Protocol of the Session on October 11, 2006

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich eröffne die 16. Tagung des Schleswig-Holsteinischen Landtages. Das Haus ist ordnungsgemäß einberufen und beschlussfähig.

Erkrankt sind die Abgeordneten Astrid Höfs und Jutta Schümann. - Ich wünsche beiden Kolleginnen von dieser Stelle aus gute Besserung.

(Beifall)

Beurlaubt sind die Abgeordneten Angelika Birk und Anette Langner. Ministerpräsident Carstensen ist wegen auswärtiger dienstlicher Verpflichtungen ebenfalls für den heutigen Tag beurlaubt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich bitte Sie, sich von Ihren Plätzen zu erheben.

(Die Anwesenden erheben sich)

Am 1. Oktober verstarb im Alter von 85 Jahren der ehemalige Abgeordnete des Schleswig-Holsteinischen Landtages, Heinrich Hagemann. Er gehörte dem Schleswig-Holsteinischen Landtag von der 8. bis zur 10. Legislaturperiode als Mitglied der CDUFraktion an. Heinrich Hagemann, in Hollenbek im Kreis Herzogtum-Lauenburg geboren, war ein bodenständiger Politiker, der zeitlebens seiner Heimat fest verbunden geblieben ist. Von 1959 bis 1976 war er Bürgermeister der Gemeinde, in der er geboren wurde, von 1968 bis 1975 Amtsvorsteher des Amtes Sterley beziehungsweise des Amtes GudowSterley. Aber auch als Kreistagsabgeordneter und von 1974 bis 1982 als Kreispräsident des Kreises Herzogtum-Lauenburg war er stets nahe bei den Menschen.

Im Schleswig-Holsteinischen Landtag brachte sich der immer direkt gewählte Heinrich Hagemann mit ganzer Energie im Innen- und Rechtsausschuss und im Eingabenausschuss ein. Für seine großen Verdienste in unserem Land wurde er mit der Freiherrvon-Stein-Medaille ausgezeichnet und erhielt 1985 das Verdienstkreuz erster Klasse.

Der Schleswig-Holsteinische Landtag gedenkt Heinrich Hagemann in Dankbarkeit. Unsere Anteilnahme gilt seiner Familie.

Ich bitte Sie um ein stilles Gebet für den Verstorbenen.

Sie haben sich zu Ehren des Verstorbenen von Ihren Plätzen erhoben; ich danke Ihnen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat mit der

2816 Schleswig-Holsteinischer Landtag (16. WP) - 40. Sitzung - Mittwoch, 11. Oktober 2006

Drucksache 16/1030 einen Dringlichkeitsantrag zum Thema Leukämiefälle im Raum Geesthacht eingereicht. Ich gehe davon aus, da ein geänderter Dringlichkeitsantrag bisher nicht vorliegt, dass wir über diesen Antrag nicht abstimmen und abwarten, bis uns der neue Antrag vorgelegt wird. - Da ich Zustimmung sehe, werden wir so verfahren.

Meine Damen und Herren, ich habe Ihnen eine Aufstellung der im Ältestenrat vereinbarten Redezeiten übermittelt. Der Ältestenrat hat sich verständigt, die Tagesordnung in der ausgedruckten Reihenfolge mit folgenden Maßgaben zu behandeln: Zu den Tagesordnungspunkten 2, 10, 23, 26, 28, 29, 31 bis 33, 39, 42 und 43 ist eine Aussprache nicht geplant. Von der Tagesordnung abgesetzt werden sollen die Tagesordnungspunkte 15 und 21; die Beratung wird für die nächste Tagung vorgesehen.

