Meine Damen und Herren! Ich eröffne die 18. Sitzung und begrüße Sie alle sehr herzlich. Erkrankt ist Frau Abgeordnete Jutta Schümann. Wir wünschen der Kollegin von dieser Stelle aus gute Besserung.
Ich weise darauf hin, dass Sie auf den Tischen eine aktualisierte Reihenfolge der Beratungen finden. Ich wünsche uns, dass wir das angesichts des Wetters und des Schnees so hinbekommen.
b) Zukunft der ÖPNV-Regionalisierungsmittel und der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“
In Absatz 1 des Antrags Drucksache 16/430 (neu) wird ein mündlicher Bericht in dieser Tagung erbeten. Deshalb zunächst eine Abstimmung über diesen Berichtsantrag. Wer diesem Antrag zustimmen will, den bitte ich um sein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Das ist einstimmig so beschlossen.
Dann bitte ich Sie, Herr Minister Austermann, als Minister für Wissenschaft, Wirtschaft und Verkehr um den mündlichen Bericht.
(Minister Dietrich Austermann stellt das Pult höher - Minister Dietrich Austermann: Hier war ein Zwerg am Werke! - Heiterkeit - Mi- nister Dietrich Austermann: Geht das nicht höher? - Hans-Jörn Arp [CDU]: Wer glaubt, dass ich als Letzter geredet habe, irrt sich jetzt! - Minister Dietrich Austermann: Ich su- Schleswig-Holsteinischer Landtag (16. WP) - 18. Sitzung - Freitag, 16. Dezember 2005 1161
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es geht im Wesentlichen um zwei Punkte und vom Grundsatz her um die Koalitionsvereinbarung in Berlin. Ich denke, dass die Mehrheit des Hauses einen wesentlichen Teil dessen begrüßt, was die große Koalition in Berlin beschlossen hat. Vom Grundsatz her ist das gestern in den Debatten bestätigt worden.
Es gibt aber den einen oder anderen Punkt, bei dem Landesinteressen ganz konkret berührt sind. Das ist erstens bei der Frage der Gewährung von Regionalisierungsmitteln der Fall. Das sind die Mittel, die das Land bekommt, um den Regionalschienenverkehr, den Regionalverkehr, den öffentlichen Personennahverkehr anstelle des Bundes zu betreiben, der diese bis 1994 betrieben hat. Das Land erhält hierfür im Jahr rund 220 Millionen €. Damit werden vor allen Dingen die Bahnstrecken abgewickelt, damit ist aber auch öffentliche Infrastruktur im Land bezahlt worden.
Der zweite Komplex betrifft die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“. Da bekommt das Land zurzeit etwa 10 Millionen € vom Bund. Er ergänzt diese Mittel um weitere 10 Millionen € und kann damit EU-Programme oder Landesprogramme zur Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur bezahlen.
Ich weiß, dass der Landtag gestern über den Haushalt und auch über Erfolge im Bereich der Wirtschaftspolitik debattiert hat.
- Ja, ich habe das nachgelesen und habe mich über vieles sehr erheitert, insbesondere über Erfolge im Bereich der Wirtschaftspolitik.
Ich möchte zum Thema Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ darauf hinweisen, dass wir eine Größenordnung von etwa 200 Millionen € im Lauf dieses Jahres initiiert haben. Das sind 50 % mehr als im letzten Jahr. Damit ist in einem Teilbereich schlaglichtartig deutlich geworden, dass diese Regierung ordentliche Arbeit leistet.
„Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“, die den strukturschwachen Gebieten des Landes hilft, beabsichtigte der Bund, Kürzungen vorzunehmen. Beim ÖPNV in 2006 um 5 %, in 2007 um 10 %, in 2008 um 12,5 % und in 2009 um 15 %. Das würde bedeuten, dass das Land in diesem Zeitraum von vier Jahren etwa 95 Millionen € an Förderung verliert. Das ist nicht zu verkraften, weil wir durch Vergabe von Schienenbetreuung an NOB, an Regionalbahn und andere Betreiber feste Verpflichtungen eingegangen sind.
