Cornelia Ernst

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Last Statements

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist gut, wenn wir heute über Europapolitik sprechen, und ich freue mich darüber. Ich glaube auch, dass unser Antrag ein gutes Angebot dafür ist. Zu dem Antrag wird später Herr Kosel noch ausgiebig argumentieren.
Über den vorliegenden Antrag der Koalitionsfraktionen hingegen wundere ich mich, zumindest wenn ich Punkt 3 betrachte. Es ist doch immerhin etwas merkwürdig, wenn man die Staatsregierung fragt, welche Maßnahmen diese ergreift, um für die Wahlbeteiligung zum Europaparlament im Freistaat Sachsen zu werben. Da, meine sehr geehrten Damen und Herren, glaube ich, müssen wir uns an die eigene Nase fassen und über unsere eigenen Beiträge nachdenken. Wenn 62 % der Bevölkerung nach einer jüngsten Umfrage, die uns der Städte- und Gemeindetag vorgetragen hat, gar nicht wissen, dass am 7. Juni das Europarlament gewählt wird, dann ist das mehr als ein Informationsproblem. Das verlangt tatsächlich ein Umdenken in der Politik, und zwar zu mehr Transparenz für die Bürgerinnen und Bürger und mehr Einbindung in die Umsetzung der europäischen Vorgaben durch die Bürgerinnen und Bürger.
Das, denke ich, ist außerordentlich wichtig. Insofern, meine sehr geehrten Damen und Herren, ist es tatsächlich so: Die EU steht an einem Scheideweg. Wir spüren das auch sehr deutlich. Die nächsten Jahre entscheiden darüber: Wird die EU eine Gemeinschaft sein, in der sich die Menschen wiederfinden, und zwar in ihren alltäglichen Kämpfen, insbesondere gegen Armut und Diskriminierung? Oder ist das Ziel schlechthin – siehe Lissabonstrategie, da ist Ziel so formuliert –, wettbewerbsfähigste Region mit freier und ungezügelter Marktwirtschaft zu
werden? Das ist die Frage, um die sich in den nächsten Jahres alles rankt.
Wir, DIE LINKE als proeuropäische Partei, wollen eine Europäische Union, in der die Wirtschaftspolitik mit sozialem Fortschritt verbunden wird. Deshalb unterstützen wir auch sehr die Forderung der Gewerkschaften nach einer sozialen Fortschrittsklausel, die leider von der SPD weder im Bundestag, als noch einmal darüber gesprochen wurde, noch im Europaparlament mitgetragen wurde – was uns eigentlich ärgert, weil ich meine, dass wir tatsächlich sozialen Fortschritt auf eine sehr viel höhere Ebene heben müssen und die Europäische Union nicht nur nach dem Wirtschaftlichkeitsprinzip regeln können.
Wir als Linke streiten für eine Europäische Union, in der die weltweite strikte Kontrolle der Finanzmärkte tatsächlich Usus wird, Alltäglichkeit wird und nicht Ausnahmefall in einer Wirtschaftskrise.
Wir können uns auch eine demokratische Entwicklung auf diesem Kontinent wirklich nicht vorstellen, wenn weiterhin Flüchtlinge an der EU-Außengrenze abgewiesen werden und sogar ihr Leben dort lassen.
Ehrlich gesagt, Herr Schiemann, das ist ein Einwand, den ich zu einem Punkt von Ihnen auf jeden Fall habe: Ich kann mir die EU auch nicht mittelfristig ohne Türkei vorstellen. Ich glaube, dass es wichtig ist, dass dieses Land, diese Region eine wichtige Rolle spielen kann und deshalb in der EU tatsächlich unter bestimmten Bedingungen Aufnahme finden sollte.
Da spielen Fragen der Menschenrechte natürlich eine Rolle, wie Sie alle wissen.
Das sind unsere Schwerpunkte, die wir als Linke in das Europäische Parlament einbringen werden, meine sehr geehrten Damen und Herren.
Zu dem zweiten Punkt. Wenn die Koalitionsfraktionen nun nachfragen – dann finde ich das auch spannend: Wie setzt sich denn Lissabon um? –, dann ist das ein bisschen spät gefragt. Man muss sogar sagen, man hätte sehr viel früher danach fragen müssen, nämlich bevor man diesen Vertrag verabschiedet hat. Es gibt sicherlich – da gebe ich sowohl Frau Weihnert als auch Herrn Schiemann recht – eine Reihe von Punkten, bei denen Lissabon Verbesserungen herbeiführt. Sie haben diese auch genannt. Die halte ich auch für wichtig. Aber insgesamt – das ist unsere Einschätzung – bleibt dieser Vertrag hinter den Erfordernissen der Zeit zurück. Das zeigt seine Wirkungen.
Ich will zwei Beispiele dafür nennen, die Sie alle sehr gut kennen und die auch, wenn ich in die Gewerkschaften schaue, wirklich diskutiert werden.
Das Erste ist: Mit Lissabon erhält die offene Marktwirtschaft mit freiem Wettbewerb den Vorrang vor anderen Kriterien. Schaut man in den Lissabon-Vertrag hinein,
wird dort nur von einem „angemessenen Sozialschutz“ geredet. Was ist ein „angemessener Sozialschutz“? Das ist nichts oder nur sehr wenig. Während Demokratie und Rechtsstaatlichkeit in die Grundwerte der EU aufgenommen wurden, trifft das für die Sozialstaatlichkeit nicht zu.
So ist einfach klar, dass wir mit weiteren Urteilen wie dem jüngsten EuGH-Urteil rechnen müssen. Beispielsweise zum Entsenderecht hat es die ja gegeben. Es bleibt dabei, dass bei der Entsendung von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern Tariflohn nicht unbedingt gezahlt werden muss und sogar, wenn keine gesetzlichen Mindestlöhne vorhanden sind, weiterhin mit Dumpinglohn gerechnet werden muss. Da gibt es nichts, was dieser Vertrag besser regelt. Das ist einfach schlecht.
Das zweite Beispiel: Mit Lissabon wird die durch Maastricht eingeleitete Militarisierung der EU institutionalisiert, und zwar zum ersten Mal. Bei weltweiten Missionen kann die EU – das ist im Vertrag nachlesbar – „auf zivile und militärische Mittel“ zurückgreifen. Damit wird eine militärische Option zur sogenannten Terrorismusbekämpfung sehr wohl eröffnet. Die Mitgliedsstaaten werden sogar angehalten – und das ist nun wirklich neu –, „ihre militärischen Fähigkeiten schrittweise zu verbessern“. Damit ist ganz klar die Pflicht zur Aufrüstung formuliert. Die Möglichkeit, sogar einen EU-Militärfonds einzurichten, wird es geben, und zwar ohne parlamentarische Kontrolle, den sogenannten Anschubfonds.
Was auch ganz wichtig ist, denn das hat mit Auswirkungen dieses Vertrages zu tun: Es droht durch Lissabon, dass das Parlamentsrecht auf Entscheidungen über militärische Auslandseinsätze Stück für Stück ausgehöhlt wird. Das ist nun das Letzte, was wir wollen und wogegen wir uns gerade als Linke starkmachen. Das nationale Parlament muss selbst darüber entscheiden können.
Deshalb sind wir der Auffassung, dass dieser Vertrag wenigstens nachgebessert werden muss. Lieber wäre uns eine europäische Verfassung. Wir wissen, dass das schwierig ist. Aber ich glaube, kommentarlos kann man die Dinge nicht hinnehmen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ein letztes Wort noch zur Frage der Beteiligung an der EU-Wahl. Ich will es so ausdrücken: Solange die Europäische Union in Bezug auf die Bürgerinnen und Bürger so etwas wie eine Black Box ist oder sie vielen so erscheint, so lange werden die Bürgerinnen und Bürger auch Distanz zu diesen Wahlen haben – was ich bedaure und schlecht finde.
Wenn 70 bis 80 % der kommunalen und Landesentscheidungen europäische Vorgaben haben und zugleich die Bürgerinnen und Bürger an wesentlichen Entscheidungen nicht teilhaben – beispielsweise haben die Bürger noch nicht einmal über diesen Lissaboner Vertrag selbst in Deutschland abstimmen können –, dann ist das tatsächlich ein Demokratiedefizit, über das wir wirklich ehrlich und ohne Scheuklappen nachdenken müssen.
Noch etwas dazu, was die erweiterten Möglichkeiten angeht. Im Lissaboner Vertrag gibt es zwar die Möglichkeit von Volksabstimmungen. Das ist korrekt. Diese müssen aber für die Kommission nicht bindend sein. Das ist der Punkt. Noch nicht einmal das von den Bürgern gewählte Europaparlament hat ein volles Initiativrecht.
Ich will nur ein einziges Beispiel nennen. Im Artikel 66 des Lissaboner Vertrages heißt es: „Falls Kapitalbewegungen nach oder aus dritten Ländern unter außergewöhnlichen Umständen das Funktionieren der Wirtschafts- und Währungsunion schwerwiegend stören, beispielsweise durch eine Wirtschaftskrise, in der wir gegenwärtig sind, kann der Rat auf Vorschlag der Kommission und nach Anhörung der Europäischen Zentralbank Schutzmaßnahmen ergreifen...“
Der Rat, die Kommission, aber nicht das Parlament. Das ist das Problem, um das es sich rankt!
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Mangel an Demokratie muss in der EU behoben werden. Man muss auch wirklich darüber reden können, und zwar ohne Scheuklappen, damit Europa – daran ist uns gelegen – ein Erfolgsprojekt für die Menschen wird.