Zur gemeinsamen Beratung vorgesehen sind die Tagesordnungspunkte 3, 4 und 34 - Änderung der Landesverfassung, Gesetz über die Unterrichtung des Landtages und Änderung der Geschäftsordnung des Landtages -, die Punkte 8 und 11 - Zweites Verwaltungsstrukturreformgesetz und Erstes Verwaltungsmodernisierungsgesetz - sowie die Punkte 19 und 24 - Entschließung zur Verwaltungsstrukturreform und zügige Reform der Kommunalverwaltungen. Ebenfalls gemeinsam beraten werden sollen die Punkte 16 und 22 - das sind die Anträge zum staatlichen Lotteriemonopol - sowie die Punkte 27 und 35 - Nichtraucherschutz im Gaststättenrecht und rauchfreier öffentlicher Raum. Anträge zur Aktuellen Stunde oder zur Fragestunde liegen nicht vor.

Wann die einzelnen Tagesordnungspunkte voraussichtlich aufgerufen werden, ergibt sich aus der Ihnen vorliegenden Übersicht über die Reihenfolge der Beratungen in der 16. Tagung.

Wir werden unter Einschluss einer zweistündigen Mittagspause jeweils längstens bis 18 Uhr tagen. Ich höre keinen Widerspruch, dann wird so verfahren.

Auf der Tribüne darf ich unsere Besucher begrüßen, nämlich die Grund- und Hauptschule Rickling aus dem Kreis Segeberg. - Seien Sie uns mit Ihren Lehrern herzlich willkommen!

(Beifall)

Ich begrüße außerdem ganz herzlich unsere früheren Kollegen, Herrn Professor Wiebe, Herrn Poppendiecker und Herrn Johna. - Seien Sie uns ebenfalls herzlich willkommen!

(Beifall)

Ich rufe Tagesordnungspunkt 14 auf:

Wohnungsbaupolitik in Schleswig-Holstein

Große Anfrage der Fraktion der SPD Drucksache 16/743

Antwort der Landesregierung Drucksache 16/1009

Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Zur Beantwortung der Großen Anfrage erteile ich Herrn Innenminister Dr. Ralf Stegner das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten! Die Landesregierung beschreibt in ihrer Antwort auf die Große Anfrage der SPD-Fraktion zur Wohnungsbaupolitik in Schleswig-Holstein die aktuelle Wohnungsbaupolitik und zeigt zugleich Zukunftsperspektiven auf. Wohnungsbaupolitik in Schleswig-Holstein ist nicht nur Konjunkturimpuls für die Bauwirtschaft und die funktionale und hoffentlich auch ästhetische Verwendung von Steinen, Beton, Stahl und Glas, Wohnungsbau in Schleswig-Holstein ist Teil einer zukunftsfähigen Stadtentwicklung, sie ist Teil der Gesellschaftspolitik in und für unsere Städte und Gemeinden.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, das Land Schleswig-Holstein steht vor den großen Herausforderungen, die aus den Folgen der Globalisierung, des wirtschaftlichen und demografischen Strukturwandels und nicht zuletzt der Knappheit der öffentlichen Finanzen erwachsen. Gerade vor diesem Hintergrund halte ich eine Reduzierung der Wohnungsbaupolitik auf die rein wirtschaftlichen Aspekte für gefährlich.

Würde der Wohnungsbau allein den freien Kräften des Marktes überlassen, müssten wir uns in wenigen Jahren nicht nur mit den Folgen einer anhaltenden Stadt-Umland-Wanderung und Zersiedlung, sondern auch mit immer schwächeren Zentren auseinandersetzen. Im Übrigen hätte das gravierende Folgen für die Menschen.

