgeforderten Akten und Aktenteile. Diese waren in verschiedene Geheimhaltungsstufen klassifiziert und teilweise gesperrt. Da behördlicherseits um Zeitaufschub wegen der Klassifizierung teilweise großer Aktenbestände in Geheimhaltungsstufen ersucht wurde, diskutierte der 2. Untersuchungsausschuss kontrovers, ob dies angesichts des ohnehin immensen Zeitverlustes zu gewähren sei, zumal die Klassifizierung bereits während der verfassungsgerichtlichen Auseinandersetzungen hätte erfolgen können.
Der 2. Untersuchungsausschuss hat dann im Laufe der Zeit in Realisierung von 27 Beweisbeschlüssen von verschiedenen Behörden insgesamt 788 Aktenordner, davon 500 Ordner als offene Unterlagen, 89 Ordner als „Verschlusssache – Nur für den Dienstgebrauch“, 32 Ordner als „Verschlusssache Vertraulich“ und 149 Ordner als „Verschlusssache Geheim“ in seinen Aktenbestand aufgenommen. Vom Landesamt für Verfassungsschutz wurden 125 Ordner als „Verschlusssache Geheim“ klassifiziert und 27 Ordner als „Verschlusssache Vertraulich“ eingestuft. Adressaten von Beweisbeschlüssen, die von dort aus auch realisiert wurden, waren darüber hinaus das Staatsministerium des Innern, verschiedene Staatsanwaltschaften, insbesondere die Staatsanwaltschaft Dresden, die Generalstaatsanwaltschaft und weitere Behörden, bis hin zum Bundeskriminalamt. Insgesamt wurden in der Geschäftsstelle des Ausschusses 446 Vorgänge als Ausschussdrucksachen erfasst.
Der Ausschuss hat – nachdem sich dessen Mitglieder im Einvernehmen darauf verständigt hatten, um den eingetretenen Zeitverlust zumindest partiell aufzuarbeiten, zu den turnusmäßigen Sitzungen nach dem Sitzungsplan des Sächsischen Landtages zehn Sondersitzungen, die teils über mehrere Tage und auch bis in die Nachtstunden reichten, durchzuführen – insgesamt 55 Beweisanträge behandelt und beschlossen. Davon betrafen 29 Anträge Herausgabeverlangen an Dienststellen und Behörden des Freistaates Sachsen wie auch außerhalb des Freistaates. Betreffend besagter Akten, Aktenteile und Dokumente wurden 33 Anträge durch die Fraktionen gestellt.
Darüber hinaus erfolgte auf entsprechenden Begehr die Ladung von insgesamt 75 Zeugen; diese Zahl an Zeugen
sollte also gehört werden. In den dann 15 Beweiserhebungssitzungen, die der 2. Untersuchungsausschuss ab Ende September 2008 durchführen konnte, wurden 31 Zeugen, davon fünf zweimal, vernommen. Circa 50 bereits beschlossene Zeugenvernehmungen konnten aus verschiedenen Gründen – sowohl wegen des nahenden Endes der Legislaturperiode und damit der Beweisaufnahme, aber auch weil die betreffenden Zeugen wegen behaupteter bzw. tatsächlicher Vernehmungsunfähigkeit oder aus Gründen vorab erklärter Auskunftsverweigerungsrechte oder auch aus gerechtfertigten persönlichen Gründen nicht erreichbar waren – nicht mehr durchgeführt werden.
In erheblichem Umfang wurde die Tätigkeit des Ausschusses auch dadurch erschwert bzw. verzögert, dass der 2. Untersuchungsausschuss umfängliche, so in der bisherigen Tätigkeit von Untersuchungsausschüssen des Sächsischen Landtages nicht gekannte Geheimschutzvorkehrungen vornehmen musste.
Bereits in der 2. Ausschusssitzung am 30. August 2007 war deutlich geworden, dass ein großer Teil der beizuziehenden Akten in den Geheimhaltungsgrad „VS Vertraulich“ bzw. „VS Geheim“ klassifiziert worden war. Dies hatte nicht nur zur Konsequenz, dass der Untersuchungsausschuss betreffs der Lagerung der entsprechenden Aktenbestände umfängliche räumliche und sächliche Voraussetzungen schaffen musste, sondern auch, dass Personen, die zu Sachverhalten vernommen werden sollten, die den besagten Geheimhaltungsgraden unterfielen, nicht offen oder auch nur in geschlossener Sitzung des Ausschusses angehört werden konnten, sondern in Sitzungen, die dem Geheimhaltungsgrad „VS Geheim“ entsprachen. So wurden nahezu sämtliche der neun vernommenen Mitarbeiter des damaligen Referats 33/34 – OK-Beobachtung – des Landesamtes für Verfassungsschutz – zwölf Mitarbeiter waren insgesamt dort beschäftigt – in sogenannter indirekter Vernehmung, das heißt nur über Tonleitung, vernommen, bei Anwesenheit in Räumlichkeiten, die dem Untersuchungsausschuss selbst nicht bekannt gewesen sind.
Wesentliche Belastungen ergaben sich darüber hinaus aus den gleichen Geheimhaltungsgründen dahin gehend, dass auf Verlangen der Staatsregierung bzw. der die Akten herausgebenden Stellen nur solche Mitarbeiter der Landtagsverwaltung bzw. der Fraktionen mit den als „Geheim“ eingestuften Aktenbeständen Kontakt haben durften respektive Zugang zu selbigen hatten, die auf der denkbar höchsten Sicherheitsüberprüfungsstufe, nämlich auf der Stufe Ü 3, sicherheitsüberprüft waren. Die Sicherheitsüberprüfungen nahm in Amtshilfe das Bundesamt für Verfassungsschutz vor.
Darüber gab es intensive Auseinandersetzungen. Speziell gab es Einwände seitens der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der Fraktion der FDP und der Linksfraktion, dass zum einen die Dauer der Sicherheitsüberprüfung der Mitarbeiter die Tätigkeit des Untersuchungsausschusses weiter erschwere bzw. verzögere und dass darüber hinaus
eine Überprüfung der Mitarbeiter von Oppositionsfraktionen durch das Landesamt für Verfassungsschutz nicht denkbar und nicht hinnehmbar sei. Eine derartige Ü3Überprüfung – das darf ich anmerken – hatten zur Zeit der Einsetzung des 2. Untersuchungsausschusses nur ganz wenige Mitarbeiter der Landtagsverwaltung und kein einziger Mitarbeiter einer Fraktion.
Insgesamt erwarben schließlich neun Mitarbeiter der Landtagsverwaltung und vier Fraktionsmitarbeiter die für Betreuungsaufgaben beim 2. Untersuchungsausschuss erforderliche Sicherheitsüberprüfungsstufe 3 und weitere drei Fraktionsmitarbeiter die Stufe Ü 2, was sie zumindest partiell ermächtigte, Zugang zu Verschlusssachen des 2. Untersuchungsausschusses zu haben.
Der Untersuchungsausschuss dankt an dieser Stelle ausdrücklich dem Präsidenten des Sächsischen Landtages, der dem Ausschuss für die Vernehmung von Zeugen zu geheimhaltungsbedürftigen Sachverhalten seinen besonderen Beratungsraum, den Raum A 108, im Landtagsgebäude nicht nur zur Verfügung stellte, sondern auch veranlasste, dass dieser mit entsprechender Sicherheitstechnik versehen wurde.
Der Ausschuss muss konstatieren, dass die zu beachtenden Geheimhaltungsbedingungen bzw. das dadurch notwendige Prozedere zwar zu lückenhaften Wahrnehmungen in der Öffentlichkeit von den Zeugenaussagen und zu Brüchen in der Vernehmungsreihenfolge durch die Ausschussmitglieder führten, jedoch als alternativlos akzeptiert werden mussten, sollte es nicht zu weiteren Zeitverzögerungen wegen verfassungsrechtlicher Streitigkeiten mit der Staatsregierung bzw. sonstigen die Aussagegenehmigung erteilenden Stellen kommen. Der 2. Untersuchungsausschuss fasste über bestehende Geheimhaltungsvorschriften von Landtag und Staatsregierung hinausgehende eigene Geheimhaltungsbeschlüsse, die nicht zuletzt auch dem Schutz von Daten Betroffener und Dritter dienen sollten.
Trotz aller Vorkehrungen zur Sicherung der entsprechenden besonders schutzwürdigen Aktenbestände musste der Untersuchungsausschuss feststellen, dass aus dem besonders gesicherten Akteneinsichtsraum A K 92, in welchem Mitglieder des Ausschusses, der Staatsregierung und entsprechend überprüfte Mitarbeiter nur im Beisein von Mitarbeitern der VS-Stelle des Sächsischen Landtages Akten einsehen durften, aus einer Akte, die in der ADS 162 beinhaltet war, zwei Unterlagen fehlten, die ursprünglich als Verschlusssache „Nur für den Dienstgebrauch“ klassifiziert gewesen sind. Von diesem am 21. Januar 2009 im Zuge der Akteneinsichtnahme durch den Regierungsbeauftragten beim 2. Untersuchungsausschuss, Herrn Leisner, festgestellten Dokumentenverlust wurde der Ausschussvorsitzende am gleichen Tag in Kenntnis gesetzt, welcher hiernach entsprechend die Obleute informierte und die Sache zur Beratung im Ausschuss stellte. Am 28. Januar 2009 wurde dem Ausschussvorsitzenden im MDR-Funkhaus in Leipzig von
einem Redakteur der Sendereihe „Fakt“ eine Unterlage übergeben, die inhaltsgleich den Dokumenten entsprach, welche offenkundig aus dem Akteneinsichtsraum in Verlust geraten waren. Es handelte sich allerdings um eine andere Fassung, was durch den beinhalteten Aufdruck des Wortes „Entwurf“ nachvollziehbar war. Der 2. Untersuchungsausschuss hat betreffs dieses Aktenverlustes Strafanzeige erstattet, die derzeit unter Sachleitung der Staatsanwaltschaft Dresden durch das Landeskriminalamt Sachsen im Zuge eines Ermittlungsverfahrens, unter anderem wegen Verwahrungsbruchs, Diebstahls und Verrats von Dienstgeheimnissen, bearbeitet wird.
