Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich eröffne die 21. Tagung des Schleswig-Holsteinischen Landtages. Das Haus ist ordnungsgemäß einberufen und beschlussfähig.
Erkrankt ist die Frau Abgeordnete Susanne Herold. - Ich wünsche der Kollegin von dieser Stelle aus gute Besserung.
Meine Damen und Herren, ich habe Ihnen eine Aufstellung der im Ältestenrat vereinbarten Redezeiten übermittelt. Der Ältestenrat hat sich darauf verständigt, die Tagesordnung in der ausgedruckten Reihenfolge mit folgenden Maßgaben zu behandeln: Für die Tagesordnungspunkte 2 bis 5, 11, 12, 15, 17, 21 bis 23, 25 und 26 sowie 29 ist eine Aussprache nicht geplant.
Zur gemeinsamen Beratung vorgesehen sind die Tagesordnungspunkte 14 und 35, Antrag zum Vorrang für Erdkabel im Infrastrukturbeschleunigungsgesetz und Bericht zur Verstärkung des Stromnetzes in Schleswig-Holstein.
Die zweite Lesung des Gesetzentwurfs der Landesregierung zum Ersten Medienänderungsstaatsvertrag soll im Einvernehmen mit den Fraktionen nicht in dieser Tagesordnung, sondern zu einem späteren Zeitpunkt vorgenommen werden.
Mit Zustimmung der Fragesteller, der Abgeordneten des SSW, ist der Aufruf der Aktuellen Stunde für Freitag, 10 Uhr, vorgesehen worden. Anträge zur Fragestunde liegen nicht vor.
Wann die weiteren Tagungsordnungspunkte voraussichtlich aufgerufen werden, ergibt sich aus der Ihnen vorliegenden Übersicht über die Reihenfolge der Beratungen in der 21. Tagung. Wir werden heute und morgen unter Einschluss einer zweistündigen Mittagspause jeweils längstens bis 18 Uhr tagen. Am Freitag ist ein Ende der Sitzung gegen 13 Uhr zu erwarten. Eine Mittagspause ist am Freitag daher nicht vorgesehen. - Ich höre keinen Widerspruch. Dann werden wir so verfahren.
Harms-Gymnasium in Kappeln, Gemeindevertreter der CDU aus Holm sowie unsere früheren Kollegen Professor Wiebe, Poppendiecker und Behm. - Seien Sie uns alle sehr herzlich willkommen!
Bevor wir in die Tagesordnung eintreten, möchte ich die Kolleginnen und Kollegen darauf hinweisen, dass im Plenarsaal offensichtlich gebohnert wurde. Es ist also relativ glatt. Ich denke, Unfallvorbeugung und -verhütung gehört auch mit dazu nicht, dass hier noch jemand ausrutscht.
Gesetzentwurf der Fraktionen von FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Abgeordneten des SSW Drucksache 16/1291
Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Dann eröffne ich die Grundsatzberatung und erteilte Herrn Abgeordneten Dr. Heiner Garg das Wort.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Ich finde, heute ist ein guter Tag für Kinder und ein guter Tag für Jugendliche in Schleswig-Holstein.
Ich möchte mich vorweg ganz herzlich bei Monika Heinold und bei Anke Spoorendonk für die ausgezeichnete Zusammenarbeit bedanken. Uns ist etwas gelungen, was der zuständigen Ministerin nicht gelungen ist. Wir haben die regierungstragende Fraktion der CDU von der Notwendigkeit überzeugt. An der Stelle möchte ich mich beim Fraktionsvorsitzenden der CDU ganz herzlich dafür bedanken, dass es mit Ihnen möglich wird, dieses Staatsziel in der Landesverfassung zu verankern. Vielen Dank dafür.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, Kinder und Jugendliche brauchen Schutz und Hilfe. Sie haben ein Recht darauf, dass sie von ihren Eltern versorgt, gefördert, gepflegt und betreut werden. Sie haben aber auch ein Recht auf Schutz und Hilfe durch die öffentliche Gemeinschaft, und zwar immer dann, wenn Eltern überfordert oder offensichtlich nicht in der Lage sind, ihnen ausreichend Schutz zugeben,
oder schlicht und ergreifend dann - um es einmal deutlich zu sagen -, wenn Eltern versagen, besonders dann, wenn die vermeintliche Schutzfunktion der Eltern zur Gefahr für Leib und Leben der Kinder umschlägt. Diese Gefahr besteht glücklicherweise selten. Dennoch haben die im letzten Jahr bekannt gewordenen Fälle deutlich gezeigt, dass es für einen kleinen Teil der Kinder diesen Schutz nicht gab oder immer noch nicht ausreichend gibt.
