Protocol of the Session on October 10, 2007

Meine Damen und Herren! Ich eröffne die 26. Tagung des Schleswig-Holsteinischen Landtages. Das Haus ist ordnungsgemäß einberufen und beschlussfähig. Erkrankt sind von der CDU-Fraktion die Abgeordneten Monika Schwalm und Frank Sauter, von der SPD-Fraktion die Abgeordnete Sandra Redmann, von der FDP-Fraktion der Abgeordnete Dr. Heiner Garg und von der Landesregierung Ministerpräsident Peter Harry Carstensen. - Wir wünschen allen Erkrankten gute Besserung.

(Beifall)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich bitte Sie, sich von Ihren Plätzen zu erheben.

(Die Anwesenden erheben sich)

Am 1. Oktober 2007 verstarb im Alter von 86 Jahren der ehemalige Abgeordnete des Schleswig-Holsteinischen Landtages und Ehrenbürger unseres Landes Uwe Ronneburger. Er gehörte diesem Haus von 1975 bis 1980 als Vorsitzender der FDP-Fraktion an. In der 7. und dann erneut von der 9. bis zur 11. Wahlperiode war er Mitglied des Deutschen Bundestages.

Schleswig-Holstein hat mit Uwe Ronneburger eine seiner markantesten politischen Persönlichkeiten verloren. Dies ist nicht nur für seine eigene Partei ein großer Verlust. Dieser charismatische und durch und durch integere Mann vom „Staatshof“ in Tetenbüll war ein von tiefen christlichen Überzeugungen geprägter Liberaler, durchaus mit Ecken und Kanten, dem es in all seinem Streben nie um persönliche Macht und Posten ging, sondern der sich vor allem von einem Gedanken leiten ließ, nämlich immer glaubwürdig und sich selbst treu zu bleiben. Aus diesem Grund kämpfte er mit großer Leidenschaft und Energie, mit Mut und Überzeugungskraft für die ihm wichtigen Werte und Prinzipien. Dies wurde auch deutlich beim Bruch der sozialliberalen Koalition auf Bundesebene, als er für das Amt des Bundesvorsitzenden der Liberalen kandidierte.

Seine gerade, charakterfeste Art und diese besondere Standfestigkeit sind es, die Uwe Ronneburger zu einer Identifikationsfigur, ja zu einem Markenzeichen aus dem Norden, werden ließen. Er gab der Politik Richtung und wurde in den gut zwei Jahrzehnten, in denen er als Abgeordneter und als langjähriger Landes- und stellvertretender Bundesvorsitzender die Geschicke der Liberalen mitbestimmte, zum Vordenker seiner Partei.

Sein politisches Lebenswerk ist nicht nur der FDP eine bleibende Verpflichtung, sondern für viele von uns, und sein Lebenswerk bleibt mit unserem Land untrennbar verbunden.

Uwe Ronneburger, der sich nach seinem Ausscheiden aus der aktiven Politik über viele Jahre als Vorsitzender des Schleswig-Holsteinischen Heimatbundes und zeitlebens aktiv in der evangelischen Kirche engagierte, war vielen von uns ein Vorbild und genoss über Parteigrenzen hinweg hohe Anerkennung und großen persönlichen Respekt. Beides wird seinen Tod überdauern.

Für seine außerordentlichen Verdienste um unser Land wurde er mit dem Großen Verdienstkreuz mit Stern des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland geehrt und im Dezember 2000 zum Ehrenbürger des Landes Schleswig-Holstein ernannt.

Meine Damen und Herren, Schleswig-Holstein trauert um einen großen Politiker. Unsere Anteilnahme gilt seiner Familie. Ich bitte Sie um einen Augenblick des Stillehaltens in einem Gebet.

Meine Damen und Herren, Sie haben sich zu Ehren des Verstorbenen von Ihren Plätzen erhoben, ich danke Ihnen.

Meine Damen und Herren, die Fraktionen und die Abgeordneten des SSW haben einen Antrag zur Änderung der Geschäftsordnung des SchleswigHolsteinischen Landtages vorgelegt. Der Antrag ist als Drucksache 16/1652 verteilt worden. Ich schlage vor, diesen Antrag als Tagesordnungspunkt 24 a in die Tagesordnung einzureihen und den Punkten ohne Aussprache hinzuzufügen. - Ich höre keinen Widerspruch, dann werden wir so verfahren. Von der 26. Tagung abgesetzt werden soll der Tagesordnungspunkt 31, Keine Ausweitung der Vorratsdatenspeicherung von Telefon- und Internetverbindungen.