Insofern bitte ich Sie sehr ernsthaft, auch unseren Antrag, den Herr Kosel hier vorstellen wird, noch einmal mit zu diskutieren, denn es ist mehr zu tun, als nur zu feiern. Wir brauchen einen kritischen Blick. Ich denke, den kann man trotzdem haben, auch wenn man für dieses Europa streitet. Das wollen wir als Linke auch tun.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Am 13. Februar waren es 1 100 und am 14. Februar über 6 000 Nazis, die in Dresden aufmarschiert sind. Der größte Naziaufmarsch in Europa der Nachkriegsgeschichte!
Darunter waren Nazis aus der gesamten Bundesrepublik, aus Polen, Tschechien, der Slowakei, aus Schweden, aus der Schweiz, aus Österreich, Spanien und Frankreich.
Wenn wir heute dieses Thema mittels der Polizeistrategie, die natürlich einen neuralgischen Punkt im Umgang mit dem Naziaufmarsch darstellt, im Landtag behandeln, dann nicht, weil wir etwas gegen Polizisten hätten, sondern
weil wir wollen, dass sich solch ein Naziaufmarsch niemals wiederholt – nicht in Dresden, nirgendwo!
Auch als Dresdnerin sage ich: Nie wieder darf es sein, dass die Innenstadt von Dresden Nazis überlassen wird. Das geht nicht, nicht heute und nicht später!
Dresden darf nicht zur Heimstatt internationaler Nazis werden. Ich sage ganz ehrlich: Für meine Familie, die sowohl in Buchenwald als auch in Dresden Opfer hatte, ist es unzumutbar, dass die braunen Nachfahren unter dem Vorwand angeblicher Trauer für ihren Geschichtsrevisionismus ungestört demonstrieren. Deshalb müssen wir uns heute fragen, warum das nicht verhindert werden konnte und welche Rolle die Polizei dabei spielte.
Lassen Sie mich fünf Punkte anmerken. Das beginnt vor der Polizei. Erstens war es grundfalsch, dass die Stadtverwaltung Dresden und ihre Oberbürgermeisterin sich trotz ihres Bekenntnisses gegen Nazis eben nicht klar und eindeutig auf die Seite der Demonstranten gegen Nazis gestellt hatten
und deshalb dafür sorgten, dass das Lager der Demokraten gespalten wurde. Eine Oberbürgermeisterin gehört in Reihe eins auf jeder Anti-Nazi-Demo in ihrer Stadt! So muss es sein!
Das ist auch das Fazit, was der Oberbürgermeister von Jena, der mit an der Demonstration am 14. Februar teilnahm, uns sagte: Kommunen gegen Nazis! Sie müssen sich verbünden. Im Übrigen war auch der Oberbürgermeister von Weimar dabei, meine sehr geehrten Damen und Herren.
Wer Nazis verhindern will, muss klare Botschaften aussenden. Daran hat es gefehlt. Wenn dennoch über 10 000 Menschen nach Dresden gekommen sind und in Dresden demonstrierten, dann spricht das für die Stärke der Zivilgesellschaft. An dieser Stelle möchte ich allen danken, die gekommen sind, und zwar allen Antifaschistinnen und Antifaschisten.
Das Zweite, meine sehr verehrten Damen und Herren. Der falschen Herangehensweise der Oberbürgermeisterin folgte auch eine falsche Herangehensweise des Ordnungsamtes. Es ist doch ein Skandal, dass, obwohl das Bündnis „No pasarán“ am Hauptbahnhof seinen DemoBeginn angemeldet hatte, dieser Platz ausgerechnet den Nazis zugestanden wurde. Damit war der Weg frei in die Innenstadt. Das war doch das Problem. Das führte dazu, dass die Innenstadt gewissermaßen auf dem Präsentierteller ausgeliefert wurde und das Hauptziel, dort zu landen, tatsächlich seitens der Nazis erreicht werden konnte.
Ich will daran erinnern, dass es ähnliche Situationen in Leipzig gab, wo die Nazis versucht haben, zum Völkerschlachtdenkmal vorzudringen. Es ist ihnen nicht gelungen. Warum nicht? Weil es eine umsichtige Stadtverwaltung gab, einen Oberbürgermeister, der mutig war und in Reihe 1 marschiert ist und nicht irgendwo daheim geblieben war, und es gehörte eine Polizei dazu, die eine entsprechende Polizeistrategie in Angriff genommen hatte.
Der grundlegende Denkfehler der Stadtverwaltung in Dresden besteht darin, nicht erkannt zu haben, welcher Schaden damit Dresden entsteht, wenn Nazis marschieren dürfen.
Drittens. Der falschen Herangehensweise des Ordnungsamtes folgte natürlich auch das falsche Einsatzkonzept der Polizei. Herr Buttolo, ich frage Sie, von welcher Einschätzung der Gefahrenlage Sie ausgegangen sind.
Das würde ich gern wissen, denn in Ihrem Haus wurde festgestellt, dass es in Bezug auf die Ereignisse im Vorjahr um den 13. Februar in Dresden 57 größere Straftaten von Nazis gegeben hatte und heute noch 29 in Verfahren anhängig sind. Sie wussten also, dass auch das eine ganz gravierende Gefahr war.
Erstaunlicherweise war der Fokus sämtlicher polizeilicher Vorbereitungen lediglich auf der Seite der AntinaziDemonstranten, das ist doch komisch, und wenn das Hauptziel der Polizei, wie Polizeipräsident Hanisch im Innenausschuss freimütig bekannte, darin bestand, alle Demonstrationen, inbegriffen die Nazi-Demo, störungsfrei ablaufen zu lassen – wieso wurde dann mit ungleichen Maßstäben agiert? Wurden zum Beispiel die 6 000 Nazis in ihrer Demonstration relativ locker von den Polizisten umgrenzt, so wurden die anderen Demonstrationen gewissermaßen hart abgegrenzt. Es wurde mit ungleichen Maßstäben gegenüber den Demonstranten agiert. Herr Hanisch, Polizeipräsident in Dresden, hat sich hingestellt und im Innenausschuss verkündet, es seien ja 1 500 Linke und nur 300 rechte Gewaltbereite am 14. Februar gewesen. Frau Köditz hatte nämlich clevererweise nachgefragt, warum denn die Polizei gegen die vermummten Rechten in ihrer Demo nichts gemacht hat, warum die Polizei trotz Auflagen zugelassen hat, dass Hunde mitlaufen konnten, dass zum Beispiel größere Fahnen und Transparente, als die Auflagen zuließen, mitgeschleppt werden konnten. Das alles war möglich, und somit wurde ganz offen gegen die Auflagen der Polizei verstoßen.
Herr Innenminister, ich stelle Ihnen die Frage, auf die wir keine Antwort im Innenausschuss bekommen haben: Wieso hat die Polizei das hingenommen und ist nicht eingeschritten? Das möchte ich von Ihnen wissen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Stattdessen wurden die Demonstranten in der Schlossstraße von der Polizei eingekesselt, obwohl es bis zum Theaterplatz, dem Endpunkt der Demonstration, nur noch ein paar Meter waren. Das war ein strategischer Fehler, der dazu beigetragen hat, dass es überhaupt zu Auseinandersetzungen genau an diesem Punkt kam. Dabei kam es zu gefährlichen Verletzungen von Polizisten und anderen, vor allem Demonstranten, aber auch Leuten, die einfach vorbeigegangen sind. Der erhebliche Schaden, den es auch gab, darf nicht weggewischt werden. Wir verlangen als Linke, dass dies entsprechend strafrechtlich geahndet wird. Dabei muss genau geprüft werden, wie diese Situation tatsächlich zustande kam.
Zur Wahrheit gehört außerdem, dass bei den extrem niedrigen Temperaturen ein Wasserwerfereinsatz gar nicht erst geplant werden und auch nicht der Einsatz als Bedrohung angedeutet werden durfte. Ich frage Sie, Herr Innenminister, wieso es genau an diesem Punkt der Auseinandersetzung keine Kommunikationsmittel der Polizei gab, sodass Irritationen entstanden und vernünftiges Handeln erschwert wurde. Das ist das eine, meine sehr geehrten Damen und Herren.
Viertens merke ich an: Dem falschen Polizeieinsatzkonzept folgte seitens des Innenministers eine falsche Bewertung des im Nachgang in Thüringen vollzogenen brutalen Nazi-Überfalls in der Raststätte Teufelstal. Angesichts der Tatsache, dass dort ein Demonstrant brutal zusammengeschlagen, auf den Kopf getreten wurde und schwer verletzt ins Krankenhaus kam, fand der Innenminister keine anderen Worte, als dann irgendwann zu sagen, dass bei diesen Gewaltbereiten der rechten und linken Seite Auseinandersetzungen schlichtweg einfach nicht auszuschließen seien. Was für ein Zynismus! Was für ein Bild von Sachsen in der Welt, wenn ein Innenminister so etwas sagt! Im Unterschied zu Ihnen, Herr Buttolo, hat sich der thüringische Innenminister entschuldigt und im Innenausschuss und in der Öffentlichkeit kundgetan, dass er sich mitschuldig fühlt, dass es so weit kommen konnte, und dass dies nicht zu verhindern war.
Im Übrigen wurden am selben Tag noch vier weitere Übergriffe von Nazis bekannt, zum Beispiel im Regionalexpress nach Leipzig oder in einem Asia-Shop am Hauptbahnhof, wo sich Vietnamesen als Affen von den Nazis beschimpfen lassen mussten. So weit sind wir auch schon, meine Damen und Herren.
