Protocol of the Session on September 1, 2005

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich gestehe, dass 9 Uhr für den Beginn unserer Plenartagung eine etwas ungewöhnliche Zeit ist. Ich habe aber den Eindruck, dass langsam alle eintreffen. Deshalb eröffne ich die 5. Tagung des Schleswig-Holsteinischen Landtages. Das Haus ist ordnungsgemäß einberufen und beschlussfähig.

Herr Minister Döring ist wegen dienstlicher Verpflichtungen am heutigen Tage, Herr Minister Austermann wegen der Wahrnehmung auswärtiger Termine im späteren Verlauf der Sitzung beurlaubt. Aufgrund einer Messereröffnung ist Herr Ministerpräsident Carstensen zurzeit nicht anwesend. Er wird in circa einer Stunde zur heutigen Sitzung eintreffen.

Meine Damen und Herren, ich habe Ihnen eine Aufstellung der im Ältestenrat vereinbarten Redezeiten übermittelt. Der Ältestenrat hat sich verständigt, die Tagesordnung in der ausgedruckten Reihenfolge mit folgenden Maßgaben zu behandeln. Zu den Tagesordnungspunkten 2, 3, 7, 8, 9, 15, 17, 25 bis 28, 33 bis 35 und 41 ist eine Aussprache nicht geplant. Zur gemeinsamen Beratung vorgesehen sind die Tagesordnungspunkte 14 und 32, Regionalflughafen Lübeck-Blankensee und Bundesratsinitiative für ein „Flughafen-Lübeck-Gesetz“. Von der Tagesordnung abgesetzt werden sollen die Punkte 12, 13, 29, 30 und 37. Anträge zur Aktuellen Stunde liegen nicht vor.

Wann die weiteren Tagesordnungspunkte voraussichtlich aufgerufen werden, ergibt sich aus der Ihnen vorliegenden Übersicht über die Reihenfolge der Beratungen in der 5. Tagung.

Ich weise daraufhin, dass die heutige Sitzung unter Einschluss einer zweistündigen Mittagspause - soweit erforderlich - über 18 Uhr hinaus fortgesetzt werden wird. Die Sitzung am Freitag beginnt um 10 Uhr. Die morgige Mittagspause wird um eine Stunde verkürzt, die Sitzung also bereits um 14 Uhr fortgesetzt. Wir werden morgen längstens bis 18 Uhr tagen. - Ich höre keinen Widerspruch, dann werden wir so verfahren.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 1 auf:

Fragestunde

Zur Fragestunde hat der Herr Abgeordnete Dr. Klug von der FDP eine Frage eingereicht. Ich erteile deshalb zunächst dem Fragesteller das Wort.

Schleswig-Holsteinischer Landtag (16. WP) - 8. Sitzung - Donnerstag, 1. September 2005 405

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Meine Frage lautet:

„Befürwortet die Landesregierung eine vollständige Veröffentlichung der jüngsten PISA-Ergebnisse - -“

(Zurufe: Mikrofon bitte! Das ist nicht zu ver- stehen!)

Das Mikrofon, eine Sekunde bitte!

Also, ich wiederhole das, Herr Präsident. - Meine Frage lautet:

Befürwortet die Landesregierung eine vollständige Veröffentlichung der jüngsten PISA-Ergebnisse einschließlich der Landesergebnisse in allen Schularten - also nicht nur den Gymnasien - oder lehnt die Landesregierung eine solche Offenlegung der PISADaten ab, wie dies laut Bericht der „WELT“ vom 25. August 2005 „vor allem die SPD geführten Bundesländer“ tun?

Vielen Dank, Herr Dr. Klug. Ich unterstelle, dass Frau Ministerin Erdsiek-Rave antworten wird. Frau Ministerin, Sie haben das Wort.

Guten Morgen, Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Dr. Klug, lassen Sie mich zunächst eines ganz klar sagen: Selbstverständlich befürwortet die Landesregierung eine vollständige Veröffentlichung der jüngsten PISA-Ergebnisse einschließlich der Leistungsergebnisse in allen Schularten. Darüber gibt es überhaupt keine Diskussion. Lassen Sie mich allerdings etwas ausführlicher darstellen, wie es zu dieser öffentlichen Darstellung oder auch zu den Missverständnissen, die daraus erwachsen sind, gekommen ist.

