Protocol of the Session on July 11, 2007

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich eröffne die 24. Tagung des Schleswig-Holsteinischen Landtages. Das Haus ist ordnungsgemäß einberufen und beschlussfähig. Erkrankt ist Frau Abgeordnete Monika Schwalm. Ich wünsche der Abgeordneten von dieser Stelle gute Besserung.

(Beifall)

Meine Damen und Herren, ich habe Ihnen eine Aufstellung der im Ältestenrat vereinbarten Redezeiten übermittelt. Der Ältestenrat hat sich verständigt, die Tagesordnung in der ausgedruckten Reihenfolge mit folgenden Maßgaben zu behandeln: Zu den Tagesordnungspunkten 3, 4, 12, 15, 20, 23, 40 bis 42 und 45 ist eine Aussprache nicht geplant. Zur gemeinsamen Beratung vorgesehen sind die Punkte 2 und 9 - Änderung des Gesetzes über den Öffentlichen Gesundheitsdienst und Gesetz zur Weiterentwicklung und Verbesserung des Schutzes von Kindern und Jugendlichen - sowie die Punkte 19, 34 und 35 - Änderung des Schleswig-Holsteinischen Schulgesetzes sowie Anträge zu den Konsequenzen aus dem neuen Schulgesetz, a) Stundenzahl für Lehrkräfte der Sekundarstufen und b) Gebundene Ganztagsschulen.

Der Innen- und Rechtsausschuss hat darum gebeten, die zweite Lesung des Gesetzentwurfs der Landesregierung zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes, Drucksache 16/1275, in dieser Tagung aufzurufen. Die Beschlussempfehlung des Ausschusses liegt Ihnen mit Drucksache 16/1503 vor. Ich schlage vor, den Gesetzentwurf als Punkt 7 a in die Tagesordnung einzureihen und den Tagesordnungspunkten ohne Aussprache hinzuzufügen.

Von der Tagesordnung abgesetzt werden sollen die Punkte 7, 39, 43, 44 und 46 bis 48.

Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat ihren Gesetzentwurf zur Änderung des SchleswigHolsteinischen Schulgesetzes Tagesordnungspunkt 11 - zurückgezogen.

Anträge zur Aktuellen Stunde oder zur Fragestunde liegen nicht vor.

Wann die weiteren Tagesordnungspunkte voraussichtlich aufgerufen werden, ergibt sich aus der Ihnen vorliegenden Übersicht über die Reihenfolge der Beratungen in der 24. Tagung. Wir werden unter Einschluss einer zweistündigen Mittagspause jeweils bis längstens 18 Uhr tagen. - Ich höre keinen Widerspruch; dann werden wir so verfahren.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, auf der Tribüne begrüße ich ganz herzlich Schülerinnen und Schüler der Klaus-Groth-Schule aus Neumünster mit ihren Lehrkräften, Mitglieder des Netzwerkes 50plus aus Kiel sowie die Stiftung Berufliche Bildung aus Kiel. - Seien Sie uns ganz herzlich willkommen!

(Beifall)

Zudem sehe ich unseren früheren Kollegen, Herrn Plüschau, auf der Tribüne sowie Herrn Landrat Sager. - Ganz herzlich willkommen!

(Beifall)

Meine Damen und Herren, ich rufe jetzt Tagesordnungspunkt 1 a auf:

Regierungserklärung über die Entscheidung zur Fehmarnbelt-Querung

Das Wort hat Herr Ministerpräsident Peter Harry Carstensen.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete! Am 29. Juni haben sich das Königreich Dänemark und die Bundesrepublik Deutschland mit Unterstützung unseres Bundeslandes auf den Bau der Fehmarnbelt-Querung verständigt.

(Beifall bei CDU, SPD und FDP)

Mut und Optimismus haben nach mehr als 15 Jahren Diskussion gesiegt. Dänemark und Deutschland wagen gemeinsam ein Jahrhundertprojekt, das positive Auswirkungen nicht nur auf Schleswig-Holstein, nicht nur auf Deutschland, sondern auf ganz Nordeuropa haben wird.

