Anke Spoorendonk

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Last Statements

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Drei Bemerkungen möchte ich gern machen. Erstens ist es an der Zeit, sich daran zu erinnern, wie der Tagesordnungspunkt, den wir vorhin abgehandelt haben, lautete.
Da ging es nämlich um Leitlinien für eine neue Klimapolitik, und da ging es auch um Klimawandel. Ich brauche nicht in Erinnerung zu rufen, dass es um eine massive Reduzierung der CO2-Emissionen gehen muss und dass die UN-Klimakonferenz in Kopenhagen genau dieses Thema auch thematisieren wird.
Die zweite Bemerkung: Ich möchte noch einmal für unseren Antrag werben, denn unter dem Gesichtspunkt der Klimapolitik und der Notwendigkeit der Begrenzung des Klimawandels kann es sich nur um eine bundesdeutsche Initiative handeln. Es geht nicht darum, jetzt den einzelnen Bundesländern Gestaltungsspielraum zu geben.
Darum geht es nicht. Es geht darum, der Landesregierung etwas mitzugeben, damit sie im Bundesrat tätig werden kann. Es geht darum, der Landesregierung zu sagen: Wir in Schleswig-Holstein wollen den deutlichen Einstieg in eine neue Klimapolitik. Das ist nur machbar, wenn wir uns von der CO2Endlagerung verabschieden,
und wir sagen: Das ist dein Auftrag, liebe Landesregierung, das ist das, was das Parlament in Schleswig-Holstein will.
Letzte Bemerkung: Wir haben uns mehrfach über Forschung unterhalten. Natürlich soll Forschung offen sein, Grundlagenforschung ist wichtig. Man könnte aber fast philosophisch werden, wenn man sich mit Forschung beschäftigt. Heute wissen wir, dass Forschung nicht im luftleeren Raum stattfindet. Es gibt Auftragsforschung. Und Forschungseinrichtungen suchen Auftragsforschung. Von daher muss ich sagen: Es geht nicht um Forschungsverbote. Es geht uns darum, deutlich zu machen, dass mit den begrenzen öffentlichen Ressourcen, die wir für Forschung zur Verfügung stellen, Forschung auch mit dem übereinstimmen muss, was unser Ziel hinsichtlich einer neuen Energiepolitik ist. Wenn man sagt, wir müssen uns noch einmal mit der Grundlagenforschung zur CCS-Technologie beschäftigen, dann kann man das machen, aber es gibt andere Forschungsvorhaben, die sich auch mit der Reduzierung von CO2 befassen. Diese Forschung muss mehr gefördert werden, und die wollen wir nach Schleswig-Holstein holen, weil wir in Schleswig-Holstein die regenerative Energie haben wollen. Wir wollen keine Forschung, die die Verlängerung von Kohlekraft zulässt und die zur Förderung von mehr Kohle führt. Das muss aus meiner Sicht die Richtung sein.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Landtag hat im Frühjahr einstimmig beschlossen, gegen die Grundgesetzänderung zur Einführung einer Schuldenbremse für die Länder vor dem Bundesverfassungsgericht zu klagen. Obwohl der Beschluss deutlich machte, dass alle Fraktionen an einem Strang ziehen, um sich vom Bund nicht in das Budgetrecht des Parlaments eingreifen zu lassen, kippte die Große Koalition diesen Beschluss Ende Juni. Unser Landtagspräsident brachte daraufhin im Alleingang einen Antrag mit dem Ziel ein, an der Verfassungsklage festzuhalten. Im gleichen Atemzug machte der Kollege Kayenburg mit einem zweiten Antrag deutlich, dass die Schuldenbremse in der schleswig-holsteinischen Verfassung verankert werden muss.
Es spricht für den Schleswig-Holsteinischen Landtag, dass es trotz Wahlkampf-Getöse in den zuständigen Ausschüssen gelungen ist, eine Mehrheit von SPD, Grünen, FDP und SSW zu finden, die an dem einstimmigen Landtagsbeschluss zur Klage gegen die Schuldenregelung des Bundes festhält. Insgesamt hat sich der Landtag aber nicht mit Ruhm bekleckert.
Es bleibt aus meiner Sicht unwürdig, dass die Große Koalition nicht imstande war, zwischen Koalitionsinteressen und Parlamentsinteressen zu unterscheiden. Niemandem ist verständlich zu machen, dass die politischen Aussagen von CDU und SPD im Landtag auf einmal nichts mehr wert waren und derart respektlos mit einem Parlamentsbeschluss umgegangen wurde. Dass sich die SPD von einem Saulus in einen Paulus verwandelt hat, begrüßt der SSW im Interesse der Sache. Die Kuriosität dieser Gemengelage und ein leicht fader Nachgeschmack bleiben jedoch erhalten.
Für den SSW steht fest, dass die Schuldenbremse in unsere Haushaltshoheit eingreift und unsere Landessouveränität verletzt. Liebe Kolleginnen und
Kollegen, das dürfen wir ganz einfach nicht zulassen.
Der Bund kann über den Bundeshaushalt allein entscheiden, und genauso müssen die Länder über ihren Landeshaushalt allein entscheiden können. Allerdings hat der Landtag in einem Bund-LänderStreit nicht die Antragsbefugnis, sodass die Landesregierung die Klage erheben muss. Hier gilt also in besonderem Maße, dass die Landesregierung einen Landtagsbeschluss umzusetzen hat.
Fest steht für den SSW aber auch, dass die Einführung einer Schuldenbremse notwendig und richtig ist. Wenn wir nicht weiter auf Kosten kommender Generationen leben wollen, dann müssen wir mit aller Kraft ausgeglichene Haushalte anstreben. Daran gibt es wirklich keinen Zweifel.
Ich möchte jedoch davor warnen, die rigorose Schuldenbremse des Bundes einfach in unsere Verfassung zu übernehmen. Die bisherigen Vorgaben können wir nicht von heute auf morgen erfüllen. Bisher gibt es keine Berechnungen und keine Konzepte, wie eine Schuldenbremse realisiert werden soll. Klar ist nur, dass ein derzeitiges strukturelles Defizit von jährlich mindestens 600 Millionen € mit 80 Millionen € Konsolidierungshilfe vom Bund nicht abgebaut werden kann. Das Geld reicht vorn und hinten nicht und wird wohl noch nicht mal als Tropfen auf den heißen Stein zu merken sein. Außerdem ist klar, dass es so gut wie unmöglich sein wird, den Schuldenberg von 23 Milliarden € in den nächsten Jahren abzubauen.
Der SSW plädiert daher eindringlich dafür, dass die Idee des Altschuldenfonds wieder aufgenommen wird. Durch eigene Anstrengung allein werden wir uns bis 2020 nicht aus diesem Sumpf ziehen können. Wir können dies auch nicht von heute auf morgen schaffen, wenn wir uns ein finanzpolitisches Korsett anziehen lassen, für das es keinen ausgeglichenen Haushalt als Grundlage oder eine Berücksichtigung der Altschulden des Landes gibt. So können wir nur erdrosselt werden.
Mit der vorliegenden Beschlussempfehlung des Innen- und Rechtsausschusses wird deutlich, dass es eine Mehrheit für die Verankerung einer Schuldenbremse in der Landesverfassung gibt. Allerdings geht es hierbei um einen Grundsatzbeschluss, der erst in der nächsten Legislaturperiode wirksam wird. Der SSW lehnt es daher ab, schon heute über konkrete Vorgaben oder Konzepte zu reden. Klar ist aber auch, dass genau hier in der nächsten Legislaturperiode angesetzt werden muss. Wir müssen
wissen, wie eine Schuldenbremse umgesetzt werden kann, welche Auswirkungen sie auf den Landeshaushalt und damit auf die Zukunftschancen unseres Landes hat.
Aus Sicht des SSW können wir dieses Land nicht gesundsparen. In unserer Verfassung gibt es bereits Schuldenregelungen, wonach eine Schuldenaufnahme im Haushalt nur zulässig ist, wenn eine Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts vorliegt. Meine Damen und Herren, wozu hat diese Schuldenregelung geführt? - Sie hat dazu geführt, dass in den vergangenen Jahren wiederholt Haushalte beschlossen wurden, die nicht verfassungskonform waren und so die Schulden dieses Landes immer mehr in die Höhe getrieben wurden.
Damit möchte ich Ihnen deutlich machen, dass eine Schuldenbremse nicht die Voraussetzung für eine Haushaltskonsolidierung ist. Mit anderen Worten: Wir brauchen eine vernünftige und nachhaltige Realisierung der Schuldenbremse und einen konjunkturellen Aufschwung, in dessen Zuge mehr Steuereinnahmen auch zur Konsolidierung des Landeshaushalts genutzt werden.
Aus Sicht des SSW ist klar, dass die Realisierung einer Schuldenbremse ein riesiger Kraftakt für unser Land wird. Es müssen nicht nur Personaleinsparungen vorgenommen werden, auch die Reduzierung von Verwaltungsaufgaben und die Prüfung der Förderprogramme müssen zu weiteren Einsparungen führen. Hierbei nützt es gar nichts, einfach nur die rein statistische Zahl von 4.800 Stellen in den Raum zu werfen. Der SSW fordert daher ein Konzept, wie die Landesverwaltung künftig aussehen soll. Es muss geklärt werden, wo Doppelzuständigkeiten vorhanden sind und wo Verwaltungshierarchien abgebaut werden können. Liebe Kolleginnen und Kollegen, das ist die wichtigste Aufgabe.
Für uns steht weiter fest, dass nicht bei den Schwächsten des Landes gespart werden darf. Das wäre volkswirtschaftlich kontraproduktiv; denn wir müssten für die Folgen doppelt und dreifach zahlen.
Der SSW begrüßt ausdrücklich, dass unsere Forderung nach einem Konzept zur Umsetzung der Schuldenbremse in die Beschlussempfehlung des Innen- und Rechtsausschusses aufgenommen wurde.
Das Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung hat in einer beeindruckenden Stellungnahme beispielhaft vorgerechnet, dass der Teufel
im Detail steckt und welche Schwierigkeiten bei der Realisierung einer Schuldenbremse auf das Land zukommen werden. Hierbei geht es nicht nur darum, dass die restriktive Gestaltung der Haushaltspolitik zu einer finanziellen Abwärtsspirale führen kann. Hierbei geht es vor allem um die rein praktische Umsetzung einer Schuldenbremse. Der Landesrechnungshof hebt in seiner Stellungnahme hervor, dass noch vieles konkretisiert und präzisiert werden muss.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, trotzdem ist es gut und richtig, dass wir heute die Aufnahme einer Schuldenbremse in unsere Landesverfassung beschließen. Außerdem beschließen wir, dass der Haushalt konsolidiert werden muss; denn ohne dies wird es nicht gehen. Wir vom SSW sind der Auffassung, dass dies nicht zulasten der Kinder und der Schwächsten unserer Gesellschaft gehen darf.