Der Ausschuss hat während seiner gesamten Tätigkeit umfängliche Zuschriften von Petenten mit unterschiedlichsten Anliegen entgegengenommen. In der Mehrzahl handelte es sich um Schreiben, mit welchen die Petenten darum ersuchten, eigene Fallkonstellationen, in welchen sie sich vermeintlichen kriminellen und korruptiven Netzwerken ausgesetzt sahen, zum Gegenstand der Untersuchungstätigkeit zu machen. Sämtliche diesbezügliche Petitionen wurden den Fraktionen bzw. den Obleuten bekannt gegeben und in umfänglicher Korrespondenz mit den Petenten unter Verweis auf die vom Ausschuss zu beachtenden Bedingungen anhand des Einsetzungsauftrages erläutert.
Der Untersuchungsausschuss hat quasi gleitend im Zuge der Beweisaufnahme erste Zeugen auch aus Bereichen außerhalb des Landesamtes für Verfassungsschutz bzw. der Staatsregierung vernommen, so die Kriminalhauptkommissare Wehling und Keetmann von der Polizeidirektion Leipzig, den Kriminalkommissar Kaziur, ebenfalls vom Kommissariat Organisierte bzw. Bandenkriminalität der Polizeidirektion Leipzig, sowie schließlich, gegen Ende seiner Tätigkeit, erste direkte Wahrnehmungszeugen, wie die Anfang der Neunzigerjahre zur Prostitution im damaligen Kinderbordell „Jasmin“ in Leipzig gezwungene Zeugin mit dem Pseudonym „Sarah“, und schließlich in seiner letzten Sitzung am 9. Juni 2009 den renommierten Kölner Rechtsanwalt und Strafverteidiger Dr. Ulrich Sommer.
Unter anderem wegen der bereits im Herbst 2007 von Vertretern der Linksfraktion und dem Vertreter der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN beantragten Vernehmung dieses Zeugen, also des Rechtsanwaltes Dr. Sommer, welche die Ausschussmehrheit – unter Verweis auf die wegen der verweigerten Herausgabe von Akten seitens der Staatsregierung fehlenden Unterlagen zur Prüfung der Zeugenaussage – verweigerte, kam es im Übrigen im Juni 2008 zu einem weiteren Organstreitverfahren vor dem Sächsischen Verfassungsgerichtshof, das die Abg. Klaus Bartl, Caren Lay, Johannes Lichdi, Dietmar Pellmann und Andrea Roth als Antragsteller gegen den 2. Untersuchungsausschuss als Antragsgegner wegen Verletzung von Minderheitsrechten führten.
In diesem zu Aktenzeichen Vf 99-I-08 vor dem Verfassungsgerichtshof des Freistaates Sachsen geführten Organstreitverfahren sprach der Verwaltungsgerichtshof
am 21. November 2008 ein weiteres Urteil. In diesem wurde festgestellt, dass der Antragsgegner – der 2. Untersuchungsausschuss bzw. die Ausschussmehrheit – die Antragsteller dadurch in ihren verfassungsmäßigen Rechten aus Artikel 54 Abs. 3 der Sächsischen Verfassung verletzt haben. Er hat die Realisierung mit dem entsprechenden Antrag zur Ausschussdrucksache durch 121 gestellte Beweisanträge respektive die Ladung dieser Zeugen – so die Ladung des Zeugen, des Rechtsanwaltes Sommer – abgelehnt.
Im selben Urteil wurde mit großer Prägnanz die Reichweite des Schutzes der Minderheit in einem Untersuchungsausschuss ausgeführt. Dieses Urteil hat auch für künftige Tätigkeiten des Untersuchungsausschusses im Freistaat Sachsen grundsätzliche Bedeutung und sollte richtungsweisend für andere Länder der Bundesrepublik Deutschland sein. Nachdem sich der Ausschuss – aus den eingangs bereits reflektierten prinzipiellen rechtlichen und rechtspolitischen Erwägungen – definitiv darauf verständigt hatte, dem Sächsischen Landtag einen Abschlussbericht vorzulegen, obgleich wegen der faktischen Halbierung des ihm verfügbaren Untersuchungszeitraumes nur ein partieller Abschluss der Untersuchung absehbar war, verständigte sich der Ausschuss über das Verfahren auf die Erstellung des Abschlussberichts.
In einer dazu kontrovers geführten Aussprache wurde schließlich Einvernehmen dahin gehend erzielt, dass die Landtagsverwaltung einen ersten Teil des Abschlussberichtes erarbeitet, der statistische Angaben sowie Darstellungen des Gangs der Untersuchungen ohne inhaltliche Wertung enthält. Weiter wurde entschieden, dass die einsetzenden Fraktionen bis zum 2. Juni 2009 die Möglichkeit erhalten, einen eigenen Vorlageteil eines entsprechenden Einsetzungsberichtes einzubringen. Davon haben die drei Fraktionen zu Zeiten der eingebrachten Entwürfe durch die drei Obleute Caren Lay, Dr. Jürgen Martens und Johannes Lichdi Gebrauch gemacht. Diese Vorlage wurde in der 36. und letzten Sitzung des 2. Untersuchungsausschusses am 9. Juni 2009 unmittelbar im Anschluss an die Vernehmung des Zeugen Dr. Sommer – als das von der einsetzenden Minderheit unterbreitete Material, also den Entwurf des betreffenden Teils des Abschlussberichtes, der die wertende Feststellung beinhalten sollte – eingebracht.
Die Koalitionsfraktionen beantragten daraufhin, einen von ihnen vorgelegten Gegenentwurf zum zweiten Teil des Abschlussberichtes als ersetzenden Änderungsantrag zu behandeln. Mit einem Stimmenergebnis von 11 : 7 : 0 wurde beschlossen, dass die von den Koalitionsfraktionen vorgelegte Entwurfsfassung zum Teil II bestätigt wird. Damit war eine Abstimmung über den ursprünglichen Entwurf der Fraktionen DIE LINKE, FDP und GRÜNE hinfällig. Die Sprecher dieser Fraktionen erklärten nach dieser Abstimmung, dass sie von dem ihnen nach § 23 Abs. 2 Untersuchungsausschussgesetz eingeräumten Recht zur Vorlage eigener Berichte Gebrauch machen werden. Hiernach wurde in der Gesamtabstimmung zu den Teilen I und II des Abschlussberichtes ein Stimmen
ergebnis von 10 : 7 : 1 festgestellt. Ein Mitglied der CDUFraktion erklärte seine Stimmenthaltung damit, dass es ohne vorherige Kenntnisse über ein Minderheitenvotum eine Abstimmung zum Abschlussbericht für nicht akzeptabel erachte.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Fraktionen DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN legten innerhalb der vom Ausschuss bestimmten Frist den im Band III – von III – Ihnen vorliegenden abweichenden Bericht mit den entsprechenden Anlagen vor. Des Weiteren überreichten die Fraktion der FDP und die Fraktion der NPD einen eigenständigen abweichenden Bericht. Diese beiden abweichenden Berichte befinden sich ebenfalls im Band III von III.
Im Band I von III ist der Teil I respektive der Berichtsteil der Verwaltung, den der Ausschuss ohne Änderung bestätigt hat, enthalten sowie in Teilen in diesem Band und zu Teilen im Band II von III der Bericht der Koalitionsfraktionen.
Festzustellen ist, dass es zwischen den Wertungen, welche die Koalitionsfraktionen CDU und SPD zum einen, die einsetzenden bzw. die Oppositionsfraktionen zum anderen aus dem Gang der Untersuchung bzw. Aufnahme ableiten, gravierende Unterschiede gibt, die zweifellos in der weiteren Debatte über diese Unterrichtung des 2. Untersuchungsausschusses im Sächsischen Landtag noch deutlich werden. Sie zu reflektieren will sich der Ausschussvorsitzende aus Gründen der Neutralität und aus Zeitgründen enthalten.
Mir als Ausschussvorsitzendem und Berichterstatter verbleibt, mich zuerst ausdrücklich und herzlichst bei allen Mitarbeitern der Landtagsverwaltung, insbesondere des Sekretariats des 2. Untersuchungsausschusses, zu bedanken, die die Ausschusstätigkeit mit großem persönlichem Engagement und hoher Einsatzbereitschaft unterstützt haben.
Ich bedanke mich für die Zusammenarbeit bei den Beauftragten der Staatsregierung. Diese Aufgabe war zunächst durch Herrn Gierl vom Sächsischen Staatsministerium der Finanzen, später durch Herrn Leisner vom Sächsischen Staatsministerium der Justiz und in Vertretung durch Herrn Dr. Falk vom Sächsischen Staatsministerium des Innern wahrgenommen worden.
Wir bedanken uns für kooperative Zusammenarbeit beim Vertreter des Sächsischen Datenschutzbeauftragten Herrn Schneider und beim Geheimschutzbeauftragten des Sächsischen Landtages Dr. Schröder.
Nicht zuletzt gelten der Dank des Ausschusses und sein großer Respekt den die Tätigkeit des Ausschusses begleitenden Stenografen. Ich darf anmerken, dass der Bericht ausweist, dass die Sitzungen des Ausschusses immerhin insgesamt 178 Stunden und 2 Minuten dauerten, wovon 108 Stunden und 45 Minuten auf Beweiserhebungen entfielen. Zumindest Letztere mussten wortwörtlich mitstenografiert werden.
Mir als Ausschussvorsitzendem und Berichterstatter verbleibt, den Sächsischen Landtag zu bitten, die Unterrichtung des 2. Untersuchungsausschusses in Gestalt der vorliegenden Abschlussberichte und abweichenden Berichte zur Kenntnis zu nehmen. Der Untersuchungsausschuss hat nach dem parlamentarischen Untersuchungsausschussrecht die Rolle des Ermittlers und das Parlament die Rolle des Entscheiders. Ungeachtet dessen befinden sich beide darüber hinaus – so jedenfalls die gesicherte Kommentierung und Rechtsprechung – in der Rolle des Bewerters.
