Folgende Abgeordnete haben sich für die heutige Sitzung entschuldigt: Herr Heinz, Herr Baier, Herr Teubner und Herr Schön. Ich hoffe, dass die anderen noch kommen.
Meine Damen und Herren! Die Tagesordnung unserer heutigen Sitzung liegt Ihnen vor. Das Präsidium hat für die Tagesordnungspunke 3 bis 8 folgende Redezeiten festgelegt: CDU 111 Minuten, Linksfraktion 87 Minuten, SPD 57 Minuten, NPD 45 Minuten, FDP 45 Minuten,
GRÜNE 45 Minuten, fraktionslose MdL je sieben Minuten, Staatsregierung 87 Minuten. Die Redezeiten der Fraktionen und der Staatsregierung können wie immer entsprechend dem Bedarf auf die Tagesordnungspunkte verteilt werden.
Ich frage, ob es zu der Ihnen vorliegenden Tagesordnung Ihrerseits Ergänzungs- bzw. Änderungswünsche gibt. – Das ist nicht der Fall. Dann gilt die Ihnen vorliegende Tagesordnung mit der Streichung für die heutige Beratung als von Ihnen bestätigt.
Fachregierungserklärung zum Thema: „Kultur – Sachsens große Chance. Kulturpolitik für den Freistaat Sachsen in Zeiten des Wandels“
Ich übergebe das Wort an die Staatsministerin für Wissenschaft und Kunst, Frau Dr. Stange. Bitte schön.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! In Verantwortung zu stehen für die ebenso vielfältige wie dichte und lebendige Kulturlandschaft Sachsens verleitet mich, um mit Erich Kästner zu sprechen, zu der Einsicht: Manchmal könnte ich mich selber beneiden.
In den vergangenen Wochen hat der Freistaat Sachsen als Kulturland weltweit von sich reden gemacht, allen voran unsere Kulturbotschafter: Die Staatskapelle begeisterte auf einer Konzertreise durch ganz Europa. Gemeinsam mit den Staatlichen Kunstsammlungen Dresden präsentierte sie sich und die sächsische Kultur jüngst in Peking.
Der US-amerikanische Präsident Barack Obama war beeindruckt vom Grünen Gewölbe und der Frauenkirche.
Das UNESCO-Welterbekomitee befindet zur Stunde in Sevilla über den Weltkulturerbetitel für das Dresdner Elbtal – eine einzigartige Kulturlandschaft, die es mit aller Kraft zu erhalten gilt.
Sachsen ist wahrlich ein reiches Kulturland, reich an kulturellem Erbe und reich an kreativen, kulturbegeisterten Menschen. Kultur und Kunst sind in Sachsen zuallererst Selbstzweck und sollen es auch bleiben. Dass wir damit auch Werbung betreiben können und wirtschaftlichen Nutzen erzielen, ist ein Beweis für die hohe Qualität, kann aber nicht Zweck von Kulturpolitik sein.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Kultur ist nach unserer Landesverfassung Staatsziel. Dafür bin ich
diesem Hohen Hause sehr dankbar. Leider sind der Schutz und die Förderung der Kultur noch nicht im Grundgesetz verankert. Ich wünschte mir, dass von Sachsen aus eine Bundesratsinitiative ergriffen würde, diese Empfehlung der Enquetekommission „Kultur in Deutschland“ endlich umzusetzen.
Kultur hat hierzulande den Status eines harten Standortfaktors. Aber sie ist weit mehr. Sie gehört zu den Kernkompetenzen unseres Landes. Dies bedeutet, das Ererbte dieses reichen Kulturlandes zu bewahren und auch wertzuschätzen,
die Strukturen zu entwickeln und den Erfordernissen der Zeit anzupassen. Aber dies bedeutet auch, Raum zu geben für Neues, Visionen einer nachhaltigen Kulturentwicklung zu ermöglichen. Der Freistaat Sachsen bezieht sein Selbstbewusstsein und seine Zukunftsfähigkeit in besonderem Maße aus seiner Kultur, beruhend auf einem historisch gewachsenen Zusammenspiel von Wirtschaft, Wissenschaft und Kultur. Das gilt gerade auch in der gegenwärtigen Situation der Finanz- und Wirtschaftskrise.