(Beifall bei der SPD)

Wir müssen nämlich mit der Ausbildung von Regionen beziehungsweise Stadtvierteln rechnen, in denen die Versorgung der Bevölkerung mit bezahlbarem Wohnraum nicht mehr sichergestellt werden könnte. Wir müssen feststellen, dass sich innerhalb unserer Städte eine sozialräumliche Entmischung, wie es technokratisch im Fachjargon

Schleswig-Holsteinischer Landtag (16. WP) - 40. Sitzung - Mittwoch, 11. Oktober 2006 2817

(Präsident Martin Kayenburg)

heißt, vollzieht. Arme und Reiche, Deutsche und Nichtdeutsche, Mobile und Immobile streben räumlich auseinander. Dadurch verstärkt sich die Konzentration wirtschaftlich und sozial benachteiligter Haushalte und Stadtviertel, die aufgrund vielfältiger räumlicher, städtebaulicher und baulicher Mängel nicht mit anderen Quartieren konkurrieren können. Nach meinem Staats- und Rechtsverständnis sind deshalb Maßnahmen der staatlichen Daseinsvorsorge notwendig, die in ökonomischer, sozialer und ökologischer Hinsicht die Leistungsfähigkeit des Landes, die Entwicklung der Regionen und der Städte sichern und stärken.

Wohnungspolitisches Ziel der Landesregierung ist die Sicherung funktionierender Städte. Wir brauchen für unsere urbanen Zentren eine konzentrierte Siedlungsentwicklung und eine Ausrichtung der Fördermittel auf die Städte nach der Leitlinie, die das Innenministerium unter dem Motto „Starke Städte für starke Regionen“ verfolgt. Bei allen Konflikten zwischen Städten und ihrem Umland, wozu übrigens immer zwei Seiten gehören, meine sehr verehrten Damen und Herren, gilt auch: Wenn es den Städten schlecht geht, geht es auch den Regionen schlecht. Eine Politik gegen die Städte kann und darf es daher schon vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung nicht geben - nicht bei den Verwaltungsreformen und auch nicht bei der Wohnungs- und Städtebaupolitik.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, Schrumpfung, Stagnation und Wachstum liegen räumlich manchmal nahe beieinander und erfordern unterschiedliche Förder- und Investitionsentscheidungen. In Regionen höherer Wohnungsmarktanspannung mit weiter bestehenden Problemen in der angemessenen und preisgünstigen Wohnungsversorgung wie einigen Kommunen des Hamburger Rands steht der Versorgungsaspekt für sozial und finanziell schwächere Haushalte natürlich im Vordergrund. Weite Teile des Landes haben dagegen dauerhaft entspannte Wohnungsmärkte mit entsprechenden Folgen und Risiken für die Wohnungswirtschaft wie anhaltende Leerstände und eine Vernachlässigung der Bestände.

Dies hat selbstverständlich auch Auswirkungen auf die Stabilität und Integrationsfähigkeit der städtischen Wohnquartiere. Schon heute besteht für rund 150.000 Wohneinheiten in den nächsten Jahren bis 2010 ein Investitionsbedarf von circa 3,1 Milliarden €. Das sind Wohnbestände, die von der Wohnungswirtschaft als zukünftig nicht mehr marktfähig angesehen werden. Dies ist ein so ge