Zusammenfassend halte ich daher fest: Heute geht es um den Grundsatzbeschluss, wie er in der Beschlussempfehlung des Innen- und Rechtsausschusses zum Ausdruck kommt. Alles andere ist Schaumschlägerei, liebe Kolleginnen und Kollegen. Wir wissen alle, was auf uns zukommt. Wir wissen alle, dass die Arbeit nach der Landtagswahl am 27. September zu leisten ist.
Zum Abstimmungsverhalten des SSW: Wie ich im Innen- und Rechtsausschuss bereits angekündigt habe, werden wir uns der Stimme enthalten beim konkreten Antrag der CDU zur namentlichen Abstimmung, nicht um zu kneifen -
- Wenn ich das hervorhebe, dann lade ich Sie natürlich dazu ein, so zu reagieren. Das ist mir sehr wohl bewusst.
Lieber Herr Kollege Sauter, Sie kennen mich gut genug, um zu wissen, dass ich zu meinem Wort stehe. Das tut der SSW im Übrigen immer.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Auch ich möchte dafür werben, dass wir alle gemeinsam der Beschlussempfehlung des Innen- und Rechtsausschusses zustimmen. Das wäre das richtige Signal. Denn aus dieser Beschlussempfehlung geht eindeutig hervor, was der Wille des Landtags ist und was er auch sein sollte.
Natürlich kann man in dieser Situation jetzt auch noch weitere Vergangenheitsbewältigung betreiben. Man könnte zum Beispiel anführen, dass der schleswig-holsteinische Haushalt über Jahrzehnte in Beton gegossen war, dass der finanzpolitische Spielraum des Landtags immer sehr gering gewesen ist und heute noch geringer ist. Man könnte anführen, dass der Schleswig-Holsteinische Landtag Anfang der 90er-Jahre aus eigenen Mitteln die Elektrifizierung der Bahn getragen hat. Man könnte anführen, dass der Schleswig-Holsteinische Landtag den Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz Anfang der 90er-Jahre aus eigenen Mitteln finanziert hat. Man könnte anführen, dass es auf Bundesebene eine Unternehmensteuer - von RotGrün beschlossen - gegeben hat, die in unserem Landeshaushalt ein großes Loch hinterließ.
Ich habe mir aus ganz anderen Gründen einmal die Haushaltsdiskussion in den 80er-Jahren angeguckt. Das Déjà-vu-Erlebnis war bestechend. Die Arbeitslosenzahlen Ende der 80er-Jahre waren fast wie heute, die Probleme die gleichen. Damit meine ich: Das strukturelle Defizit, das wir vor uns hertragen und worüber es in diesem Landtag keine zwei Meinungen gibt, ist ein altes Problem Schleswig-Holsteins. Ich behaupte, dass die Landesregierung und
nicht zuletzt auch der Landtag über die Jahre immer wieder versucht haben, diesem strukturellen Defizit Herr zu werden, indem über Kredite das finanziert wurde, was in anderen Bundesländern auch ohne machbar war. Das ist eine These, an der sehr viel dran ist. Ich sage das nicht als Entschuldigung für das, was man in früheren Jahren hätte machen müssen - was auch von uns immer wieder kritisiert worden ist. Die Zeiten für populistischen Schlagabtausch sollten vorbei sein. Wir kommen nicht weiter, wenn wir nur Schuldzuweisung betreiben. Wenn wir sagen, wir haben eiserne Prinzipien und Sie diese nicht wollen, dann haben wir auch noch andere.
Die Situation ist heute so, dass wir in unserer Landesverfassung eine Schuldenbremse brauchen und dass der Weg so sein muss, wie er auch in der Beschlussempfehlung des Innen- und Rechtsausschusses zum Ausdruck kommt.
Liebe Kollegin Heinold, darum wird sich der SSW bei der namentlichen Abstimmung der Stimme enthalten. Denn man kann nicht auf der einen Seite sagen, die Landesregierung wird aufgefordert, einen Entwurf zur Änderung der Verfassung vorzulegen, und auf der anderen Seite sagen, dass alles schon geleistet ist. Das passt wirklich nicht zusammen.
Herr Vörsitter! Leeve Frunslüüd! Leeve Mannslüüd! Ik hebb vör, allens hüüt op Platt zu seggen. Dat is aver för mi nich so eenfach. Mien Plattdütsch is nich so elaboriert, dat dat so eenfach to moken is.
Ik bin mit Dänisch un Hochdütsch grot worn, mien Öllern hebbt tohuus immer Platt snackt, aver Platt is jetzt nich de Spraak för mi, de ik spraaken kann, wenn dat schnell gahn schall oder wenn ik veel to doon hebb. Un ik verrat nix, wenn ik segg, dat ik jetzt doch ’n beten veel to doon hebb.
Ich will aber auch gern auf Hochdeutsch weitermachen, weil ich noch ein paar Sachen an meinem Redebeitrag ändern und auch noch einmal auf die Rede des Kollegen Matthiessen eingehen möchte.
Lieber Kollege Matthiessen, die Förderung des Niederdeutschen ist keine freiwillige Leistung. Die Bunesrepublik hat die Europäische Sprachencharta ratifziert. Kernpunkt der Europäischen Sprachencharta ist eben, dass nicht nur Programatisches darin steht, sondern auch konkrete Maßnahmen zur Förderung des Plattdeutschen als Regionalsprache.
Ich kann hinzufügen, damit das nicht in Vergessenheit gerät: Auch die Minderheitensprachen Dänisch und Friesisch sind von der Europäischen Sprachencharta umfasst. Das Gleiche gilt für die Sprache der Sinti und Roma, nämlich das Romanes. Ziel dieser Sprachencharta ist, diese Sprachen als europäisches Kulturgut zu fördern und zu pflegen. Das Besondere ist - wie gesagt -, dass das in einem laufenden Monitoring-Verfahren geschieht, und wir in Schleswig-Holsteinischen Landtag haben einvernehmlich beschlossen, dass wir einmal pro Legislaturperiode erfahren wollen, wie das auf Landesebene aussieht.
Der Landesplan Niederdeutsch hat andere Wurzeln. Er ist 1993/1994 geschrieben und verabschiedet worden. Der Landesplan Niederdeutsch hat mit unserer Landesverfassung zu tun, denn dort steht der Auftrag, dass auch das Niederdeutsche gefördert und geschützt werden soll. Das ist ein Verfassungsauftrag und keine freiwillige Leistung.
Der amtierende Landesplan muss fortgeschrieben werden. Die Debatte dazu hatten wir schon 2006. Wenn man sich den Plan anguckt, gibt es die altbekannten Baustellen Schule und Vorschule, Freizeit und Kultur, Medien- und Vereinsleben. Vergleicht man weiterhin die beiden Landespläne, dann sieht man - ich denke, das ist erfreulich -, dass sich die Strukturen des Niederdeutschen im Laufe der letzten 15 Jahre doch gefestigt haben. Die Forderungen sind zielgenauer geworden. Andersherum ist auch ersichtlich, dass neue Bereiche hinzugekommen sind, zum Beispiel der Bereich der sozialen und therapeutischen Einrichtungen. Ich denke, das ist richtig und sinnvoll vor dem Hintergrund der älter werdenden Bevölkerung.
Auch der Bereich Schule hat sich weiterentwickelt, auch wenn der Fortschritt sowohl für die Minderheitensprachen wie auch für das Niederdeutsche als Regionalsprache in vielerlei Hinsicht immer noch eine Schnecke ist. Konkret wird im neuen Landesplan die Forderung aufgestellt, dass sich ein neuer Erlass des Bildungsministeriums an dem Erlass für das Friesische an öffentlichen Schulen orientieren soll.
Für den SSW möchte ich in diesem Zusammenhang aber deutlich machen, dass der Unterschied zwischen der Minderheitensprache Friesisch und der Regionalsprache Niederdeutsch hier auch gewahrt werden muss. Das soll heißen: Wir werden keinen Ansatz unterstützen, der die Schulen vor eine Wahl zwischen diesen beiden Sprachen stellt. Es ist mit großem Einsatz gelungen, den Friesisch-Erlass aus
den 20er-Jahren zu novellieren, sodass Friesisch jetzt als selbstständiges Fach mit der Auflage angeboten wird, dass Schulen beim Friesischen von den normalen Gruppengrößen abweichen können und dass das Fach auch schulartübergreifend angeboten werden kann. Diese Errungenschaft muss aus Sicht des SSW geschützt werden und darf nicht zu einem Konkurrenzkampf an den Schulen vor Ort führen. Ich weiß, dass es so auch nicht gedacht ist. Ich sage das aber, denn letztlich würden sowohl das Friesische als auch das Niederdeutsche zu den Verlierern gehören, wenn das der Fall wäre. Und das wollen wir verhindern.
Für den SSW lautet die Schlussfolgerung daher, dass wir nicht nur die Fortschreibung des Landesplans Niederdeutsch brauchen, sondern auch eine offizielle Sprachenpolitik des Landes SchleswigHolstein. Wir wollen, dass das Dänische, das Friesische und das Plattdeutsche stärker im öffentlichen Raum wahrnehmbar sind. Denn von so einer Sprachenpolitik würden nicht nur die Minderheiten, sondern auch das Plattdeutsche und das Land als Ganzes profitieren.
Die Förderung dieser sprachlichen Vielfalt ist wirklich ein Alleinstellungsmerkmal unseres Landes, das dem Land ein positives Image verleiht, das nicht nur kulturell, sondern auch wirtschaftlich eine Bereicherung ist. Die Förderung der Mehrsprachigkeit macht den Norden für Touristen attraktiver und erweitert zudem die beruflichen Chancen der jungen Generation. Ich denke, das ist das, was ein Kernpunkt dieses Antrags sein sollte. Darum: Zu behaupten, dass dieser Antrag nice to have ist und noch einmal obendrauf kommen könnte, ist wirklich am Thema vorbei.
Die Ressourcen unserer Gesellschaft - und das ist mir ernst - müssen so gerecht verteilt werden, dass sowohl Mehrheits- als auch Minderheiten- und Regionalsprachen die Möglichkeit haben, sich gleichberechtigt in unserem Land zu entfalten. Das ist das, worauf es ankommt.
