Protocol of the Session on May 31, 2006

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich eröffne die 13. Tagung des Schleswig-Holsteinischen Landtages. Das Haus ist ordnungsgemäß einberufen und beschlussfähig. Erkrankt sind Frau Abgeordnete Schlosser-Keichel und Frau Ministerin Dr. Trauernicht. Beiden Kolleginnen wünsche ich von dieser Stelle aus gute Besserung.

(Beifall)

Beurlaubt sind die Abgeordneten Ingrid Franzen und Klaus Müller. Wegen dienstlicher Verpflichtung auf Bundesebene sind Ministerpräsident Carstensen sowie die Minister Dr. von Boetticher und Dr. Stegner beurlaubt.

Meine Damen und Herren, die Abgeordnete Anne Lütkes hat mit Wirkung vom 30. Mai 2006 ihr Mandat im Schleswig-Holsteinischen Landtag niedergelegt. Als Nachfolgerin hat der Landeswahlleiter Frau Angelika Birk festgestellt. Frau Birk hat ihr Landtagsmandat heute angenommen.

Frau Birk, ich darf Sie bitten, zur Verpflichtung nach vorn zu kommen, und bitte die Anwesenden, sich zu erheben. Frau Birk, ich möchte Sie verpflichten und bitte Sie, die rechte Hand zu heben und mir die Eidesformel nachzusprechen.

(Die Anwesenden erheben sich. - Die Abge- ordnete wird nach folgender Eidesformel vereidigt: Ich schwöre, meine Pflichten als Abgeordnete gewissenhaft zu erfüllen, Ge- setze und Verfassung zu wahren und dem Lande unbestechlich und ohne Eigennutz zu dienen.)

Frau Birk, ich gratuliere Ihnen und wünsche uns gemeinsam eine erfolgreiche Zusammenarbeit für dieses Land. Herzlich willkommen wieder im Parlament!

(Beifall)

Meine Damen und Herren, ich habe Ihnen eine Aufstellung über die im Ältestenrat vereinbarten Redezeiten übermittelt. Der Ältestenrat hat sich verständigt, die Tagesordnung in der ausgedruckten Reihenfolge mit folgenden Maßgaben zu behandeln: Zu den Tagesordnungspunkten 2, 11, 18, 19 sowie 23 bis 25 ist eine Aussprache nicht geplant. Von der Tagesordnung abgesetzt werden sollen die Tagesordnungspunkte 20, 30 und 35. Anträge für eine Aktuelle Stunde oder Fragestunde liegen nicht vor. Wann die weiteren Tagesordnungspunkte voraussichtlich aufgerufen werden, ergibt sich aus der

Ihnen vorliegenden Übersicht über die Reihenfolge der Beratungen in der 13. Tagung.

Wir werden heute und morgen und Einschluss einer zweistündigen Mittagspause jeweils längstens bis 18 Uhr tagen. Am Freitag ist ein Ende der Sitzung gegen 13:30 Uhr zu erwarten, sodass am Freitag eine Mittagspause nicht vorgesehen ist. - Ich höre keinen Widerspruch. Dann werden wir so verfahren.

Bevor wir in die Tagesordnung eintreten, will ich auf der Tribüne Schülerinnen und Schüler der Theodor-Mommsen-Schule aus Bad Oldesloe sowie der Beruflichen Schulen aus Schleswig-Flensburg mit ihren Lehrkräften herzlich begrüßen.

(Beifall)

Ich begrüße außerdem unsere ehemaligen Kollegen, Herrn Plüschau, Herrn Poppendiecker und Herrn Professor Wiebe. - Seien Sie uns herzlich willkommen!

(Beifall)

Ein weiterer Willkommensgruß gilt allen weiteren Gästen.