Allen Berichten zum Trotz - das möchte ich an dieser Stelle auch ganz deutlich sagen - ist es glücklicherweise immer noch so, dass die überwiegende Zahl der Eltern ihre Kinder liebt und alles unternehmen würde, um ihren Kindern das Beste für das Leben mitzugeben und Gefahren von ihnen abzuwenden.
Trotzdem müssen wir uns fragen, welche Möglichkeiten die Politik hat, um im Zweifel eingreifen zu können, wenn die Eltern genau diesen Schutz nicht geben können, sei es aus Überforderung, aus Unwissenheit, möglicherweise aufgrund einer psychischen Erkrankung oder weil das Kind nicht gewollt oder von einem neuen Partner als lästig empfunden wird.
Genau dann, wenn es darum geht, dem Staat Instrumente zur Intervention oder Prävention an die Hand zu geben, um Kinder und Jugendliche zu schützen, stößt der Gesetzgeber, stoßen wir alle, auf folgende Problemstellung: Was können beispielsweise Betreuer oder Hebammen veranlassen, wenn sie an einem Kind massive Entwicklungsdefizite feststellen, weil die Eltern es regelmäßig aus vermeintlichen Erziehungsgründen in einen dunklen Raum einsperren und mit Essensentzug bestrafen? Ist diese Maßnahme vom grundgesetzlich zugestandenen Elternrecht noch gedeckt? Muss man tatsächlich erst abwarten, bis Anzeichen von grober Vernachlässigung vorliegen, um hier einschreiten zu können?
Es geht an dieser Stelle nicht darum, ob sich Eltern künftig trotz einer Verpflichtung weigern können, ihre Kinder zu einer Vorsorge- oder Frühuntersuchung zu schicken. Es geht darum, ob Kinder aus therapeutischen Gründen - wie beispielsweise im Fall des kleinen Kevin aus Bremen - weiterhin ohne ausreichende Kontrolle und ohne professionelle Betreuung in der Obhut eines offensichtlich überforderten Erwachsenen bleiben dürfen. Also immer dann, wenn nicht mehr klar erkennbar ist, ob die Grenze bereits überschritten wurde, bei der man von einem Zustand der Verwahrlosung sprechen kann, die vom Elternrecht mit Sicherheit nicht ge
Was machen wir denn, wenn die Schwelle zur Verwahrlosung noch nicht erreicht worden ist? Wie kann diese Grauzone besser ausgeleuchtet werden? - Wir haben derzeit nicht die Möglichkeit, das Rechtsgut Elternrecht gegenüber Kindesrecht abzuwägen, weil es das Rechtsgut Kindesrecht in dieser Form nicht gibt. Welche Regelung kann hier gefunden werden, die genau diese Abwägung in Zukunft zulässt?
Artikel 6 Abs. 2 Satz 1 Grundgesetz sieht vor, dass „Pflege und Erziehung der Kinder das natürliche Recht der Eltern sind und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht“. Doch erweist sich die im nächsten Satz festgeschriebene Regelung: „über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft“, als wenig hilfreich, wenn es um die Rechtsgüterabwägung im Einzelfall geht. Wie kann ein Verstoß der Eltern gegen diese Überwachungsverpflichtung des Staates gewichtet werden? - Eine Möglichkeit ist, diese Verpflichtung zu konkretisieren. Genau dieses Ziel verfolgt der von FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW vorgelegte Gesetzentwurf.
Mit der Aufnahme eines Artikel 6 a „Schutz und Förderung von Kindern und Jugendlichen“ in die Landesverfassung Schleswig-Holstein wird die im Grundgesetz festgeschriebene Handlungsanweisung an den Staat auf Landesebene konkretisiert. Die vorgesehene Staatszielbestimmung stellt damit sicher, dass das grundgesetzlich verbriefte Elternrecht nicht nur einfordert wird, sondern auch besser überwacht werden kann. Denn mit der besonderen Betonung des Schutzes der Kinder und Jugendlichen können staatliche Institutionen zumindest auf Landesebene erstmalig überhaupt eine präzise Rechtsgüterabwägung vornehmen. Bisher fehlte den befassten Verwaltungen, Behörden und Gerichten genau diese Hilfestellung.
Die Verankerung einer Staatszielbestimmung auf Landesebene ist deshalb nicht nur ein symbolischer Akt, sie stellt eine zielgerichtete Handlungsanweisung dar.
Der von der Landesregierung kürzlich vorgestellte Diskussionsentwurf zu den Eckpunkten eines Kinderschutzgesetzes greift dieses bisher bestehende Abwägungsproblem im Übrigen ganz konkret auf. Denn Prävention, verbindliche Frühwarnsysteme und Intervention brauchen ein stabiles Fundament, um ihre Wirkung überhaupt voll entfalten zu kön
Umso erfreulicher ist es, dass der vorgelegte Gesetzentwurf zur Ergänzung der Landesverfassung inzwischen auch die Christlich-Demokratische Union überzeugt hat.