In der augenblicklichen Diskussion geht es ausschließlich um die Frage, auf welchem Maßstab die Daten errechnet werden. Dafür gibt es eine ganz klare Regelung. Es geht nicht nur darum, wie sie errechnet werden sollen, sondern auch darum, wie sie dargestellt werden sollen. Dazu gibt es eine klare Regelung in dem Vertrag, der zwischen der KMK und dem PISA-Konsortium Deutschland unter Federführung

von Herrn Professor Prenzel im Februar 2003 beschlossen wurde. Laut dem Vertrag, an den alle Länder gebunden sind - ich zitiere -, werden „länderspezifische Auswertungen in Form von kurz kommentierten Standardtabellen“ festgelegt und sind „explizite Leistungsvergleiche zwischen den Ländern“ nur zulässig nach vorheriger Absprache in der Amtchefskommission Qualitätssicherung und nach Zustimmung der Länder.

Unstrittig unter den Ländern ist die bisherige Linie, dass ein Vergleich der Schulformen - wohlgemerkt der Schulformen - über die Länder hinweg nur für das Gymnasium als einzige in allen 16 Ländern vertretene Schulform sicher und sinnvoll ist. Daher entspricht nur die Ihnen bisher bekannte Darstellungsform des neuen PISA-Ländervergleichs, nämlich der Schularten jeweils in einer länderspezifischen Metrik, also den Vergleich innerhalb des einzelnen Bundeslandes durchzuführen, dem Vertrag zwischen KMK und dem PISA-Konsortium.

Im Gegensatz zu diesen vertraglichen Festlegungen hat Herr Professor Prenzel vorgeschlagen - und dafür hat er wissenschaftliche Erwägungen ins Feld geführt, die er allerdings in der KMK noch nicht vorgetragen hat -, die Ergebnisse für die Schulformen der einzelnen Länder auf der internationalen Metrik, also in der internationalen Darstellung, abzubilden, um die Leistungen der Länder auf einen internationalen Maßstab zu beziehen.

Im Klartext gesprochen: Es geht also darum, den Durchschnitt aller Gymnasiasten - sagen wir in Schleswig-Holstein - mit dem Durchschnitt aller 15jährigen Schüler in Kanada oder in Korea zu vergleichen. Man kann es auch anders formulieren: Der Durchschnitt aller Hauptschüler in Hessen wird mit dem Durchschnitt aller Schüler in Korea verglichen. Diese Darstellungsform ermöglicht dann zugleich abgeleitet den Vergleich aller Schulformen über die Bundesländergrenzen hinweg, über den vereinbarten Schulvergleich der Gymnasien hinaus. Dies bedarf einer Abstimmung innerhalb der KMK.

Aus diesem Grund - nur aus diesem Grund - hat der Staatssekretär Meyer-Hesemann als Vorsitzender der Amtchefkommission nach Abstimmung mit seinem Mitvorsitzenden aus Bayern, Herrn Ehrhard, Herrn Professor Prenzel mitgeteilt, dass diese Frage vor einer endgültigen Klärung in der zuständigen Amtchefskommission beraten werden muss. Professor Prenzel ist zu dieser Sitzung eingeladen und wird gebeten, die im Einzelnen noch nicht erläuterten Gründe des PISA-Konsortiums darzulegen, die aus wissenschaftlicher Sicht dafür sprechen, in Abweichung von der bisherigen Position die internationale

(Ministerin Ute Erdsiek-Rave)

Skala als Maßstab und als Vergleichsbasis einzuführen.

Herr Dr. Klug, eine Zusatzfrage!

Herr Präsident, meine erste Zusatzfrage lautet: Teilt Ministerpräsident Carstensen die eben dargelegte Auffassung von Frau Erdsiek-Rave hinsichtlich einer nur eingeschränkten Publikation der PISA-Daten oder ist der Herr Ministerpräsident der Auffassung, dass eine vollständige Offenlegung - wie es die unionsgeführten Länder befürworten - stattfinden soll?