Meine Damen und Herren, ich rufe jetzt Tagesordnungspunkt 28 auf:

Bericht zum Verbraucherschutz

Bericht der Landesregierung Drucksache 16/770

In Vertretung der erkrankten Sozialministerin erteile ich der Ministerin für Bildung und Frauen, Frau Ute Erdsiek-Rave, das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im Mittelalter hat man Bäcker, die zu kleines Brot gebacken hatten, an den Pranger gestellt. Das war gewiss eine brutale Form des Verbraucherschutzes, aber sie war von den Bäckerinnungen damals selbst gewollt und wurde von den Verbrauchern begrüßt, weil man verhindern wollte, dass die ehrlichen Bäcker einen Preisnachteil hatten. Im Grunde wurden schon damals die zwei wichtigsten Kriterien des Verbraucherschutzes verfolgt, nämlich Schutz des Verbrauchers vor mangelhafter Ware und Schutz der Wirtschaft vor ruinösen Wettbewerbsbedingungen.

Diese Grundzüge haben sich bis heute nicht geändert. Dennoch ist Verbraucherschutz heute in einer postindustriellen und globalisierten Welt natürlich eine wesentlich umfassendere Aufgabe. Das Ange

bot an Waren und Dienstleistungen nimmt in rasanter Geschwindigkeit zu und damit eben auch die Schattenseiten, die Fallen, die Nebenwirkungen und die Fußangeln und diese sind für Verbraucher nicht immer ohne weiteres erkennbar.

Gleichzeitig nehmen Umfang und Gewicht europäischer Regelungen zu, während parallel immer häufiger auch Deregulierungsstrategien entwickelt werden. Deswegen ist Verbraucherschutz eine umfassende Querschnittsaufgabe und dementsprechend haben für diesen Bericht, der unter Federführung des Sozialministeriums entstanden ist, auch das Justizministerium, das Landwirtschafts- und Umweltministerium sowie das Wirtschaftsressort zugeliefert. Dafür danke ich in Stellvertretung der zuständigen Ministerin allen Beteiligten.

(Vereinzelter Beifall)

In dem Bericht geht es zum einen um die so genannten Klassiker des Verbraucherschutzes, also um Verbraucheraufklärung, -information, Ernährungsinformation, gesundheitlichen Verbraucherschutz - Beispiele dafür sind Mogelpackungen und Lebensmittelsicherheit -, zum anderen nehmen der allgemeine und europäische Verbraucherschutz zunehmenden Raum ein. Auch das lässt sich in diesem Bericht ablesen.

Erstens einige Bemerkungen zum europäischen Verbraucherschutz! Die rechtlichen Vorgaben werden in Zukunft in noch stärkerem Maße durch die Europäische Union erfolgen, die zum einen eine stetige Liberalisierung der Märkte und zum anderen eine Harmonisierung der Verbraucherschutzregelungen innerhalb der Europäischen Gemeinschaft beabsichtigt. Das heißt, nationale Regelungen müssen entsprechend angepasst werden. Deswegen werden die europäische Dimension, die ich eben beschrieben habe, sowie wichtige laufende und geplante Verbraucherschutzformen der Europäischen Union in unserem Bericht abgebildet. Das ist einer der großen Schwerpunkte und ein Wert in diesem Bericht. Damit sind wir vielen anderen Bundesländern einen großen Schritt voraus. Nur NordrheinWestfalen, Brandenburg und Baden-Württemberg sind vergleichbar weit mit einer so umfassenden Darstellung.

Zweitens zum umfassenden Kapitel Verbraucheraufklärung, Verbraucherinformation und Ernährungsinformation! Dieses Kapitel stellt die wichtigsten Verbraucherschutzinstitutionen in Schleswig-Holstein vor - das Landeslabor, das Landesamt für Gesundheit und Arbeitssicherheit, die Eichdirektion, die Verbraucherzentrale, das Europäische Verbraucherzentrum, die Deutsche Gesellschaft für

(Präsident Martin Kayenburg)

Ernährung und das Netzwerk Ernährung - und es skizziert mit dem Verbraucherinformationsgesetz die aktuelle Rechtslage. An der Zahl und der Verschiedenheit der Institutionen, die mit Verbraucherschutz in Schleswig-Holstein befasst sind, sieht man, wie umfassend die ganze Problematik ist.