Die Fehmarnbelt-Querung wird rund 5,6 Milliarden € kosten; sie wird privat finanziert. Dänemark gibt zur Absicherung der Kredite, die für den Bau der rund 19 km langen Brücke gebraucht werden, eine Staatsgarantie für 4,8 Milliarden €. Für diese mutige Entscheidung danke ich der dänischen Regierung sehr herzlich.

(Beifall bei CDU, SPD und FDP)

Deutschland stellt weitere 800 Millionen € für die Hinterlandanbindungen auf deutscher Seite zur Verfügung. Bis 2018 muss auf deutscher Seite die Hinterlandanbindung sichergestellt sein. Die B 207 von Heiligenhafen nach Puttgarden soll vierspurig ausgebaut werden. Die Kosten werden mit 100 Millionen € veranschlagt. Wenn dieses Hohe Haus zustimmt, wird das Land 60 Millionen € investieren.

Diese 60 Millionen € werden im Laufe der nächsten elf Jahre fällig. Bislang war diese Summe für die Einrichtung einer Planungsgesellschaft vorgesehen, die wir jetzt nicht mehr brauchen. Zudem wird der Bund auf seine Kosten die Bahnstrecke nach Puttgarden zunächst eingleisig elektrifizieren; von 2018 bis 2025 wird parallel ein zweites Gleis verlegt. Baubeginn für die Fehmarnbelt-Querung soll 2011 sein, die Fertigstellung 2018.

Meine Damen und Herren, angesichts der Vereinbarung zur Finanzierung handelt es sich praktisch um eine dänische Brücke. Die Brücken- und Mautpolitik wird Kopenhagen bestimmen, aber die wichtige Entscheidung, was die Fehmarnbelt-Querung für Deutschland und für Schleswig-Holstein bringen wird, liegt bei uns in Kiel und in Berlin. Wir sind unseres Glückes Schmied.

Brücke und Anbindung sind eine Lebensader für unser Land. Uns bieten sich Riesenchancen für die Unternehmen, die sich entlang der Nord-Süd-Achse ansiedeln können und so in den Genuss besserer Infrastruktur kommen, für die Touristen, die nun aus Nordeuropa einfacher und schnell zu uns kommen können, und für die Menschen, für die der Brückenschlag über Grenzen hinweg zum Alltag gehören wird. Ich meine, die Entscheidung für den Bau ist ein Glücksfall für Schleswig-Holstein.

(Beifall bei CDU, SPD und FDP)

Die Entscheidung für die Beltquerung wäre ohne die Entschlossenheit von Bundeskanzlerin Angela Merkel nicht denkbar gewesen. Als deutsche Kanzlerin hat sie sich für die Brücke entschieden.

(Lachen des Abgeordneten Detlef Matthies- sen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] und Zu- ruf: Entschuldigen Sie meinen Humor!)

- Sie haben keinen, Herr Matthiessen.

(Beifall bei der CDU)

Ich empfehle Ihnen, vielleicht einmal ein bisschen zu lesen und am Tagesgeschehen teilzunehmen und nicht immer nur die „taz“, sondern auch einmal etwas anderes zu lesen.

Als deutsche Kanzlerin hat sich Angela Merkel für die Brücke entschieden, weil dies Norddeutschland insgesamt neue Perspektiven eröffnen wird. Als europäische Ratspräsidentin hat sie sich aus Verantwortung für die weitere Integration von Nord- und Mitteleuropa für den Bau der Brücke entschieden. Aus diesem Grund gilt mein herzlicher Dank unserer Kanzlerin Angela Merkel.