Es gibt noch einen fünften und letzten Punkt, den ich als Dresdnerin anbringen möchte. Ich habe mich ehrlich geschämt, dass nicht noch mehr Dresdner auf die Straße gegangen sind. Auch in Dresden selbst muss es ein Umdenken geben. Dresden ist nicht die einzige Stadt, die zerstört wurde. Chemnitz, Hamburg, Hiroshima sind andere Beispiele. Diese Gedenktage stehen klar im Zeichen von Frieden und nicht nur im Gedenken an die eigenen Opfer. Es wird Zeit, dass sich Dresden von falschen Mythen ganz klar befreit, denn auch für Dresden muss der Schwur von Buchenwald gelten: Nie wieder Krieg und nie wieder Faschismus!
– Es wäre schlimm, Herr Schiemann, wenn es nicht besser wird.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Martens, ich teile Ihren Standpunkt ausdrücklich nicht, dass ausgerechnet ein solcher Antrag populistisch sei. In vielen anderen Fällen wird natürlich in Landtagen darüber diskutiert, und wir müssen dies auch tun. Man hätte natürlich eine Sondersitzung des Innenausschusses durchführen können; aber ich denke, dass diese Diskussion tatsächlich hierher gehört. Wir müssen dieses Thema hier zum Gegenstand machen, wo denn sonst? Das ist doch nicht nur ein Dresdner Thema. Es ist ein Thema in Deutschland und im Ausland geworden, deshalb müssen wir hier darüber sprechen und Ursachen benennen. Dies hat auch etwas mit dem Umgang auf diesen Demonstrationen – auch seitens der Polizei – zu tun.
Ich will gleichzeitig sagen, dass wir der SPD mitnichten absprechen – das wäre auch wirklich falsch, darin gebe ich Herrn Brangs ausdrücklich recht –, dass Sie – genauso wie unsere Partei – nicht dem Antifaschismus verbunden sind. Das wäre grober Unfug. Das widerspricht den Tatsachen. Das will ich hier noch einmal klargestellt haben. Ich will ganz ehrlich sagen: Natürlich standen beide Parteien an vorderster Front, als es um diese Demonstration und darum ging, Gedenken zu organisieren, gemeinsam mit den GRÜNEN, der SPD und dem Kulturbüro Sachsen anzustoßen.
Das darf man auch nicht verwässern; das ist wichtig. Das möchte ich noch einmal klarstellen, damit hier nichts Falsches übrig bleibt.
Noch einmal zur Polizei. Ich möchte klarstellen, dass ich auch so begonnen habe: Ich habe nicht mit der Polizei angefangen, sondern mit der Stadtverwaltung, der Oberbürgermeisterin, dem Ordnungsamt und bin dann auf die Polizei zu sprechen gekommen. In meinem Beitrag habe ich deutlich gesagt: Sie, die Polizei, ist immer das Ende der Kette richtiger oder, wie in diesem Fall, falscher Entscheidungen. Ich denke, dass man sich in Dresden
falsch entschieden hat, dass sich die Oberbürgermeisterin nicht richtig entschieden hat und im Gegenteil dazu beigetragen hat, dass viel Konfusion im Vorfeld entstanden war und letztendlich das Lager der Demokraten gespalten wurde.
Ich sage ganz offen an die Adresse von Herrn Rohwer, der durch Peinlichkeiten weit über den Dresdner Rahmen hinaus aufgefallen ist: Jawohl, die CDU hat in Dresden versagt!
Verdammt noch einmal, wir hätten sie als eine starke Kraft gegen die Nazis hier in Dresden benötigt!
Noch etwas, was Gewalt angeht.
Ja, bitte.
Herr Rohwer, was Sie als Doppelspiel bezeichnen, ist ein großer Irrtum. Es gab kein Doppelspiel. Es gibt immer verschiedene Varianten und Möglichkeiten, Antifaschismus zum Ausdruck zu bringen. Das soll es geben und das ist auch richtig. Das will ich Ihnen ganz klar sagen.
Wenn Sie mich persönlich fragen, dann sage ich Ihnen: Wissen Sie, was ich mir nächstes Jahr wünsche? – Dass es uns gelingt, eine Nazidemo zu verhindern, und dass wir gar nicht demonstrieren müssen, sondern tatsächlich gedenken können, und zwar der Opfer des Faschismus, und gemeinsam für den Frieden stehen können. Das wäre mir viel lieber.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! DIE LINKE distanziert sich von jedweder Gewalt,
von Anfang an. Das, was man anderen Demokraten zugesteht, muss man auch uns zugestehen. Das will ich Ihnen ehrlich sagen. Dass die Nazis natürlich eine andere Meinung haben, sei inbegriffen.
Ja, wir wollen ein friedliches Gedenken und wir wollen ein Umdenken in Dresden. Wir wollen nicht nur eine Konzentration auf das eigene Opferdasein. Wir wollen weg von dem Mythos Dresden. Wir wollen tatsächlich, dass damit den Nazis der Boden entrissen wird. Diese Mythologie muss weg, und ich denke, dass es gilt, sich dafür starkzumachen.
Was wir brauchen, ist weniger die Auseinandersetzung zwischen CDU, Linken und anderen, sondern vielmehr ein runder Tisch, der alle zusammenführt, damit wir tatsächlich einen neuen Anfang im nächsten Jahr zustande bringen.
Aber gern.
Sie haben mich im Grunde richtig verstanden. Es gibt den Mythos Dresden, der sich damit verbindet, die Konzentration nur auf die eigenen Opfer in der eigenen Stadt zu lenken. Ich denke, dass das falsch ist und dass es den Nazis damit erleichtert wird, unter diesem Aspekt einen Trauermarsch zu veranstalten
und sich in diese Reihe einzuordnen. Ich denke, dass es wichtig ist, dass sich Dresdner tatsächlich öffnen, ihren Blick öffnen und mitbekommen,
dass auch andere Städte bombardiert und zerstört wurden und dass es vielmehr darauf ankommt, das Datum 13./14. Februar zu nutzen, eine starke Aussage gegen Krieg und für Frieden zu machen. Das scheint mir der entscheidende Punkt zu sein.
Ja, natürlich.
Herr Rohwer, Gedenkgottesdienste haben doch nichts mit dem Mythos zu tun. Also, ich bitte Sie! An denen nehme ich im Übrigen selbst teil.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Bandmann, ich weiß jetzt nicht genau, wodurch ich mir meinen Rüffel Ihrerseits verdient habe, aber es ist schwierig, Ihnen zuzuhören. Das liegt ganz bestimmt am Satzbau, schätze ich mal. Gut, ich will dazu nichts weiter sagen, weil es auch wirklich keinen Sinn macht.
Trotzdem frage ich mich, offen gestanden, was wir hier machen. Wir sprechen über ein Anliegen, das schon vor anderthalb Jahren in den Landtag eingebracht und dann später verhandelt wurde. Dazu haben wir bekanntlich einen Beschluss gefasst, der fast das gleiche Thema behandelt, wie in diesem Antrag formuliert. Das hat Herr Bräunig auch noch einmal gesagt. Mit diesem fast gleichlautenden Antrag stehen wir also heute wieder hier, und ich stelle fest: Passiert ist nichts. Es ist nichts herausgekommen, es hat keine Bewegung gegeben in dieser Frage. Wir haben vor einem Jahr sehr ausführlich debattiert – Ergebnis null. – So viel zur Parlamentsarbeit.
Jüngst haben uns die Nachrichten eingeholt, dass circa 200 Bundespolizisten aus Sachsen abgezogen werden sollen. Frankfurt (Main), Stuttgart, München sollen die neuen Einsatzorte sein. Die Fragen sind nie gestellt worden: Warum eigentlich dahin? Was ist dafür die Ursache? Wieso? Nach welchem Konzept? Nach welcher Idee? Nach welcher Aufgabenkritik? – Keine Ahnung.
Jetzt sagt Herr Bandmann, er habe etwas Tolles in einem Gespräch mit dem Bundesministerium ausmachen können. Ist ja sehr schön. Es wird nicht abgezogen, sondern abgeordnet. Man muss mit weiteren Abordnungen rechnen.
Herr Bandmann, Sie wissen genau wie ich: Das ist alles keine Lösung. Wir brauchen tatsächlich in dieser Frage verlässliche Lösungen, und zwar nicht wegen uns und unserer Schönheit hier in diesem Parlament, sondern für die Beamten als solche.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich gebe zu, dass ich deswegen etwas runzlig geguckt und mit Unbehagen in meiner Reihe gesessen habe, weil ich gedacht habe, dass es schön wäre, wenn sich Herr Bandmann mit der gleichen Vehemenz, mit der er jetzt für die Bundespolizei streitet, auch für die Landespolizei eingesetzt hätte. Aber das ist er den Beamten in der Landespolizei schuldig geblieben.
Was fehlt in dem einen wie in dem anderen Falle? In dem einen Fall kritisieren Sie es zu Recht, in dem anderen Fall fällt es Ihnen gar nicht auf. Es fehlt eine wirkliche Aufgabenkritik. Diese fehlt insgesamt bei der Polizei in Sachsen. Wir brauchen sie aber, weil sich aufgrund der neuen Strukturen und Veränderungen, zum Beispiel in der Bundespolizei und durch die Posten- und Revierkonzeption, neue Aufgaben ergeben. Das ist in Ihrem Antrag aber offen.
Ich stelle fest, dass alles, was in Bezug auf die Personalsituation in der Polizei passiert, aus dem hohlen Bauch heraus geschieht. Das betrifft zum Beispiel die nach wie vor nicht zurückgenommenen Kürzungen bei der Landespolizei, die auch ohne ernsthafte Aufgabenkritik zustande gekommen sind. Das geschah am grünen Tisch und betraf 2 441 Stellen. Das ist nicht weg vom Tisch.
Sie verstecken in gewisser Weise Ihre Unfähigkeit zu einer seriösen Personalpolitik in der Landespolizei durch Ihr Engagement für die Bundespolizei. Das finde ich nicht in Ordnung.