Drittens. Der allgemeine Verbraucherschutz erhält aufgrund der aktuellen Entwicklungen in vielen Bereichen ganz besonderes und immer größer werdendes Gewicht. Dabei geht es zum Beispiel um die Themen, die ständig in der Presse diskutiert werden, also um die kostenlose Sperrung teurer Mehrwertdienste für die Handynutzer - dabei gucke ich besonders die jungen Menschen hier oben auf der Tribüne an -, um den Schutz vor Werbeanrufen, vor Spamming, also vor der Versendung unerwünschter Spam-Mails, und vor dem so genannten Phishing, also dem Abfangen geheimer Zugangsdaten für das Online-Banking. Es geht auch um die Patientenrechte und die Gültigkeit von Patientenverfügungen; dies ist ein hoch wichtiges, aber auch umstrittenes Thema. Dann geht es um das Recht jeder Bürgerin und jedes Bürgers auf die Einrichtung eines Girokontos, um Transparenz und Vergleichbarkeit von Versicherungen, um den Schutz vor regionalen Nachteilen etwa bei Versicherungsabschlüssen.

Der vierte Komplex ist der gesundheitliche Verbraucherschutz. Er hat gerade in den letzten Wochen im Zusammenhang mit der Vogelgrippe und mit immer wieder auftretenden Lebensmittelskandalen gezeigt, wie absolut unverzichtbar er ist.

Die Prinzipien, bürgernah zu sein, Orientierung zu geben und Bedingungen zu gestalten, gelten für alle Bereiche des Verbraucherschutzes. Sie sind in diesem Bericht abgebildet, sowohl in der Gliederung als auch im Umfang.

Vielleicht kann man diese Prinzipien in einem Satz zusammenfassen und sagen: Verbraucherschutz darf kein Privileg bestimmter Schichten unserer Gesellschaft, also kein Privileg der Gebildeten sein und darf auch keine Frage des Portmonees sein.

(Beifall im ganzen Haus)

Es muss ein umfassendes Recht für alle sein. Verbraucherschutz ist für jeden unverzichtbar. Aufklärung, Orientierung, Hilfestellung sind die Prinzipien. Gerade deshalb sind Sachlichkeit, Neutralität und Wahrheit der Information oberstes Gebot.

Ich glaube, mit diesem Verbraucherschutzbericht wird beides erreicht: zum einen der Schutz des Verbrauchers, also Stärkung der Interessen und Rechte der Menschen, zugleich auch der Schutz der Wirtschaft vor ruinösen Wettbewerbsbedingungen. Des

wegen wünsche ich diesem Bericht, dass er von allen Bürgerinnen und Bürgern intensiv gelesen und genutzt wird, damit er sozusagen ein Handbuch des Verbraucherschutzes in Schleswig-Holstein wird.

Unser Ziel ist es ja, die Verbraucher vor der Anbahnung von Verträgen und vor dem Abschluss von Verträgen vor Missbrauch, Übervorteilung und Täuschung zu schützen. Das wollen wir durch entsprechende Informationsrechte, Rücktrittsrechte, Schadensersatzrechte erreichen, und zwar nicht nur für Erwachsene, sondern auch für Heranwachsende. Sie brauchen wahre, verständliche und vor allen Dingen leicht zugängliche Informationen, die transparent sind und Vergleichbarkeit sichern. Nicht zuletzt sind dazu neutrale Einrichtungen wie die Verbraucherzentralen notwendig. Solche Anlauf- und Informationsstellen sind absolut unverzichtbar. Deswegen haben wir die Präsenz der Verbraucherzentrale in Schleswig-Holstein mit ihren Standorten im Koalitionsvertrag verankert.

