Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich eröffne die 8. Tagung des Schleswig-Holsteinischen Landtags. Das Haus ist ordnungsgemäß einberufen und beschlussfähig. Beurlaubt ist der Herr Abgeordnete Dr. Höppner. Herr Ministerpräsident Carstensen ist trotz dienstlicher Verpflichtungen in der Ministerpräsidentenkonferenz anwesend. Herr Minister Austermann ist wegen dienstlicher Verpflichtungen auf Bundesebene für den heutigen Tag entschuldigt.
Meine Damen und Herren, ich habe Ihnen eine Aufstellung der im Ältestenrat vereinbarten Redezeiten übermittelt. Der Ältestenrat hat sich verständigt, die Tagesordnung in der ausgedruckten Reihenfolge mit folgenden Maßgaben zu behandeln. Zu den Tagesordnungspunkten 3, 4, 5, 10, 11, 13, 15, 21, 25, 27, 31, 33 bis 37, 40, 41, 43 und 50 ist eine Aussprache nicht geplant. Von der Tagesordnung sollen die Punkte 30 und 49 abgesetzt werden. Die Beratung dieser Punkte ist für die Januar-Tagung vorgesehen.
Zur gemeinsamen Beratung sind die Punkte 2 Nachtrag für das Haushaltsjahr 2005 - und 6 Haushaltsstrukturgesetz zum Haushaltsplan 2006 sowie die Punkte 20 - Keine Kürzungen beim öffentlichen Nahverkehr - und 28 - Zukunft der ÖPNV-Regionalisierungsmittel und der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ vorgesehen.
Weiter ist vorgesehen, den Bericht über die Angemessenheit der Entschädigung der Abgeordneten in dieser Tagung aufzurufen. Der Bericht liegt Ihnen mit Drucksache 16/450 vor. Ich schlage vor, den Bericht als TOP 33 a in die Tagesordnung einzureihen und heute Nachmittag um 15 Uhr aufzurufen.
Wann die einzelnen Tagesordnungspunkte voraussichtlich aufgerufen werden, ergibt sich aus der Ihnen vorliegenden Übersicht über die Reihenfolge der Beratungen in der 8. Tagung. Wir werden unter Einschluss einer zweistündigen Mittagspause jeweils längstens bis 18 Uhr tagen. - Ich höre keinen Widerspruch. Dann wird so verfahren.
Auf der Tribüne begrüße ich viele Kolleginnen und Kollegen aus der letzten Legislaturperiode ganz herzlich. Von hier unten sind Frau Kollegin Schmitz-Hübsch, Herr Peter Jensen-Nissen, Herr
Sehr herzlich begrüße ich die Schülerinnen und Schüler der Ernst-Barlach-Realschule, Wedel, mit ihren Lehrkräften. - Seien Sie uns herzlich willkommen!
a) Zweite Lesung des Entwurfs eines Gesetzes zur Stärkung der Mitwirkungsrechte von Elternvertretungen in Kindertagesstätten
b) Zweite Lesung des Entwurfs eines Gesetzes zur Weiterentwicklung der Kindertageseinrichtungen (WeitEntwKiTa)
Ich erteile zunächst der Berichterstatterin des Bildungsausschusses, Frau Kollegin Eisenberg, das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Bildungsausschuss und die an der Beratung beteiligten Ausschüsse für Soziales sowie Innen und Recht haben sich in mehreren Sitzungen mit beiden Gesetzentwürfen befasst und schriftliche Stellungnahmen der Betroffenen eingeholt. Am 17. November 2005 fand zusätzlich eine mündliche Anhörung statt, zu der die Arbeitsgemeinschaft der kommunalen Landesverbände, die Landesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtsverbände und die Landeselternvertretung der Kindertagesstätten eingeladen waren.
nanziellen Auswirkungen des Gesetzentwurfs und die Finanzierung der Kitas insgesamt problematisiert wurden, waren und sind die eigentlichen Ziele des Gesetzentwurfs unstrittig: Konkretisierung des Bildungsauftrages, Zusammenarbeit von Kindertagesstätten und Grundschulen sowie die Etablierung von Kreis- und Landeselternvertretungen.
In der letzten Ausschusssitzung haben die Fraktionen ihre Änderungsanträge zum Gesetzentwurf der Landesregierung eingebracht, damit die inhaltlichen Anregungen aus der Anhörung aufgenommen und die Zielsetzung des Gesetzentwurfs noch verstärkt.