Herr Landtagspräsident! Meine Damen und Herren! Heute werden wir einen Fehler in unserer Kommunalverfassung beheben und die Abschaffung der Direktwahl der Landräte und Landrätinnen in die Wege leiten. Die Einführung der Direktwahl von Landräten war gegen das kommunalpolitische Ehrenamt. Da soll man sich nichts vormachen. Das ist für uns entscheidend gewesen.
Dieser Schritt konnte nur gelingen, weil auf die ursprünglich geplante Einführung des Verwaltungsausschusses auf Kreisebene verzichtet wurde, die gleichzeitig mit der Abschaffung der Direktwahl verabschiedet werden sollte. Das war richtig und im Interesse der Sache auch der bessere Weg. Die Stellungnahmen der Kreise haben den enormen Beratungsbedarf bei diesem Punkt gezeigt. Auch der SSW hat bereits frühzeitig dieses neue Gremium kritisiert, das in geheimer Sitzung die Geschicke des Kreises bestimmen sollte.
Hinzu kommt, dass es unserer Meinung nach noch weiteren Beratungsbedarf gibt, auch bei der Frage, wie das kommunalpolitische Ehrenamt nachhaltig zu stärken ist. Es ist also gut, dass der Verwaltungsausschuss erst einmal vom Tisch ist. Die Einführung des Verwaltungsausschusses ohne mündliche Anhörung durchzuführen, das wäre der falsche Weg. Das wäre in der jetzige Situation wirklich ein Skandal gewesen.
Andererseits wäre dieser Umweg völlig überflüssig gewesen und die Abschaffung der Direktwahl hätte schon längst umgesetzt sein können, wenn die Regierungskoalition im Jahr 2006 einem Gesetzentwurf des SSW gefolgt wäre.
Schon damals lagen die Defizite der Direktwahl kommunaler Verwaltungschefs auf der Hand. An dieser Situation hat sich nichts geändert, nur dass
die Wahlbeteiligung noch tiefer gesunken ist und das politische Ehrenamt noch mehr unter der Vormacht des Verwaltungschefs leidet. Ich rufe in Erinnerung: Bei Landräten und hauptamtlichen Bürgermeistern reden wir von Verwaltungschefs, aber nicht von anderen kommunalpolitischen Funktionen.
Der Zeitdruck, der schon im Dezember dazu führte, dass das Vorschaltgesetz innerhalb einer Sitzung durchgepeitscht werden musste, hätte also vermieden werden können, wenn die Regierungsfraktionen eher Einsicht bewiesen hätten. Genau da liegt jedoch das Problem. Die Regierungsfraktionen haben jahrelang die Augen vor der Verschiebung der Macht auf der kommunalen Ebene weg vom Ehrenamt hin zum Hauptamt verschlossen. Sie haben sinkende Wahlbeteiligungen und die Verschiebung der Machtbalance in den Kreisen tatenlos geschehen lassen. Sie sind jahrelang nicht in die Puschen gekommen. Der historische Fehler der Einführung der Direktwahl wird heute in allerletzter Sekunde behoben.
Dennoch ist nicht einzusehen, warum die Große Koalition einen Fehler behebt und gleich einen neuen macht, nämlich die Unterscheidung zwischen gewählten Landrätinnen und Landräten einerseits und den Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern andererseits. Beide - Bürgermeister und Landräte - stehen der Verwaltung vor. Das habe ich schon mehrmals hervorgehoben; denn das wird von den Befürwortern der Direktwahl immer wieder vergessen. Beide werden mit sinkender Wahlbeteiligung gewählt, und beide verfügen auf Kosten der gewählten Gemeindepolitiker über eine wachsende politische Macht.
Es mag sein, dass die Zahl der Sonnenkönige reduziert worden ist, doch das Problem bleibt weiterhin bestehen. Dennoch ist der eingeschlagene Weg richtig. Doch die Abschaffung der Direktwahl der Landräte kann nur der Anfang einer Neubesinnung auf das kommunale Ehrenamt sein. Liebe Kolleginnen und Kollegen, das ist eine Aufgabe in der nächsten Legislaturperiode.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Flüchtlinge, die keinen Asylanspruch in Deutschland geltend machen können, aber auch nicht in ihr Heimatland abgeschoben werden können, leben in einem Schwebezustand. Regelmäßig müssen sie sich bemühen, dass ihr Antrag auf Duldung verlängert wird. Eine Duldung nach der anderen mündet in vielen tausend Fällen in eine jahrelange Kettenduldung, die den Betroffenen an die Nieren geht: Einerseits können sie nicht in ihr Heimatland zurück, andererseits dürfen sie in Deutschland nicht Fuß fassen. Man wirft den Flüchtlingen immer wieder einen neuen Rettungsring hin, anstatt ihnen aus dem Wasser zu helfen.
Mittels des Resettlement-Programms soll diese Praxis ergänzt werden, weil sie die absehbare, oftmals Jahre dauernde Hängepartie überspringt und den Flüchtlingen gleich bei ihrer Ankunft ein ernsthaftes Integrationsangebot macht. Lassen wir einmal den Aspekt der irakischen Flüchtlinge weg. Auch das ist vom SSW früher befürwortet worden, und dazu stehe ich immer noch.
Man muss aber auch deutlich sagen, dass für die geduldeten Flüchtlinge, die bereits in Deutsch
land wohnen, dieses überhaupt keine Lösung darstellt, weil es sie schlechtweg nicht betrifft. Für sie wurde die sogenannte Altfallregelung eingeführt, die eine Aufenthaltserlaubnis auf Probe vorsieht, die in eine dauerhafte Erlaubnis umgewandelt werden kann, wenn die Geduldeten ihren Lebensunterhalt selbst bestreiten können. Doch viele Flüchtlinge scheiterten bereits bei der Antragstellung, weil sie aufgrund ihres Status kein Anrecht auf einen Sprachkurs haben.
Der Flüchtlingsrat wies daneben auf die schleppende Bearbeitung der Anträge auf Verwaltungsebene hin. So hätten viele Jobvermittler aufgrund unzureichender Vorbereitung die Anträge der Betroffenen ohne großes Federlesen auf den Stapel „schwer vermittelbar“ geparkt, sodass keine Chance für die Betroffenen besteht, einen Existenz sichernden Job zu finden. Für sie läuft am Jahresende die Aufenthaltserlaubnis auf Probe aus. Das gilt wohl für über 100 Personen in Schleswig-Holstein, wie aus einer Antwort auf eine Kleine Anfrage der Grünen im Bundestag hervorgeht. Diese Menschen werden am Jahresende in die Duldung zurückfallen und damit ihre Ansprüche auf Qualifikation und Unterstützung einbüßen. Für diesen Personenkreis hat sich bis auf die kurze Atempause nichts verändert.
Der Flüchtlingsbeauftragte hat darauf hingewiesen, dass wir uns in dieser Frage nicht mit Appellen aufhalten dürfen. Die Zeit drängt ganz einfach.
Die Änderung muss bis Ende des Jahres verabschiedet sein, sagte vorhin schon die Kollegin Birk in ihrem Redebeitrag. Ansonsten greift der Automatismus der Altfallregelung, nach dem die Altfälle in die Duldung zurückfallen, wenn sie keinen Job haben.
Ich hatte vor, an die SPD zu appellieren, diesem Antrag zustimmen. Das tut sie bereits. Darüber freue ich mich, denn ich denke, das ist wirklich ein guter Tag für die Flüchtlingspolitik in SchleswigHolstein. Aber besser wird der Tag noch, wenn die Landesregierung auch wirklich dieser Bundesratsinitiative auf den Weg hilft. Wir werden zusehen, dass das auch geschieht.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist gar nicht einfach, hier noch etwas zu sagen; denn die Vorgänge der vergangenen Tage hinterlassen einen zunächst sprachlos. Der Verfall der politischen Kultur in Schleswig-Holstein geht so rapide vonstatten, dass man nur fassungslos zusehen kann.
Der anschwellende Machthunger einiger Politiker zermalmt gerade das seit 1988 mühsam wieder aufgebauter Renommee unseres Landes. In den Kommentaren der Medien sind längst wieder die Namen Barschel und Engholm gefallen. Schleswig-Holstein ist wieder zum Synonym für politischen Skandal und das unsaubere Miteinander von CDU- und SPD-Politikern geworden. Niemand zweifelt daran, dass der politische Verfall längst ein Stadium erreicht hat, das eine Vertrauensabstimmung rechtfertigt. Hätte es wirklich eines Beweises bedurft, dass diese Regierung schon lange ihre Mindesthaltbarkeitsdauer überschritten hat, dann haben die un
versöhnlichen Diskussionsbeiträge, die Lügenbezichtigungen und Halbwahrheiten der SPD und der CDU den in den letzten Tagen hinreichend geliefert. Oder - um es einmal ganz drastisch auszudrücken -: Diese Koalition ist schon vor zwei Jahren verdorben gewesen, und die Bevölkerung hat längst gemerkt, dass hier etwas zum Himmel stinkt.
Einen deutlicheren Wink als drei Umfragen, die unabhängig voneinander die Große Koalition vom Spielfeld schicken, kann es kaum geben. Die Bevölkerung hat das Vertrauen in diese Regierung verloren, und das sollten wir respektieren. Nachdem die SPD nicht gewillt war, selbst daraus die Konsequenz zu ziehen, stimmen wir heute über das Vertrauen in den Ministerpräsidenten und sein neues Kabinett von freiwilligen und unfreiwilligen Superministern ab. Aber das ändert nichts daran, dass es noch einmal um die gesamte Große Koalition und um ihr politisches Ende geht.
In den letzten Tagen gab es jeden Tag neue Beschuldigungen. Jeder schiebt die Schuld auf den anderen. Dabei hat auch die Öffentlichkeit schon längst gemerkt, dass für beide Parteien eine Unschuldsvermutung völlig fehl am Platz wäre. Es gehören immer zwei zum Tangotanzen und den Todestanz dieser Regierungskoalition haben Ralf Stegner und Peter Harry Carstensen schon ausgiebig geprobt.
Deshalb sei der SPD auch nochmals angeraten, endlich die Rolle des Unschuldslamms aufzugeben, die ihr ohnehin niemand mehr abnimmt.
Angesichts der Form der Zusammenarbeit, die der SPD-Fraktionsvorsitzende in den letzten zwei Jahren gewählt hat, kann die SPD nicht glaubwürdig über eine böse CDU lamentieren.
Ralf Stegner selbst hat dieses Bündnis mehrfach in Situationen gebracht, wo alle Welt Verständnis dafür gehabt hätte, wenn die CDU „Vielen Dank und auf Wiedersehen“ gesagt hätte.