Wir haben die Hoffnung, dass das vom Ausschuss vorgelegte Material bei den Kolleginnen und Kollegen Abgeordneten dieses Hohen Hauses Beachtung und eigene Resonanz, jedenfalls auch Nachdenken in diese oder jene Richtung, ausgelöst hat oder noch auslösen wird. Der Ausschuss hat sich, das darf ich abschließend noch mit Dank an alle Mitglieder des Ausschusses und meinen Stellvertreter Prof. Dr. Schneider sowie die Obleute der Fraktionen im Besonderen betonen, nach Kräften bemüht, der Aufgabenstellung des Landtages gerecht zu werden. Dass dies nur partiell gelungen ist, ist gewiss nicht von ihm zuerst zu verantworten.
Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich spreche als eines der fünf Mitglieder meiner Fraktion im 2. Untersuchungsausschuss.
Kollege Piwarz, das Parlament hat diesen Untersuchungsausschuss eingesetzt in einer Situation – das räume ich gern ein –, der zwei bis drei Monate relativ scharfe Debatten und Dispute vorausgingen und in der Formulierungen von Mitgliedern dieses Hauses und Mitgliedern der Staatsregierung gewählt wurden, die letztendlich anhand dessen, was heute der Ausschuss an Erkenntnissen hat, so belastbar nicht sind.
Aber dass Sie sich jetzt hinstellen und wörtlich sagen, den Sachsensumpf habe es nie gegeben, nachdem Sie dabei waren, wenn Zeugen ausgesagt haben oder Zeugen Inhalte aus Vernehmungen bei der Staatsanwaltschaft vorgehalten worden sind, ist für mich – auch unter dem Aspekt, dass Sie Berufskollege, Jurist, sind – im Ansatz nicht nachvollziehbar.
Ich lese aus Band III von 3. Das ist die Vernehmung des Zeugen Dr. Sommer, Rechtsanwalt. Dazu sage ich zwei bis drei Sätze. Dr. Sommer war einer der Strafverteidiger, später der Prozessbevollmächtigte für die Aufnahme des Verfahrens eines der drei zu lebenslänglich Verurteilten, die noch jetzt im Klockzin-Attentatsprozess einsitzen.
Es gibt drei Menschen, die noch jetzt lebenslänglich einsitzen. Wir sprechen also nicht über Vorgänge von vor über 20 Jahren. Das Urteil ist 1996 verkündet worden. Drei sind zu lebenslänglich und einer ist zu zwölf Jahren verurteilt worden. Der Schütze, der auf Klockzin geschossen hat, ist zu zwölf Jahren verurteilt worden, weil ihm nach § 21 verminderte Zurechnungsfähigkeit zuerkannt wurde. Derjenige, der ihn zum Tatort gefahren hat, bekam lebenslänglich. Die beiden, die den Auftrag zum entsprechenden Attentat übermittelt haben sollen, bekamen lebenslänglich.
Die anderen beiden, die den Auftrag ausgelöst haben sollen und die, wie sogar Weitemeier in seinem Bericht schreibt, bereits 1996 im Abschlussbericht als die Hinterleute erwähnt werden, also die Auftraggeber – der Jurist nennt das Anstifter –, sind nach einem Verfahren verurteilt worden. Das fand im Jahr 2000 nach langen Geburtswehen statt. Unter Einstellung des Verfahrens sind sie nach § 153a mit einer Geldauflage in Höhe von 2 000 Euro an den Weißen Ring davongekommen.
Jeder, der in diesem Raum sitzt und nicht Jurist ist, muss sich doch fragen: Wenn diejenigen, die einen Mord in Auftrag geben, am Ende mit einer Geldauflage von 2 000 Euro an den Weißen Ring davonkommen, warum sitzen dann diejenigen lebenslänglich in Haft, die den Auftrag übermittelt haben und die nichts weiter waren als die Boten? Jeder Jurist weiß, dass der Anstifter mindestens genauso bestraft wird wie der Täter.
Wenn das für Sie kein Anzeichen für eine nicht reguläre Justiz ist, frage ich mich: Was denn dann?
In diesen Fällen hätte der Freistaat Sachsen, begonnen mit der Spitze, dem Ministerpräsidenten, wenigstens eine materielle Gerechtigkeit herstellen können, indem den wiederholten Gnadengesuchen dieser zu lebenslänglich Verurteilten – ich sage: zu Unrecht lebenslänglich Verurteilten – stattgegeben wurde. Das ist aber nicht passiert. Das ist ein Skandal, eine Ignoranz, die nicht zu überbieten ist!
Wir haben dieses Urteil. Es wurde mehrfach ein Gnadenantrag von Verteidigern, Anwälten, Angehörigen und dergleichen mehr gestellt. Das juckt die Obrigkeiten in diesem Land überhaupt nicht.
Keiner von denen war mein Mandant.
Zweitens zur Legende Gemag, die tatsächlich auf allen Konferenzen, Pressekonferenzen – Boos, Fleischmann und wie sie alle hießen – durch die Welt getragen wurde. Tatsache ist: Felsenfest nach der Aktenlage hat das Referat 33/34 am 14. Mai 2006 zum ersten Mal, am 24. Mai 2006 zum zweiten Mal, exakt eine Woche vor Schließung, mit diesem Mann gesprochen. 17 Seiten sind darüber aufgeschrieben worden. 17 Seiten, bevor das Referat das Licht ausmacht und geschlossen wurde. Aber uns, der Bevölkerung, wird anderthalb Jahre lang eingetrimmt, dass es ein In-Sich-Geschäft zwischen Kriminalhauptkommissar Wehling war, der durch die damalige Großrazzia durch seine LKA-Leute gewissermaßen betroffen war und sich jetzt mit der ehemaligen DDRStaatsanwältin Henneck zusammenschließt. Der Frau Regierungsdirektorin wurde gleich einmal mitgeteilt, dass der Titel wieder aberkannt wird, da man feststellte, dass sie nur Diplomjuristin war und nicht hätte Regierungsdirektorin werden dürfen. – Diese beiden haben die Geschichte erfunden.
Sie hatten nur die seltene Gabe, alle ringsum zu stimulieren: die zwölf Mitarbeiter im Referat, den Abteilungsleiter Hindinger und ihren eigenen Abteilungsleiter, der auch bestätigt hat,
alles hätte ordentlich und korrekt gearbeitet und dergleichen mehr.
Mein Problem ist, Herr Staatsminister: Seit anderthalb Jahren ist es dieser Kriminalhauptkommissar, der von Ihnen persönlich – ich bin überzeugt, das ist der einzige Polizist in der Flächendienststelle – ein Disziplinarverfahren, von dem Minister selbst, bekommen hat und seit anderthalb Jahren mit dem Vorwurf, dass er als „Gemag“ die gesamten Geschichten erfunden hat, leben muss und suspendiert wurde.
Es gibt auch einen Tatbestand der Verfolgung Unschuldiger, der sowohl die strafrechtliche als auch disziplinarrechtliche Verfolgung Unschuldiger unter Strafe stellt. Ich würde an Ihrer Stelle schnellstens handeln.
Herr Piwarz, jetzt komme ich zu meiner Argumentation, wie das ein Jurist übergehen kann. In der Vernehmung vom 09.06.2009 habe ich aus den Akten der Staatsanwaltschaft – das sind die Akten, die wir bekommen haben und in denen von der Staatsanwaltschaft Dresden angeblich zum Sachsensumpf ermittelt wurde – Vorhalte gemacht. Ich habe dem betreffenden Rechtsanwalt, da er in der Akte in einer Passage vorkommt, die Vernehmung eines Vorsitzenden Richters an einem Landgericht dieses Freistaates Sachsen vorgehalten. Dieser Vorsitzende Richter an einem Landgericht des Freistaates Sachsen – es war nicht Dresden oder Leipzig oder Zwickau oder Görlitz – war jahrelang Vorsitzender einer Schwurgerichtskammer, der 1. Großen Strafkammer.
Er hat am 15. Januar 2008 vor der Staatsanwaltschaft Dresden Folgendes ausgesagt – Zitat –: „Ich war an einer Hauptverhandlung wegen Mordes am Landgericht Chemnitz vor meinem Sitzungssaal als Schwurgerichtskammervorsitzender, als ein Herr auf mich zukam und mich ansprach. Er stellte sich als Polizist vor, entweder vom LKA oder als Kriminalpolizist. Ich bin mir auch sicher, dass er sich namentlich vorstellte, wobei ich heute nicht mehr sagen kann, welcher Name genau von ihm genannt wurde.“
„Er fragte mich, was mich etwas seltsam berührte, ob ich bei der Sache S – ich sage immer S, hier steht der vollständige Name – zuständig sei. Meine Gegenfrage lautete: Ich verstehe die Frage nicht. Daraufhin äußerte er sich: Sie machen doch die Sache wegen Klockzin.“
Ich unterbreche kurz das Zitat. Der betreffende Richter hatte einen Antrag des Rechtsanwalts Sommer auf Wiederaufnahme des Verfahrens zugunsten seines Mandanten, eines damals lebenslänglich Verurteilten, beim Landgericht Leipzig eingereicht. Der betreffende Richter hatte, weil nie das Gericht, dessen Verfahren wieder aufgenommen werden soll, selbst entscheiden darf, als Richter am Landgericht C diese Akte bekommen und sollte das Wiederaufnahmeverfahren bearbeiten. Er hat begonnen, dieses Verfahren zu bearbeiten und sich zu seinem Eindruck öffentlich – sprich: in der Kantine – geäußert. Daraufhin ist das Verfahren abgezogen und in Dresden entschieden worden. Daher kommt der Kriminalist zu dem Vorsitzenden Richter.
