Protocol of the Session on February 23, 2006

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich eröffne die Sitzung und begrüße Sie alle sehr herzlich. Erkrankt sind Frau Abgeordnete Susanne Herold und Frau Abgeordnete Sandra Redmann. - Ich wünsche den Kolleginnen von dieser Stelle aus gute Besserung.

(Beifall)

Beurlaubt sind die Herren Abgeordneten Wolfgang Kubicki und Dr. Johann Wadephul. Herr Minister Austermann ist wegen eines auswärtigen Termins für den heutigen Tag beurlaubt. Wegen dienstlicher Verpflichtungen auf Bundesebene ist Herr Finanzminister Wiegard beurlaubt. Frau Ministerin Dr. Trauernicht wird die Sitzung nach dem ersten Tagesordnungspunkt verlassen, um in Berlin an einer Konferenz zur Vogelgrippe teilzunehmen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, begrüßen Sie mit mir Besucher auf der Tribüne. Es sind Schülerinnen und Schüler der Käthe-KollwitzSchule in Kiel. - Seien Sie uns herzlich willkommen!

(Beifall)

Wir treten in die Tagesordnung ein. Ich rufe die Tagesordnungspunkte 19 und 32 auf.

Gemeinsame Beratung

a) Weiterentwicklung der palliativmedizinischen Versorgung, Ausbildung und Forschung am Gesundheitsstandort Schleswig-Holstein

Antrag der Fraktion der FDP Drucksache 16/587

b) Schleswig-Holstein soll Vorreiter in der Palliativmedizin und Hospizversorgung werden

Bericht der Landesregierung Drucksache 16/496

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Ich sehe, das ist nicht der Fall. Ich erteile dann das Wort der Ministerin für Soziales, Gesundheit, Familie, Jugend und Senioren, Frau Dr. Gitta Trauernicht.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! In Schleswig-Holstein sterben jedes Jahr

circa 7.600 Menschen an bösartigen Tumoren, unter anderem sterben rund 1.000 Menschen an Diabetes und etwa 600 Menschen an Erkrankungen des Nervensystems. Diese Menschen müssen teilweise unter unsäglichen Schmerzen leiden, zusätzlich zu den psychischen Belastungen, die nicht nur sie, sondern auch ihre Angehörigen tragen. Das gilt vor allem für die letzte Lebensphase.

Ein würdiges Sterben ist häufig nur in einem schmerzfreien oder zumindest erträglichen Zustand möglich. Hier setzt die Palliativmedizin an. Sie macht nicht die Heilung der Patientin, des Patienten zu ihrem Ziel, sondern sie hat zum Ziel, das Leiden zu lindern und damit einen würdigen Umgang mit dem Lebensende zu ermöglichen. Das ist die Alternative zu der andernorts diskutierten Sterbehilfe.

Den Kranken und Sterbenden sowie den Angehörigen zu helfen und sie in ihrer besonderen Situation nicht allein zu lassen, ihnen alle erdenkliche medizinische und psychologische Betreuung zu geben, ist eine große medizinische und vor allem auch eine große gesundheitspolitische Aufgabe unseres Landes.

In unserem Land ist im palliativen Bereich bereits einiges auf den Weg gebracht worden, sei es in der Aus-, Fort- und Weiterbildung des medizinischen Personals oder auch in der Versorgung der Patienten, insbesondere im stationären Bereich. Ich denke auch an die gut ausgebaute Hospizbewegung, sodass wir sagen können, dass wir in Schleswig-Holstein eine relativ gute Ausgangsposition für unheilbar kranke Menschen haben.

Wir erfüllen die Forderungen der Fachgesellschaften Palliativmedizin und Hospiz bei der Vorhaltung von Versorgungsangeboten fast in vollem Maße, insbesondere im Hospizbereich liegen wir im Deutschlandranking sogar vorn.

Ich nenne die Orte Geesthacht, Elmshorn, Rendsburg und Lübeck, aber auch Kiel, die Hospizstandorte des Landes sind. Palliativstationen haben wir in Eutin, Neumünster, Kiel und Flensburg. In Flensburg gibt es ein Palliative Care Team, in Lübeck ist eines im Aufbau und an zahlreichen Orten über das Land verteilt arbeiten ambulante Hospizgruppen.

Darüber konnten wir uns bei den so genannten Ehrenamtsmessen ein Bild verschaffen. Auch dort waren diese Gruppen sehr aktiv.

An beiden Medizinischen Fakultäten in Kiel und in Lübeck ist die Palliativmedizin Bestandteil der Pflichtvorlesungen und ausdrücklich als Prüfungsstoff aufgeführt. Das ist eine wichtige Vorausset

zung für gute Arbeit. Bereits seit 1992 finden alle zwei Jahre die Nordischen Hospiztage als anerkannte Fachtagung in der Akademie Sankelmark statt.