Meine Damen und Herren, ich habe Ihnen eine Aufstellung der im Ältestenrat vereinbarten Redezeiten übermittelt. Der Ältestenrat hat sich verständigt, die Tagesordnung in der ausgedruckten Reihenfolge mit folgenden Maßgaben zu behandeln: Zu den Tagesordnungspunkten 2, 4, 6, 7, 9, 10, 24 a, 25, 26, 28 und 29 ist eine Aussprache nicht geplant. Anträge zu einer Aktuellen Stunde oder Fragestunde liegen nicht vor. Wann die weiteren Tagesordnungspunkte voraussichtlich aufgerufen werden, ergibt sich aus der Ihnen vorliegenden Übersicht über die Reihenfolge der Beratungen in der 26. Tagung.

4966 Schleswig-Holsteinischer Landtag (16. WP) - 69. Sitzung - Mittwoch, 10. Oktober 2007

Wir werden heute und morgen unter Einschluss einer zweistündigen Mittagspause jeweils längstens bis 18 Uhr tagen. Am Freitag ist ein Ende der Sitzung gegen 14:30 Uhr zu erwarten. Eine Mittagspause ist am Freitag nicht vorgesehen. - Ich höre keinen Widerspruch; dann werden wir so verfahren.

Meine Damen und Herren, vor Aufruf des ersten Tagesordnungspunktes darf ich das Präsidium an Frau Vizepräsidentin Ingrid Franzen übergeben.

Ich fahre fort. Bevor wir zum ersten Tagesordnungspunkt kommen, möchte ich auf der Besuchertribüne Schülerinnen und Schüler und ihre Lehrkräfte der Theodor-Heuss-Realschule aus Preetz und das Kommunale Frauennetzwerk Plön sowie unsere ehemaligen Abgeordneten Plüschau, Wiebe und Poppendiecker sehr herzlich begrüßen. - Seien Sie uns alle sehr herzlich willkommen!

(Beifall)

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 37 auf:

Föderalismusreform II

Bekanntmachung des Präsidenten des SchleswigHolsteinischen Landtages Drucksache 16/1610

Als einem Vertreter der Landtage in der Kommission erteile ich zunächst Herrn Landtagspräsidenten Martin Kayenburg das Wort.

Martin Kayenburg, Landtagspräsident:

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir befassen uns als eines der ersten Landesparlamente in einer Plenartagung mit dem Stand der Föderalismusreform II. Das ist in mehrfacher Hinsicht bemerkenswert.

Erstens. Wir setzen damit eine gute Übung fort, die unser Parlament und mein Amtsvorgänger in der vorangegangenen Wahlperiode mit dem federführenden Engagement des Schleswig-Holsteinischen Landtages in der Föderalismuskommission I begründet haben.

Zweitens. Wir stehen dabei auch in der Tradition des Föderalismuskonvents der deutschen Landesparlamente, der - bisher einzig in seiner Art - im März 2003 in der Hansestadt Lübeck zusammengekommen ist.

Drittens. Wir halten als Landesparlamentarier weiterhin einen engen Schulterschluss über Länder-, Partei- und Fraktionsgrenzen hinweg, wenn es dar

um geht, den deutschen Föderalismus zu reformieren.

Und schließlich - viertens - tun wir dies in enger Abstimmung mit der Landesregierung, weil uns ein gemeinsames Ziel verbindet: Wir wollen die Länder und ihre Parlamente stärken.

Dass die deutschen Landesparlamente am Reformprozess selbst beteiligt sind und ihren Teil zum Gelingen beitragen, war in den zurückliegenden Jahren keine Selbstverständlichkeit. Die Beteiligung der Landesparlamente an der ersten Stufe der Föderalismusreform musste noch hart erstritten werden. Umso erfreulicher ist es, dass die Einbeziehung der Landesparlamente und Bürgerschaften in die zweite Reformstufe schon beinahe selbstverständlich erscheint. Wir können heute mit Genugtuung feststellen - und das habe ich meinem einleitenden Beitrag anlässlich der konstituierenden Sitzung der Föderalismuskommission II am 8. März 2007 im Berliner Reichstagsgebäude betont -, dass die Mitwirkung der Landesparlamente auf einem guten Weg zu einer Staatspraxis ist, wenn es um Reformvorhaben zur Modernisierung der bundesstaatlichen Ordnung in Deutschland geht. Dafür war den Verfassungsorganen des Bundes ausdrücklich zu danken, obwohl nicht allen von ihnen diese Sichtweise leicht gefallen sein mag.