Das Zitat geht wie folgt weiter: „Daraufhin äußerte er: Sie machen doch die Sache Klockzin. Daraufhin erklärte ich ihm, da ich keine Zweifel hatte, dass es sich um einen
Polizeibeamten handelte, dass ich die Sache wieder abgegeben hätte. Danach bot er mir an, mir zu dieser Sache nähere Details zu erklären. Heute bin ich mir nicht mehr sicher, ob ich mit ihm die Sache unten auf dem Flur oder in meinem Dienstzimmer besprochen habe. Jedenfalls äußerte er eine Vielzahl von Details, die ich aus der Akte kannte. Dann kam er darauf zu sprechen, ob ich eigentlich wüsste, dass die gesamte Spitze des Landgerichts oder auch der ganzen Justiz in Leipzig in dieser Sache verwickelt sei. Bei dieser Gelegenheit zeigte er mir eine Liste im Format DIN A4. Ich erinnere mich, dass es in Querformat war.“
„Auf dieser Liste waren alphabetisch nach meiner Erinnerung dienstgradmäßig wichtige Personen des Landgerichts, der Staatsanwaltschaft und – ich erinnere mich aber an Namen nicht mehr – eines Richters oder einer Richterin am BGH Leipzig.“
„Die Liste enthielt jeweils aufgeteilt in Spalten Namen, Vornamen, Grundbuchblatt, Datum, Kaufpreis – wobei ich heute nicht mehr weiß, ob in Euro oder D-Mark – und dann komischerweise als Überschrift Provision/’echter Preis’.“
Auf eine weitere Frage des Vernehmers – Sie können alles nachlesen –, was er aus der Liste noch weiß: „Mir fiel bei den schon genannten Rubriken Kaufpreis bzw. Provision oder Angebot auf, dass sich Kaufpreis und Angebot jeweils um ungefähr das Doppelte unterschieden, das heißt, der Kaufpreis war jeweils deutlich, und zwar im 100 000-Mark-Bereich, niedriger, als bei Provision bzw. Angebot stand. Keinesfalls war es eine reine Blanko-Liste ohne Kopf. Alles sah ich, ich kann mich auch täuschen, in einer Excel-Tabelle.“ Zitatende.
Das sagt ein Richter am Landgericht, der jahrelang Vorsitzender der Schwurgerichtskammer war, vor der Staatsanwaltschaft Dresden im Ermittlungsverfahren zum Sachsensumpf aus.
Jetzt frage ich Folgendes: Wo ist das, bei Frau Schlottmann oder wem auch immer, einmal aufgetaucht? Wo ist das in den Akten, die wir sonst bekommen haben, in einer Ermittlungsverfügung? Ich habe doch die Akten gelesen. Meines Wissens genauso viel wie Herr Schimpff. Aus den Akten geht nichts mehr hervor.
Was das soll? Das ist die Argumentation, weshalb wir aufklären müssen.
Aus den Akten geht nicht mehr hervor, dass aus dieser Sache heraus weitere Ermittlungen gemacht worden sind, obwohl es doch so leicht gewesen wäre festzustellen, wer
denn der Kriminalist vom LKA war, der mit solch einer Tabelle gekommen sein soll. Warum geht man dem nicht nach?
Ich kann Ihnen sogar den Namen sagen, wer es war, Herr Schimpff. Ein hoch dotierter Kriminalist. Den kriegen wir in der nächsten Runde.
Herr Schimpff, wenn Sie Fragen haben, jederzeit und mit wachsendem Vergnügen.
So nebenbei bemerkt und um die Situation wieder aufzugreifen, erspare ich mir das Vorlesen der Passage aus der Vernehmung, in welcher der Richter am Landgericht, der als Zeuge von der Staatsanwaltschaft vernommen wurde, Namen nennt.
Einer der Namen ist heute schon gefallen. Dazu soll der Kollege Schneider sprechen.
Ich nenne den Namen jetzt nicht. Wer nennt den Namen? – Ich frage nur, wenn doch so gründlich ermittelt worden ist: Was ist aus dieser Vernehmung geworden? Den Zeugen beispielsweise hätten wir intensiv vernehmen müssen. Von dieser Sache haben wir aber erst wenige Wochen vor Schließung der Akten erfahren, da die Akten von der Staatsanwaltschaft so spät kamen. Es gibt eine Reihe weiterer Zeugen, – –
Wenn ich den Satz zu Ende habe.
die mit ähnlicher Intensität Aussagen treffen konnten, wozu der Ausschuss aus den hier gegebenen Darlegungen keine Chance mehr hatte.
Ich bin sofort bereit zur Frage, aber erst einmal Folgendes: Es ist mir nach achtzehneinhalb Jahren im Parlament – und mit Untersuchungsausschüssen nicht ganz unvertraut – noch nie passiert, dass ich mich in einer Ausschusssitzung befinde, in der ein Zeuge vernommen wird. Dann sagt der Ausschuss: Den Zeugen entlassen wir heute nicht, er ist schon zehn Stunden vernommen worden und hat nun körperliche Beschwerden. Wir unterbrechen nur und werden diesen Zeugen zu gegebener Zeit wieder laden: Kriminalhauptkommissar Wehling. Am nächsten Tag lese ich in der Zeitung, dass gegen diesen, vom Ausschuss noch weiter zu vernehmenden Zeugen das nächste Ermittlungsverfahren eingeleitet worden ist, weil er vor dem Ausschuss falsch ausgesagt hat.
Das ist eine solche eklatante Rechtswidrigkeit, gegen einen nicht entlassenen Zeugen ein Ermittlungsverfahren einzuleiten!
Das ist unvorstellbar und jetzt hauen wir noch einen drauf. Dieselbe Staatsanwaltschaft hat nicht nur gegen den Zeugen ein Ermittlungsverfahren eingeleitet – Herr Piwarz, vielleicht wissen Sie das gar nicht, es wurde uns aber geschrieben, Sie lesen es vielleicht nur nicht –, sondern sogar gegen dessen Zeugenbeistand, dessen Anwalt, der ebenfalls im Vernehmungsraum saß.
Auch dieser wurde also mit einem Ermittlungsverfahren überzogen. Das sind solche extraordinären Baustellen. Das hat, verzeihen Sie mir, mit einfachem Versehen in der Rechtsprechung nichts mehr zu tun.
Das kann auch Frau Schlottmann nicht mehr anders zum Ende des Sachsensumpfes deuten.
Ich gestatte die Zwischenfrage.
Wenn sie zur Sache sind, ja.
Herr Kollege, Sie wissen, was ich meine. Zunächst wurden Bilder hingelegt. Aber ob es Wehling war, weiß man nicht. In der Vernehmung wurde immer gefragt: War es vielleicht der Herr Wehling, der dabei gewesen ist?
Nein, Moment! Es wurde die Frage gestellt, ob es denn vielleicht der Herr Wehling war, der dort ist. Dann wurde Wehling ihm gezeigt. Und daraufhin sagte er: Nein. Wehling passte also nicht, wie wir es gern gehabt hätten, Herr Vernehmer. Wehling war es nicht.
Am Ende fällt der Name M. Es wird gefragt: War es ein Herr M.? – Warum an der Stelle im Protokoll zum ersten Mal „Herr M.“ steht und nicht der Klarname, das hätte ich auch gern gewusst.
„M.“ wie Martin.
Wer nun die Protokolle liest und weiß, wer der Hauptvernehmer in der Sache beim LKA war, der weiß, wer gemeint ist. Es wäre überhaupt nicht schwer gewesen, das herauszubekommen. Man hätte dem Vorsitzenden Richter am Landgericht einfach mal die Bilder der LKAMitarbeiter zeigen und ihn dann fragen können: Wer von denen war es? – Schon wäre die Sache geklärt gewesen. – Mehr zu der Frage nicht. Weiter geht’s.
Das war die zweite.
Nein.
Dann tue ich Ihnen den Gefallen. Das geht mir so zu Herzen!
Ich war von Anfang an der Auffassung, dass die Staatsregierung Sie eigentlich als Hauptermittler hätte einsetzen müssen.
Das ist auch eine Frage der Bildung. Fragen Sie mal Prof. Porsch! Auch Dialekte muss man verstehen.
Ich habe mich dafür in der Heimatgruppe angeboten in der JVA Regis-Breitingen, wenn es darum geht, zur Heimatliebe zu erziehen.
Ich fahre in meinem Gedankengang fort, werde es aber nicht weiter mit Zitaten tun.
Kollege Piwarz, mein Problem ist einfach das: Ich fand, dass ich, wenn ich das nicht falsch deute, im Abschlussbericht der Koalition einen gewissen prinzipiellen Standpunkt schon nachlesen konnte, der da hieß: Alles, was wir aufschreiben, ist die Erkenntnis dessen, was wir jetzt haben, geht also von dem aus, was wir bis 9. Juni 2009 zusammengetragen haben.
Das fand ich eine faire Erklärung und eine faire Stellungnahme. Unter dem Aspekt, wie Sie es dort sagen, unterscheiden wir uns nur in einem: Ich sage, es ist mitnichten bewiesen, dass es einen „Sachsensumpf“ gibt, gleich gar keinen flächendeckenden; es ist aber auch mitnichten berechtigt, auszuschließen, dass es zumindest flächenbezogen bestimmte Netzwerke gab, die in einer nicht legalen Art und Weise funktionierten und in sachfremder Art und Weise auf bestimmte Verfahrensgänge, Entscheidungen und Ähnliches mehr Einfluss nahmen. Das weiter aufzuklären ist meiner Auffassung nach Sache des Parlaments.
Jetzt bin ich gleich am Ende meiner Ausführungen. – Ich habe die ganze Zeit über als Vorsitzender versucht, mich dagegen zu wehren, dass es uns, dem Ausschuss, aufgegeben sei, nur den Sachverhalt X, Y, Z aufzuklären und zu fragen, ob Staatsanwalt A oder B tatsächlich im Bordell war, ja oder nein. Das war nicht Sache unseres Parlamentarischen Untersuchungsausschusses. Unsere Aufgabe war es festzustellen, ob es solche Netzwerke gibt, und, wenn ja, ob es eine politische Verantwortung der Staatsregierung gibt, oder ob es sonstige strukturelle Gründe gibt, die dafür sprechen, dass es mehr oder weniger zu solchen Entwicklungen kommen konnte, die dann aber mindes
tens diesen bösen Verdacht in die Welt gebracht haben, der Sachsen überzogen hat.