Deshalb nimmt Ihnen niemand die Opferrolle ab.
Dies gilt allerdings ebenso für Peter Harry Carstensen. Der Gute-Laune-MP kann seit dem Beginn der Finanzkrise nicht mehr punkten, weil jetzt an der
Spitze ein handlungsstarker Politiker gefragt ist. Da liegt es nahe, den Koalitionspartner dafür verantwortlich zu machen, dass die Bilanz seiner Regierung auf einen Bierdeckel passt. Der Versuch des Ministerpräsidenten, seine mangelnde Durchsetzungsfähigkeit und seine mäßige Politik allein mit Ralf Stegner zu entschuldigen, ist - das muss ich sagen - einfach erbärmlich.
Für den Bruch der Koalition trägt er ebenso viel Verantwortung; denn natürlich ist auch Carstensens Weste bei den Schulhofprügeleien der Großen Koalition nicht weiß geblieben. Er hat es bisher nur besser verstanden, den Machtpolitiker hinter der Maske der Unschuld vom Land zu verbergen. Seine Taktik, den Koalitionsbruch monatelang hinauszuzögern, um am Tag der Bundestagswahl auch den Landtag wählen zu lassen, und der unwürdige kurzfristige Rausschmiss der SPD-Minister sprechen für sich. Offen, anständig und vertrauenswürdig sieht anders aus.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, Peter Harry Carstensen muss sich hier und heute aber vor allem für das verantworten, was er und seine Koalition in den letzten vier Jahren getan haben und was sie nicht auf die Reihe bekommen haben.
Eines hat der Ministerpräsident mit Sicherheit in den ersten vier Jahren gekonnt: Er hat es geschafft, beliebt zu werden, wie kaum ein Regierungschef vor ihm.
Der „Ich-kümmere-mich-persönlich-drum“-Ministerpräsident Carstensen hat persönlich Starterlaubnisse für Privatflugzeuge und Baugenehmigungen besorgt. Bei einem Besuch der Museumswerft in Flensburg, wo der Leiter erklärte, ihm fehle ein bestimmtes Holz, das schwer zu beschaffen sei, griff der Ministerpräsident sofort zum Telefon, um den Holzhändler seines Vertrauens anzurufen. Das ist die Politik von Peter Harry Carstensen. Und das kam lange gut an.
Insofern hat er es zumindest am Anfang der Karriere geschafft, das Vertrauen in sein Amt und in die Landespolitik zu stärken. Er hat es auch vermocht, als Moderator eine Koalition zusammenzuhalten, die von Anfang an nicht richtig zusammenhing und immer größere Fliehkräfte entwickelte. Das ist eine Leistung, die wir vom SSW auch mehrfach gelobt haben.
Nur, die Kehrseite dieser Rolle ist, dass Peter Harry Carstensen nie eine eigene Politik hatte. In den wirklich wichtigen Fragen hat er andere für sich arbeiten lassen, nicht zuletzt die gefeuerten SPD-Minister. In der Finanz- und Wirtschaftskrise stand die Regierung ohne Führung da.
Als die HSH Nordbank und mit ihr das Land Schleswig-Holstein im Winter 2008/2009 vor dem finanziellen Abgrund stand, war der Ministerpräsident abgetaucht. Er duckte sich weg und ließ seinen Finanzminister gewähren, der konsequent die Pläne des HSH-Chefs Nonnenmacher umsetzte. Ein Krisenmanagement des Regierungschefs gab es nicht.
Das Beispiel HSH Nordbank ist das krasseste, aber man kann noch eine Reihe weiterer zentraler politischer Diskussionen nennen, in denen der Ministerpräsident durch Abwesenheit glänzte. In kaum einer Frage war der Chef durch eigene Positionen sichtbar. Nur dann, wenn Projekte der Koalition ihm und seinem Image gefährlich wurden, kümmerte er sich und sammelte die Politik der Koalition eigenmächtig wieder ein, so zum Beispiel bei den Schülerbeförderungsgebühren oder der Kreisgebietsreform.
Dass Carstensen in den letzten Wochen große Töne zum AKW Krümmel spuckte und Pläne zur Haushaltssanierung vorlegte - beides übrigens ohne konkrete Konsequenzen -, dürfen wir mit dem Wissen von heute getrost dem Vorwahlkampf zuschreiben.
Wenn wir Peter Harry Carstensen in den letzten vier Jahren einmal politisch erlebt haben, dann ging es um seine persönlichen machtpolitischen Interessen. Eigene politische Vorstellungen, wie dieses Land besser und zukunftssicher zu gestalten ist, und eigene Vorschläge zur Lösung der großen Probleme des Landes hat er noch nie zum Besten gegeben.
Schleswig-Holstein braucht heute nicht zuerst einen Ministerpräsidenten, der sich als Landesvater oder Ober-Bürgerbeauftragter versteht, sondern einen qualifizierten, handlungsstarken Regierungschef, der mit den Folgen der Finanzkrise und anderen ungelösten Problemen umgehen kann.
Eben deshalb, weil wir nicht das Vertrauen haben, dass Peter Harry Carstensen die erforderlichen Qualifikationen hat, um die großen Probleme des Landes zu lösen und dieses Land zu gestalten, wird der SSW dem Ministerpräsidenten nicht das Vertrauen aussprechen.
Zur Vertrauensfrage gehört aber auch eine Bewertung der Koalition, die diesen Ministerpräsidenten gewählt und getragen hat. Ohne die Fraktionen und Parteien wäre die Politik und Nicht-Politik von Peter Harry Carstensen nicht möglich wesen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, im öffentlichen Bewusstsein ist diese Regierungskrise zunächst ein Duell zwischen zwei Männern, aber die Wahrheit ist natürlich komplizierter. Es geht hier nicht um einen Kampf der Titanen, sondern eher um einen Hahnenkampf, bei dem die Zuschauer zwischen Schaulust und Angewidertsein schwanken. Diese Situation konnte erst dadurch entstehen, dass die meisten in der CDU und in der SPD viel zu lange zugeschaut haben, ohne etwas zu unternehmen.
Natürlich tragen die CDU und die SPD in Schleswig-Holstein große Verantwortung dafür, was in den letzten Jahren geschehen ist. Sie haben Peter Harry Carstensen und Ralf Stegner gewähren lassen und falsch beraten. Sie haben keine Kompromisse zustande gebracht oder haben faule Kompromisse geschlossen. Sie haben eine Politik mitgetragen, die sie selbst nur schwer oder gar nicht verteidigen konnten. Kurz: Die Mitverantwortung für die Große Koalition tragen alle Abgeordneten, Regierungsmitglieder und Parteifürsten der CDU und der SPD in Schleswig-Holstein.
Die CDU hat hingenommen, dass Peter Harry Carstensen eine unpolitische One-Man-Show durchzog, ohne ihm eine politisch-inhaltliche Führung abzuverlangen. Sie hat sich in der persönlichen Popularität des Ministerpräsidenten gesonnt und viel zu lange akzeptiert, dass wichtige politische Fragen nicht Aufgabe des Ministerpräsidenten waren. Viele andere CDU-Politiker haben zwar erkannt, dass auch das unmittelbare Umfeld des Ministerpräsidenten sein Handwerk nicht versteht, aber sie haben viel zu spät interveniert.
Erst im April 2009, nachdem der Schaden durch das dilettantische Management der HSH-Nordbank-Krise geschehen war, hat die CDU-Landtagsfraktion gegen die miserable Arbeit der Staats
kanzlei rebelliert. Letztlich hat sie sich auf den Pott setzen lassen und sich damit zufriedengegeben, dass eine „arme Seele“ geopfert wurde, nämlich der Regierungssprecher, der es nicht verstanden hatte, das Versagen des Ministerpräsidenten ins rechte Licht zu rücken.
Wie dilettantisch diese Staatskanzlei arbeitet, lässt sich übrigens auch blendend an der jüngsten Affäre um das Schreiben des Ministerpräsidenten an den Landtagspräsidenten zu den Sonderzahlungen für HSH-Chef Nonnenmacher ablesen. Dass Peter Harry Carstensen eine solche stümperhafte Arbeit auch noch unterschreibt, zeigt nur, wie wenig er sich um die wichtigen Fragen kümmert. Mir wird - ehrlich gesagt - angst und bange, wenn ich daran denke, was der Ministerpräsident sonst noch hat unterschreiben können.
Aber auch die SPD hat Vertrauen eingebüßt. Sie ist diesem Ministerpräsidenten gefolgt, und sie hat zentrale Positionen über Bord geworfen, um an der Macht zu bleiben. Der größte Sündenfall dieser SPD war es, ein Polizeigesetz des Innenministers Stegner zu unterstützen, das sich nicht einmal ein Otto Schily getraut hätte.
Der größte Fehler war es, dem lästigen Innenminister Ralf Stegner mit dem Fraktionsvorsitz genau die Position in der SPD zu geben, auf der er am besten seine Neigung zu ungezügelten Attacken auf Feind und Freund ausleben konnte. Ich muss sagen, liebe Kolleginnen und Kollegen: Es ist auch enttäuschend, dass Ex-Justizminister Döring nun, wo er seinen Dienstwagen losgeworden ist, plötzlich mit der ungeschminkten Wahrheit über die HSH Nordbank herausrückt.
Ich sage es ganz deutlich: Er hat einen Amtseid geleistet, der ihn verpflichtet hätte, schon vorher Tacheles zu reden.
Durch das Festhalten an einer maroden Koalition haben die CDU und die SPD gemeinsam Vertrauen verspielt. Ihre Parteichefs haben so viele taktische Pirouetten gedreht, dass sie längst den Horizont des politischen Anstands aus den Augen verloren ha
ben. Was Schleswig-Holstein gerade geboten bekommt, ist einfach unterirdisch.
Der Preis für diesen Kamikaze-Wahlkampf ist unermesslich hoch; denn viele Bürgerinnen und Bürger wenden sich angewidert von der Landespolitik ab. Der Schaden für die Demokratie in SchleswigHolstein reicht weit über die Landtagswahl hinaus.
Deshalb fordern wir Peter Harry Carstensen und Ralf Stegner nochmals auf, sich endlich zusammenzureißen und der Verantwortung gerecht zu werden, die ihnen als den herausragenden Vertretern der beiden Volksparteien im Land obliegt. Sollten sie es nicht schaffen, zu einer sachlichen Auseinandersetzung zurückzufinden, kann man nur hoffen, dass andere die Verantwortung übernehmen und das Ruder an bessere Politiker übergeben.