Ein solches Engagement ist halbherzig.
Nun komme ich zur Bundespolizei. Wenn Aufgaben an den Grenzen durch die EU-Erweiterung und das Schengener Abkommen wegfallen, dann ist es völlig logisch, dass das personelle Konsequenzen hat. Darüber kann ich mich nicht wundern. Das ist klar, und wir können es alle nachvollziehen. Auch Herr Bräunig hat angedeutet, dass
darüber neu nachgedacht werden muss, wie wir mit dem Personal umgehen. Das ist nichts Unnormales.
Betrachtet man den Auftrag der Bundespolizei, Prävention und Repression im grenznahen Raum als polizeilicher Schutz zur Überwachung der Grenzen, dann ist klar, dass es Veränderungen geben muss. Das halte ich für normal und kann dem folgen. Was aber nirgendwo thematisiert wurde, auch nicht in Ihrem Antrag, sind die Kriterien von Abzügen oder von mir aus auch Abordnungen. Wo stehen diese Kriterien, wo werden sie diskutiert, wo reden wir darüber? Darin liegt ein wesentliches Problem.
Ihr Antrag sagt nichts dazu, wie jetzt die Situation ist und was in den Folgejahren sein wird. Insgesamt ist die Frage unbeantwortet, wie sich die Personalsituation in den nächsten Jahren entwickeln soll. Gibt es eigentlich so etwas wie ein polizeiliches Konzept in dieser Frage für die nächsten fünf und zehn Jahre? Gibt es dazu Vorstellungen? Ich sehe sie nicht. Herr Bräunig hat das dankenswerterweise angedeutet, als er sagte, dass eine neue Sicherheitsarchitektur im Entstehen ist. Das kann wirklich jeder sehen, riechen, anfassen. Dazu braucht man Aufgabenkritik, konzeptionelle Darstellungen und die Abstimmung zwischen Landes- und Bundespolizei. Das vermisse ich. Dazu gehört auch die Diskussion um den Charakter der Polizei. Wie soll das in den nächsten Jahren aussehen? Was für eine Polizei wollen wir im Lande haben? Diese Fragen stehen nach wie vor im Raum. Dazu wird aber nichts gesagt.
Fakt ist, dass der Abzug jedes Bundespolizisten natürlich die Personalsituation in der Polizei auf dem Territorium Sachsens verschärft. Das ist logisch. Daran ändern auch die 300 Anwärterinnen und Anwärter für 2009 und die 300 Anwärterinnen und Anwärter für 2010, die in die Ausbildung gehen, nichts, weil sie erst ab 2011/12 zur Verfügung stehen.
Die Bundespolizei war lange Zeit ein Argument, um von der Kritik am hausgemachten Stellenabbau in der Landespolizei abzulenken. Nun, da die Dinge ins Rollen kommen, fassen wir hübsche, aber – so sage ich es einmal – nutzlose Landtagsbeschlüsse.
Es gab hier das Argument, man brauche eine seriöse Kriminalitätsanalyse. Da bin ich erstaunt, Herr Bandmann. Ich dachte, die hätten wir schon gehabt, bevor überhaupt eine Zahl wie die 200 ins Gespräch kommt. Ich staune, dass das nicht der Fall ist, denn immerhin sind die Grenzen schon eine Weile, nämlich seit Ende 2007, offen. Natürlich brauchen wir eine solche Analyse. Dann wissen wir zumindest, wenn wir die Kriminalitätsrate nehmen, dass die Belastung gleich geblieben ist und es sogar leichte Rückgänge bei der Kriminalität in einzelnen Bereichen gibt. Insofern waren umfangreiche Maßnahmen nach der Grenzöffnung offensichtlich tauglich. Das muss ich auch zur Kenntnis nehmen.
Ich bitte Sie, weiter nachzudenken und die notwendige Symbiose zwischen Landes- und Bundespolizei im Auge zu behalten. Ich glaube, da wären auch andere Lösungen tauglich. Man könnte beispielsweise mit dem Bundesmi
nisterium darüber verhandeln, Möglichkeiten zu erschließen, dass zum Abzug vorgesehene Beamte auch – wenn sie es wünschen und die Möglichkeit besteht – in den Landespolizeidienst überführt werden könnten. Nach dem Bund-Länder-Abkommen ist es so, dass unter den Innenministern Einigkeit darüber besteht, dass Polizisten nicht gegenseitig abgeworben werden können. Bei einem Wechsel muss auch eine Versetzung aus dem anderen Land erfolgen. So ist die Praxis. Eine Lösung könnte aber auch sein, sich mit dem Bundesministerium darüber zu verständigen, dass Übernahmen ohne Tauschpartner möglich sind. Dafür gäbe es seitens der Beamten Interesse. Man sollte also viele Dinge bedenken.
Ich glaube aber nicht, dass man die Gesamtpräsenz der Bundespolizei in der Stärke, wie wir sie jetzt hatten, ewig aufrechterhalten kann. Da müssen wir realistisch sein und sollten lieber überlegen, wie die Sicherheit im Lande aussehen soll, danach dann die Landespolizei justieren und dabei Landes- und Bundespolizei verschränken.
Dazu sagt Ihr Antrag nichts, Herr Bandmann. Insofern ist er halbherzig. Eine Kollegin im Stadtrat sagt manchmal: „Das sind Hi-ni-scha-ni-Anträge“ – hilft nichts, schadet nichts. Wir werden uns der Stimme enthalten.
Wir lassen uns von der NPD nicht vorschreiben, wie die Polizei aufgestellt werden soll. Weiß Gott, dazu brauchen wir sie wirklich nicht.
Außerdem ist es grober Unfug, was Sie in Ihrem Änderungsantrag niedergeschrieben haben. Wie wollen Sie denn zu einer Personalaufstockung kommen? Wollen Sie sich diese Beamten kurzfristig backen? Das ist wirklich schwierig. Das ist der falsche Vorschlag. Richtig wäre eine Aufhebung des Stellenabbaukonzeptes. Dazu aber
sind die Regierung und die Koalitionsfraktionen nicht bereit. Der Antrag ist völlig verfehlt und eigentlich vergebliche Liebesmühe.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe lange überlegt, was ich zu diesem Antrag sagen soll. Ich habe nicht überlegt, weil es keine Argumente gäbe oder es
daran mangele, sondern weil im Grunde alle Argumente – doch nicht alle – ausgesprochen sind:
die verkehrspolitischen Argumente seit zehn Jahren und die kulturerbepolitischen seit drei Jahren. Als Dresdner Stadträtin – das möchte ich offen sagen – habe ich an über 20 Sonder- und sonstigen Stadtratssitzungen zu diesem Thema teilgenommen. Ich kenne die Argumentation von allen Beteiligten in Stadtrat und Landtag. Sie kennen unseren Standpunkt.
Die Dresdnerinnen und Dresdner sind müde von diesem Streit. Ich sage es ganz ehrlich: Diejenigen, die erneut für einen Bürgerentscheid gesammelt haben – was das Vernünftigste wäre –, sind frustriert und fühlen sich nicht ernst genommen. Sie verlangen Antworten. Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ob es Ihnen passt oder nicht: Wir in diesem Hohen Hause kommen um die Antworten nicht herum.
Die Stadt ist im wahrsten Sinne des Wortes nicht nur in dieser Frage, sondern auch politisch und kulturell geteilt. Das Weltkulturerbe scheitert ganz offensichtlich an der Unversöhnlichkeit der Standpunkte, am fehlenden Kompromiss und an fehlender Kompromissbereitschaft, an mangelnder Courage zum Erhalt des Weltkulturerbes, an der Feigheit, bis zum Ende dafür zu streiten, und an einer Staatsregierung ohne Augenmaß. Der Streit steht sinnbildlich für verfehlte Politik und hat wesentlich zur Politikverdrossenheit – nicht nur in Dresden – geführt. Eine bittere Bilanz. Wer solche Fragen nach dem Prinzip „Sieg oder Niederlage“ behandelt und klären will, der wird scheitern. Meine Damen und Herren! Wir sind dem Scheitern nahe, wenn es so wie bisher weitergeht.
Wenn ich auf den ersten Punkt des Antrages der GRÜNEN schaue, könnte ich bitter und zynisch – die Kollegen der GRÜNEN werden es mir sicherlich nicht nachtragen – sagen: Es wäre am ehrlichsten, wenn die Landeshauptstadt selbst den – mittlerweile unverdienten – Weltkulturerbetitel zurückgeben würde.
Die Dokumentation der CDU und ihrer Oberbürgermeisterin Frau Orosz, man könne Brücke und Weltkulturerbe vereinbaren, entbehrt jeder Grundlage. Wir wissen es und jeder in diesem Raum weiß das sehr genau.
Betrachten wir die anderen Punkte des Antrages, so sieht es ähnlich aus. Ein Tunnel ist nicht gewollt – sprechen wir die Dinge doch klar aus. Die Bundesregierung wird dafür keine zusätzlichen Gelder zur Verfügung stellen. Herr Minister Tiefensee macht sich die Hände damit nicht schmutzig – das wissen wir.
Der Baustopp stößt auf betonierte Realitäten. Fast jede Woche schaue ich mir die Betoneinlassungen an, die in
die Elbhänge geschlagen werden. Die Frist der UNESCO mag kurz oder lang sein – vermutlich bis die Brücke steht.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! So scheint es fast, dass dies erhebliche Argumente seien, um gegen diesen Antrag zu stimmen.
Aber es gibt noch etwas anderes: Ich nenne es Verantwortung – nicht nur für den jetzigen Augenblick, sondern auch für kommende Generationen. Für diese sind wir nämlich auch da, meine Damen und Herren.