Wenn wir ehrlich sind, haben wir in Hülle und Fülle, querbeet über die Fraktionen, Sachverhalte festgestellt, die darauf hindeuten, dass das, was mit Fach- und Dienstaufsicht zu tun hat; dass das, was mit konkreter Information gegenüber der PKK zu tun hat; dass das, was mit sachgerechter Einbeziehung der Parlamentarischen Kontrollkommission in maßgebliche Entscheidungen über die Weiterbeobachtung zu tun hat, hier völlig ausgefallen ist. Das begann bei der Führungsspitze der Häuser. Der Datenschutzbeauftragte hat es in seiner Vernehmung mit einem Satz treffend gesagt: Fach- und Dienstaufsicht fand nicht statt. – Ende.
Ich sage: Dafür hat der Ausschuss allemal eine ganz prägnante und bemerkenswerte Aussage, zu ermitteln. Die jeweiligen Staatsminister, die Dr. Albrecht Buttolo und vorher Dr. de Maizière hießen, haben in eindeutiger Weise unter Verletzung ihrer Rechtspflichten Anteil an diesen Ereignissen, wie sie sich entwickelt haben.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Schneider, ich lasse mich jetzt nicht auf das Niveau locken, auf dem Sie agiert haben.
Ich rede auch nicht darüber, in wie vielen Fällen Sie im Ausschuss da gewesen sind und deshalb kaum auch nur einen näheren Eindruck von dem haben können, was das Ergebnis der Beweisaufnahme ist. Wer nicht da ist, kann es nicht bekommen.
Dass Sie von Anfang an versucht haben, dadurch gewissermaßen Land zu gewinnen, Herr Prof. Dr. Schneider, dass Sie der Linksfraktion nachsagen, sie will mit dem Einsetzungsvertrag oder mit ihrem Begehr die Justiz diffamieren, das ist notorisch. Das haben Sie vom ersten Tag an versucht.
Es gab im Mai, als die ganze Sache hochkam mit allem Drum und Dran, ein Zeitfenster, da herrschte einmal Sprachlosigkeit in der Staatsregierung. Da hat einmal ein Prof. Milbradt gesagt: „Wenn es so etwas gibt, muss es gnadenlos aufgeklärt werden.“
Dann fuhr er nach Japan oder China. Im Flugzeug war die Überlegungspause lange genug, um zu sagen: Gerüchte!
Wir wussten genau aus einer Verlautbarung eines Bundestagsabgeordneten aus Ihrer Fraktion bei einem Bier, dass die Order lautete: Bis zum Parteitag Mitte September ist der Sachsensumpf zu zerschießen.
Das war der Auftrag. Das hat er bei einem Bier ausgeplaudert. Dafür gibt es Zeugen. Ich kann Ihnen sogar sagen, welcher Bundestagsabgeordnete das war; das tue ich aber nicht.
Im September 2007 war die Order: Bis zur Wiederwahl oder bis zur Kandidatur ist der Sachsensumpf zu zerschießen. Ein Mittel war, dass uns im Landtag – und Sie, Herr Schneider, im Besonderen – in einer Hinterhältigkeit, die kaum zu übertreffen ist, unterstellt wurde, dass wir alle sächsischen Richterinnen und Richter, die Mitarbeiter bei der Kriminalpolizei oder wie auch immer quasi als korrumpiert, als Netzwerke oder Ähnliches bezeichnen. Das ist eine Ungeheuerlichkeit. Dies weise ich für meine Fraktion mit allem Nachdruck zurück.
Wir haben mindestens genauso riesengroßen Respekt wie Sie – wir machen es nur durch praktische Handlungen und sogar auch nachvollziehbar – vor der Arbeit der übergroßen Mehrheit unserer Richterinnen und Richter, Staatsanwältinnen und Staatsanwälte, Rechtspflegerinnen und Rechtspfleger, Kriminalistinnen und Kriminalisten und dergleichen mehr. Sie stehen außerhalb jeden Verdachts. Sie arbeiten – teilweise unter Bedingungen, die in der Entlohnung nicht im Näheren mit denen vergleichbar sind, wie sie in Westdeutschland sind, unter Bedingungen, die schlechter sind – hervorragend.
Es geht hier um eine ganz konkrete Sache, um ganz konkrete Menschen und ganz konkrete Zusammenhänge. Fangen Sie nicht an zu diffamieren, zu denunzieren, wie Sie es jetzt getan haben, und denken, Sie können dadurch Land gewinnen. Das halte ich für eine Art und Weise, die einfach, sage ich mal, charakterlos ist.
Was unser entscheidendes Problem bei der Sache ist, das ist exakt das, was Sie uns angeblich unterstellen, andersherum zu tun. Wir meinen, dass es eben gerade diese ehrbare Justiz ist, gerade die Empfänglichkeit der Ostdeutschen, darauf zu vertrauen in den Rechtsstaat, gerade eben auch aus Erkenntnissen – das habe ich oft genug gesagt –, dass Gewaltenteilung ein Wert ist und dergleichen mehr, und das gerade deshalb, weil die Bürgerinnen und Bürger in diesem Land das im Nachhinein als Wert erkannt haben. Ich habe es so oft erlebt, dass sie gesagt haben: Na ja, ich habe ja noch ein Gericht darüber, ich habe ja noch was drüber. – Genau das wollten wir eben verhindern, dass irgendwann der Vertrauensbruch kommt und das im Raum bleibt.
Was wäre, wenn man mit uns gemeinsam in kooperativer Weise, wohl wissend, dass es Unterschiede gibt zwischen regierungstragenden Fraktionen und der Opposition, die wird es immer geben, aber in einer annehmbaren Art und Weise versucht hätte aufzuklären, was war und was nicht war, was weiß, was schwarz, was grau ist? Dann wäre es unter Umständen in den zwei Jahren, die wir hatten, dazu gekommen, dass wir hintreten und sagen konnten: Das war so, das war so und das war so.
Sie haben sich 13 Monate lang an allen Leibesübungen der Staatsregierung beteiligt, um zu verhindern, dass der Ausschuss auch nur ein Blatt Papier sieht. Sie als Stellvertreter haben in einer heuchlerischen Art und Weise als Mitglied des Ausschusses zwar gegen die Staatsregierung geklagt, aber gleichzeitig in der Zeit, in der Sie dort saßen, verhindert, dass jedweder Zeuge, der ohne Aussagegenehmigung geholt werden konnte, jedwedes Blatt Papier – wir hatten ja 30 Aktenbände von anderen Leuten, die wir einführen konnten, zum Beispiel von dem betreffenden Rechtsanwalt Sommer oder dessen Mandanten – – Kein Blatt Papier durften wir einführen. Sie haben verhindert, Sie haben, wo immer es ging, blockiert, Sie
haben gemauert bis zum Ende. Und jetzt stellen Sie sich hier her und geben den hehren Mann, der andere zensieren darf, der andere verleumden darf. Sie haben bei der ganzen Frage vergessen, die Wortnahmen von Herrn Teubner, von Herrn Buttolo, von Herrn Kupfer, von wem auch immer zu benennen. Das ist eine Art von Unredlichkeit, die geht auf keine Hutschnur mehr!
Jetzt den letzten Satz, weil Sie vorhin auch die Stirn hatten, Herrn Rechtsanwalt Dr. Sommer gewissermaßen nachzusagen, er wäre nur zu doof, seine Wiederaufnahmeanträge zu stellen.
Dazu sage ich Ihnen einmal Folgendes: Rechtsanwalt Dr. Sommer ist Mitglied des Vorstandes des Bundesanwaltsvereins und Vorsitzender der Arbeitsgruppe Strafrecht. Der deutsche Bundesanwaltsverein ist der größte in Europa; und er ist Vorsitzender der Gruppe Strafrecht.
Dieser Rechtsanwalt, der eben das Unrecht aus der Welt schaffen will, dass Anstifter 3 000 Euro zahlen und sein Mandat lebenslänglich sitzt, macht 2007 im Herbst einen zweiten Wiederaufnahmeantrag. In dem zweiten Wiederaufnahmeantrag, so sagte er es gegenüber dem Ausschuss aus, bringt er vor, dass zig Aktenbände, die die Staatsanwaltschaft 1994/95 bereits hatte, im damaligen Strafverfahren, wo er der Verteidiger von einem der zu lebenslänglich Verurteilten war, nicht da gewesen sind, unterdrückt waren, verschwunden waren, der Verteidigung vorenthalten wurden, das, was er bei der zweiten Akteneinsicht bekommen hat. Er sieht deshalb jetzt auf der Grundlage dieser Aktenbände eine neue Situation und sagt: Es gibt eine neue Situation, die mich zum Wiederaufnahmeantrag bringt. Das ist der Umstand, dass sich in Sachsen – siehe Einsetzung Untersuchungsausschuss – das Parlament auch damit befasst, ob es irreguläre Einflussnahmen gab. Deshalb beantrage ich die Wiederaufnahme.
Daraufhin beantragt er beim Landgericht Leipzig die Wiederaufnahme des Verfahrens.
Das Landgericht Leipzig gibt die Akten nach Dresden. Herr Sommer hat – Herr Professor, darf ich noch einmal kurz um Gehör bitten –, Rechtsanwalt Sommer hat daraufhin ein neues Strafverfahren bekommen. Er hat keine Wiederaufnahme bekommen, aber ein neues Strafverfahren. In dem neuen Strafverfahren wird ihm vorgeworfen, dass er angeblich eines der damaligen Attentatsopfer verleumden würde. Er zitiert in einem Schriftsatz aus Akten, die er von der Staatsanwaltschaft holt, reicht den Schriftsatz bei Gericht ein. Das wird ihm dann als Verleumdung des betreffenden Attentatsopfers unterstellt. – Darauf sagt er: Das ist so was von völlig undenkbarer Rechtspflege außerhalb von Sachsen. Das kann man nicht hinnehmen.
Deshalb sage ich einfach: Es liegt in unserem Interesse, im Interesse unserer Justiz, das zu klären und aus der Welt zu schaffen.