Denn das, was wir im Moment erleben, kann man den Menschen in Schleswig-Holstein nicht bieten.
Seit Beginn dieser Wahlperiode hat die Politik in Schleswig-Holstein sehr viel von ihrer Glaubwürdigkeit und ihrer Würde verloren. Unser Land braucht dringend politische Leitfiguren, die abrüsten können, die Vertrauen schaffen ohne Waffen. Denn das Vertrauen ist erst einmal dahin.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte gern für den SSW begründen, warum wir dem vorliegenden Geschäftsordnungsantrag nicht zustimmen werden. Beschlossen war, dass die Debatte zum Kernkraftwerk Krümmel heute stattfinden sollte. Diese Debatte sollte heute stattfinden, weil sie nur heute Sinn macht. Am Donnerstag wird die Situation eine ganz andere sein. Natürlich kann man die Debatte auch am Donnerstag führen, und der SSW wird sie auch am Donnerstag führen, wenn sie denn geführt werden soll, aber der richtige Zeitpunkt für das Parlament wäre die Debatte am heutigen Tag. Daher werden wir dem vorliegenden Geschäftsordnungsantrag nicht zustimmen.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Seit über zwei Jahren, seitdem klar ist, dass diese Koalition inhaltlich am Ende ist, fordert der SSW im Landtag und auf Parteitagen Neuwahlen. Die Große Koalition hat uns wahrlich ausreichend Gründe gegeben, ein Ende des Bündnisses zu begehren. Ich lasse einmal dahingestellt sein, ob die SPD jetzt gerade am Mittwoch wirklich den entscheidenden Impuls zum Bruch der Koalition geliefert hat oder ob es nicht eher eine von langer Hand geplante Aktion der CDU ist, die kalendarisch motiviert ist. Denn letztlich ist es gleichgültig. Diese Koalition ist am Ende, weil der eine Bündnispartner ausgestiegen ist. Das müssen alle im Landtag und im Land so zur Kenntnis nehmen. Vor diesem Hintergrund unterstützt der SSW alle Initiativen, die vorzeitige Neuwahlen herbeiführen, und wir haben uns selbstverständlich dem vorliegenden Antrag angeschlossen.
Für das Land Schleswig-Holstein und seine Menschen bedeutet ein vorzeitiges Ende dieser Koalition keinen Verlust, sondern einen politischen Frühling, einen Neuanfang.
Das, was Schleswig-Holstein in den letzten vier Jahren von der Großen Koalition geboten wurde, war mit Sicherheit nicht im Sinne der Wählerinnen und Wähler. Insofern ist es höchste Zeit, dass sie wieder das Wort erhalten. Das Parlament muss Verantwortung für das Land übernehmen und diese verkorkste Wahlperiode endlich beenden.
Denn es war weiß Gott eine verkorkste 16. Wahlperiode, deren Ende wir in der kommenden Woche besiegeln werden. Am Anfang stand der hinterhältige Sturz der Ministerpräsidentin durch einen politischen „Heckenschützen“, der sich bis heute in diesem Saal versteckt hält. Es gibt viele Mutmaßungen über die Motive dieser Tat: neben persönlichen Beweggründen wurde auch über die Furcht vor der Instabilität einer sehr knappen Mehrheit spekuliert. Letztlich wissen wir es nicht. Aber was wir mit Sicherheit wissen ist, das, was stattdessen folgte, war alles andere als handlungsfähig und stabil.
Der SSW hatte seine Bereitschaft zur Tolerierung einer Minderheitsregierung 2005 damit begründet, dass wir eine Große Koalition verhindern wollten,
weil diese nicht gut für das Land ist. Die CDU und die SPD haben es auf herausragende Weise geschafft, unsere Vorurteile voll und ganz zu bestätigen.
Die Große Koalition hat einen entscheidenden Webfehler: Sie kann sich nicht auf politische Lösungen für wichtige Probleme verständigen; sie bedeutet zumeist Stillstand und zuweilen faule Kompromisse. Dies wurde zuletzt paradoxerweise gerade dadurch deutlich, dass die CDU und die SPD sich in der letzten Sitzung des Koalitionsausschusses auf massive Einsparungen einigen konnten.
Es klappte nur, weil die SPD durch ihre Angst vor Neuwahlen gelähmt war und deshalb dem Diktat der CDU wenig entgegenzuhalten hatte. Unter normalen Bedingungen einer Großen Koalition mit zwei starken Partnern wäre dies niemals möglich gewesen. Bei normaler Betriebstemperatur produziert eine Große Koalition keine großartigen Lösungen, sondern allenfalls Lauwarmes.
Ich gestehe zu, dass es seit 2005 auch Fortschritte gegeben hat. Die Intensivierung der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit mit Dänemark ist richtig und wichtig. Auch das Verhältnis Schleswig-Holsteins zum Vatikan war seit der Reformation nicht mehr so herzlich wie heute.
Aber der größte Teil der letzten vier Jahre ist mit Streitigkeiten vergeudet worden: Schülerbeförderungsgebühren, kostenlose Kita, Haushaltssanierung, Nichtraucherschutz, Schuldenbremse, Beamtenbesoldung, Verwaltungsreform, Entbürokratisierung, HSH Nordbank, Personalabbau, Atomenergie. Diese zentralen politischen Themen verbindet in Schleswig-Holstein ein gemeinsamer Nenner: Konflikte zwischen der CDU und der SPD. Das Ergebnis dieser Auseinandersetzungen war in der Regel nur viel verschwendete Arbeitszeit. Das Leuchtturmprojekt des Scheiterns war die Kreisreform. Das traurigste Beispiel ist das Aus für eine bundesweit vorbildliche Justizreform. Die Liste der verpassten Chancen ließe sich beliebig lang fortsetzen.
Die Landesregierung wird nun natürlich auf das neue Schulgesetz verweisen wollen, und damit hat sie auch recht. Die Einführung der Gemeinschaftsschulen, für die sich der SSW seit Jahrzehnten einsetzt, ist der größte Erfolg dieser Wahlperiode. Aber die Schulreform ist gleichzeitig auch ein Paradebeispiel für das CDU/SPD-Elend, sie trägt den Makel der Großen Koalition. Weil man sich nicht einigen konnte, wurden SPD-Schulen - sprich: Gemeinschaftsschulen - und CDU-Schulen - sprich:
Regionalschulen - eingeführt, und auch in der nachfolgenden bildungspolitischen Debatte, vor allem, wenn es um die Ausstattung der Schulen ging, vertrat jeder die Interessen der eigenen Schulform. Modern und zukunftssicher sieht anders aus.
Die glühenden Anhänger einer Großen Koalition, die 2005 von großen Taten träumten und deshalb nicht zuletzt auf den SSW einprügelten, wurden enttäuscht. Die Große Koalition hat keine großen Taten vollbracht und keine schwierigen Reformen bewältigt. Im Gegenteil. Bei den allermeisten Problemen ist Schleswig-Holstein einer Lösung kein Stück näher als bei Regierungsantritt 2005. Das Gesamtwerk dieser Regierung trägt den Titel: „Die Unvollendete“.
Eigentlich spricht es ja fast schon wieder für die beiden großen Parteien, dass sie sich kaum darauf verständigen können, dass ein Schimmel weiß ist. Eigentlich widerspricht es ja den üblen Stammtischparolen von: Es ist egal, wen man wählt, die sind doch alle gleich. Aber dies ist keine Entschuldigung für fehlende politische Kompromisse, und dies ist zugegebenermaßen bei Weitem nicht die einzige Erklärung für dieses Trauerspiel. Natürlich hat die persönliche Chemie auch eine Rolle gespielt, und natürlich gibt es nicht einen guten und einen bösen Jungen in diesem Spiel.
Sowohl Peter Harry Carstensen als auch Ralf Stegner haben in den vergangenen Jahren ihre Schattenseiten offenbart und nach Kräften zum Scheitern beigetragen.
Der Chef der Regierung hat sich jahrelang damit begnügt, als Landesvater über Dörfer und Marktplätze zu tingeln und Körperkontakt zum Bürger mit bürgernaher Politik zu verwechseln. Zu den wichtigen landespolitischen Themen schwieg er. Als die Finanzkrise und ihre Folgen entschlossenes politisches Handeln forderten, zauderte er und überließ die Arbeit anderen. Wir haben jetzt vier Jahre lang einen Ministerpräsidenten erlebt, der auf Volksfesten zur Hochform auflief, aber politisch versagte.
Herr Carstensen hat gestern einen Rücktritt mit der Begründung zurückgewiesen, dies sei für einen erfolgreichen Ministerpräsidenten absurd. Angesichts
der Bilanz seiner Regierung stellt sich allerdings die Frage, ob Herrn Carstensen eigentlich der Unterschied zwischen politischem Erfolg und persönlicher Popularität bewusst ist. Wenn wir Peter Harry Carstensen einmal politisch erlebt haben, dann ging es um die Vertretung seiner machtpolitischen Interessen in Partei und Koalition. Auch der vermeintlich friedvolle Ministerpräsident hat es nicht immer vermocht, ganz ohne Schafspelz zu agieren.
Der Chef der SPD seinerseits hat keine Gelegenheit ausgelassen, sich vom Koalitionspartner und insbesondere vom Ministerpräsidenten abzugrenzen. Spätestens seitdem die Große Koalition den Fehler beging, den Ministerpräsidenten in spe, Ralf Stegner, vom Innenminister zum SPD-Fraktionsvorsitzenden zu befördern, liefen die Dinge endgültig aus dem Ruder. Immer wieder sprach Ralf Stegner wie ein Oppositionsführer, griff den Bündnispartner CDU feindselig in den Inhalten an, um anschließend doch mit der Koalition zu stimmen. Immer wieder wurden die Bürgerinnen und Bürger Zeugen von undiplomatischen und teilweise überheblichen persönlichen Bemerkungen über den Ministerpräsidenten und andere Koalitionspartner. Stegner hat selbst dann weiter provoziert, als längst klar war, dass er damit einen Koalitionsbruch riskierte und das Klima belastete.
Wäre das, was wir in den letzten Jahren erlebt haben, nur ein Film gewesen, dann würde man es als rabenschwarze Tragikomödie bezeichnen. Es war ein Werk, das vermutlich von der Kritik wegen seiner absurden und unrealistischen Elemente zerrissen worden wäre. Im wirklichen Leben nennt man es Große Koalition. Sie wird hoffentlich für sehr viele Jahre wieder vom Spielplan verschwinden, denn sie tut unserem Land nicht gut.