Ich frage Sie: Wie wollen Sie, wie wollen wir künftigen Generationen erklären, dass wir allen Ernstes für eine Brücke den Weltkulturerbetitel Dresdens verschleudert haben? Erklären Sie das doch einmal jemandem – wie denn?
Wir sind auch nicht die Ersten, die vor solchen Entscheidungen gestanden haben. Auch in anderen Ländern, an anderen Orten wurde über solche Fragen entschieden. Ich war im Urlaub in Malaysia, wo es natürlich auch Weltkulturerbe gibt.
Beispielsweise ist dort eine sehr wichtige Insel zum Weltkulturerbe erklärt worden, und plötzlich stand die Frage eines Autobahnbaus im Raum. Man stand dort vor der Entscheidung: Was macht man denn nun? – Dort hat man sich für das Weltkulturerbe entschieden.
Man könnte einwenden, dass Malaysia ein Schwellenland, ein Tigerland sei und wir uns daran nicht messen müssten. Natürlich müssen wir uns an der dortigen Entscheidung nicht messen. Wir müssen uns auch nicht an Entscheidungen in Österreich messen; in Innsbruck hat man nämlich ebenfalls eine Entscheidung im Sinne des Weltkulturerbes getroffen. Gleiches gilt für andere Länder.
Ich sage Ihnen: Entscheidungen über solche Fragen sind keine von kurzem Zeitwert, sondern haben Einfluss auf das künftige Handeln. Sie prägen die Stadt und das Land für die nächsten Jahre und Jahrzehnte. Die Kulturstadt Dresden mit aberkanntem Weltkulturerbetitel kann ich mir nicht zusammen denken. Ich will es auch nicht.
An einer solchen Fehlentscheidung will ich auch nicht beteiligt sein.
Nein. – Ob uns mit dem vorliegenden Antrag die geeignete Lösung angeboten wird, darüber kann ich streiten. Aber selbst die allergeringste Chance auszulassen, halte ich für fahrlässig. Deswegen werden wir diesen Antrag unterstützen.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. Ich möchte auch mein Abstimmungsverhalten erklären. Ich habe deshalb zugestimmt, weil ich meine, dass man keine Gelegenheit auslassen darf, hier für das Weltkulturerbe zu kämpfen, und dass ich auch diesen Landtag ernst nehme, der sehr wohl in der Lage ist, Entscheidungen zu treffen und zu befördern. Ich bedaure aber sehr, dass sich die Mehrheit in diesem Raum nicht dazu durchringen konnte, und betrachte das schon als ein Versagen.
Erklärung zu Protokoll
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Seidel, Sie brauchen keine Angst zu haben, wir machen keine Aufrufe zum Rechtsbruch; aber zur Veränderung von Recht, denke ich, muss man sich hier sehr wohl äußern.
Insofern sollte man auf solche Thesen auch nicht hereinfallen.
Meine Damen und Herren! Die vorliegende Anfrage behandelt ein außerordentlich sensibles Thema, das auch häufig für abstruse Debatten über Migrantinnen und Migranten missbraucht wird, die in Scharen über unsere Grenzen kommen und unsere Leistungssysteme plündern, wie wir das häufig auch in diesem Hause von der NPDSeite zu hören bekommen. Solchem Unsinn muss man entschlossen entgegentreten. Auch dafür sollte diese Debatte gut sein, und auch dafür sind die Zahlen, die in dieser Großen Anfrage zur Erfassung illegaler Migration erfragt, beantwortet und hier festgehalten sind, zum Teil hilfreich. Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen der GRÜNEN-Fraktion, ich will ganz ehrlich sagen: eben nur zum Teil.
Das hängt zum einen auch mit der unzureichenden Fragestellung zusammen, das muss ich einfach sagen. Ich glaube, dass man die Fragestellung nicht auf Zahlen verkürzen kann, sondern noch andere Dinge tun muss. Zum anderen liegt es auch an der miserablen Antwort der Staatsregierung, anders kann man das nicht bezeichnen. Ich persönlich halte es für einen Fehler – das möchte ich gleich am Anfang sagen –, ein solches Thema anzufassen, ohne die Frage nach den Ursachen der Illegalisierung des Aufenthaltes von Menschen zu stellen. Das geht nicht, liebe Kolleginnen und Kollegen der GRÜNEN-Fraktion.
Wir sind seit Langem der Auffassung – das ist auch unser Hauptfokus bei dieser Anfrage und bei all dem, was ich jetzt sagen möchte –: Die beste Methode, den leidigen Zustand sogenannter Illegalität – auf diesen Begriff komme ich noch einmal zurück – zu beenden, ist die Herstellung von Legalität. Dafür müssen wir etwas tun. Deshalb ist unsere zentrale Forderung, sich dafür starkzumachen, dass rechtliche Möglichkeiten geschaffen werden, beispielsweise über Stichtagsregelungen, wie es in einigen europäischen Ländern Usus ist, oder allgemeine gesetzliche Vorschriften, auch legalen Aufenthalt zu ermöglichen. Diese Frage muss man stellen, um eine solche Möglichkeit einzuräumen. Deswegen geht es uns auch nicht um Normalisierung von Illegalität. Das kann auch nicht der Weg sein, sondern es muss um die Legalisierung des Aufenthaltes von Menschen ohne eigenen gültigen Pass gehen.
An dieser Stelle eine Bemerkung zu dem Wort „illegal“. Dieser Begriff ist völliger Unsinn. Menschen sind nie illegal, nur weil sie keinen Pass haben. Das ist einfach albern.
Damit werden Menschen ohne Pass pauschal kriminalisiert, und Menschen ohne gültigen Pass und Aufenthaltsberechtigung sind in erster Linie Menschen ohne Rechte. Das müssen wir thematisieren, daran müssen wir etwas ändern, und das hat etwas mit Gesetzen und Änderungen, die wir herbeiführen müssen, zu tun.
Wie kommen Menschen in eine Lage, dass man den Begriff ihres illegalen Aufenthaltes verwenden kann? Ich will Beispiele nennen. Richtig ist, dass ein Teil der Menschen ohne Pass wegen Arbeit hier sind und im Niedriglohnsektor häufig auch Arbeit finden. Das ist übrigens auch nichts Neues, das hat es zu allen Zeiten gegeben, und immer gab es diese Art der Migration. Es ist bisher kein einziger Nationalstaat daran zugrunde gegangen. Die Frage ist doch nicht, dass Menschen hier Arbeit suchen, sondern die entscheidende Frage ist, wie damit umgegangen wird; und es ist verlogen, auf der einen Seite Altenpflegerinnen aus Polen für billigste Löhne in unser Land zu werben und sich auf der anderen Seite darüber aufzuregen, dass ein Teil von ihnen, obwohl er aus einem EUMitgliedsstaat kommt, keinen geregelten Arbeitsaufenthalt hat. Darüber kann man sich doch nicht aufregen. Dieser Umstand wird doch von vielen Arbeitgebern ausgenutzt.
Wenn dann die Staatsregierung auf die Frage, welche Möglichkeiten es gibt, gegen ausbeuterische Arbeitsverhältnisse von Menschen ohne gültigen Pass vorzugehen, antwortet, dass ausbeuterische Beschäftigung von Ausländern eine Straftat ist, dann ist uns damit aber ungeheuer geholfen. Mit dieser Aussage haben wir was gekonnt, nämlich gar nichts; denn die polnische Altenpflegerin könnte zwar, soweit ihr der vereinbarte Arbeitslohn beispielsweise vom Arbeitgeber verweigert wird, die Lohnfortzahlung beim Arbeitsgericht einklagen, doch sie hätte nur Nacheile davon und sie müsste damit rechnen, ausgewiesen zu werden. Auch das sind Fakten.
Ich möchte ein weiteres Beispiel nennen. In der Grauzone sogenannter Illegalität leben Menschen auch aufgrund der Asylgesetzgebung, so wie sie hier in Deutschland und in Europa gehandhabt wird; denn diese Asylgesetzgebung – ich denke an die Drittstaatenregelung – lässt kaum noch zu, auf direktem Weg als Flüchtling nach Deutschland zu kommen. Dann passiert das, was eben passiert: Schleuserbanden und dergleichen spielen eine Rolle. Und nehmen wir beispielsweise allein reisende Minderjährige. Häufig haben diese eine Odyssee hinter sich, weil die Eltern wollen, dass ihre Kinder eine bessere Zukunft haben sollen. Ob das ein geeigneter Weg ist, ist die zweite Frage. Aber was wir für uns klarstellen sollten, ist, dass wir nicht zulassen dürfen, dass solchen Kindern das
Leben noch zusätzlich schwer gemacht wird. Jedes Kind, das hierher kommt, sollte unabhängig von seinem Aufenthaltstitel dieselben Entwicklungschancen erhalten wie deutsche Kinder. Das sind Fragen, die wir klären müssen.
Extrem schwierig, und auch das hat mit illegaler Migration zu tun, ist die Situation ehemaliger Zwangsprostituierter, die ja auch damit rechnen müssen, selbst nach Zeugenaussagen, die sie getätigt haben – dies ist mehrfach passiert –, dass sie einfach in ihre Heimatländer abgeschoben werden, wo sie kaum eine reale Chance haben, aufgrund ihrer Vorgeschichte als Prostituierte ein reales Leben führen zu können und zudem hilflos der Rache krimineller Banden ausgesetzt sind, gegen die sie zum Beispiel in Deutschland ausgesagt haben. Da braucht man sich also auch nicht zu wundern, wie illegale Migration zustande kommt. Statt ihnen also noch illegale Migration vorzuwerfen, sind hier Regelungen angebracht, die wirksamen Zeugenschutz und die Möglichkeit, einen Aufenthaltstitel zu erwerben, beinhalten sollen. Wenigstens diese Möglichkeit muss es geben.