Herr Präsident! Wir haben allergrößte Bedenken, dass es möglich ist, dass einer Abgeordneten, die zum ersten Mal das Recht und die Möglichkeit erhält, vor Strukturen des Parlamentes zum
Vorwurf Stellung zu nehmen, respektive zum Antrag der Staatsanwaltschaft, ihre Immunität aufzuheben, eine Redezeitbegrenzung vorgegeben wird. Das hat in den achtzehneinhalb Jahren, in denen ich dem Hause angehöre, noch nie stattgefunden, wenn es um eine unmittelbare Betroffenheit eines Abgeordneten geht. Das gab es noch nie.
Die Vorgabe der Redezeit ist meines Wissens auch nicht im Präsidium behandelt worden. Ich nahm vorhin an, dass diese fünf Minuten für die Aussprache angedacht sind und nicht für die Stellungnahme der betroffenen Abgeordneten. Das kann nach meiner Auffassung nicht mit dem hohen Schutzgut der Immunität aus Artikel 54 der Sächsischen Verfassung einhergehen.
Nein, ich will den Geschäftsordnungsantrag kurz begründen. Herr Präsident, das Problem ist Folgendes: Der Ausschuss für Geschäftsordnung und Immunitätsangelegenheiten hat während der letzten Landtagssitzung eine Sondersitzung einberufen, um zu Beginn den Antrag der Staatsanwaltschaft zur Aufhebung der Immunität von Frau Nicolaus zu beraten. Uns ist früh bekannt gegeben worden, dass mit Schreiben des Vorsitzenden an Frau Nicolaus diese nach der Geschäftsordnung belehrt wurde, vor dem Ausschuss für Geschäftsordnung und Immunitätsangelegenheiten zum Antrag Stellung zu nehmen. Den Mitgliedern des Ausschusses ist weiterhin bekannt gegeben worden, dass Frau Nicolaus schriftlich mitgeteilt hat, sie möchte diese Stellungnahme vor dem Ausschuss abgeben. Am gleichen Tag ist ferner mitgeteilt worden, dass ein Fax ihrer Mitarbeiter aus dem Wahlkreisbüro gekommen sei, in dem stehe, dass sie akut erkrankt sei, sich in Behandlung befinde und deshalb nicht kommen könne. Deshalb könne sie von der Möglichkeit der Stellungnahme keinen Gebrauch machen.
Das hat mit „Masche“ überhaupt nichts zu tun, Herr Prof. Schneider, sondern das ist ein Punkt, ob man es mit
dem Recht hält oder ob man es nicht mit dem Recht hält, je nachdem, wie es passt.
Dann haben wir im Ausschuss für Geschäftsordnung und Immunitätsangelegenheiten beantragt, die Sitzung zu unterbrechen und der Abgeordneten zu einem späteren Zeitpunkt, wenn sie gesund ist, die Möglichkeit zur Stellungnahme vor dem Ausschuss zu geben. Das hat die Mehrheit der CDU abgelehnt.
Richtig, um Fragen und dergleichen mehr zu stellen. Deshalb haben wir dem Antrag nicht zugestimmt, weil wir der Meinung waren, die Abgeordnete müsse erst einmal das Recht haben, und zwar ohne Zeitbeschränkung, vor einem Gremium des Parlamentes Stellung zu nehmen. Das war der Grund, weshalb wir gesagt haben, wir stimmen jetzt nicht zu, wenn sie von diesem Anhörungsrecht Gebrauch machen will.
Jetzt erleben wir, dass die Abgeordnete, nachdem von einer Aussprache die Rede ist – was es nach meiner Auffassung nicht ist, wenn sie Stellung zu der Sache nimmt –, eine Redezeit von fünf Minuten hat und Sie sie nach circa drei Minuten darauf aufmerksam machen. Das halten wir für eine nicht sachgerechte Behandlung des Anhörungsrechts eines Abgeordneten im Zusammenhang mit dem Immunitätsausschuss.
Herr Präsident! Wir unterstützen selbstverständlich den Antrag der FDP-Fraktion und machen ihn uns zu eigen.
Die Abgeordnete hat dem Hohen Haus erklärt, dass wenigstens zwei Sachverhalte von dem, was dem Geschäftsordnungs- und Immunitätsausschuss zur Begründung des Antrages auf Aufhebung bekannt gegeben worden ist, nach § 170 Abs. 2 Strafprozessordnung eingestellt worden seien. Damit ist die Entscheidungsgrundlage, die den Geschäftsordnungs- und Immunitätsausschuss betroffen hat, eine andere als die, die heute zu entscheiden ist. Wenn dem so ist, was ich nicht weiß, hätte uns ja wohl die Staatsanwaltschaft zwischenzeitlich informieren müssen, dass sich etwas an dem, was zum Antrag ans Parlament gegenständlich war, geändert hat. Wenn jetzt sehenden Auges, ohne das zu prüfen und ohne der Abgeordneten ohne Begrenzung der Redezeit die Möglichkeit zu geben, hier zu entscheiden, das auf übelste Art durchgezogen wird, verletzt das nach unserer festen Überzeugung Artikel 54 der Verfassung und nimmt jedem, der sich in irgendeiner Form der Verfassung verpflichtet fühlt, die Möglichkeit, dem zuzustimmen.
Herr Präsident! Bei allem Respekt: Wir haben Bedenken, dass das rechtlich möglich ist. Das Plenum hat den Antrag nicht an den Geschäftsordnungs- und Immunitätsausschuss zurücküberwiesen; er hat keine Selbstbefassungsmöglichkeit oder Ähnliches
mehr; dann hätte zurücküberwiesen werden müssen. Es gibt die Alternativen, die Kollege Dr. Martens für die FDP vorgetragen hat. Jetzt muss es, wie man sagt, eine informelle Meinungsbildung geben, und im Ergebnis der informellen Meinungsbildung muss dann bitte auf der Ebene der parlamentarischen Geschäftsführung – oder wer immer sich verständigt, wenn man es einordnet – oder im Präsidium entschieden werden. Aber ich glaube, der Geschäftsordnungs- und Immunitätsausschuss hat jetzt keine Mitwirkungsmöglichkeiten mehr.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Gesetzentwurf, der dem Hohen Haus heute zur 2. Lesung vorliegt, hat – was jedem klar ist, der sich der Mühe unterzog, ihn zumindest zu lesen – eine ziemlich grundsätzliche Bedeutung. Er zielt nämlich darauf ab, in der Zeit einer tiefgreifenden Krise, die globaler Natur ist und deren Auswirkungen auf das Leben der Menschen in diesem Land, in dieser Bundesrepublik Deutschland mit Gewissheit erst jenseits der Bundestagswahl vom 27. September 2009 so richtig zu spüren sein werden, Vorkehrungen zu treffen; Vorkehrungen dahin gehend, dass als Ausweg aus eben selbiger grassierender Finanz- und Wirtschaftskrise nicht
der drastische Abbau sozialstaatlicher Gewährleistungen gesehen wird.
Machen wir uns nichts vor: Die Art und Weise, wie in den letzten Monaten mit Milliarden zum Schutze von Banken und Großunternehmen um sich geworfen wurde, die Tatsache, dass das Bundeskabinett heute für 2010 eine Nettokreditaufnahme in Höhe von 86,1 Milliarden Euro beschließen soll oder zur Stunde bereits beschlossen hat, für den Freistaat Sachsen für 2009 und 2010 Mindersteuereinnahmen in Höhe von 1,6 Milliarden Euro vorhergesagt sind, der weiter prognostizierte Anstieg der Arbeitslosigkeit im bundesweiten Maßstab auf circa 5 Millionen angegeben wird, die sich von Tag zu Tag häufenden Hiobsbotschaften über immer neue Insolvenzen kleiner, aber auch mittlerer und regional letztlich strukturentscheidender Unternehmen hinzukommen – all das wird gravierende Konsequenzen haben, und zwar umso mehr,
als parallel in einer an Ignoranz und Demagogie kaum noch zu überbietenden Weise per Gesetzesakt die sogenannte Schuldenbremse etabliert wurde, die nach unserer Überzeugung grundgesetz- bzw. verfassungswidrig ist, weil das damit vom Bund verordnete totale Verschuldungsverbot ab 2020 den Ländern nun auch das letzte Instrument nimmt, mit dem sie ihre Einnahmensituation dem ebenfalls durch den Bund in Gestalt von Kosten für die Ausführung der Gesetze und die Einhaltung von bundesweiten Vollzugsstandards verursachten Anpassungszwang angleichen konnten.
In der Konsequenz wird den Ländern – hier dem Freistaat Sachsen – nichts anderes übrig bleiben, als bei den eigenen Ausgaben zu kürzen. Das wird dann aber nicht die sensiblen Bereiche wie Justiz und innere Sicherheit treffen, sondern zuerst die Bereiche Bildung, Kultur, Mitfinanzierung von Kommunen und vor allem und mit großer Gefahrengeneigtheit Sozialleistungen.
Mit unserem Gesetzentwurf, der bei seiner Einbringung in 1. Lesung am 13. Mai 2009 trotz später Abendstunde schon leidenschaftliche gegnerische Zwischenrufe aus der Koalition erzeugt hat, Kollege Brangs, Kollege Piwarz
es ging um Zwischenrufe in der 1. Lesung, völlig ungefährlich –, wollen wir tatsächlich – das gestehe ich hier unumwunden ein – exakt den Ausweg aus der Krise verriegeln, der darauf abzielt, endgültig lästige Sozialstandards loszuwerden. Das ist das Anliegen des Gesetzes.
Während Sie, meine sehr verehrten Damen und Herren, um Ihren üblichen Populismus aufzugreifen, vom Schutzschirm für Banken schwafeln, der gespannt werden muss, reden wir jetzt davon, einen qua verfassungsqualifiziertem Gesetz geschaffenen Schutzschirm für Menschen zu installieren.
Gemeint ist dabei die übergroße Mehrheit der Menschen in diesem Land, die mit ihrer Hände Arbeit als Arbeitnehmer, als Unternehmer, als Selbstständige, als Angehörige freier Berufe täglich darum kämpfen, die Existenz ihrer Familie zu sichern, und natürlich vor allem auch jene, die längst aus regulären Beschäftigungsverhältnissen, aus der Chance zur Selbstverwirklichung durch Arbeit ausgeschlossen sind oder aus sonstigen individuellen Lebensumständen heraus nicht in der Lage sind, durch eigene Arbeit hinreichende Einkommen zu schaffen.