Ich danke ebenso ganz besonders unserer Landesregierung und dem Herrn Ministerpräsidenten, der unsere Forderung nach Beteiligung ohne Einschränkung mit großem Nachdruck unterstützt hat.

Meine Damen und Herren, der Bundestag und der Bundesrat haben mit gleichlautenden Beschlüssen am 15. Dezember 2006 die Gemeinsame Kommission zur Modernisierung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen eingesetzt. Auftrag der Kommission ist es, Vorschläge zur Modernisierung der BundLänder-Beziehungen zu erarbeiten, die den veränderten Rahmenbedingungen insbesondere mit Blick auf die Wachstums- und Beschäftigungspolitik gerecht werden. Die Vorschläge sollen laut Einsetzungsbeschluss dazu führen, die Eigenverantwortung der Gebietskörperschaften und ihre adäquate Finanzausstattung zu stärken.

In der Kommission wirken aus dem Bundestag und dem Bundesrat je 16 Mitglieder und eine gleiche Anzahl von Stellvertretern mit. Von den vom Bundestag entsandten 16 Mitgliedern gehören vier der Bundesregierung an. Von den Landesparlamenten nehmen vier Abgeordnete und dieselbe Anzahl von persönlich zugeordneten Stellvertretern an der Kommissionsarbeit teil. Sie haben ebenso wie die drei Vertreter der kommunalen Spitzenverbände

Schleswig-Holsteinischer Landtag (16. WP) - 69. Sitzung - Mittwoch, 10. Oktober 2007 4967

(Präsident Martin Kayenburg)

Rede- und Antragsrecht, jedoch kein Stimmrecht. Die beiden Vorsitzenden der Kommission sind der Ministerpräsident des Landes Baden-Württemberg, Günther Oettinger, und der Vorsitzende der SPDFraktion im Deutschen Bundestag, Dr. Peter Struck. Es ist also wie bei der Föderalismuskommission I eine Doppelspitze aus Bundes- und Landespolitik, die uns signalisiert, dass es hier gleichermaßen um die Belange von Bund und Ländern geht.

Bei den Vertretern der Landtage möchte ich auf eine Kontinuität hinweisen: Von den vier Vertretern der Landtagsbank haben drei bereits in der ersten Föderalismuskommission mitgewirkt. Neben der damit natürlich gegebenen Erfahrung hat dies den Vorteil, dass wir uns auch sehr schnell auf bekannte und bewährte Arbeitsstrukturen und Verfahren verständigen konnten. Die jeweiligen Fraktionsvorsitzendenkonferenzen haben folgende Personen für die Besetzung der Bank der Landtage benannt: für die SPD den Fraktionsvorsitzenden der SPD im Schleswig-Holsteinischen Landtag, unseren Kollegen Lothar Hay, für BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN den Fraktionsvorsitzenden aus Baden-Württemberg, Winfried Kretschmann, und für die FDP deren Fraktionsvorsitzenden im Hessischen Landtag, Jörg-Uwe Hahn. Die CDU hat sich angesichts der begrenzten Anzahl der den Landtagen zugedachten Sitze und der Anerkennung der Notwendigkeit, die Landtagspräsidentenkonferenz auch formal einzubinden, für ein Art Doppelmandat entschieden. Somit vertrete ich in der Föderalismuskommission II die Präsidentinnen und Präsidenten der Deutschen Landesparlamente und darf ebenfalls das Mandat für die Fraktionsvorsitzendenkonferenz der CDU/ CSU wahrnehmen.

Eine Kontinuität gibt es aber auch insoweit, als unsere Landtagsverwaltung erneut die administrative Zuarbeit für die Bank der Landtage leistet und dabei auch große Anerkennung aller Beteiligten erfährt.