20 Jahre nach dem politischen Umbruch in Deutschland ist eine zukunftsorientierte Selbstbestimmung als Kulturland mehr als gerechtfertigt. Kultur ist das, was unsere Gesellschaft gerade auch in schwierigen Zeiten zusammenhält. Sie kennzeichnet die Qualität unseres Zusammenlebens. Sie kennzeichnet unsere Zukunftsfähigkeit und Kreativität. Kunst und Kultur müssen daher als Sachsens große Chance im gesellschaftlichen Wandel begriffen werden. Kultur ist eben nicht die Sahnehaube,
(Beifall bei der SPD und der CDU sowie vereinzelt bei der Linksfraktion und des Abg. Michael Weichert, GRÜNE)
Deshalb, meine sehr geehrten Damen und Herren, muss in einer sozialen Demokratie der Zugang zu Kultur selbstverständlich für alle möglich sein.
Ich meine damit sowohl die mögliche Teilhabe aller Menschen im Freistaat Sachsen an kulturellen Angeboten als auch die angemessene Förderung der Breitenkultur im Verhältnis zur sogenannten Hochkultur.
Die Kultur entwickelt sich in Sachsen in den verschiedenen sächsischen Kulturräumen unabhängig und nach dem Subsidiaritätsprinzip in verschiedenen Trägerschaften unter Beteiligung vieler Menschen. Unser einzigartiges Kulturraumgesetz, das jetzt von allen als Errungenschaft betrachtet wird, ist ein Garant für die dezentrale, regional verantwortete Kulturpolitik.
Es ist ein kulturpolitischer Erfolg, dass wir die Entfristung mit einer gesetzlichen Verankerung der Landesmittel bei mindestens 86,7 Millionen Euro verbinden konnten. Wir haben damit eine Basis dafür geschaffen, Sachsen auch fortdauernd als Kulturland in einem ausgewogenen Verhältnis zwischen Stadt und Land in allen Landesteilen kulturspartenübergreifend zu entwickeln.
(Vereinzelt Beifall bei der CDU und der Linksfraktion sowie Beifall bei der SPD und des Staatsministers Thomas Jurk)
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Kulturpolitik hat die Aufgabe, Orientierung und Perspektive zu geben, ebenso wie die Rahmenbedingungen zu gestalten. Um diese Aufgaben zu erfüllen, bedarf es eines kulturvollen, offenen Dialogs. Mein Haus hat unter Beteiligung vieler, ja grundsätzlich aller interessierten Bürgerinnen und Bürger Konzeptionen erarbeitet sowie in gläsernen Werkstätten und im Kulturblock Sachsen die Kulturwerkstatt diskutiert und schließlich verabschiedet. Im Rahmen einer Reihe von Diskussionsveranstaltungen in den neu entstandenen ländlichen Kulturräumen habe ich mit Kulturverantwortlichen und Künstlern über die Zukunft der Kulturentwicklung im ländlichen Raum diskutiert.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wer Politikverdrossenheit begegnen und Menschen vor den Fängen der einfachen rechten Parolendrescher bewahren will,
der muss sie an politischen Entscheidungsprozessen teilhaben lassen, der muss ihnen Einblick geben in komplizierte Prozesse der Kompromissbildung, auch oder gerade, wenn sie hinter Regierungsmauern stattfinden.
Nennen möchte ich hier exemplarisch die Veranstaltungsreihe meines Hauses „kulturblock-sachsen.de“ zur zukünftigen Kulturentwicklung bis 2020 mit der Diskussion kulturpolitischer Leitlinien zu den zentralen Themen, die uns alle noch bewegen werden: demografischer Wandel, Kultur- und Kreativwirtschaft, kulturelle Bildung, Kulturentwicklung im Kontext mit der Globalisierung und nicht zuletzt Kulturtourismus.