Bevor Sie jetzt wieder lauthals schimpfen: Wir wissen, dass die Bundesrepublik Deutschland in den vergangenen 60 Jahren ihrer Existenz – wenn auch in den letzten 15 Jahren mit ständig rückläufiger Tendenz – soziale Netze gewährleistet hat, wie sie nicht allzu viele Staaten in dieser Welt haben. Die vernünftige Erwägung aller bisherigen Regierungen, ein Minimum an sozialer Gleichheit aufrechtzuerhalten, das den sozialen Frieden im Gemeinwesen sichert, gerade so, wie dies das Grund
gesetz mit der Aufnahme des Sozialstaatsgebots als ehernes, sich jeder Verfassungsänderung entziehendes Prinzip vorgesehen hat, hat dazu geführt, dass es in der Vergangenheit wenig Grund und Anlass gab, selbiges Sozialstaatsgebot in Verfassungs- oder einfachgesetzlichen Normen weiter auszuformen.
Dieses im Grunde von staatsmännischer Weisheit getragene und nicht unmaßgeblich den Kapitalismus in der Systemauseinandersetzung begünstigende Herangehen hat im Übrigen auch bewirkt, dass die Anlässe für das Bundesverfassungsgericht oder für Verfassungsgerichte der alten Länder, sich mit Streitigkeiten zum Sozialstaatsgebot zu befassen, im Verhältnis zu den Auseinandersetzungen um die Wahrung der individuellen Grund- und Freiheitsrechte eher selten waren. Erst seit der Agenda 2010, seit der Einführung dieser unsäglichen Hartz-IVRegelungen und aller sonstigen der Agenda 2010 geschuldeten Reformgesetze ist berechtigter Zweifel an der Bereitschaft der Regierenden, das Sozialstaatsprinzip aufrechtzuerhalten, nicht nur verbal, sondern tatsächlich gesät.
Seither – deshalb häufen sich bei Sozialgerichten die Verfahrensberge einschließlich der Klagen – sehen sich Sozialgerichte in immer mehr Fällen zu Vorlagebeschlüssen zum Verfassungsgericht veranlasst, um die Frage zu stellen, ob das, was in Vollziehung von Hartz IV und ähnlichen Gesetzen geschieht, noch mit dem Sozialstaatsgebot der Verfassung zusammengeht.
Alles war schon schlimm genug, aber was als Ausweg aus der Krise bevorstehen kann, könnte dies um Längen in den Schatten stellen. Exakt deshalb und exakt darum zu dieser Zeit wollen wir mit unserem Gesetzentwurf für Sachsen das Sozialstaatspostulat, das in Artikel 1 allgemein fixiert ist, ausformen. In Artikel 1 heißt es: „Der Freistaat Sachsen ist ein Land der Bundesrepublik Deutschland. Er ist ein demokratischer, dem Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen und der Kultur verpflichteter sozialer Rechtsstaat.“ Diesen Grundsatz wollen wir mit unserem Gesetz ausformen, damit es gar nicht erst Missverständnisse gibt, was in puncto Gewährleistung sozialer Standards unantastbar ist und was nicht.
Dass dazu im Großen wie im Kleinen Anlass ist, hat nicht zuletzt die erst in der vergangenen Woche getroffene Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes unterstrichen. Es ging hierbei um den Anspruch von Sozialhilfeempfängern auf Beratungshilfe bei einzuholendem Rechtsrat im Kontext mit dem Auftreten von Rechtskonflikten aus ihrer Lebenslage heraus. Da haben es eben kurzerhand Amtsrichter und Richter am Landgericht in Zwickau und auch am Oberlandesgericht für rechtens befunden, dass es Hartz-IV-Empfängern zuzumuten und für sie gerade angemessen ist, sich wegen der Ersparnis von Kosten im Justizhaushalt, wenn sie in Unsicherheit mit Bescheiden der ARGE oder sonstiger über ihre Lebensbedingungen entscheidender Behörden geraten, just an diese Behörden zu wenden und sie zu fragen, ob sie übers Ohr gehauen worden sind oder nicht. Sie sollen
sich also Rechtsrat bei denen einholen, deren Entscheidung sie anzweifeln.
Das ist das, was durch die Instanzen hindurch gehalten worden ist. Erst das Bundesverfassungsgericht hat dann mehr oder weniger klargemacht, dass allen, die Macht in diesem Lande ausüben und die entsprechend auf die Verfassung vereidigt sind, auch die Verpflichtung zukommt, dafür zu sorgen, dass der Grundsatz gilt, dass jeder vor dem Gesetz gleich ist, dass es also einen Gleichheitsgrundsatz und ein Sozialstaatsgebot gibt und dass das eben bedeutet, dass es auch den Armen in dieser Gesellschaft möglich sein muss, Rechtsrat einzuholen.
Wörtlich heißt es in dem Urteil, dass in diesem Fall ein Anspruch besteht, der sich aus der Rechtswahrnehmungsgleichheit ergibt. Wir sind über diese Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes sehr froh.
Wir sagen aber auch, dass es zu dieser Entscheidung nie Anlass gegeben hätte, dass also ein Amtsgericht, ein Landgericht in Sachsen gegen Hartz-IV-Empfänger nie so hätte entscheiden können, wenn in der Verfassung, so wie wir es wollen, definitiv gestanden hätte – das ist die Regelung, die wir in Artikel 38 als zweiten Absatz haben wollen –: „Durch einen sozialgerechten Zugang zu den Gerichten und zu anwaltlicher Beratung wird jedermann ein effektiver Rechtsschutz gewährleistet. Mangelnde finanzielle Leistungsfähigkeit des Einzelnen darf dieses Recht nicht beeinträchtigen.“
Wenn dieser Satz, wie wir ihn beantragen, in der Verfassung steht, kann ein Richter nicht mehr so sozial ungerecht und so rücksichtslos entscheiden. Deshalb ist am Beispiel der letzten Tage schon bewiesen, dass diese Regelung notwendig ist.
Mit genau der gleichen Berechtigung fordern wir mit unserem Gesetzentwurf die Ausformung weiterer nur allgemein in der Sächsischen Verfassung enthaltener Ansätze zur Wahrung des Sozialstaatsprinzips und des allgemeinen Gleichheitsgrundsatzes. Wenn Sie, meine sehr verehrten Damen und Herren, dazu stehen, dass Sachsen auch künftig den Sozialstaatsgrundsatz unangetastet lässt und sich seine Bürgerinnen und Bürger nach den relativ schmalen Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts im Zuge der Rechtsprechung dessen auch sicher sein können, dann stimmen Sie unserem Anliegen zu, dem Grundgesetzartikel 1 einen zweiten Absatz hinzuzufügen, der Folgendes festschreibt: „Als Sozialstaat ist er“ – gemeint ist der Freistaat Sachsen – „zur Herstellung und Erhaltung einer gerechten Sozialordnung, insbesondere zum Ausgleich der sozialen Gegensätze und zur Gewährleistung sozialer Sicherheit, verpflichtet.“
Wenn das in der Verfassung steht – das ist ja der Rechtsgrundsatz, den das Bundesverfassungsgericht zur Auslegung des Sozialstaatsprinzips geprägt hat, es ist also eins
zu eins das, was in Karlsruhe dazu entschieden worden ist –, ist für jeden, der in Sachsen lebt, klar, dass der Freistaat Sachsen eine verfassungsrechtliche Verpflichtung hat, und zwar in den Staatsgrundsätzen, für diesen sozialen Ausgleich zu sorgen und nicht zuallererst, wenn eingespart werden muss, bei den Armen in diesem Lande zu beginnen. Das wäre eine klare Ansage. Das schafft Missverständnisse, Missbehagen und Misstrauen bei der übergroßen Mehrheit in diesem Lande, dass die Zukunft in sozialer Hinsicht mit großen Risiken verbunden ist, aus der Welt. Das gibt den Sachsen zumindest das Mittel an die Hand, ganz gleich, wer regiert, soziale Gerechtigkeit einzufordern und entsprechend einzuklagen.
Nicht weniger vertrauensbildend wäre es nach unserer Überzeugung, wenn gerade in diesen Krisenzeiten das Parlament dieses Landes die in der Verfassung enthaltenen Staatszielbestimmungen durch eine entsprechende Neufassung des Artikels 7 Abs. 2 dadurch substantiiert, dass aus quasi aktuellem Anlass versprochen wird – Zitat –: „Das Land fördert die tatsächliche Durchsetzung sozialer Chancengleichheit und sozialer Gleichberechtigung und wirkt auf die Beseitigung bestehender sozialer Nachteile hin. Ihm obliegt es, allgemeine Lebensrisiken durch Vor- und Fürsorge für Einzelne und Gruppen der Gesellschaft abzusichern.“
Das ist dann eine klare Verpflichtung, die den Maßstab der Bundesverfassungsgerichtsrechtsprechung in die Verfassung aufnimmt und damit für alle Gesetzesanwender, für alle Richterinnen und Richter und für alle sonstigen Behörden in diesem Land eine klare Vorgabe formuliert.
Was – so darf ich Sie weiter fragen, meine Damen und Herren – gebricht es Ihnen, wenn Sie unserem Anliegen auch dahin gehend folgen, dem jetzigen Artikel 18 Abs. 3 der Verfassung, der eben das besagte Gleichheitsprinzip postuliert, einen Satz hinzuzufügen, der da heißt: „Niemand darf wegen seiner Behinderung oder seiner sozialen Stellung benachteiligt werden“?
Diese beiden Kriterien sind bisher nicht im Gleichstellungsgebot enthalten. Sowohl die Untersagung jedweder Benachteiligung wegen einer bestehenden Behinderung als auch eine Ungleichbehandlung wegen sozialer Stellung gehören in die Verfassung. Das ist einfach zeitgemäß und in diesen Krisenzeiten umso mehr geboten.