waltiges Volumen, das angesichts der Marktverhältnisse in weiten Regionen des Landes nicht aus eigener Kraft von den Wohnungsunternehmen geleistet werden kann. Unter anderem auch hinsichtlich der energetischen Nachrüstung der Altbestände ist schnelles und effektives Handeln geboten, zumal Energiesparen - ich bin wirklich nicht Energieminister, sage es aber - die wichtigste Energiequelle ist und bleibt. Klug betrieben rechnet sich das übrigens auch.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Grundsätzlich greift die Förderpolitik des Landes nur da ein, wo Marktreaktionen nicht ausreichen beziehungsweise zu Fehlallokationen führen. Deshalb wird der in der Wohnungsmarktprognose 2005 vorausgesagte Neubaubedarf von circa 134.000 Wohneinheiten bis 2020 nur in Teilen und zugunsten der Städte und mit Bindung für die Klientel der sozialen Wohnraumversorgung gefördert werden. Ab dem Förderjahr 2007 wird auch die Eigentumsförderung auf neue Füße gestellt. Erstmalig und bevorzugt werden Erwerb und zusammenhängende Modernisierung von Häusern gefördert. Auch hiermit wird die innerstädtische Entwicklung gebauter Stadtquartiere und der Eigentumserwerb durch Schwellenhaushalte unterstützt. Besondere Wohnformen wie generationenübergreifendes nachbarschaftliches Wohnen, Wohnen für Ältere und Familien im Quartier werden bevorzugt gefördert.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Wohnraumförderungspolitik des Landes wird in Zukunft neue Freiräume durch die Föderalismusreform haben. Diese werden wir nutzen für eine Neugestaltung des Landeswohnraumfördergesetzes. Das Land wird auch zukünftig eine aktive und bedarfsgerechte investive Wohnraumförderung betreiben, die Instrumente und Maßnahmen weiterentwickeln und die finanziellen Mittel des Zweckvermögens Wohnraumförderung - ich füge hinzu: das nicht zur Disposition steht - zur Verfügung stellen. Die Wohnraumförderung wird ihren Teil dazu beitragen, den ermittelten Modernisierungsbedarf bei Mietwohnungen zu finanzieren und den prognostizierten Neubaubedarf zu realisieren.

Wichtige und notwendige Steuerungs- und Finanzierungsinstrumente für die Städte zur Behebung der aktuellen siedlungsstrukturellen, städtebaulichen und sozialen Herausforderungen sind auch die Städtebauförderungsprogramme „Soziale Stadt“ und „Stadtumbau West“. Das Städtebauförderungsprogramm „Stadtteile mit besonderem Entwicklungsbedarf - die Soziale Stadt“ - ist ein gutes Instrument gegen die fortschreitende soziale Entmischung in den Städten und die dadurch entstehende

(Minister Dr. Ralf Stegner)

Konzentration benachteiligter Haushalte. Die Probleme in diesen Stadteilen sind aufgrund der Überlagerung sozialer, wirtschaftlicher und städtebaulicher Probleme vielfältig und für deren Lösung gibt es auch keine einfachen Strategien. Mit dem umfassenden Ansatz des Programms kann hier eine zukunftsfähige Entwicklung gelingen. Ich sage Ihnen, die „Soziale Stadt“ ist eines der besten und effektivsten Programme im öffentlichen Haushalt, die ich kenne.

(Beifall bei der SPD)

Mit „Stadtumbau West“ besteht auch für die Kommunen in den alten Bundesländern die Chance, sich dem notwendigen Umbau unserer Städte als Antwort auf die Herausforderungen, die ich genannt habe, erfolgreich zu stellen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, das Land setzt bei der Ausgestaltung der Städte- und Wohnraumförderung auch einen Schwerpunkt bei der Verbesserung der Wohnsituation von Migrantinnen und Migranten. Die Modernisierung und der zeitgemäße Umbau der Wohnbestände und die Aufwertung der direkten Wohnumfelder gehören hier ebenso dazu wie die Anpassung quartiersbezogener sozialer Infrastruktur. Das Land nutzt gemeinsam mit den Kommunen das Instrument der Kooperationsverträge im Rahmen der Wohnraumförderung, um die Beteiligung der Wohnungsunternehmen an der Finanzierung und Durchführung von Integrationsprojekten zu erreichen. Durch ein vorausschauendes und mit der Wohnungswirtschaft abgestimmtes Belegungsmanagement sollen ethnisch abgeschlossene Wohnquartiere mit all ihren Problemen vermieden werden. Dies ist gesellschaftspolitisch geboten und auch ökonomisch mit Blick auf die Kosten von Fehlentscheidungen vernünftig.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

In den aufgenommenen Stadtteilen, was die „Soziale Stadt“ angeht, mit besonderem Entwicklungsbedarf werden Quartiersmanager eingesetzt, die die Stadtteilentwicklung vor Ort begleiten und eine umfassende Bewohnerbeteiligung gewährleisten.