Ich möchte nicht verhehlen, dass ich in den letzten Jahren auch anderes gesehen habe. Ich kann verstehen, dass es unter diesen Bedingungen für diejenigen schwierig ist, die trotzdem noch versuchen, eine korrekte Politik zu machen und Ergebnisse zu erzielen. Denn diese Große Koalition besteht nun einmal aus mehr als zwei mimosenhaften Streithähnen.
Aber ich werfe allen Großkoalitionären vor, dass sie an der Macht festgehalten haben, obwohl für die Bürgerinnen und Bürger kaum etwas herauskam und obwohl bei der Bewältigung wichtiger politischer Probleme wertvolle Zeit vergeudet wurde.
Das hat Schleswig-Holstein nicht verdient, und das haben die Wählerinnen und Wähler bestimmt nicht so gewollt.
Eine Koalition, die sich nicht einig werden kann und die diese Uneinigkeit wechselseitig durch mehr oder weniger persönliche Angriffe auf den Koalitionspartner zu Markte trägt, hat keine weitere Chance verdient. Seit vielen Monaten erleben wir nun einen unversöhnlichen Dauerkonflikt zwischen der CDU und der SPD, bei dem sich die Partner mit allem bewerfen und beschießen, was die politische Waffenkammer hergibt. Es reicht, liebe Kolleginnen und Kollegen!
Mittlerweile kann sich niemand mehr der Illusion hingeben, dass die beiden Parteien wieder friedvoll miteinander leben, geschweige denn gemeinsam Projekte durchführen können. Nicht einmal die Beteiligten selbst glauben noch daran; das hat der Ministerpräsident ja schon deutlich gezeigt, als er am 24. April Neuwahlen offerierte. Die SPD hat diesen Scheidungsantrag ignoriert, aber nun legt die CDU-Landtagsfraktion nach und macht nochmals deutlich, dass der einzige Ausweg eine Trennung ist. Die Beziehung ist am Ende.
Leider haben das nicht alle Beziehungspartner verstanden. Die SPD benimmt sich gerade wie ein Ehepartner, der hilflos von einer rosenroten Zukunft träumt, während der andere schon die Umzugskisten aus der gemeinsamen Wohnung trägt. Im wirklichen Leben wirkt so etwas bestenfalls mitleiderregend, aber meistens nur peinlich. Wacht auf, liebe Kolleginnen und Kollegen, ihr seid verlassen worden!
Es gibt kein Zurück mehr. Selbst ein krankhafter Optimist kann sehen, dass es nur schiefgehen kann. Angesichts der nahenden Wahlen werden sich die betreffenden Herren weniger denn je das Schwarze unter den Fingernägeln gönnen. In der Großen Koalition würden sich die SPD und die CDU bis zum 9. Mai 2010 gegenseitig provozieren, sich geläutert zeigen, sich wieder bis aufs Blut reizen, sich wieder zusammenreißen und so weiter. Diese Spirale dreht sich schon seit fast zwei Jahren abwärts, und die Bürger fragen immer mehr, wozu sie eigentlich ei
ne Landesregierung benötigen, wenn diese keine Politik machen kann.
Wir brauchen eine Landesregierung, aber diese Landesregierung ist nicht zu gebrauchen.
Man muss kein Politologe sein, um festzustellen, dass das Vertrauen in die Integrität der Landespolitik in den letzten Monaten auf dem tiefsten Punkt seit Jahrzehnten angekommen sein dürfte. Dazu hat das CDU/SPD-Bündnis nach besten Kräften beigetragen. Wir brauchen einen Neuanfang, liebe Kolleginnen und Kollegen, wir brauchen ihn jetzt. Deshalb appellieren wir nochmals an die Kolleginnen und Kollegen der SPD: Vergesst alle Träume von einer glücklichen Beziehung mit der CDU! Es reicht nicht einmal mehr für ein Zweckbündnis. Deshalb gebt eure Stimme für die Auflösung des Landtags!
Sollte sich die SPD einer Auflösung des Parlaments verweigern, dann erwarten wir, dass Peter Harry Carstensen die Konsequenz aus der CDU-Initiative zieht. Er muss dann den Weg zu Neuwahlen freimachen, indem er im Landtag die Vertrauensfrage
stellt. Wir vom SSW garantieren dem Ministerpräsidenten, dass wir ihm nicht unser Vertrauen aussprechen werden.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist mehr als ärgerlich, dass die Landesregierung in ihrer Vorbemerkung zur Antwort auf die Große Anfrage die Unterbringung in einer zentralen Unterkunft als alternativlos darstellt. Das ist falsch, zu
mindest was den Aufenthalt nach Ablauf von drei Monaten betrifft.
Hinzu kommt, dass die Landesregierung in ihrer Erläuterung zu Frage 2 der Großen Anfrage die Notwendigkeit des Erhalts mindestens einer Landesunterkunft aufgrund von § 44 des Asylverfahrensgesetzes anführt. Dieser Paragraf bezieht sich nach Aussagen des Flüchtlingsrats aber nur auf die Erstaufnahme, die längstens drei Monate dauern soll. Soll heißen, eine Befristung ist zum einen rechtlich durchaus möglich, zum anderen werden dezentrale Unterbringungsmöglichkeiten in Kommunen und Städten, die sich für das Flächenland Schleswig-Holstein geradezu anbieten, aktuell diskutiert, aber offensichtlich ist die Landesregierung nicht gewillt, in diese Diskussion einzutreten.
So kommt es, dass die Aufenthaltsdauer in der zentralen Unterkunft durchschnittlich bei circa einem Jahr liegt. Bei Ausreisepflichtigen liegt die durchschnittliche Verweildauer sogar bei 565 Tagen. Bedauerlich ist in diesem Zusammenhang aber, dass sich die Landesregierung nicht dazu imstande sieht, eine genauere Statistik vorzulegen. Aus Sicht des SSW würde eine Statistik über die Aufenthaltsdauer von Asylsuchenden in den zentralen Gemeinschaftsunterkünften jedoch wirklich zu mehr Transparenz in diesem Bereich beitragen. Es kann also aus unserer Sicht nicht einfach als mehr Bürokratie abgetan werden.
Die Landesregierung scheint aber weiterhin der Meinung zu sein, dass die zentrale Unterbringung der Flüchtlinge ohne eigene Wohnung, ohne eigene Kaffeemaschine und ohne eigene Toilette - sage ich einmal ganz plastisch - die gesetzlich einzig erlaubte sei. Unverblümt gibt sie zu, dass es bei der zentralen Unterbringung darum gehe, möglichst hohe Rückführungsraten zu erreichen.
Nur die - ich zitiere aus der Antwort - „Wohnverpflichtung in einer Landesunterkunft und die konsequente Einhaltung rechtlicher Vorgaben zeigen Erfolge“.
Wohnen die Flüchtlinge dagegen nicht in der zentralen Unterkunft, sei die Rate der Rückführung geringer.
Problematisch ist nur, dass die Landesregierung im weiteren Verlauf der Beantwortung jegliche Begründung schuldig bleibt, inwieweit die landeszentrale Unterbringung tatsächlich zu einem beschleunigten Verfahren führt. Das Argument der Be
schleunigung der asyl- und aufenthaltsrechtlichen Verfahren durch die zentrale Unterbringung, wobei jederzeit auf die Betroffenen zugegriffen werden kann, entlarvt sich somit aus Sicht des SSW als ein vorgeschobenes Argument. Es geht um Kontrolle. Sollte das Argument zutreffen, müssten alle Arten von Antragsteller direkt bei der zuständigen Behörde wohnen, um die Verfahren zu beschleunigen. Das würde Finanz- und Bauamt sicherlich von ganzem Herzen freuen. Wenn man das Argument in dieser Weise auf die Inlandsbevölkerung anwendet, zeigt sich, wie vorgeschoben das Argument tatsächlich ist.
Es bleibt also als belastbarer Grund für die zentrale Unterbringung nur die Abschreckung. Dieses politische Argument für die zentrale Unterbringung lehnen wir ab, haben wir auch früher immer abgelehnt.
In der Antwort auf die Große Anfrage geht die Landesregierung auf den schlechten psychosozialen Zustand vieler Flüchtlinge ein, der sich nach Jahren der Verfolgung und der Flucht fast automatisch einstellt. Trotzdem zwingt sie die Flüchtlinge in eine Zwangsgemeinschaft, bei der kaum eine Privatsphäre möglich ist und verdammt sie zum Nichtstun. Damit provoziert sie geradezu Stress und Reibereien. Die Träger bemühen sich redlich und umgehen das Verbot von Deutschkursen mit eigenen Angeboten. Sie wissen am besten, dass ohne rudimentäre Deutschkenntnisse die zentrale Unterbringung für ihre Bewohner zum Gefängnis wird, wenn draußen keine Verständigung möglich ist.
Der SSW hat in seiner Flüchtlingspolitik immer darauf hingewiesen, dass die Würde des Menschen Maßstab jeder Politik bleiben muss. Das fordern wir auch an dieser Stelle nachdrücklich ein. Wir plädieren dafür, unbegleitete jugendliche Flüchtlinge ebenso wie Familien mit Kindern grundsätzlich dezentral unterzubringen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, dieses zu ändern, müsste ein erster Schritt sein.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Am 23. Mai wurde das Grundgesetz 60 Jahre alt. Im Parlamentarischen Rat hatte man sich viele Gedanken gemacht, welche Konsequenzen das neue demokratische Deutschland aus dem Unrecht des Dritten Reichs ziehen sollte. Herausgekommen ist unter anderem das Grundrecht auf politisches Asyl. 1992 wurde das Asylgrundrecht durch eine Drittstaatenklausel abgewertet - eine Entscheidung, die der SSW damals heftig kritisierte.
Die neue politische Bewegung des Resettlements versucht, diesen Fehler zumindest teilweise zu beheben. Menschen, die in einem Drittland Zuflucht gesucht haben, können im Zuge der ResettlementPolitik trotzdem auf die Gastfreundschaft Deutsch
lands hoffen. Hintergrund sind die wachsenden Flüchtlingsströme.
Die Vereinten Nationen haben das Flüchtlingskommissariat beauftragt, dauerhafte Lösungen für die Flüchtlinge zu finden. Dies kann entweder eine Perspektive im Erstfluchtland sein, die freiwillige Rückkehr ins Heimatland oder eben die Neuansiedlung in einem sicheren Drittland wie Deutschland. Für die irakischen Flüchtlinge in Syrien kommt eine Rückkehr nicht in Frage, ebenso wenig wie der Verbleib im Fluchtland, wo für die irakischen Christen keine freie Religionsausübung möglich ist. Insgesamt schätzt der UNHCR, dass aktuell mehr als 6,2 Millionen Menschen in ausweglosen Flüchtlingssituationen ohne Aussicht auf eine dauerhafte Lösung leben müssen: bhutanesische Flüchtlinge in Nepal, afghanische Flüchtlinge im Iran und in Pakistan sowie burundische, somalische, kongolesische und liberianische Flüchtlinge in Tansania, Uganda, Kenia und in der Republik Kongo. Ich glaube, es ist wichtig, dass wir diese Perspektive berücksichtigen, wenn wir uns über Flüchtlingspolitik unterhalten.