Ich darf im Hinblick auf die Präsenz im Plenarsaal, Herr Präsident, vorschlagen, dass wir vielleicht die Beantwortung, da es sich um eine persönliche Frage an den Ministerpräsidenten handelt, zurückstellen. § 37 Abs. 7 unserer Geschäftsordnung sieht eine solche Möglichkeit vor, nämlich eine Beantwortung bis zu dem Zeitpunkt zurückzustellen, an dem der Ministerpräsident hier im Plenarsaal ist.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sehr geehrter Herr Dr. Klug, ich hatte eben darauf hingewiesen, dass der Herr Ministerpräsident wegen einer Ausstellungseröffnung nicht anwesend ist. Ich gehe davon aus, dass die zuständige Fachministerin, gleichzeitig stellvertretende Ministerpräsidentin, die Beantwortung dieser Frage - soweit es ihr möglich ist - übernimmt.

(Beifall der Abgeordneten Peter Eichstädt [SPD] und Günter Neugebauer [SPD])

Herr Dr. Klug, ich habe zu Beginn meiner Ausführungen gesagt, dass die Landesregierung der Auffassung ist, dass es überhaupt nicht darum geht, irgendwelche Daten zurückzuhalten. Wenn Sie eben - Entschuldigung! - meinen Ausführungen gefolgt wären, würden Sie auch zu dem Schluss gekommen sein, dass es keineswegs darum geht, Daten zurückzuhalten. Es geht vielmehr darum, dass von Herrn Professor Prenzel vorgeschlagen worden ist, eine neue Darstellungsform einzuführen, wie es sie bisher nicht gegeben hat. Das bedarf einer Abstimmung in der Amtchefskommission und in der KMK. So einfach ist das.

Da geht es nicht um eine politische Frage, ob man etwas vollständig offen legen will oder nicht. Das ist ein Missverständnis gewesen. Dieses Missverständnis ist gezielt herbeigeführt worden, und zwar nicht von mir, sondern von jemandem, den ich nicht kenne. Kein Bundesland hat sich bisher zu der Frage, wie wir in Zukunft weiter verfahren wollen, ob wir von dem Vertrag, den wir haben, abweichen und diese Art der Vergleichstabellen einführen wollen, explizit geäußert. Das wird in der Amtchefskommission und in der KMK geschehen. Möglicherweise sind die Gründe von Herrn Professor Prenzel, die er vortragen wird, so überzeugend, dass wir zu einem neuen Schluss kommen. Dann wird so verfahren werden. Es geht aber nicht darum, irgendwelche Daten, die vorhanden sind, zu verheimlichen, sondern es geht ausschließlich darum, die vorhandenen Daten in unterschiedlichen Tabellen abzubilden, ja oder nein. Ob das sinnvoll ist, darüber kann man politisch streiten, und das wird geschehen.

Ich frage mich wirklich - um das noch hinzuzufügen -, ob es richtig ist, unsere Hauptschüler oder die in Hessen oder die in Bayern mit dem Durchschnitt aller 15-Jährigen in Korea zu vergleichen. Ich weiß nicht, welcher Erkenntnisgewinn daraus kommen soll und wie gerecht eine solche Darstellung ist.

(Vereinzelter Beifall bei SPD und CDU)

Da müsste wirklich erklärt werden, was der Sinn einer solchen Darstellungsform sein soll.

Noch einmal und in aller Klarheit: Hier geht es nicht darum - und dagegen verwahre ich mich -, dass Daten zurückgehalten werden sollen, sondern es soll eine Abweichung vom bisherigen Vertrag geben, und das muss verhandelt werden.

Sehr geehrter Herr Dr. Klug, ich hoffe, dass Ihre Frage zur Zufriedenheit beantwortet worden ist. Sollte das nicht der Fall sein, darf ich Sie auf § 37 Abs. 9 der Geschäftsordnung verweisen. Danach haben Sie die Chance, die Beantwortung in einer Aktuellen Stunde zu verlangen. § 37 Abs. 7 der Geschäftsordnung ist, wenn ich das richtig sehe, ein Schutzbedürfnis der Regierung, gegebenenfalls vertagen zu können, wenn der Fragesteller einverstanden ist. Das ist insoweit nicht einschlägig.

Sie haben eine weitere Zusatzfrage.

Herr Präsident, ich möchte als weitere Zusatzfrage folgende Frage an die Frau Ministerin richten: Frau Ministerin Erdsiek-Rave, weshalb unterstützen Sie

(Dr. Ekkehard Klug)

nicht die Auffassung Ihres Berliner Kollegen, des SPD-Schulsenators Klaus Böger, der sich in der öffentlichen Debatte ausdrücklich für eine Einbeziehung aller Schularten in die Leistungsvergleiche und die Veröffentlichung der Daten ausgesprochen hat mit der expliziten Feststellung: „Wir haben nichts zu verbergen“?