Wenn ein abrupter Schnitt erfolgt, bedeutet das, dass man entweder in die laufenden Verträge eingreifen - was rechtlich kaum möglich ist - oder eine drastische Erhöhung der Fahrpreise erreichen müsste. Aus diesem Grunde habe ich mir erlaubt, auf der Wirtschaftsministerkonferenz am Dienstag und am Mittwoch in Stuttgart einen Antrag zu stellen. Zu meiner großen Freude kann ich Ihnen heute mitteilen, dass sämtliche 16 Wirtschaftsminister die Auffassung vertreten, dass diese Kürzung so nicht stattfinden darf.
Es gibt den einen oder anderen, der uns rät: Wenn die Mittel knapper werden, sollten wir von der Möglichkeit des Wettbewerbs Gebrauch machen. Wer die schleswig-holsteinischen Verhältnisse kennt, weiß, dass das in den letzten Jahren in erheblichem Maße gemacht worden und gelungen ist. Von daher besteht wenig Sparpotenzial. Deswegen werden wir hier entschieden verhandeln. Der anwesende Vertreter des Bundeswirtschaftsministers hat in der Sitzung der Wirtschaftsminister darauf hingewiesen, dass das Ganze zustimmungspflichtig sei, im Bundesrat abgestimmt werden müsse. Sie können davon ausgehen, dass sich die Länder auf eine gemeinsame Position verständigen müssen, wenn sie den Wirtschaftsministern folgen.
Der zweite Komplex ist die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“. Auch hier muss man sagen, dass die vorgesehene Kürzung so nicht stattfinden darf. Ursprünglich war von dem einen oder anderen Vertreter aus den neuen Bundesländern die Auffassung vertreten worden, die 100 Millionen €, die der Bund einsparen möchte, sollten zulasten der alten Länder gehen. Das würde bedeuten, dass kein einziges altes Bundesland mehr regionale Unterstützung bekäme. Das würde gleichzeitig bedeuten, dass, wenn die Förderung in den alten Bundesländern aufrechterhalten wird, die Kluft zwischen der Nichtförderung auf der einen Seite und der Förderung auf der anderen
Wir haben auch hierzu in der Wirtschaftsministerkonferenz einen Antrag gestellt. Daraufhin meldete sich der zuständige Staatssekretär Adamowitsch und sagte, der Bund beabsichtige nicht - ich vermute, unter dem Eindruck der Diskussion der Wirtschaftsminister –, eine einseitige Kürzung des Westens vorzunehmen. Wenn, dann würde die Kürzung im Verhältnis 1:6 erfolgen. Das ist in etwa die Größenordnung, in der die Förderung jetzt verteilt wird.
Das war immerhin ein Erfolg. Wir haben auf unseren Antrag hin einen Beschluss gefasst. Dieser Beschluss sagt, von der Einschränkung der Förderung soll ganz abgesehen werden. Also auch dies, wenn Sie so wollen, ein Erfolg in der Bemühung, sich in der Wirtschaftsministerkonferenz durchzusetzen.
Ich bin davon überzeugt, dass Bundesländer, wenn sie ihre Aufgabe wahrnehmen, im Bundesrat erreichen können, dass die Regionalförderung ungeschmälert erhalten bleibt, dass wir weiter über 200 Millionen € Bundes- und Landesmittel in die regionale Wirtschaft geben können und dass damit wie in diesem Jahr sehr erfolgreich für neue Arbeitsplätze gearbeitet werden kann. Wir haben in diesem Jahr einige tausend Arbeitsplätze über die regionale Wirtschaftsförderung erhalten beziehungsweise sichern und auch einen großen Teil neu schaffen können. Wir haben zusätzliche Betriebe angesiedelt. Das Ganze ist eine Erfolgsstory. Sie soll fortgesetzt werden. Ich danke dem Landtag schon jetzt für die Unterstützung in diesen beiden für die Strukturentwicklung des Landes wichtigen Fällen.
Ich danke dem Herrn Minister für den Bericht und eröffne die Aussprache. Ich erteile zunächst für BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Herrn Abgeordneten Klaus Müller das Wort.
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Selten habe ich mich über einen Bericht von Minister Austermann so gefreut wie an dieser Stelle. Er war kurz, knapp, klar und präzise. Herzlichen Dank dafür, Herr Minister!
Aber man muss in diesem Landtag auch darüber reden, wer uns dieses Problem eigentlich eingebrockt hat.