Ergebnisse dieser Diskussionen fließen unmittelbar in die kulturpolitischen Leitlinien für Sachsen ein. Wir haben hier den erfolgreichen Versuch unternommen, die wichtigsten kulturpolitischen Fragen eines Wandels mit der interessierten Öffentlichkeit zu diskutieren und eine Teilhabe der Kulturschaffenden, der Kulturverbände wie der kulturnutzenden Bürgerinnen und Bürger zu ermöglichen. Aufgrund des großen öffentlichen Interesses und der Unterstützung, die wir bei diesen Veranstaltungen erfahren haben, ist mir noch einmal ganz deutlich geworden: Es ist diese neue, andere, offene politische Kultur, die wir in Sachsen brauchen und künftig noch stärker brauchen werden.
Gerade im Jahr 20 nach der Wende müssen wir uns doch fragen: Ist es in Sachsen gelungen, ein demokratisches Grundbewusstsein zu entwickeln? Wenn wir die Menschen nicht aktiv am politischen Diskurs beteiligen, wird sich die Demokratie nicht durchsetzen. Ohne Partizipation bleibt die Demokratie auf der Strecke.
Ich möchte deshalb hier und heute die Gelegenheit nutzen, klar und deutlich für eine neue politische Kultur zu werben. Meine sehr geehrten Damen und Herren, auch für einen souveränen ehrlichen und offenen Umgang mit unserer eigenen persönlichen Vergangenheit und der Parteivergangenheit und mit unseren Lebensbiografien, die man nicht wegretuschieren kann, sondern die wir nur einordnen und vielleicht mit neuen Erkenntnissen erklären können, möchte ich werben.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wichtige und kritische staatsferne Partner im kulturpolitischen Dialog waren und sind die Kulturverbände, denen ich – stellvertretend dem Landesverband für Soziokultur mit seinem Geschäftsführer Herrn Knoblich – Dank sagen möchte.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hervorheben möchte ich auch die kritische und konstruktive Reflexion der sächsischen Kulturpolitik durch den Sächsischen Kultursenat unter den Präsidenten Herrn von Loeffelholz und aktuell Herrn Ohlau. Der nunmehr vierte Kulturbericht des Kultursenats belegt eine deutlich intensivierte und verbesserte Zusammenarbeit zwischen der Staatsregierung und diesem kulturpolitischen Beratungsgremium.
Danken möchte ich aber auch der Sächsischen Akademie der Künste und ihren Präsidenten Herrn Ingo Zimmermann und seit 2008 Herrn Udo Zimmermann. Die Akademie stößt wichtige grundlegende Diskussionen unter den Kulturexperten und Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern an – unter anderem zur kulturellen Bildung oder zum Dialog der Künste im europäischen Geist.
Über den Tellerrand zu schauen ist die Aufgabe der Akademie der Künste. Um diese Aufgabe noch besser erfüllen zu können und mit anderen nationalen und internationalen Kunstakademien auf Augenhöhe zu stehen, bedarf sie auch in der Ressourcenausstattung einer deutlichen Aufwertung.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! In dieser Legislaturperiode ist es uns gelungen, in wichtigen kulturpolitischen Bereichen neue Perspektiven aufzuzeigen. Dabei folgen Kunst und Kultur ihren eigenen Gesetzen – und zwar in garantierter Freiheit.
Doch ein schlichtes Laissez-faire kann Kulturpolitik und -verwaltung nicht ersetzen. Mein Haus hat deshalb in den letzten Jahren die Organisationsstrukturen der staatlichen Kultureinrichtungen durch neue Statute, in denen Freiheit und Kontrolle sinnvoll austariert werden, grundlegend erneuert. Die Staatsoper, die Staatsschauspiel- und Landesbühnen haben runderneuerte Strukturen erhalten. Diese waren dringend erforderlich. Es galt Finanzkatastrophen zu verhindern und Effizienzreserven zu heben, aber auch Gestaltungsfreiräume zu ermöglichen.
Wir haben durch Konsolidierungsmaßnahmen und eine Erhöhung der staatlichen Zuschüsse strukturelle Defizite der drei Staatstheater ausgeglichen. Es bleibt eine kulturpolitische Aufgabe, staatliche Vorsorge für Tarifsteigerungen beim Personal zu treffen. Das trifft übrigens nicht nur die staatlichen Theater, sondern auch die Theater im Land.