Darüber hinaus gibt es auch im UK SH Forschungsschwerpunkte in diesem Bereich. Damit nicht genug, die Akademie für medizinische Fortund Weiterbildung der Ärztekammer SchleswigHolstein hat mit dem Arbeitskreis Palliativmedizin bereits seit 2002 als erste Akademie in Deutschland den Basiskurs Palliativmedizin für Ärzte im Angebot.

Für den Bereich der Krankenpflegeausbildung können wir in Schleswig-Holstein sogar die diesbezügliche Empfehlung im Zwischenbericht der Enquetekommission zur Verbesserung der Versorgung Schwerstkranker und Sterbender als bereits umgesetzt betrachten. Nicht zuletzt durch den Zusammenschluss des Hospizverbandes Schleswig-Holstein mit dem Arbeitskreis „Palliativmedizin für Schleswig-Holstein“ im Jahre 2003 gehört der neue Verband in seiner jetzigen Form ebenfalls zu den Vorreitern in Deutschland.

(Beifall der Abgeordneten Detlef Buder [SPD] und Anette Langner [SPD])

Ich glaube, was hier in den letzten Jahren in diesem Bereich schon auf den Weg gebracht wurde, ist angesichts des breiten Engagements von vielen Menschen hier im Land tatsächlich einen Applaus wert.

(Beifall im ganzen Haus)

Nun will sich Schleswig-Holstein das ehrgeizige Ziel setzen, Vorreiter bei der Entwicklung der Palliativmedizin und der Hospizbewegung zu werden. Das heißt, dass die aktuelle Sachstandsbeschreibung auf den ersten Blick zufrieden stellend ist, dass wir aber gleichzeitig die gute Versorgung der Patientinnen und Patienten in unserem Land weiter optimieren wollen. Wir stehen zum Beispiel im Bereich der ambulanten palliativmedizinischen Versorgung durch so genannte Palliative Care Teams noch ziemlich am Anfang, die anderen Bundesländer im Übrigen auch.

Das Gute in Schleswig-Holstein ist, dass wir uns fraktionsübergreifend vorgenommen haben, dieses Thema zu einem zentralen politischen Thema in dieser Legislaturperiode zu machen. Deswegen haben wir Anfang Januar im Landeshaus mit dem gesundheitspolitischen Sprecherinnen und Sprechern und dem SSW ein Gespräch darüber geführt, wie wir das ehrgeizige Ziel, Vorreiterland werden zu können, tatsächlich realisieren können. Wir haben uns auf organisatorische Schwerpunkte und auf vie

le verschiedene konzeptionelle Überlegungen konzentriert, wie wir die Infrastruktur weiter verbessern können. Ich möchte nur einige nennen.

Ausgehend vom stationären Bereich sind wir der Ansicht, dass wir die krankenhausplanerischen Versorgungsstrukturen weiterentwickeln müssen, denn wir stellen leider sehr häufig fest, dass es insbesondere im Bereich der Westküste noch Leerstellen gibt, die es zu füllen gilt. Im Bereich der ambulanten palliativmedizinischen Versorgung und im Bereich des Hospizes gilt es, systematisch flächendeckend Palliative Care Teams in unserem Land aufzubauen. Das ist eine gewaltige Herausforderung, die vor uns liegt, und für diese Herausforderung brauchen wir insbesondere ein Gesetz, das sicherstellt, dass diese Angebote auch tatsächlich finanziert werden.

Ich bin froh, sagen zu können, dass in einem Gespräch mit der Bundesgesundheitsministerin zu diesem Thema in der letzten Woche die Zusage gekommen ist, dass es eine gesetzliche Regelung geben wird, die dafür sorgen soll, dass bundesweit circa 330 Palliative Care Teams an den Start gehen und entsprechend finanziert werden können. Das ist ganz wichtig für unser Ziel hier in Schleswig-Holstein.

(Beifall im ganzen Haus)

Die konzeptionelle Herausforderung liegt darin, dass wir die vorhandenen Strukturen insbesondere im Hospizbereich mit diesen neuen ambulanten Palliative Care Teams und mit den stationären Angeboten so vernetzen, dass es ein Optimum in der Versorgung der Menschen gibt, die dieser Hilfe bedürfen.

Wir sind uns darüber im Klaren, dass wir im Bereich der Aus- und Fortbildung trotz der guten Vorraussetzungen noch einiges tun müssen, um berufsbildübergreifende Aus- und Fortbildungen zu organisieren, die Berufsgruppe zu integrieren und insbesondere das ehrenamtliche Engagement der Menschen mit einzubeziehen.