Passlos und damit rechtlos zu sein oder zu werden geht noch ganz anders. Zum Beispiel gibt es nach der Grenzöffnung zu Polen und Tschechien Ende 2007 eine ganze Menge Fälle, in denen Menschen durch falsche Informationen durch Behörden in ihren Heimatländern ohne gültige Papiere nach Deutschland gekommen sind. So ging es einer Russin, die in Tschechien studiert, in Deutschland Bekannte hatte und diese besuchen wollte, sich vorher bei der Ausländerbehörde im Lande erkundigte, ob sie mit ihren bisherigen Ausweisen rübergehen kann. Dort wurde ihr nichts anderes geraten, oder sie hat es so verstanden. Sie wurde in Deutschland von der Bundespolizei aufgegriffen, als illegale Migrantin abgeschoben
und erhielt im Schengen-Informationssystem einen Eintrag, der ihr verwehrte, nach den Ferien, wieder aus Russland kommend, erneut in Tschechien einzureisen und ihr Studium weiterzuführen. – So kann es passieren. Auch das sind Tatbestände in diesem Fall, die wir immer ganz großmundig mit dem Begriff der illegalen Migration bezeichnen. Es gibt sehr viele Unklarheiten über die Rechtsstellung aufgrund der Schengen-Erweiterung und sich ständig ändernder Visabestimmungen.
Menschen können ihren Aufenthaltstitel auch durch vollkommen andere, simple Umstände verlieren, wie zum Beispiel nach Scheidungen oder wenn die Frist für die Verlängerung des Aufenthaltes verpasst wurde – wodurch auch immer. Es gibt zum Beispiel hier in Dresden einen Fall, da hat es der Rechtsanwalt verpeilt, und schwupp, da war der Aufenthaltstitel weg. Das kann passieren. Schon wer einen Tag zu spät kommt, kann unter Umständen tatsächlich ins Abseits geraten. Das trifft auch für viele Studenten zu, die nach ihrem Studium weitermachen wollen, mit den Formalitäten nicht klargekommen und in eine Situation wie diese geraten sind.
Auch fehlerhaftes Behördenhandeln gehört dazu. Ich will noch ein Beispiel nennen. Ein geduldeter Mann aus einem Landkreis hier in Sachsen wartet in einem Wohnheim auf seine vom Amtsarzt angeordnete Operation. Der OPTermin stand fest, und von der Ausländerbehörde wurde auch die Duldung verlängert. Wenige Tage vor der Operation ist die Polizei in das Asylbewerberheim gekommen und hatte versucht, den Mann abzuschieben. Der war gerade nicht da. Als er in das Heim zurückkam und von dem Vorfall erfuhr, geriet er in Panik und lief weg. Er tauchte für einige Tage unter. Das nennt man illegale Migration. Glücklicherweise konnte ihm allerdings durch eine Flüchtlingsinitiative später geholfen werden.
Im Nachhinein stellte sich heraus, dass ein Übermittlungsfehler zwischen zwei sächsischen Behörden daran schuld war. Auch das führt zu illegaler Migration. Auch solche Fälle gibt es – und nicht wenige.
Nicht zuletzt gibt es auch einen Teil wirklichen Missbrauchs durch Falschangaben und gefälschte Dokumente. Ja, auch das gibt es, das ist vollkommen klar
und gehört zur Vollständigkeit.
Insgesamt ist dennoch festzustellen, dass die Sachlagen häufig sehr, sehr unterschiedlich sind und dass es notwendig ist, Regelungen zu schaffen, die die Chance eröffnen, aus dieser Situation wieder herauszukommen und einen legalen Aufenthaltsstatus zu erhalten. Das ist unsere Forderung.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, schauen wir uns doch mal die Anfrage an, dann sehen wir, dass wirklich die große Unkenntnis der Staatsregierung über die Situation dieser Menschen hervorsticht. Sie weiß im Grunde nichts. Ein paar Zahlen gibt sie an, richtig. Aber sie weiß nichts über die Wohnverhältnisse dieser Menschen ohne Pass, wenig über ihre gesundheitliche Betreuung, kaum etwas über ihre Arbeitsverhältnisse, und sicherlich sind die geringen Zahlen, die hier genannt werden, auch wenig signifikant.
„20 im Jahre 2008“ – was ist das für eine Zahl? Die Dunkelziffer wird sicherlich wesentlich höher sein. Das mag auch damit zusammenhängen, dass nur an bestimmten Schnittpunkten Menschen ohne Pass aus ihrem Schatten heraustreten. Denn wo begegnen sie uns? – Wenn sie krank sind oder, besser gesagt, wenn sie so krank sind, dass ein Arztbesuch unvermeidlich ist. Sie müssen also den Arzt aufsuchen. Ihre Angst, gemeldet und daraufhin abgeschoben zu werden, lässt den Arztbesuch zum absoluten Notfall werden. Ärzte kommen immer mehr – und das ist ein wirkliches Problem – in moralische Bedrängnis, wenn sie einer Meldepflicht unterliegen, und dies dazu führt, dass ihre Patientinnen und Patienten abgeschoben werden. Einerseits kollidiert die Meldepflicht erheblich mit der ärztlichen Schweigepflicht und der Unverletzlichkeit von Privatgeheimnissen nach § 203 Strafgesetzbuch. Verstöße dagegen werden nämlich mit Freiheits- und Geldstrafe geahndet. Andererseits laufen
Ärzte Gefahr, wenn sie nicht melden, sich nach § 96 Aufenthaltsgesetz strafbar zu machen wegen der Behandlung von Patienten ohne Aufenthaltstitel, was auch als Beihilfe zum illegalen Aufenthalt strafbar ist.
Aus dieser Zwickmühle müssen wir Ärzte befreien. Ich denke, das ist außerordentlich wichtig. Das hat meine Kollegin Herrmann schon gesagt. Hier muss eine Änderung herbeigeführt werden und dafür sollten wir uns starkmachen. Wir wollen, dass in diesem Fall diese rigide Meldepflicht abgeschafft wird. Das muss nicht nur bei Ärzten so geregelt werden, auch bei Anwälten, bei Beratern, bei Sozialarbeitern. Gerade Sozialarbeiterinnen, zum Beispiel in Frauenschutzhäusern, brauchen unbedingt Klarheit in dieser Frage. Deswegen ist unsere Forderung, eine entsprechende Änderung des § 96 Aufenthaltsgesetz durch ein Herausnehmen humanitär motivierter Hilfe als Beihilfetatbestand vorzunehmen.
Zur besseren medizinischen Betreuung dürften auch ein steuerfinanzierter Fonds und eine anonymisierte Form der Krankenversicherung wenigstens ein diskussionswerter Vorschlag sein. Bisher gibt es keinerlei befriedigende Lösungen dafür, meine Damen und Herren. Ich meine schon, dass unverzügliches Handeln geboten ist. Dabei bin ich wieder bei meiner Eingangsthese. Dringend müssen Wege eröffnet werden, die es Menschen erleichtern, aus dem Schatten herauszutreten, Illegalität abzulegen, ohne fürchten zu müssen, pauschal und sofort abgeschoben zu werden. Das ist wichtig für die Menschen, die das betrifft, für ihr persönliches Leben, und das ist genauso wichtig für die Mehrheitsgesellschaft, der das nicht nur aus humanitären Gründen am Herzen liegen sollte, sondern auch um des sozialen Friedens willen.
Tun wir also nicht so, als sei der Mensch erst mit einem Pass zu einem Menschen geworden, denn der Mensch war wirklich eher da als der Pass.
Danke, Herr Präsident!
Herr Dr. Martens, es ist mir nicht ganz unlieb, wenn Sie das noch einmal ansprechen. Sind Sie mit mir einer Meinung, dass es aber möglich sein muss, ein Verfahren zu etablieren, mit dem man die Gesamtlage einer Person noch einmal überprüfen kann, was dann möglicherweise tatsächlich die Änderung des illegalen Aufenthaltsstatus zum legalen ermöglicht? Das ist das, was ich eigentlich meine.
Herr Dr. Martens, Sie kennen die spanische Regelung, sie kennen aber auch Stichtagsregelungen, bei denen die Möglichkeit eröffnet wird, noch einmal einen Antrag zu stellen, um einen Aufenthaltstitel zu erwerben. Dieser wird dann abschlägig oder positiv beantwortet. Um die Möglichkeit eines solchen Verfahrens geht es mir. Halten Sie das für völlig unsinnig?
Wir halten diese Maßnahmen sicherlich für wünschenswert, aber doch zu kurz gegriffen. Ich glaube, dass es notwendig ist, dass von Sachsen in dieser Frage ein deutlicher Ruf in Richtung Änderung der Gesetzgebung ausgehen muss. Insofern sind das viel zu kleine Schritte. Sie unterliegen dem Glauben, damit die Illegalisierung gewissermaßen zu normalisieren. Das halte ich für schwierig. Es muss wirklich ein deutlicher Schritt in Richtung Legalisierung vorgenommen werden. Wir haben mit dem Antrag ein wenig Bauchschmerzen und werden uns der Stimme enthalten.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich möchte drei Dinge feststellen.
Erstens. Die Staatsregierung ist wirklich selbstgefällig in dieser Frage und nicht bereit, auch nur ein Stück weiter zu denken und den Entwicklungen, wie sie jetzt eingetreten sind, ins Auge zu schauen. Ich finde das sehr schlimm. Sie tut nichts gegen die Entkriminalisierung von Menschen ohne reguläre Aufenthaltserlaubnis in diesem Land. Ich finde es schade, dass diese Chance der Debatte von der Staatsregierung nicht genutzt wurde.