Der SSW unterstützt die Resettlement-Bemühungen der Vereinten Nationen und hat bereits im Januar gemeinsam mit BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD einen entsprechenden Antrag im Kieler Rat vorgelegt.
Dennoch möchte ich darauf hinweisen, dass ein ernstzunehmendes Resettlement-Programm, das den Flüchtlingen Sprach- und Integrationskurse anbietet und sie bei Aus- und Weiterbildung unterstützt, solide finanziert sein muss. Wir müssen daher umgehend eine Einigung über die notwendigen Mittel erzielen und diese dann auch beschließen. Nur so bleibt unsere Glaubwürdigkeit erhalten. Denn schließlich wird eine humane Flüchtlingspolitik nicht an Resolutionen gemessen, sondern an Taten.
Darüber hinaus sollte die Euphorie für die neue Flüchtlingspolitik die offenen Fragen der alten Flüchtlingspolitik nicht vergessen machen. Resettlement ist nur eine Ergänzung, aber keinesfalls ein Ersatz. Das hat der Kollege Hentschel vorhin ganz deutlich gemacht.
In Schleswig-Holstein leben immer noch Tausende Menschen ohne einen gesicherten Aufenthaltstatus mittels der sogenannten Kettenduldung. Diese Geduldeten leben von einem Tag zum anderen, immer von Abschiebung bedroht. Die Idee, SchleswigHolstein zum sicheren Hafen, zum Safe Haven, zu erklären, ist unschlagbar gut und findet unsere volle
Unterstützung. Die Kampagne von Flüchtlingsrat, Wohlfahrtsverbänden und Kirchen will einen Neuanfang in der Flüchtlingspolitik wagen und ruft die Schleswig-Holsteinerinnen und Schleswig-Holsteiner auf, sich am eigenen Wohnort für Zufluchtsstätten einzusetzen. Damit zieht sie einen Schlussstrich unter eine Debatte, in der menschliche Einzelschicksale zur Flut umgeschrieben wurden. Safe Haven will einzelnen Flüchtlingen eine sichere Heimstätte bieten; ein neues Zuhause. Ich denke, das ist ein neuer Anfang für ganz viele Menschen. Dem sollten wir uns alle anschließen.
Herr Minister, ich möchte nur gern hören, ob ich das richtig verstanden habe: Am 1. Juli 2009 traten die Regeln der SoFFin in Kraft, und am Tag vorher ist die Sonderzahlung an Herrn Nonnenmacher erfolgt. Ist das so geschehen, um die Regeln der SoFFin nicht in Anwendung zu nehmen?
Habe ich es richtig verstanden, dass dort, wo die Menschen diese Technologie nicht wollen, sie auch nicht hinkommen soll? Was machen wir denn mit der küstennahen Nordsee, wo nicht Menschen, sondern nur Schwalben demonstrieren können? Was machen wir mit diesem Bereich?
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN haben in ihrem Antrag zur Studierbarkeit eine Vielzahl von Vorschlägen aufgelistet, um Bachelor-Master-Studiengänge zu verbessern. Ich will gleich auf diese Anregung eingehen, möchte aber noch einmal klarstellen, dass alle akkreditierten Studiengänge grundsätzlich natürlich auch studierbar sind und als studierbar gelten.
Gleichwohl sind auch wir der Auffassung, dass es einen umfassenden Nachbesserungsbedarf an der Umsetzung des Bologna-Prozesses gibt. Aber ich glaube, dieser Nachbesserungsbedarf hat sehr viel mit unseren Hochschulen und auch mit dem zu tun, was Kollege Weber vorhin ansprach, dass man bei der Umstellung auf Bachelor/Master auf Krampf der Meinung war, es müsste etwas grundlegend Anderes auf dem Tisch liegen.
Nach dem vorliegenden Antrag soll der BachelorAbschluss vorrangig ein berufsqualifizierender Abschluss sein. Ich denke, es ist doch etwas überraschend, dies als Forderung aufzustellen. Denn bekannt ist ja, dass der Bachelor der erste berufsqualifizierende Abschluss ist. Natürlich kann es nicht zu jedem Abschluss auch das entsprechende Berufsbild geben. Zum einen entwickeln sich Berufsbilder nicht von heute auf morgen, zum anderen ist das fehlende Berufsbild zum Teil ein grundlegendes Merkmal wissenschaftlicher Studiengänge. Das Studium dient gerade dazu, ein individuelles Berufsbild zu entwickeln. Ich erwarte einfach auch, dass allmählich begriffen wird, dass diejenigen, die
ein Studium absolvieren, nicht ohne Weiteres in ein bestimmtes Berufsbild hineinpassen, sondern auch die Möglichkeit haben, mit dem Werkzeug des Studiums individuelle Berufsbilder zu erschließen. Ich glaube, diese Vorstellung muss noch deutlicher formuliert werden.
Die zweite Forderung bezieht sich auf eine Reduzierung der Arbeitsbelastung und auf die grundlegende Einführung von Teilzeitstudiengängen an den Hochschulen. Wie hoch die Arbeitsbelastung der Studierenden ist, bestimmen die Hochschulen zuerst einmal selbst, da sie die Creditpoints pro Lehrveranstaltung vergeben. Hier gibt es also ausreichend Gestaltungsspielraum, um die Studierenden nicht mit 40, 50 Stundenwochen zu überfrachten.
Aus Sicht des SSW muss es möglich sein, alle Studiengänge auch als Teilzeitstudiengänge an den Hochschulen anzubieten.
Nur so kann den Studierenden, die zum Beispiel aufgrund von Nebenjobs oder Kinderbetreuung nicht die Möglichkeit haben, Vollzeit zu studieren, ein offizieller Studienrahmen geboten werden. Darüber hinaus dürfen nach unserer Auffassung aber Vollzeit- und Teilzeitstudienmodelle nur Modelle für die durchschnittliche Studienzeit sein. Wir begrüßen daher ausdrücklich, dass die schleswig-holsteinischen Hochschulen interne Regelungen gefunden haben, um den Studierenden innerhalb bestimmter Grenzen ein Studientempo zu gewähren, das zu ihren individuellen Lebensumständen passt.
Die Kritik an der Prüfungsbelastung in Punkt drei des Antrags ist aus Sicht des SSW wirklich berechtigt. Die häufige Leistungskontrolle, die Anzahl an Leistungsnachweisen in Form von Hausaufgaben oder Tests und natürlich die Modulabschlussprüfungen sind wirklich zuviel des Guten. Hier müssen sich die einzelnen Institute zusammensetzen und die Prüfungsordnung so überarbeiten, dass die Studierenden nicht unter der Last der Leistungskontrolle zusammenbrechen. Ich denke, das wird man hinbekommen. Aber auch hier gilt, dass es hausgemachte Probleme sind, die nicht unbedingt etwas mit der neuen Struktur zu tun haben.
Die Befürchtung von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, dass die finanzielle Unterausstattung in der Lehre dafür sorgt, dass die Anzahl der Studierenden im Masterstudium reduziert werden soll, kann nach
unserer Auffassung nicht geteilt werden. Gerade nach Beschluss zur Fortsetzung des Hochschulpakts haben die Hochschulen Interesse daran, ihre SollZahlen auch zu erfüllen. Immerhin bekommen sie für mehr Studierende in den nächsten Jahren auch mehr Finanzierung. Vielleicht sollte man den Hochschulen diese Information noch einmal deutlich zukommen lassen.
- Ja, das ist richtig. Das ist ein Problem, das sehe ich auch ein. Aber gleichwohl gilt das andere auch.
Die Hochschulen - auch das gilt aus meiner Sicht haben zehn Jahre Zeit gehabt, um die Forderungen des Bologna-Abschlusses umzusetzen. Trotzdem gibt es gerade in Schleswig-Holstein Studiengänge, die noch nicht auf das neue System umgestellt sind.
Wir befinden uns immer noch in einem Umwälzungsprozess für eine neue Studienkultur.
Ich komme zum Schluss, Frau Präsidentin. - Wir müssen auch hier weiterhin ein wachsames Auge auf die Realisierung des Bachelor-Master-Studiengänge haben, um zu verhindern, dass das organisatorische und inhaltliche Korsett zu eng geschnürt wird. Gleichwohl gibt es aus Sicht des SSW keinen Weg zurück in eine Zeit vor Bachelor/Master.
Deshalb, glaube ich, ist es wichtig, dass wir uns im Ausschuss - so oder so - noch einmal mit diesem Antrag beschäftigen.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Strukturen werden von Menschen geschaffen, und gerade wenn es um grenzüberschreitende Polizeizusammenarbeit geht, ist das ein wichtiger Punkt. Denn wann immer es um die Zusammenlegung von Behörden oder Verwaltungen geht, die von oben verantwortet werden, herrscht auf der Arbeitsebene erst einmal Skepsis gegenüber dem neuen Partner. Dieser Effekt wird noch verstärkt, wenn es um die Zusammenlegung verschiedener nationaler Behörden geht. Unterschiedliche Behördenstrukturen, allgemeine Vorurteile gegenüber den Fremden und insbesondere Sprachprobleme erschweren erst einmal die Zusammenarbeit. Vor diesen Problemen standen auch die Polizei- und Zollbeamten, die 2001 in Padborg eine deutsch-dänische Bürogemeinschaft bilden sollten. Der Vertrag von Schengen bildet die Grundlage für diese Zusammenarbeit, das haben wir bereits gehört.
Mit der Vertragsunterzeichnung Dänemarks 2001 war die Grenze zwischen Dänemark und Deutschland plötzlich scheinbar offen. Es gab ja keine Grenzposten, keine Grenzkontrollen mehr. In diesem Zusammenhang möchte ich noch einmal darauf hinweisen, dass Deutschland - das wissen Sie zu den ersten europäischen Staaten gehört, die den Schengener Vertrag bereits 1995 unterzeichneten. Mit anderen Worten, Deutschland hatte 2001 bereits seine Erfahrungen mit offenen Grenzen. Man
war sich auf politischer Ebene einig. Nun, da die Grenzkontrollen 2001 weg waren, sollte eine neue Art der nachbarschaftlichen Zusammenarbeit zwischen den Polizei- und Zollbehörden stattfinden. Damit war der erste Schritt für die vorhin genannte Bürogemeinschaft in Padborg geschaffen. Eine gemeinsame Grundlage, auf der diese Zusammenarbeit stattfinden sollte, gab es aber nicht.