Die Versorgungsforschung gibt es bereits in Schleswig-Holstein, aber es wird neue Chancen geben, weil die Deutsche Krebsgesellschaft einen Schwerpunkt setzen wird und auch auf Bundesebene - das habe ich von der Bundesgesundheitsministerin gehört - wird man einen neuen Schwerpunkt Palliativforschung einrichten. Diese Chancen zu nutzen, insbesondere durch unsere Universitäten, wird Ziel unserer gemeinsamen Aktivitäten sein. Wir sind uns darüber im Klaren, dass es in erster Linie darum geht, Outcomeevalution zu betreiben

(Ministerin Dr. Gitta Trauernicht)

und Qualitätskriterien mit Blick auf die Ergebnisqualität zu definieren.

Die Finanzierung ist ein Schlüsselthema. Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Palliativ Care Teams zu schaffen, ist das eine. Aber die vorhandenen Finanzierungsstrukturen so aufeinander abzustimmen, dass es nicht zu einer neuen Überbürokratisierung, sondern vielmehr zu einer Entschlackung und zielgerichteten Finanzierungsform kommt, ist das andere. Das wird eine zweite Voraussetzung sein.

Ich hatte gerade ein Gespräch mit der Lübecker Palliativ Care Initiative. Vertreter dieser Initiative sitzen heute auf der Zuschauertribüne. Sie haben mir deutlich gemacht, wie wichtig es ist, dass wir Unterstützung geben, damit die vorhandenen Finanzierungsmöglichkeiten genutzt werden können, um dieses Ziel zu erreichen.

(Beifall des Abgeordneten Wolfgang Baasch [SPD])

Wir alle haben uns vorgenommen, Öffentlichkeitsarbeit zu machen, zum Beispiel einen Tag oder eine Woche der Palliativmedizin und Hospizbewegung, zum Beispiel indem wir die Anfang April stattfindende „Krebswoche“ der ARD nutzen. Es bedarf Aktionstage, Hospiztage, Kongresse und insbesondere, liebe Kolleginnen und Kollegen, Besuche von Abgeordneten vor Ort, damit die vorhandenen Aktivitäten und Strukturen merken, dass wir es mit unserem politischen Engagement, Vorreiterland zu werden, ernst meinen.

(Beifall im ganzen Haus)

Ich freue mich auf diese Herausforderung der nächsten Jahre. Ich freue mich insbesondere darüber, dass dies ein politisches Thema ist, das von allen Fraktionen im Landtag getragen wird.

(Beifall im ganzen Haus)

Ich danke Frau Ministerin Dr. Trauernicht. - Ich eröffne die Aussprache und erteile dem Abgeordneten der FDP-Fraktion, Herrn Dr. Heiner Garg, das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich freue mich, dass aus unserem Ursprungsantrag eine interfraktionelle Initiative geworden ist und ich will von dieser Stelle aus Ihnen, Frau Schümann, im Namen meiner Fraktion und auch persönlich dafür danken, dass Sie den Faden aufgenommen ha

ben, dass Sie koordiniert haben und dass Sie maßgeblich dazu beigetragen haben, dass wir diese Initiative - um die Hospizbewegung ergänzt - fraktionsübergreifend hinbekommen haben. Dafür gebührt Ihnen mein herzlicher Dank.

(Beifall)

Ich glaube, dass diese interfraktionelle Unterstützung dem Thema angemessen ist. Ich habe mich auch über die Zusagen der Gesundheitsministerin sowohl im Gästehaus der Landesregierung als auch bei dem ersten Beschnuppern der gesundheitspolitischen Sprecher sehr gefreut. Es ist klar, dass wir darauf achten werden, dass es eine gemeinsame Initiative von Parlament und Landesregierung ist.

Unser gemeinsames Ziel ist es, nicht nur die Lebensqualität von Schwerstkranken in SchleswigHolstein zu verbessern, sondern auch die Lebensqualität durch eine schmerz- und symptomlindernde Therapie zu erhalten. Dabei ist es aus unserer Sicht notwendig, zwischen Schmerz- und Palliativmedizin zu unterscheiden. Beide Themen dürfen nicht in einen Topf geworfen werden. Frau Ministerin, das möchte ich an dieser Stelle anfügen: Ich habe hervorragende Mitarbeiterinnen von Ihnen kennen lernen dürfen, die einen Input gegeben haben, der deutlich macht, woran man arbeiten muss, damit bestimmte Begrifflichkeiten nicht durcheinander gewürfelt werden.