- Ja, ich höre das Stöhnen, lieber Herr Nabel, aber an dieser Stelle muss man deutlich sagen, Ursache dieses Problems ist eine falsche Politik von CDU und SPD im Bund. Zu einer ehrlichen Debatte gehört es, das dazu klar zu sagen. Ich erinnere mich noch an die Pressemitteilung von Claus Möller, von Herrn Carstensen, die gefeiert haben, wie toll SPD und CDU in Schleswig-Holstein in die Verhandlungen in Berlin eingebunden waren. Da kann ich nur sagen: Besonders weitsichtig und durchschlagkräftig waren sie an dieser Stelle nicht.
Worum geht es? - Es geht darum, dass hier eine rückwärts gewandte Ungleichbehandlung des ÖPNV droht und der damit darauf angewiesenen Menschen in den Städten, in ihrem Umland und im ländlichen Raum. Wir wissen, wie wichtig Mobilität ist. Wir wissen gleichzeitig um die knappen Kassen. Deshalb ist es klar und deutlich, dass der Kurs, den Schleswig-Holstein bisher gefahren hat, den Herr Austermann zu Recht gerade noch einmal gelobt hat, nämlich die erfolgreiche Wettbewerbspolitik - durch Ausschreibung, Herr Minister! - für mehr Zugkilometer, für höhere Nutzerzahlen und für ein einheitliches Tarifsystem, richtig war. Schleswig-Holstein hat aus den bisherigen Regionalisierungsmitteln eine ganze Menge gemacht. Das war bisher sehr gut so.
Jetzt geht es darum, dass es Pläne gibt, dies dramatisch zu beschneiden. Der Minister hat die Zahl genannt, rund 95 Millionen € weniger für SchleswigHolstein, für den ÖPNV in diesem Land. Die Konsequenz wären entweder dramatisch weniger klimataugliche Mobilität oder Preissteigerungen in einer Größenordnung, die wahrscheinlich niemand hier für verkraftbar halten würde. 10 bis 20 % höhere Preise für den ÖPNV wären eine Konsequenz, die niemand für gut befinden würde.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben schon gestern darüber diskutiert, dass Schleswig-Holstein nicht das Opferlamm ist. Es geht vielmehr darum, dass Schleswig-Holstein in der gegenwärtigen Bundesratskonstellation eine Schlüsselstellung hat. 32 Stimmen - ich wiederhole das noch einmal, da
mit das auch in den Köpfen hängen bleibt - haben CDU und SPD allein, ohne Schleswig-Holstein. Das bedeutet, die Ankündigung, Herr Minister, die Sie hier heute getätigt haben, Ihr Erfolg, den Sie mit Respekt - auf der Wirtschaftsministerkonferenz eingefahren haben, ist ein erster guter Schritt. Wir wissen aber, eine Wirtschafts- und jede Fachministerkonferenz allein entscheidet noch nicht über den Bundesrat. Das ist ein erster Schritt, ein guter Schritt, aber kein ausreichender und hinreichender Schritt. Vor diesem Hintergrund wünsche ich mir heute eindrücklich, dass das Parlament, der Landtag den Mut und die Kraft hat, dem Minister in klarer und deutlicher Sprache den Rücken zu stärken - so, wie die Grünen das mit ihrem heute vorgelegten Antrag tun.
Das Traurige ist nur, dass SPD und CDU im Landtag wieder einen windelweichen Antrag vorgelegt haben und diesen auch noch einmal in einer überarbeiteten Version. Wir haben gestern schon über Semantik gesprochen. Hieß es am 30. November 2005 noch, es müssten die Mittel in ausreichender Höhe bereitgestellt werden, sind jetzt an dieser Stelle nur noch die erforderlichen Mittel gefragt.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, warum haben Sie nicht den Mut, dem Minister mit seiner klaren Sprache, für die Herr Austermann bekannt ist, für eine klare und streitbare Position an dieser wichtigen Stelle auch einmal klar den Rücken zu stärken und zu sagen: „Ja, Herr Austermann, wir wissen, Sie kämpfen an dieser Stelle für die richtige Sache, wir wissen, Sie haben ein starkes Standing in Berlin, und wir hoffen eindrücklich, dass Sie mit der gesamten Unterstützung des Hauses diese Position in Berlin auch vertreten können.“?