Es hat für das Team einige Zeit gekostet, bis man herausfand, wie das Gegenüber denkt und arbeitet. Es gab Fortbildungsreisen in die deutsch-französische Grenzregion, wo es eine derartige Zusammenarbeit bereits gab, und insbesondere das Erlernen der anderen Sprache führte dazu, dass die Bürogemeinschaft zusammengefunden hat.
Die deutsch-dänische Bürogemeinschaft der Polizei- und Zollbehörden in Padborg ist eine wichtige Verbindungsstelle zwischen den Behörden, deren Bedeutung weit über den unmittelbaren Grenzbereich hinausreicht. Der Minister sprach es in seinem mündlichen Bericht auch an. Sie bildet die Grundlage für ein Europa der offenen Grenzen.
Wer dies will, muss auch den entsprechenden Rahmen für solche Zusammenarbeit schaffen, um diese dann auch stärken zu können. Da hilft es wenig, dass die Dienststelle seit Bestehen nur einen inoffiziellen Status hat. Die weitere Zusammenarbeit muss endlich auf ein solides Fundament gestellt werden, wobei dem SSW durchaus bewusst ist, auch das möchte ich hinzufügen -, dass der Status der Bürogemeinschaft letztendlich auch mit der dänischen EU-Politik zusammenhängt.
Die Volksabstimmung zum Edinburgh-Vertrag führte dazu, dass es für Dänemark weiterhin Ausnahmeregelungen bei der EU-Zusammenarbeit gibt. Dazu gehört auch die polizeiliche Zusammenarbeit. Dies kann nur im Rahmen eines neuen Referendums geändert werden. Das heißt, der realistische Weg vor diesem Hintergrund sollte sein, dass sich Dänemark und Deutschland bilateral auf einen Vertrag verständigen. Dabei muss von beiden Seiten eine personelle und vor allem eine organisatorische Stärkung der Dienststelle erfolgen. Mittlerweile wurde von deutscher Seite das Landeskriminalamt mit eingebunden, und die dänische Polizei ist nun auch fester Bestandteil der Bürogemeinschaft; so war es nämlich am Anfang nicht.
Von dänischer Seite besteht aber weiterhin großes Interesse daran, dass die deutschen Finanzbehörden und die Steuerfahndung ebenfalls an der Bürogemeinschaft teilnehmen, um diesen Bereich auch besser zu koordinieren. Es ist aber vor allem not
wendig, endlich die Arbeit der Bürogemeinschaft abzusichern. Dies ist mittlerweile umso wichtiger geworden, da die Umstrukturierung der deutschen und dänischen Polizei dazu geführt hat, dass Personen, die an der Zusammenarbeit noch aktiv beteiligt waren, mittlerweile ausgetauscht wurden. Das hängt also wieder damit zusammen, dass es wünschenswert ist, einen offiziellen Status der Bürogemeinschaft zu bekommen.
Aber auch vor dem Hintergrund der aktuellen Diskussionen auf dänischer Seite über die offenen Grenzen muss der Status der Bürogemeinschaft endlich formalisiert werden. Die Zusammenarbeit der Sicherheitsbehörden an der deutsch-dänischen Grenze muss gestärkt werden. Soll die Bürogemeinschaft weiterhin erfolgreich arbeiten, muss von beiden Seiten auch etwas dafür getan werden. Ich möchte nicht, dass dies als Kritik an der Arbeit der Bürogemeinschaft verstanden wird. Ich habe diese Bürogemeinschaft besucht. Sie ist wirklich dadurch gekennzeichnet, dass sehr engagierte Beamte dort tätig sind und dass vieles - ganz vieles - auf dem kleinen Dienstweg geregelt werden kann. Das heißt, mit dem Wunsch nach einer Absicherung dieser Bürogemeinschaft und der Forderung nach einem offiziellen Status sollen nicht weitere bürokratische oder hierarchische Wege eingeführt werden. Das ist nicht mein Anliegen. Kennzeichnend für die Arbeit ist eben, dass man sehr schnell sehr flexibel handelt, und das hat ja auch dazu geführt, dass man dann das hat leisten können, was der Minister in seinem mündlichen Bericht angesprochen hat.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wahrscheinlich hat jeder einzelne von uns schon einmal erlebt, welchen Frust Politikverdrossenheit bei den Bürgerinnen und Bürgern auslösen kann. Da heißt es dann: ,,Das sind die da in Kiel“, oder: ,,Die wissen ja gar nicht mehr, was bei uns eigentlich passiert“. Aufgrund zunehmender Frustration gegenüber den Aufgaben und Strukturen in der Politik gehen viele Menschen nicht mehr zu den Wahlen, interessieren sich nicht mehr für politische Geschehnisse und schon gar nicht für politische Teilhabe. Dieses Verhalten rührt vor allem aus der Unkenntnis vieler Menschen über das politische System, seine Aufgaben, seine Chancen und auch seine Grenzen.
Mit dem von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN geforderten Freiwilligen Sozialen Jahr Politik wird aus Sicht des SSW daher ein Instrument geschaffen, um bei der Politikverdrossenheit besonders jüngerer Menschen anzusetzen. Das begrüßen wir grundsätzlich. Gleichwohl haben auch wir einige Anmerkungen zu der Umsetzung dieses Antrags.
Bisher haben wir in Schleswig-Holstein bereits das Freiwillige Ökologische Jahr, das Freiwillige Soziale Jahr und das Freiwillige Soziale Jahr Kultur. Das wissen Sie alle. Damit gibt es verschiedenste Möglichkeiten, einen Dienst an der Allgemeinheit zu tun und bürgerschaftliches Engagement zu erproben. Ziel eines Freiwilligen Sozialen Jahres Politik darf nach Auffassung des SSW aber nicht nur das Kennenlernen von Strukturen, Aufgaben und Arbeitsabläufen in politisch relevanten Institutionen sein. Vielmehr muss das Freiwillige Jahr als ein Bildungs- und Orientierungsjahr gesehen werden, bei dem die persönliche Weiterentwicklung der Jugendlichen und die Entfaltung ihrer Kompetenzen im Vordergrund stehen.
Ich sage noch einmal ganz deutlich: Ein Freiwilliges Soziales Jahr Politik darf unserer Meinung nach nicht zu einer Politikerrekrutierungsanstalt verkommen. Es geht vielmehr um den Prozess der Menschwerdung der Jugendlichen, um die Entwicklung ihrer Persönlichkeit und ihres Verantwortungsbewusstseins durch das Erlernen politischen Handelns.
Unserer Meinung nach sind daher die von den Grünen vorgeschlagenen Institutionen für ein solches Freiwilliges Jahr nicht uneingeschränkt empfehlenswert. Die Kollegin Birk hat ja auch gesagt, darüber könne man noch reden. Das freut mich.
Da es nicht darum gehen kann, kleine Politikerinnen und Politiker auszubilden, sehen wir von den Verwaltungen und Parteien als Institutionen für dieses Freiwillige Soziale Jahr Politik ab. Das wollen wir nicht. Stattdessen sollten vielmehr Einrichtungen wie eben politische Stiftungen, Einrichtungen der politischen Erwachsenenbildung und Gewerkschaften den Rahmen abgeben.
Nur dadurch erlernt man politisches Handeln und entwickelt die eigene Persönlichkeit weiter.
Weiterhin darf die Einrichtung eines FSJ Politik nicht zulasten der bisherigen Plätze des bisherigen Freiwilligen Sozialen Jahres gehen. Es sollen nicht die bestraft werden, die bereits erfolgreich arbeiten. Die Plätze müssen also entweder zusätzlich zu dem bereits vorhandenen Angebot eingerichtet werden, oder aber die Struktur muss komplett verändert werden.
Die Sparteneinteilung der Freiwilligenjahre wirkt mittlerweile sowieso ein bisschen künstlich. Darum schlage ich vor, dass man diese Einteilung aufhebt und ein allgemeines Freiwilliges Jahr einrichtet, in dem verschiedene Schwerpunkte möglich sind.
Der Landesrechnungshof hat in seinen Bemerkungen 2009 die vielen Plätze in Schleswig-Holstein für das Freiwillige Ökologische Jahr kritisiert. Hier wird sowohl eine Reduzierung der Plätze als auch eine Reduktion der Ausstattung und der Betreuung gefordert. In den letzten Jahren hat sich die Einrichtung der Freiwilligenjahre jedoch nachhaltig bewährt. Zwischen den Bundesländern herrscht ein reger Austausch, ein Geben und Nehmen. Dass Schleswig-Holstein in der Bereitstellung von Plätzen eine Spitzenposition innehat, ist aus Sicht des SSW positiv hervorzuheben, und diese Vorreiterrolle unseres Landes muss auch in Zukunft erhalten bleiben.
Ich fasse noch einmal zusammen: Ein Freiwilliges Soziales Jahr Politik bietet die Möglichkeit, jungen Menschen ein Bildungs- und Orientierungsjahr anzubieten, das ihr Verständnis und ihr Interesse für Politik nachhaltig stärkt und fördert. Bei der Ausgestaltung darf das Jahr aber nicht als eine Karriereschmiede für Nachwuchspolitiker missbraucht werden, und die Einrichtung darf auch nicht zulasten der bisher vorhandenen Plätze gehen. Das En
gagement junger Menschen geht uns alle an und sollte auch dementsprechend gefördert werden. Darum glaube ich, ist es richtig, dass wir uns im Sozialausschuss noch einmal mit dem Konzept befassen. Das ist wohl das richtige Gremium. Das Thema kann man ja nach der Landtagswahl wieder aufrufen; es läuft nicht weg.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Dies ist ein denkwürdiger Moment in der Geschichte des Schleswig-Holsteinischen Landtags. Selten trat deutlicher zutage, dass zentrale Entscheidungen von wenigen Menschen in Hinterzimmern getroffen werden. Selten war so klar, wie wenig die Regierenden von der offenen Meinungsbildung im Parlament halten. Der Koalitionsausschuss hat den einstimmigen Landtagsbeschluss zur Schuldenbrem
se verworfen, und nun soll das Parlament seinen Beschluss wieder einsammeln. Die Landtagsdebatten der letzten Monate zu diesem Schicksalsthema sind damit Makulatur.