Im Einvernehmen mit den an der Beratung beteiligten Ausschüssen empfiehlt der Bildungsausschuss dem Landtag, den FDP-Gesetzentwurf für erledigt zu erklären - er ist bereits in das Kindertagesstättengesetz aufgenommen worden - und den Gesetzentwurf der Landesregierung mit einigen Änderungen anzunehmen.
Im Namen der Ausschüsse darf ich Sie um Zustimmung zum Gesetzentwurf der Landesregierung in geänderter Fassung, die Sie der Drucksache 16/404 entnehmen können, bitten.
Ich danke der Frau Berichterstatterin. Gibt es Wortmeldungen zum Bericht? - Das ist nicht der Fall. Dann eröffne ich die Aussprache.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Für kleine Menschen muss die Politik Großes zustande bringen, und zwar nicht nur um der Kinder selbst willen, sondern auch für die Wohlfahrt unserer Gesellschaft.
Mehr Bildung im Vorschulalter: Das ist bildungsund gesellschaftspolitisch eine der wichtigsten Aufgaben unserer Zeit und eine Aufgabe, die in zweifacher Hinsicht bedeutsam ist. Zunächst, weil man mit mehr Bildung im Vorschulalter - gerade später die Schule - von vielen Problemfällen entlastet, mit denen wir es heute regelmäßig zu tun haben.
Der zweite wichtige Grund, weshalb dieses Thema so wichtig ist: In einer Gesellschaft, in der bedauerlicherweise ein steigender Anteil der Kinder in Armut und ohne die nötige Förderung im Elternhaus aufwächst, sind gute Kindergärten nötiger denn je. Nur hier lässt sich so weit als möglich ausgleichen, was von Hause aus an Bildung und Erziehung fehlt, und nur so kann unsere Gesellschaft verhindern, dass immer mehr junge Menschen hinter ihren Möglichkeiten zurückbleiben. Gerade eine älter werdende Gesellschaft ist darauf angewiesen, dass möglichst viele Kinder, möglichst alle Kinder gute Startchancen haben.
Angesichts dieser Anforderungen bleibt die Kindergartenpolitik der Landesregierung hinter dem, was in dieser Zeit nötig und auch möglich ist, um Längen zurück. Die Landesregierung reklamiert für die Kitas mehr Bildung, will dafür aber nicht mehr ausgeben. Faktisch bedeutet das Einfrieren der Landesmittel auf jährlich 60 Millionen € sogar angesichts steigender Kosten und sogar angesichts immer noch steigender Zahlen von Kita-Plätzen sogar eine Verschlechterung. Schleswig-Holstein nimmt sich kein Beispiel am Vorbild anderer Bundesländer. Ich nenne etwa Rheinland-Pfalz, wo man jährlich 27 Millionen € zusätzlich in frühkindliche Bildung investiert, davon 2 Millionen allein pro Jahr in Aus- und Fortbildung der Erzieherinnen und Erzieher. Das ist das Zehnfache dessen, was die Landesregierung Schleswig-Holstein für diesen Zweck in die Hand nehmen will.
Meine Damen und Herren, ja, diese große Koalition hier in Kiel macht Kindergartenpolitik auf sehr kleiner Flamme. Morgen beim Haushalt 2006 wird die FDP-Fraktion ihren Antrag, die Landesmittel für die Kindergartenpolitik auf 68 Millionen € jährlich zu erhöhen, zur Abstimmung stellen. Es ist aber zu befürchten, dass die Regierungsmehrheit kein Einsehen haben wird. Charles Dickens berühmte Weihnachtserzählung, bei der der geizige Mister Scrooge am Ende doch noch Einsicht zeigt, ist eben doch nur ein schönes Märchen. Die stellvertretende Ministerpräsidentin in der Rolle von Mrs. Scrooge werden wir nicht erleben.
Am 17. November hat der Ausschuss eine Anhörung zur vorliegenden Kita-Novelle durchgeführt, die im Ergebnis für die Landesregierung zu einem regelrechten Fiasko geraten ist.
Der Verlauf der Anhörung ist für die Landesregierung, für die Koalitionsfraktionen, deshalb so desaströs ausgefallen, weil buchstäblich alle Annahmen und Begründungselemente, die der Kindergartenpolitik des Landes zugrunde liegen, wie Seifenblasen zerplatzt sind.