(Beifall bei der CDU)

Allerdings hat auch die Landesregierung ihren Anteil am Erfolg. Bei meinem Gespräch im Januar 2006 in Kopenhagen mit Staatsminister Rasmussen, Wirtschaftsminister Bendtsen und Verkehrsminister Hansen habe ich mich nachdrücklich für die Querung eingesetzt. Ich habe das auch bei unserem Gespräch mit EU-Kommissionspräsident Barroso im vergangenen September gesagt. Die Europäische Kommission misst der Fehmarnbelt-Querung höchste Bedeutung bei. Sie hat einen Zuschuss in Höhe von bis zu 30 % der Kosten in Aussicht gestellt.

Uns geht es auch darum, dass die EU ein Gleichgewicht zwischen Nordeuropa und dem Mittelmeerraum schafft, und die Fehmarnbelt-Brücke ist ein ordentliches Pfund, das der Norden in die Waagschale werfen kann.

Mein Dank gilt auch Dietrich Austermann, der sich mit ganzer Kraft bei seinem Kollegen Tiefensee und bei vielen anderen Akteuren für den Bau starkgemacht hat. Das hat sich gelohnt.

(Beifall bei CDU, SPD und FDP)

Die Belt-Entscheidung gibt uns Schützenhilfe bei anderen verkehrspolitischen Forderungen. Sie wird die von uns gewollte westliche Umfahrung Hamburgs im Zuge der A 20 nachdrücklich beschleunigen. Alles andere würde nicht nur die A 7, sondern auch die A 1 zu einem kaum noch passierbaren Nadelöhr machen. Die eine Stunde Fahrzeit, die wir durch die Brücke gewinnen, darf nicht nur das Stehen im Stau wieder eingebüßt werden. Die A 20, die für uns oberste Priorität hat und behalten wird, wird 2015 fertiggestellt sein. Dann werden wir eine starke Ost-West-Achse und eine starke Nord-SüdAchse haben. Schleswig-Holstein wird Knotenpunkt der wichtigsten Verkehrsrouten in Nordeuropa sein.

Es gibt die Sorge, der Landesteil Schleswig würde durch die Brücke von der allgemeinen Entwicklung abgekoppelt. Diese Sorge ist unbegründet. Die Defizite in der Infrastruktur sind offenkundig und deshalb fördern wir den Landesteil Schleswig mit ganzer Kraft: Mit dem sechsspurigen Ausbau der A 7 Richtung Norden binden wir den Landesteil an die stärkeren Wachstumsregionen an. Mit dem dreispurigen Ausbau der B 5 Richtung Niebüll und Esbjerg denken wir über Grenzen hinweg und mit dem Ausbau der Eisenbahnverbindung nach Esbjerg bringen wir zusätzlich Bewegung in die Region. So machen wir Politik für das ganze Land, meine Damen und Herren!

(Beifall bei der CDU)

(Ministerpräsident Peter Harry Carstensen)

Im Januar habe ich hier im Plenum das „Zukunftsprogramm Schleswig-Holstein“ vorgestellt. In den nächsten Jahren stehen rund 1,4 Milliarden € für mehr Wachstum und mehr Beschäftigung in Schleswig-Holstein zur Verfügung.

Die Landesregierung ist bereit, Fördermittel vorrangig in den nördlichen Landesteil zu geben. Die Bedingung ist natürlich, dass von dort auch entsprechend hochkarätige Projektvorschläge kommen. Am Ende werden die Gelder da hinfließen, wo sie mit Blick auf die jeweilige Region und mit Blick auf die Entwicklung des ganzen Landes den größten Nutzen versprechen. Nichts anderes wäre rechtlich, politisch und wirtschaftlich zu verantworten. Ich bitte dies als Appell an den Landesteil Schleswig zu verstehen, nun auch mit attraktiven und innovativen Projekten zu kommen.

Herr Präsident, meine Damen und Herren, am 27. Juni 2007 habe ich gemeinsam mit dem Vorsitzenden der Region Süddänemark, Carl Holst, die Partnerschaftserklärung zwischen dem Land und der Region Süddänemark unterzeichnet. Es geht darum, einen gemeinsamen grenzüberschreitenden Wirtschafts- und Arbeitsraum aufzubauen. Schleswig-Holstein kann von einer verstärkten Kooperation mit dem boomenden Dänemark profitieren und Dänemark braucht den schleswig-holsteinischen Nachbarn, um weiter wachsen zu können.