Es geht in Zukunft darum, wie in allen Bereichen, die angesprochen worden sind, den präventiven Verbraucherschutz zu stärken. Deswegen gehören Initiativen zu einer altersangepassten, altersangemessenen, gesunden Ernährung dazu, die ich als Bildungs- und Frauenministerin natürlich ganz besonders begrüße. Eine gesunde Lebensweise ist gerade für Kinder und Jugendliche unverzichtbar. Da haben wir zum Teil ganz erheblichen Aufklärungsbedarf,

(Beifall bei CDU, FDP und BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

ganz besonders - ich muss es leider sagen - bei Kindern aus so genannten bildungsfernen Schichten. Der Gesundheitszustand von Kindern bildet sich in diesen Verhältnissen der Gesellschaft ab. Das ist ein Zustand, den wir ändern müssen.

Deswegen haben wir ein Programm zur Früherkennung und zur Prävention von Übergewicht bei Kindern und Jugendlichen entwickelt, außerdem ein Projekt zur Reform der Ernährungs- und Verbraucherbildung an Schulen. Es ist das Projekt REVES. Ich glaube, nur so kann sich der Kreislauf auf Dauer schließen. Verbraucherberatung und -schutz unterstützen den eigenverantwortlichen, mündigen Bürger, und zwar am besten präventiv und von Anfang an.

Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. Ich wünsche diesem Bericht eine weite Verbreitung, eine gute Debatte hier und eine gute Debatte im Ausschuss. Ich hoffe, der Bericht wird das, was wir uns alle wünschen: ein Handbuch für jedermann und für jede Frau in Schleswig-Holstein.

(Ute Erdsiek-Rave)

(Beifall im ganzen Hause)

Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort der Frau Abgeordneten Angelika Birk. Es ist zwar nicht ihre erste Rede in diesem Raum, aber die erste nach Annahme des Mandats.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die grüne Forderung nach einem umfassenden Landesbericht über den Verbraucherschutz hat ins Schwarze getroffen. Dank des Antrages der Grünen legt die Landesregierung der Öffentlichkeit heute ein dickes Buch vor. Es ist eine Bilanz des Verbraucherschutzes. Das Buch kommt gerade rechtzeitig zur Bundestagsberatung des neuen Verbraucherinformationsgesetzes. Auch von unserer Seite sage ich einen herzlichen Dank an die wirklich sehr arbeitsintensive und übersichtlich gestaltete Zusammenfassung als Bilanz der letzten Jahre. Es war ein gutes Stück Arbeit für die Verwaltung. Das verdient unsere Anerkennung.

(Beifall im ganzen Hause)

Der Name Seehofer taucht in dem sachlichen Bericht der Landesregierung natürlich nicht auf. Wer das Papier gründlich liest, findet dort aber genug Beispiele und Argumente oder auch manche beredte Auslassung, die zeigen, dass der jetzt vorliegende Entwurf eines Verbraucherinformationsgesetzes des Bundes ein zahnloser Tiger bleibt, und zwar auch auf den klassischen Feldern der Lebensmittelsicherheit. Der Landesbericht stellt fest, dass es bei Obst- und Gemüsekontrollen durchaus Schadstoffbelastungen gibt. Nicht selten waren es verschiedene Schadstoffe in einem Lebensmittel. Doch solange der einzelne Schadstoff unter den Grenzwerten bleibt, gibt es keinen gesetzlichen Handlungsbedarf. Das muss sich ändern. Genau an diesem Punkt ist der neue Bundesgesetzentwurf sehr chemiefreundlich.

Greenpeace hat im letzten Jahr durch eine große, bundesweite Supermarktkontrollaktion sogar viele illegale Schadstoffe in Obst und Gemüse gefunden, zum Beispiel auch in Hamburg. Da verwundern die vergleichsweise beruhigenden Stellungnahmen des Landesberichts. Sollten Aldi, Lidl und andere Supermärkte ausgerechnet in Kiel und Lübeck gesündere Ware anbieten als eine Zugstunde weiter südlich? Greenpeace beklagte sich, dass auf seine Giftfunde in Obst und Gemüse die zuständigen örtlichen und überörtlichen Behörden und Handelsunternehmen auf ihre Messungen und Berichte