Zweitens. Wir sind der Auffassung, dass Schritte eingeleitet werden müssen, um in vielen Fällen Illegalität aufzuheben und Schritte in diese Richtung zu tun, indem man gesetzliche Regelungen ins Auge fasst. Das muss auch auf Bundesebene passieren. Es gibt verschiedene Varianten, wie zum Beispiel die Stichtagsregelung – es gibt andere gesetzliche Regelungen, Herr Dr. Martens, wenn Sie die Stichtagsregelung nicht mögen. Aber es auszulassen und zu sagen, wir belassen es in diesem Zustand, ändern nur die Meldepflichten und dieses und jenes, das halte ich für zu kurz gegriffen.
Wenn man davon ausgeht, dass Menschen in diesem Schwebezustand leben und man dies bis in die Ewigkeit sanktionieren will, dann muss ich deutlich sagen, dass ich gegen diesen Zustand bin. Wir brauchen einen Schritt nach vorn, indem wir uns auch auf Bundesebene einsetzen, die Legalisierung zu befördern. Das ist der erste Punkt.
Drittens. Wir wissen auch, dass verschiedene Dinge wie Meldepflichten und dergleichen aufgehoben werden müssen bei Ärzten, bei Rechtsanwälten, bei Sozialarbeitern und auch in Bezug auf die Schule, um zu erwirken, dass diejenigen, die noch in diesem Zustand der Illegalität leben müssen, die Möglichkeit haben, nicht in Gesetzeskonflikt dergestalt zu kommen, dass sie dann faktisch zur Abschiebung gezwungen und abgeschoben werden.
Viertens. Wir meinen, es gibt eine Reihe von Beschränkungen der Mitteilungspflicht. Sachsen macht noch nicht einmal Folgendes: bestimmte Beschränkungen der Mitteilungspflicht wahrzunehmen. Zum Beispiel bei der Schweigepflicht gibt es sehr wohl die Auflage, nach § 88 Aufenthaltsgesetz so zu verfahren, dass öffentliche Stellen nicht anstandslos jeden x-beliebigen Datensatz an andere Stellen rüberreichen. Wenigstens diese Beschränkungen müssen wahrgenommen werden. Dieser simple Umstand muss durch das Land entsprechend dem Gesetz ausgefüllt werden. Das wünschen wir uns mit dem zweiten Punkt. Insofern werbe ich für unseren Antrag.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das gemeinsame Fußballgucken auf Straßen und Plätzen, Public Viewing, bei dieser Fußball-EM sollte eine neue Form entspannter Geselligkeit und unverkrampften fröhlichen Patriotismus bescheren.
In Bautzen ging das gleich dreimal schief. Einmal entsprangen beim Public Viewing unversehens „Heil Hitler“ schreiende Horden, die mit ihren braunen Aufmärschen durchs Stadtzentrum die bunte Fete störten.
Beim zweiten Mal wurde eine türkische Fahne verbrannt.
Das dritte Mal war die Nacht des Finalspiels. Bei dieser Gelegenheit – Sie wissen es – legten Hunderte durchgeknallter junger Männer gleich mal die Hauptverkehrsader der Stadt lahm und übten Bürgerkrieg mit der Polizei.
Auch das leidgeprüfte Wurzen erlebte Unerfreuliches. Wie das Netzwerk NDK für demokratische Kultur mitteilte, rannten gegen 23 Uhr rund 30 Personen durch die Innenstadt. Einige von ihnen griffen Besucher an, und zwar im Kulturkeller D 5. Dabei wurden zwei Gäste
verletzt. Nach Einschätzung des NDK waren Neonazis mit am Platz.
In Großenhain kam es zu Ausschreitungen.
Der Sieg, nicht eine Niederlage, unserer Mannschaft im Halbfinale führte in Chemnitz nicht nur zum Jubel, sondern zur Demolierung von zwei Bussen. Polizeibeamte wurden verletzt.
Der traurige Höhepunkt ist der schon benannte Überfall auf Dönerläden in der Dresdner Neustadt nach dem Halbfinale.
Meine Damen und Herren! Stellen Sie sich bitte einen Moment lang vor, Deutschland hätte im Halbfinale verloren. Das ging mir durch den Kopf, wir hätten verloren. Was wäre da eigentlich passiert?
Wir haben auch so verloren.
Meine Damen und Herren! Angesichts solcher Vorfälle kann nicht einmal Herr Bandmann ernsthaft bestreiten, dass hier etwas Grundsätzliches nicht stimmt in unserem Ländle. Ja, in Sachsen haben wir ein massives Mentalitätsproblem. Das gehäufte Auftreten fremdenfeindlicher Exzesse, das sich an der Spitze der Skala der Bundesländer bewegt, kann man nicht einfach nur zur Kenntnis nehmen.
Ich sage Ihnen ehrlich, ich bin wirklich die Letzte, die an jeder Ecke Nazis wittert. Aber wir müssen eine Antwort auf die Frage finden, warum wir über Jahre hinweg mehr und mehr und an allen Ecken und Enden rechtsextremistische Umtriebe haben. Warum passiert das? Wie kann es sein, dass es an manchen Orten fast unmöglich ist, die dem Gedenken an den Nazimassenmord dienenden Stolpersteine im Straßenpflaster unbeschädigt und unverschmiert zu bewahren? Wer zählt die geschändeten Kruzifixe in den sorbisch-katholischen Dörfern der Lausitz?
Sie kennen das Problem, Herr Buttolo. Ihnen wurden neulich anlässlich eines Gesprächs mit der Domowina Dokumente dazu übergeben.
All diese Ereignisse sind Facetten eines grundsätzlichen Problems im Umgang mit Vielfalt und Verschiedenheit. Dieses Problem lösen wir weder mit ritualisierter Empörung, auch nicht mit dem Entlastungsverweis darauf, dass es immer nur einige wenige seien, die diese Untaten verüben.
Wir retten uns weder mit dem Argument, es hätte die Polizei gefehlt, sie hätte früher kommen müssen, sie war nicht effizient genug im Kampf ums Vaterland vorm Dönerladen.
Wir können uns nicht damit beruhigen, dass schließlich Projekte im Kampf gegen rechtsextremistische Gewalt und Fremdenhass unterstützt werden und Fanprojekte hoffentlich auch bald.
All das ist richtig, ja. Wir müssen es noch besser tun, natürlich, klar. Aber unsere Mühe muss schon ein bisschen größer sein. Sie muss sichtbar darauf gerichtet sein, alle sonstigen im Grunde unwesentlichen, ja lächerlichen Differenzen innerhalb des demokratischen Spektrums radikal beiseitezuschieben, wenn es um die Bekämpfung der alten und neuen Nazis geht.
Diese Entschlossenheit widerspiegelt die sächsische Politik nicht, wenn mit dem wider jede Wirklichkeit geprägten Gleichsetzungsdogma der Extremisten von rechts und links nicht endlich Schluss gemacht wird, und zwar überall.
Überall, in der Politik, in der Schule, in der Wissenschaft, in der Öffentlichkeit. Diese Entschlossenheit fehlt. Rechter Gewalt und fremdenfeindlichen Attacken nicht gemeinsam als Demokraten entgegenzuwirken und so die Zivilcourage in diesem Land zu stärken ist nur halbherzig. Wenn die Menschen in diesem Land nicht spüren, dass die Demokraten und Demokratinnen es ernst meinen mit der Bekämpfung der Braunen, dann muss sich überhaupt keiner wundern, wenn Nazis in den Parlamenten sitzen.
Wir werden zuerst um diese Entschlossenheit kämpfen müssen, um entschlossen Nazis bekämpfen zu können.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben zu dieser Problematik, wie Sie alle wissen, schon mehrfach gesprochen. Immer wieder stelle ich fest, dass es einen ganz entscheidenden Mangel bei der Erörterung aller Fragen, die mit der Bereitschaftspolizei zusammenhängen, gibt.
Im Unterschied zur Landespolizei, wo wir uns gestritten haben, aber Problemlagen wenigstens öffentlich gemacht wurden, ist die Reform der Bereitschaftspolizei ein Blackboxverfahren. Hinter den Kulissen wurden die absonderlichsten Entscheidungen besprochen und letztlich getroffen. Die betroffenen Beamten selbst bleiben außen vor und fühlen sich wie Schachfiguren, mit denen je nach Interessenlage und Gutdünken des Klüngelkreises der Erlauchten herumgeschoben wird. Wenn ich heute diesen Antrag erneut einbringe und wir darüber sprechen, geht es darum, dass es überhaupt eine der wenigen Möglichkeiten ist, über dieses Thema zu sprechen. Das ist der Punkt.
Unsere große Kritik: Die mittlerweile begonnenen Veränderungen vollziehen sich ohne gesetzliche Legalität und öffentliche Information. Sie kennen die Themen, die wir schon einmal hier behandelt haben und die wir immer wieder vorbringen müssen. Wir erwarten von Ihnen dazu eine sachliche Diskussion. Dazu gehören das Zusammenführen der beiden technischen Einsatzeinheiten zu einer und ihre Stationierung in Leipzig. Sie wissen um die Kritik, die es dort gibt und nicht nur von mir kommt. Sie kommt sehr wohl auch von anderen Oppositionsfraktionen und vor allem aus den Fachkreisen selbst. Diese sagen, es sei doch ein erheblicher zusätzlicher Aufwand, wenn ich die stationierten Taucher zum Beispiel von Leipzig nach Ostsachsen schicke, wenn sie dort erforderlich sind. Und so gibt es viele andere Dinge, die dafür sprechen, das Prinzip, das hier neu geschaffen wurde, wieder aufzuheben bzw. gar nicht erst zu installieren.