Die Kooperation mit Süddänemark ist für den Landesteil Schleswig eine echte Perspektive. Um das zu unterstützen, haben wir im vergangenen Jahr als einen ersten Schritt fünf Leuchtturmprojekte angeschoben. Dabei geht es unter anderem um erneuerbare Energien, die Ernährungswirtschaft, das Transport- und Logistikwesen, den Tourismus und natürlich um die Kooperation unserer Hochschulen mit der Süddänischen Universität.

Anfang November erwarte ich den Besuch einer Delegation aus Süddänemark, um über weitere Kooperationen zu sprechen. Hamburgs Bürgermeister Ole von Beust hat sein Kommen ebenfalls zugesagt. Hamburg und Schleswig-Holstein geht es darum, unseren Ländern neben der Kooperation der Metropolregionen Hamburg mit dem Öresund eine weitere strategische Option zu erschließen.

Ich will Ihnen ein Beispiel nennen: Unsere Hochschulen arbeiten bereits mit der Süddänischen Universität und den Hamburger Hochschulen zusammen. Süddänemark möchte nun aber auch stärker mit den Hamburger Hochschulen kooperieren, die Hamburger wiederum mit den Süddänen. Da hat Schleswig-Holstein eine Brückenfunktion.

Ein zweites Beispiel: In Kiel wird zurzeit mit Hochdruck an der Realisierung des Partikel-Therapie-Zentrums gearbeitet. Die Hamburger haben uns dabei den Vortritt gelassen. Damit sich das Zentrum aber rechnet, muss nicht nur Hamburg an Bord sein. Wir brauchen auch Skandinavien, vor allem Dänemark. Die Region Süddänemark möchte bei Krebstherapien noch stärker mit uns zusammenarbeiten.

Meine Damen und Herren, ungeachtet der enormen Chancen, die uns die Fehmarnbelt-Querung bietet, haben die Bürgerinnen und Bürger auf Fehmarn Sorgen. Ich kann das nachvollziehen. Ich nehme das sehr ernst und empfehle auch jedem anderen, die Sorgen ernst zu nehmen. Ganz offensichtlich haben die Beteiligungsverfahren und die zahlreichen Informationsveranstaltungen der vergangenen Jahre nicht ausgereicht, um durch sachliche Aufklärung Ängste zu nehmen. Deswegen will ich hier drei Zusagen machen.

Erstens. Die Landesregierung steht fest an der Seite Fehmarns. In engem Kontakt mit den Bürgern und der Verwaltung auf Fehmarn werden wir entscheiden, wo Hilfe nötig ist. Wir haben in der Vergangenheit auf Fehmarn und in ganz Ostholstein einen Schwerpunkt in der Tourismusförderung gesetzt und den werden wir auch in Zukunft aufrechterhalten. Ich meine, dass der Tourismus auf der Insel durch die Brücke kräftig wachsen wird, und natürlich werden durch den Brückenbau und den späteren Betrieb neue, zusätzliche Arbeitsplätze entstehen.

Zweitens. Ich bin überzeugt, dass die Belt-Querung Fehmarn und der gesamten Region bis nach Hamburg guttun wird. Mehr Wachstum und mehr Beschäftigung sind das Ziel. Das Wirtschaftsministerium wird in den kommenden Jahren sein Augenmerk darauf richten, dass das Potenzial der entstehenden Verkehrsachse voll ausgeschöpft wird. Wir müssen jetzt auch loslegen. Ansonsten machen die Dänen das Geschäft ohne uns. Der Bau der Brücke heißt für uns: Schleswig-Holstein muss mehr sein als eine bloße Transitstrecke!

(Beifall bei CDU, SPD und FDP)