(Beifall bei CDU, SPD und FDP)

Meine Damen und Herren, die Föderalismuskommission II hat ihre Aufgabe in zwei große Themenkomplexe geteilt: in die sogenannten Finanzthemen und die Verwaltungsthemen. Die Kommission befasste sich zunächst mit den Finanzfragen. Sie hat in einer ihrer ersten Sitzungen 18 Sachverständige angehört. Die Vertreter der Landtage haben als Sachverständigen für die Landesparlamente einmütig den Direktor des Instituts für Föderalismusforschung in Hannover, Professor Hans Peter Schneider, gemeldet. Er hat diese Aufgabe im Sinne der Landesparlamente meiner Meinung nach überzeugend wahrgenommen, und zwar so überzeugend,

dass wir ihn erneut als Sachverständigen für die Verwaltungsthemen berufen und ihn auch weiterhin als Berater an unserer Seite haben.

Als wichtigste Themenfelder hat die Kommission die Verschuldensbegrenzung sowie die Vermeidung zukünftiger und die Bewältigung bestehender Haushaltsrisiken, die Steuerkompetenzen, die Stärkung der Eigenverantwortung und die aufgabenadäquate Finanzausstattung benannt. Die Vertreter der Landtage - das will ich durchaus anerkennen - haben bei diesen Beratungen eine angemessene Möglichkeit erhalten, sich zu beteiligen. Sie haben sich in mehreren Beiträgen zu den genannten Themen in die Diskussion eingebracht.

Ein sichtbares Zeichen, dass die Landtage in der Föderalismuskommission auch wahrgenommen werden, ist in der morgigen Sitzung der Kommission ein gesonderter Tagesordnungspunkt, der „Anliegen der Landtage“ lautet. Es geht also durchaus um die Anerkennung unserer eigenständigen Interessen.

Die Vertreter der Landtage werden von dieser Möglichkeit der Wortmeldung Gebrauch machen und die Gelegenheit nutzen, ihre beziehungsweise unsere Anliegen zu Gehör zu bringen. Denn all diese Beiträge - mögen sie auch unterschiedlich pointiert sein - zielen in eine Richtung, nämlich in die Richtung der Stärkung der Länderrechte, was zugleich auch eine Stärkung der Position der Landesparlamente bedeutet.

Dabei - ebenso wie in der anschließenden Aussprache - wird auch die Berliner Erklärung erörtert werden, mit der sich die Landtagspräsidenten an die Föderalismuskommission II gewandt haben. Die Fraktionsvorsitzendenkonferenzen haben diese Erklärung überwiegend mitgetragen. Die mit der Überschrift „Bundesstaatliche Finanzbeziehungen modernisieren - Gestaltungsföderalismus statt Beteiligungsföderalismus“ abgegebene Erklärung liegt Ihnen als Drucksache 16/1610 vor und ist auch als Kommissionsvorlage der Föderalismuskommission auf Bundes- und Länderebene verteilt worden.

Die Erklärung wurde übrigens in einer Konferenz im August im Berliner Abgeordnetenhaus verabschiedet, an der auch die Vertreter der Fraktionsvorsitzendenkonferenzen teilgenommen und mit diskutiert haben. Man kann insoweit mit einer gewissen Berechtigung sagen, dass in dieser Gemeinsamkeit der Lübecker Konventgedanke weiterlebt und auch in der Praxis seinen Niederschlag gefunden hat.

Die Präsidentinnen und Präsidenten bekennen sich in der Berliner Erklärung ausdrücklich unter Be

(Landtagspräsident Martin Kayenburg)

zugnahme auf die Lübecker Erklärung vom März 2003 und die Kieler Erklärung vom Juni 2003 zu unserem föderalen System. Sie plädieren für ein transparentes und verbindliches Konzept zur wirksamen Begrenzung der staatlichen Kreditaufnahme.

Die temporäre Erhöhung des Ausgabevolumens durch zusätzliche Kredite muss als Ausnahmefall stets an strenge und konkret definierte Anforderungen verfahrensrechtlicher und inhaltlicher Art geknüpft sein. Damit soll der Politik in einer Krisensituation der notwendige Spielraum für eine verantwortungsbewusste Gestaltung des Gemeinwesens bleiben. Die damit korrespondierende Verpflichtung zum zeitnahen Ausgleich von Fehlbeträgen ohne Hilfe von außen stärkt die Eigenverantwortung der jeweiligen Gebietskörperschaft und erhöht zugleich die Schwelle für jede zusätzliche Kreditaufnahme.