Dazu gehört die Verlegung von Hundertschaften aus Görlitz und Sebnitz nach Dresden. Dazu gehört die Tatsache, dass eine Hundertschaft von Chemnitz nach Leipzig verlegt wurde. Dazu gehört die Bildung der sogenannten drei Karteileichenzüge und deren Verwendung. Dazu gehört, dass, statt dezentrale Strukturen zu stärken, das ganze Gegenteil geschieht: Gestärkt wird das Präsidium der Bereitschaftspolizei. Man muss sich das einfach noch einmal überlegen.
Das Prinzip, das wenigstens bei der Reform der Landespolizei 2005 völlig korrekt war, nämlich zu dezentralisieren, scheint hier überhaupt nicht relevant zu sein, im
Gegenteil: Führungswege werden verlängert, Agieren wird erschwert.
Des Weiteren werden die Hundertschaften mit den Verwaltungsaufgaben immer mehr allein gelassen, da ja auch die Abteilungsstäbe, wie wir alle wissen, der Neuorganisation zum Opfer fallen sollen. Den Bediensteten in den Abteilungsstäben wurde mitgeteilt, „sie sollen sich etwas suchen“. Das ist auch spannend.
Polizei sucht immer und offene Stellen werden meist nicht wieder besetzt. Ich sage Ihnen ganz offen, die Antwort vieler Beamten ist ganz einfach: Schönen Dank, Herr Minister! Ich kann mich auch nur anschließen: Ja, schönen Dank! An alle, die an diesem Kungeln beteiligt waren und eine solche Option für die Bereitschaftspolizei erarbeiteten, schönen Dank.
Die gesamte Neuorganisation der BePo basiert auf Statistiken von 2005 oder sogar auf noch älteren Statistiken, und das bei steigenden Anforderungen. Das muss man sich einmal überlegen.
Ich erinnere nur an die Fußballeinsätze und andere Sportveranstaltungen, die kaum noch abgedeckt werden können. Da wird dann immer gerufen: Die Polizei muss her! – Und das zu Recht. Das ist sogar bei der EM deutlich zu spüren gewesen.
Diese Aufgaben und viele, die neu hinzugekommen sind, können nicht abgedeckt werden. Und der ständige Personaleinkauf ist auch nicht billig, wenn man aus anderen Bundesländern einkauft.
Die aktuellen Ausschreitungen im Rahmen der EM in Chemnitz, in Bautzen, in Großenhain, die Sonderlagen in Leipzig sind alle bestens bekannt.
Was ich der Staatsregierung am meisten vorwerfe und was einfach nicht geht, das ist, dass es keine Informationen, zumindest keine ausreichenden, und keine Transparenz zur Neuorganisation der BePo von dienstlicher Seite aus an die betroffenen Beamten gibt.
Es gibt jedoch Dinge, die man auf den Punkt bringen muss. Ängste, Spekulationen, Gerüchte und Ähnliches gewinnen die Oberhand. Das ist ganz klar. Unruhe und Unsicherheit spielen dann eine große Rolle. Es gibt viele Beamte, die das als Mobbing bezeichnen und als solches empfinden. Sie erhalten keine tragfähigen Informationen über ihre Perspektiven. Manchen wurde sogar mitgeteilt, sie hätten sowieso keine Chance, im kommenden Einplanungsverfahren berücksichtigt zu werden. Das kann alles
eine Spekulation sein. Aber ich glaube, unter solchen Voraussetzungen eine Reform einfach durchzuführen, eben „von oben“, ist wirklich schwierig. Das demotiviert, und von einer sozialverträglichen Umsetzung der BePoReform, wie Sie sie als Innenminister, Herr Buttolo, in Ihrem Ministerbrief vom Januar 2006 verkündet haben, spüren viele nichts. – Das ist erst einmal der Punkt, den man hier anbringen muss.
Es ist bis zum heutigen Tag noch nicht vollständig geklärt, ob und wie es eine Übernahme der überzähligen Beamten in den Polizeieinzeldienst der ortsansässigen PD geben wird. Auch hier hält man sich bedeckt.
Frustration, Perspektivlosigkeit und zumindest in der Empfindung auch Zukunftsängste sind die natürliche Folge. Der Wechsel des Bereitschaftspolizeipräsidenten hat bislang noch keine Änderung herbeigeführt. Ich setze bewusst hinzu „bislang“, denn daran hängt ein Stück Hoffnung, dass sich das vielleicht ändert.
Selbst eine ganz simple Frage, nämlich die, welcher Personalrat weiter besteht, ob der Bezirkspersonalrat oder der örtliche beim Präsidium zuständig sein soll, ist aufgrund von Rechtsunklarheiten auch noch nicht abschließend geklärt oder zumindest nicht vermittelt worden. Wenn die gesamte Bereitschaftspolizei als eine Dienststelle gelten soll, gibt es einen Personalrat. Aber welchen? Welcher muss neu gewählt werden? An wen können sich die Beamten nun wenden? Wohin? Das ist doch eine Frage, die zu klären ist.
Mit Blick auf ihre schwierigen und zunehmend konfliktgeladenen Jobs dürfte es doch das Mindeste sein, die Bediensteten in alle sie betreffenden Dinge informativ einzubeziehen. Die Kungelei einzelner Landtagsabgeordneter mit dem Ministerium und dem Bereitschaftspolizeipräsidium ist dafür wirklich kein Ersatz.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Fakt ist: Man kann eine Reform nicht gegen die davon Betroffenen und auch nicht ohne sie durchsetzen. Das ist überall so, egal, welche Reform man hier betrachten will.
Wenn Sie mehr wollen, Herr Staatsminister Buttolo, als „Kadavergehorsam“, wenn Sie Engagement und Verantwortungsbewusstsein Ihrer Bediensteten wollen, dann sollten Sie dafür sorgen, dass sich die Geschäftspolitik in der Bereitschaftspolizei ändert. Das wäre ein dringend notwendiger klimapolitischer Beitrag – so will ich es einmal nennen – zur Entwicklung der Bereitschaftspolizei. Dazu sollten Sie, Herr Buttolo, auch Ihren neuen Bereitschaftspolizeipräsidenten ermuntern.
Deshalb fordern wir, die jetzige Reform der Bereitschaftspolizei noch einmal fachlich zu überdenken, wenigstens an einigen wesentlichen Punkten, die ich hier angedacht und noch einmal benannt habe: die Beamtenschaft in die Überlegungen und auch in die Entscheidungen einzubeziehen und die Gewerkschaften dabei nicht zu vergessen!
Wir meinen, dass eine solche Reform „von oben“ immer Schwierigkeiten schafft, immer Hemmnisse fördert und
die Bereitschaft, sie mitzumachen und für sich als einzelner Bediensteter nachzuvollziehen, natürlich sehr gering ist. Ich muss sagen, da verspielen Sie einfach auch Kredit bei Ihren eigenen Leuten.
Ich denke, Sie müssen heute auch in dieser Frage ein klares Wort sprechen. Ich würde es mir sehr wünschen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Trotzdem sprechen Sie, was die Zahlen betrifft, nicht die Wahrheit. Ich will Ihnen ein Beispiel nennen, das Sie selbst fabriziert haben. Sie haben einen Brief an das Präsidium der Bereitschaftspolizei geschrieben, aus dem ich eine Stelle zitieren möchte. Den Vorschlägen des Präsidiums der Bereitschaftspolizei aus Gründen eines effizienten Personaleinsatzes folgt folgender Gedanke: „... an den Standorten Chemnitz, Dresden und Leipzig die Dienstposten jeweils eines Bereitschaftspolizeizuges mit nicht anwesenden Bediensteten zu besetzen“.
Das sind die sogenannten Karteileichen, die Sie aber hier als volle Züge führen und damit suggerieren, dass gewissermaßen die Stärke insgesamt vorhanden wäre. In dieser Frage müsste man überhaupt noch einmal genau darüber sprechen, was tatsächlich Sache ist und wie es mit der personellen Besetzung aussieht. Das haben Sie nicht getan. Sie wissen auch, dass dies gerade in der Bereitschaftspolizei ein wichtiges Thema ist. – Das zum Ersten.
Das Zweite ist: Herr Dr. Martens, Herr Seidel und ich hatten gestern eine sehr nette Runde mit Vertretern der Polizei. Dankenswerterweise haben wir wenigstens von diesen Vertretern erfahren, dass der 01.01.2009 das Datum ist, an dem die Reform komplett umgesetzt werden sollte. Wir waren sehr dankbar – es lohnt sich immer, mit den Menschen zu sprechen – und wissen es nun ganz genau. Das ist aber Ihre Politik, Herr Buttolo. Sie informieren uns nicht, und wenn wir hier irgendetwas zur Bereitschaftspolizei behandelt haben, dann hing das immer damit zusammen, dass entweder Herr Dr. Martens oder wir als Fraktion einen Antrag eingebracht haben. So ist es tatsächlich immer gelaufen, und das, finde ich, ist kein Weg, den man akzeptieren kann. Sie stellen das Parlament vor vollendete Tatsachen. Wir sollen nachfolgend einfach irgendwelche Gesetzentwürfe – logischerweise muss man Gesetze ändern – abnicken, und das ist für Sie der Umgang mit dem Parlament. Dazu sage ich: Nein, damit bin ich nicht einverstanden!
Ich will Ihnen auch sagen: Natürlich gibt es ein Gegenkonzept, beispielsweise zur Dezentralisierung, zur Beibehaltung der Abteilungsstäbe und zur Senkung des Personals im Präsidium. Diesen Entwurf gibt es, und wir wissen das alle ganz genau. Das passte natürlich einigen nicht, und derjenige, der den Entwurf in die Öffentlichkeit gebracht hat, wurde dann an die „richtige“ Stelle versetzt, wenn ich das einmal so sagen darf. So läuft das ab, das ist