Punkt eins: Angesichts angeblich „sinkender Kinderzahlen“ - Zitat Frau Ministerin Erdsiek-Rave in einer Pressemitteilung vom 25 Oktober 2005 - sei die Landesförderung für die Kitas „auskömmlich“. Von sinkenden Kinderzahlen ist aber bei genauerer Betrachtung vorerst in den Kitas überhaupt nichts zu spüren. Bereits die Antwort auf eine von mir gestellte Kleine Anfrage, Drucksache 16/275, hat ergeben: Seit 2001 ist die Zahl der Kita-Plätze im Land kontinuierlich von Jahr zu Jahr von etwa 86.000 auf knapp 91.000 gestiegen.
In der Anhörung ist nun vonseiten der kommunalen Landesverbände und der Wohlfahrtsverbände klargestellt worden: In der Altersgruppe zwischen drei und sechs Jahren, also bei den Kindern im Kindergartenalter, steigt, und zwar seit Jahren, in kontinuierlicher Weise der Anteil der Kinder, für die Kita-Plätze nachgefragt werden. Die dadurch steigende Nachfrage überwiegt den demografisch bedingten Rückgang der Jahrgangsstärken derzeit noch bei weitem. Deshalb - so wurde uns in der Anhörung auch plausibel dargelegt - sei die Rechnung der Regierung eine absolute Milchmädchenrechnung. Das ist ein Zitat aus den Reihen der kommunalen Landesverbände. Der viel beschworene Demografiefaktor werde sich - so konnten wir ferner im Ausschuss hören - voraussichtlich überhaupt erst in drei bis fünf Jahren bemerkbar machen.
Vor dieser Wirklichkeit verschließt die Regierung souverän ihre Augen. Augen zu und durch, nach diesem Motto verfährt die große Koalition. Das ist nicht nur Politik auf Sparflamme, sondern das ist vor allem auch Realitätsverweigerung. Nebenbei bemerkt, auch die politische Fiktion, man könne in naher Zukunft mehr Kinderbetreuung für die unter Dreijährigen ermöglichen, weil angeblich weniger Plätze für die Drei- bis Sechsjährigen erforderlich seien, zerplatzt an dieser Realität, die ich Ihnen beschrieben habe, wie eine Seifenblase.
Die Anhörung zu Kita-Novelle hat darüber hinaus noch einen zweiten schwerwiegenden Konstruktionsfehler des Landes in der Kindergartenpolitik aufgedeckt. Man könnte fast sagen, die Regierung baut hier ein landespolitisches Knickei Halstenbe
ker Art. Ohne Not will die Landesregierung nämlich auch einen Verteilerschlüssel für die Landesmittel, der die Gelder den Kreisen und kreisfreien Städten auf der Datenbasis der Jahre 2000 bis 2003 zuweist, fortschreiben. Dies war ursprünglich nur als Übergangslösung für den Doppelhaushalt 2004/2005 gedacht. Nun aber führt die beabsichtigte Fortschreibung zu regionalen Verwerfungen und Verzerrungen, die politisch, Frau Ministerin, überhaupt nicht zu rechtfertigen sind.
Die Sache ist nämlich folgende: Im Land vollziehen sich - wie die kommunalen Landesverbände und auch die Wohlfahrtsverbände betont haben - im Kita-Bereich regional sehr unterschiedliche Entwicklungen. In einzelnen Regionen nimmt die Zahl der Kita-Plätze durchaus schon ab, in anderen Regionen des Landes, insbesondere im Hamburger Umland, wo es Neubaugebiete gibt und auch noch neue Kindertageseinrichtungen gebaut werden, steigt die Zahl der Kita-Plätze deutlich an. Das ist auch klar in den Regionen, in denen Zuwanderung ist, und dort, wo auch junge Familien hinziehen, ist das logischerweise zu erwarten.
Meine Damen und Herren - das ist - wie gesagt logisch und müsste eigentlich selbst dem Dümmsten einleuchten. Die Landesregierung will aber trotzdem ihre Fördermittel auf der Basis der Ist-Zahlen der Jahre 2000 bis 2003 weiter über die Kreise und kreisfreien Städte ausschütten. Das ist wirklich eine grottenschlechte Politik. Es geht ja gar nicht darum, mehr Geld auszugeben, sondern darum, es bedarfsgerecht dort hinzubringen, wo Kita-Plätze nachgefragt werden.