Ausreden dergestalt, dass Artikel 18 schon verspreche, dass niemand wegen seiner „Herkunft“ benachteiligt oder bevorzugt werden darf, was Nachteile in sozialer Stellung impliziere, können nicht gelten. Inzwischen ist durch die Rechtsprechung längst klargestellt, dass Herkunft eben mitnichten Benachteiligungsverbote wegen sozialer Stellung beinhaltet.
Wir können Ihnen auch die Sorge nehmen, dass gleich morgen der Sozialismus ausbricht, wenn wir Sie bitten, unserem Anliegen zu folgen, dem Artikel 31 der Verfassung einen dritten Absatz hinzuzufügen, der festlegt –
Zitat –, „dass Eigentum des Freistaates Sachsen nur mit Zustimmung des Landtags durch Gesetz, kommunales Eigentum nur durch Beschluss der kommunalen Vertretungskörperschaften privatisiert werden darf, wenn das Wohl der Allgemeinheit dem im Einzelfall nicht gegenübersteht“.
Wir wollen also eine klare verfassungsrechtliche Grundlage, die definitiv und schwer abänderbar ausregelt, dass das Sozialstaatsprinzip eine Schranke für Privatisierungen bildet, weil eben aus der Verpflichtung des Staates zum Ausgleich sozialer Gegensätze zugleich die Verpflichtung erwächst, über die für diesen Ausgleich erforderlichen Mittel zu verfügen, was logischerweise ein Gebot der Stunde ist.
Insbesondere im Bereich der Daseinsvorsorge, aber auch im Bereich der Gefahrenabwehr verliert der Staat zunehmend Handlungs- und Gestaltungsspielräume, die für die Herstellung einer gerechten Sozialordnung erforderlich sind. Deshalb gebietet es die Verantwortung aus dem Sozialstaatsprinzip, dass sich der Staat gewissermaßen nicht aus der Verantwortung für die Daseinsvorsorge stehlen kann und das nur auf Dritte überträgt, die er letztlich nicht mehr hinreichend kontrollieren kann.
Was schließlich der vorgeschlagenen Neufassung des Artikels 32 Abs. 2 angeht, so ist sie im Verhältnis zum jetzigen Verfassungstext keineswegs fundamental und gibt überhaupt keinen Anlass zu irgendwelchen Befürchtungen, dass wir enteignen wollen oder Ähnliches mehr. Wir wollen lediglich den jetzigen Wortlaut des Artikels 32 ein wenig modernisieren, indem wir den jetzt enthaltenen Worten – Zitat –, dass „Grund und Boden, Naturschätze und Produktionsmittel“ auch vergesellschaftet werden dürfen, wenn das gesellschaftliche Interessen übergreifender Art erfordern, noch hinzufügen, dass auch „Einrichtungen und Unternehmen, die für die Allgemeinheit wichtige Dienste erbringen oder die Nutzung von Energiequellen oder Wasser betreffen“ von der Möglichkeit der Vergesellschaftung umfasst werden.
Damit wären solche wichtigen Daseinsvorsorgebereiche in Artikel 28 impliziert und im Bedarfsfall eben auch zu vergesellschaften wie Energie, Wasser, Wohnung, Verkehrsinfrastruktur, Kommunikationsversorgung, Gesundheitsvorsorge sowie Kernbereiche im Bildungssektor.
Summa summarum, wenn es Ihnen mit uns gemeinsam darum geht, die Krise als Chance zu begreifen, stimmen Sie unserem Gesetz zu und vermitteln Sie damit allen und somit auch Ihren Wählerinnen und Wählern den Eindruck, dass jedenfalls in Sachsen das Parlament auf dem Weg ist, einen sozialgerechten Schutzschirm für Menschen zu spannen, der neue Arbeitsplätze schafft, Entlassungen verhindert, die Demokratisierung der Wirtschaft voranbringt und Sachsen damit lebenswert macht.
Danke schön.
Frau Kollegin Weihnert, weil Sie soeben die Qualität der Gesetzgebung der Koalition so gefeiert haben: Geben Sie mir darin recht, dass das sehr fragwürdig ist, wenn wir dagegenhalten dürfen, dass in 13 Fällen auf entsprechende Normenkontrollklagen, Organklagen unserer Fraktion das Verfassungsgericht Ihre Gesetze aufgehoben hat?
Kollege Lichdi, wo ist denn festgelegt, dass DIE LINKE nicht mehr fordern darf als das, was momentan Status quo ist? Meinen Sie nicht, dass es der Linken zukommt, auf sozialem Gebiet mehr zu fordern, als es Status quo ist? Damit haben die GRÜNEN mal angefangen.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Kollege Lichdi, zunächst einmal ist das Niveau erbaulich, wie man einen solchen Gesetzentwurf als „kontrovers“ debattieren kann. Darauf würde ich gern im Detail eingehen, dafür wird mir jedoch die Zeit fehlen, sonst bekomme ich mit meiner Fraktion und den nachfolgenden Rednern Ärger.
Frau Weihnert, zu Ihrem Beitrag – ich lasse einmal den Satz, den Kollege Lichdi bereits sagte, weg –: Was reden Sie denn von „im Schweinsgalopp Verfassung ändern“? Sie haben doch gemeinsam mit der CDU soeben auf Bundesebene im Schweinsgalopp die Schuldenbremse ins Grundgesetz gebastelt,
die definitiv den Ländern jedwede Gestaltungsmöglichkeit nimmt, wenn es um die höchste Verschuldung geht, die uns bisher ins Haus steht, die wir seit dem Zweiten Weltkrieg überhaupt haben, auf sozialem und wirtschaftlichem Gebiet etwas zu tun. Diese Staatsregierung – natürlich mit der Beteiligung der SPD – hat im Bundesrat diesem Gesetzentwurf zugestimmt. Erzählen Sie uns doch bitte schön nicht, dass wir acht Wochen Anlauf nehmen und Ihnen ein halbes Jahr Bedenkzeit geben müssen, wenn wir irgendwelche verfassungsgebenden Änderungen vorschlagen!
Die Schuldenbremse ist eine elementare Entmachtung und Entrechtung der Länder, und wir werden Ihnen mit Gewissheit dafür eine Organstreitklage an den Hals hetzen, das verspreche ich Ihnen,
Aber kommen Sie mir nicht auf leisen Sohlen daher und werfen uns vor, dass wir handstreichartig etwas in die Verfassung bringen wollen! – Punkt 1.
Punkt 2 – weil Sie sagten, wir hätten es vor einem Jahr einbringen sollen: Ich habe die ganze Zeit erklärt, für uns ist dieser Gesetzentwurf eine Reaktion auf die Krise. Wir haben definitiv gesagt, wir halten jetzt, in der Krisensituation, die Ausformung – Kollege Lichdi, ich habe ja mit dem Titel nicht gesagt: die Umformung der Urteile des Bundesverfassungsgerichtes, sondern die Ausformung – des Sozialstaatsgebotes für geboten, um klarzuziehen,
dass der Ausweg aus der Krise mit Gewissheit nicht der Abbau sozialer Leistungen sein darf.
Und wenn Sie mir sagen, dass Sie vor einem Jahr schon wussten, dass die Krise diese Ausmaße hat, dann frage ich einfach: Warum haben Sie ein Dreivierteljahr so unehrlich mit Ihren Wählerinnen und Wählern gearbeitet? Das ist doch unvorstellbar. Das hätten Sie doch vor einem Jahr mal sagen können, dann hätten wir uns alle darauf einrichten können, zum Beispiel beim Doppelhaushalt vor einem halben Jahr. Das ist doch ungeheuerlich! – Nächster Satz:
Jede Zwischenfrage. Bitte schön, Kollege Lichdi.
Herr Kollege Lichdi, ich bleibe dabei: Wir nehmen uns das Recht, mit unseren Ansätzen auf dem Gebiet des sozialen Ausgleichs weiterzugehen als das Bundesverfassungsgericht. Ich bin nicht daran gebunden. Es steht nirgendwo. Ich kann in der Ausformung der Verfassung durchaus ein Mehr an sozialen Leistungen und sozialen Sicherheiten gewähren, als das momentan durch den Rechtsprechungsstandard untersetzt sein mag.
Ich habe es eingangs schon gesagt: Die alte Bundesrepublik hatte ein soziales Netz, einen sozialen Standard, der – das gebe ich gern zu – in der Welt seinesgleichen suchte. Das hatte zur Konsequenz, dass Streitigkeiten zu diesem Punkt in aller Regel nicht notwendig waren. Das wurde gewährleistet, und zwar unter den verschiedenen Regierungen aus gutem Grund und mit staatsmännischer Weitsicht. Das habe ich schon immer gesagt.
Jetzt haben wir eine Konstellation – das wissen wir spätestens seit der Agenda 2010 –, dass das Thema auf die schiefe Ebene geraten ist. Diesbezüglich werden Sie mir nicht widersprechen. Ich sage, der Gesetzgeber kann in seinem Land sehr wohl gegensteuern. Wir wollen gegensteuern, indem wir sagen, wir wollen in der Verfassung ein Mehr an sozialstaatsgebotlichen Ausregelungen, weil jeder Richter in diesem Land auf die Verfassung ver
pflichtet ist. Da muss er anders entscheiden. Dazu müssen die einfachen Gesetze anders sein.
In privatissime.
Kollege Lichdi, erstens hat Frau Weihnert der Wahrheit zuwider erklärt, dass in der ersten Sitzung des Verfassungs- und Rechtsausschusses unmittelbar nach der Einbringung des Gesetzentwurfes sofort darüber debattiert worden sei. Ich habe den Gesetzentwurf eingebracht, und es gab von keiner Seite auch nur eine Frage – auch nicht von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN –, kein Satz, kein Widerwort; es gab nichts.
Im Ausschuss hätten wir die Debatte hervorragend führen können. Jedes juristische Privatissime führe ich mit Ihnen in diesem Saal natürlich nicht. Das ist Punkt eins.
Zweitens. Es geht uns um das Optimierungsgebot und – um es konkret zu sagen – um die Ausprägung dieser Orientierungen in der Verfassung.