Es geht um explizite Kinderrechte in der Verfassung als notwendige Ausgangsbasis für die künftige Gesetzgebung und eine umfassende Familienpolitik. So haben wir es uns trotz aller Unterschiede in den Einzelheiten auf die Fahne geschrieben.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, eines möchte ich ganz ausdrücklich sagen: Natürlich ist auch den Antragstellern bewusst, dass lediglich die Verankerung des Staatsziels noch kein Allheilmittel ist. Wir alle sind gefordert, also nicht nur die Kinderund Jugendpolitiker oder die Sozialpolitiker, um dieses Staatsziel mit Leben zu erfüllen.
Die Verankerung der Kinderrechte bedeutet, dass die Bedürfnisse von Kindern und Jugendlichen nicht nur ernster genommen werden müssen als bisher. Sie sind vielmehr Arbeitsauftrag an den Gesetzgeber, bei allen Regelungen darauf zu achten, welche Auswirkungen sie auf das Lebensumfeld von Kindern und Jugendlichen haben, und das gilt nicht nur für die Einführung eines Kinderschutzgesetzes. Diese Staatszielbestimmung gilt für alle Maßnahmen und Regelungen, die Kinder und Jugendliche betreffen.
Dabei geht es überhaupt nicht darum, Eltern in ihren Rechten willkürlich zu beschneiden oder durch staatliches Handeln in intakte Strukturen einzugreifen. Im Gegenteil: Es gibt dem Staat die Möglichkeit, Strukturen zu schaffen und Regelungen festzuschreiben, die den Schutz von Kindern und Jugendlichen in den Mittelpunkt rücken - nicht mehr und nicht weniger.
UNICEF hat in seiner kürzlich vorgelegten Studie ein anscheinend typisch deutsches Problem aufgegriffen: Kinder, Jugendliche und Familien werden immer noch zu sehr in einzelnen politischen Ressorts lokalisiert. Anstatt das Lebensumfeld von Kindern und Jugendlichen im Gesamtzusammenhang zu betrachten, wird jedes einzelne Problem einem jeweils zuständigen Ministerium zugeordnet. Entscheidungen darüber, wie das Lebensumfeld von Kindern zum Beispiel bei der Förderung des Wohnungs- und Straßenbaus, bei der Einrichtung von Kindergärten und Schulen oder bei der Gesundheitsvorsorge gestaltet werden kann, werden immer noch zu wenig aufeinander abgestimmt.
Andere Länder, wie etwa die Niederlande oder Schweden, haben deshalb damit begonnen, Kinder und Jugendliche durch eine Mischung unterschiedlicher und in den einzelnen Ressorts abgestimmter Maßnahmen zu begleiten. Diese Länder gelten in der vorgestellten Studie als besonders kinder- und familienfreundlich und genau das ist unser Ziel: Wir wollen kinder- und familienfreundlicher werden.
Die Verankerung dieses Staatsziel ist deshalb ein Beitrag Schleswig-Holsteins zu einer umfassenden Familienpolitik, in der die Bedürfnisse von Kindern und Jugendlichen in den Mittelpunkt - und genau da gehören sie hin - gestellt werden. In Deutschland wird sehr häufig über Kinder geredet, aber meist nicht darüber nachgedacht, was wirklich im Interesse der Kinder ist. Diese Staatszielbestimmung ist deshalb auch ein Fundament für ein familienpolitisches Gesamtkonzept und damit ein Impuls für eine praktische und pragmatische Familienpolitik.
Ich freue mich auf hoffentlich zügige Beratungen unseres Gesetzentwurfs und würde mich freuen, wenn wir diesen Gesetzentwurf noch vor der Sommerpause einstimmig hier im Landtag verabschieden könnten.
Für die Fraktion der CDU erteile ich deren Vorsitzenden, Herrn Abgeordneten Dr. Johann Wadephul, das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Seit der letzten Debatte zur Einführung des Kinder- und Jugendschutzes in die schleswig-holsteinische Landesverfassung im vergangenen Herbst haben wir immer wieder erschütternde Berichte von Kindesmisshandlungen und Kindestötungen gehört, die uns alle zutiefst betroffen machen.
Allein in dieser Woche haben uns zwei schreckliche Nachrichten aus unserer unmittelbaren Umgebung erreicht. So wurde in Hamburg ein kleines Mädchen brutal getötet, indem es aus dem Fenster eines Hochhauses geworfen wurde. Hier in Kiel, nur wenige Kilometer vom Parlament entfernt, hat man zwei Kinder in einer Tiefkühltruhe gefunden, von denen eines bei seiner Geburt noch lebte.