Auch wir haben nichts zu verbergen, Herr Dr. Klug. Es geht einzig und allein um die Frage, wie sinnvoll Vergleiche sind. Darüber werden wir möglicherweise in der KMK streiten.

Ich sage noch einmal, es geht nicht nur um den internationalen Maßstab, sondern es geht auch darum, dass man etwa Hauptschulen in Nordrhein-Westfalen oder Bremen mit den Mittelschulen in Sachsen vergleicht. Es gibt ein rein dreigliedriges Schulsystem nur noch in zwei Ländern der Bundesrepublik, und das sind Bayern und Baden-Württemberg. In allen anderen Ländern ergänzen etwa integrierte oder kooperative Gesamtschulen das System oder es gibt wie in den neuen Bundesländern und im Saarland ein zweigliedriges Schulsystem bestehend aus Gymnasien und Mittelschulen. Dann sagen Sie mir, wie Sie die Hauptschulen in Hamburg mit den Mittelschulen in Sachsen vergleichen wollen. Das sind fachliche Fragen, die werden diskutiert werden und die werden neu entschieden werden, wenn die KMK es insgesamt so will. So einfach ist das.

Zu einer letzten Zusatzfrage erteile ich noch einmal dem Herrn Abgeordneten Dr. Ekkehard Klug das Wort.

Frau Ministerin, ist Ihnen bekannt, dass bei der Auswertung der ersten PISA-Studie vor einigen Jahren - ich habe das Exemplar auf dem Tisch liegen - eben auch Vergleiche zwischen den einzelnen Schularten in den Ländern der Bundesrepublik Deutschland mit ausgewertet worden sind?

Ja, natürlich ist mir das bekannt. Das wird auch diesmal der Fall sein. Aber ich glaube, Sie unterliegen einem Missverständnis, Herr Dr. Klug. Natürlich wird es dieselbe Darstellungsform geben wie beim ersten PISA-Vergleich. Das ist so vereinbart, das ist vertraglich festgelegt. Wir werden also genau wissen, wo

stehen unsere Hauptschüler in welcher Bandbreite im Vergleich zu unseren Realschülern, wie leistungsfähig sind die Realschulen im Vergleich zu den Gymnasien, welche Überlappungen gibt es und so weiter. Alles das ist vorgesehen. Da wird zur bisherigen Darstellungsform nichts verändert. Aber die bisherige Darstellungsform soll um den Vorschlag von Herrn Professor Prenzel ergänzt werden, den ich dargestellt habe. Dafür muss er der KMK die Gründe benennen.

Zu einer weiteren Zusatzfrage erteile ich dem Herrn Abgeordneten Dr. Henning Höppner das Wort.

Herr Präsident, Frau Ministerin, noch einmal nachgefragt: Warum hat sich die KMK bisher dafür entschieden, den Ländervergleich nur auf die Gymnasien zu beziehen und nicht auf die Hauptschulen, auf die Realschulen und die integrierten Gesamtschulen?

Ich will es gern noch einmal ausführen. Eine notwendige Voraussetzung für einen bundesweiten Vergleich der Schularten untereinander ist, dass es die betreffende Schulform in vergleichbarem Umfang und in vergleichbarer Struktur in allen Bundesländern gibt. Das ist, wie ich eben dargestellt habe, nicht der Fall, und zwar seit langem schon nicht mehr. Deshalb hat man sich seinerzeit dafür entschieden, ausschließlich die Gymnasien, die es in allen Bundesländern in derselben Struktur und auch mit denselben einheitlichen Prüfungsanforderungen, etwa im Abitur, in Zukunft natürlich auch mit denselben Standards, gibt, zu vergleichen. Das ist unzweifelhaft nur für das Gymnasium gegeben. Wenn jetzt ein Schulvergleich aller Schularten über die Ländergrenzen hinweg gefordert wird, dann gibt es dafür bisher keine Vergleichsbasis. Ob Herr Prenzel meint, die herstellen zu können, indem er die Werte adjustiert oder eine neue Vergleichsbasis schafft, das muss er uns erklären. Bisher waren sich jedenfalls alle Bundesländer darin einig, dass es diese Vergleichsbasis so nicht gibt.