Meine sehr geehrte Damen und Herren! Ich eröffne die heutige Sitzung, begrüße Sie alle ohne Ausnahme, auch die Besucher auf der Tribüne, ganz herzlich!
Vorzeitige Beendigung der 16. Wahlperiode des Schleswig-Holsteinischen Landtags nach Artikel 13 Abs. 2 der Verfassung des Landes Schleswig-Holstein
Antrag der Fraktionen von CDU, FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Abgeordneten des SSW Drucksache 16/2801 (neu)
Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, vor der Abstimmung über den vorliegenden - wie ich finde - bedeutsamen Antrag auf vorzeitige Beendigung der Wahlperiode will ich noch eine Anmerkung machen.
Der Verfassungsgeber dieses Landes hat im Zuge der Verfassungsreform 1990 dem Landtag das Recht eingeräumt, unter gleichzeitiger Bestimmung eines Termins eine Neuwahl vornehmen zu lassen und mit einer autonomen Entscheidung die Wahlperiode vorzeitig zu beenden. Vor der Parlamentsund Verfassungsreform konnte der Landtag nur auf Antrag des Ministerpräsidenten mit der Mehrheit seiner Mitglieder seine Auflösung beschließen. In dem Antragsrecht zur Selbstauflösung, das allein dem Ministerpräsidenten zustand, wurde ein Ausweis seiner starken Stellung im schleswig-holsteinischen Verfassungssystem gesehen. Aus diesem Antragsrecht des Ministerpräsidenten ergab sich eine Abhängigkeit des Landtags in Krisensituationen, die auch nach meinem Verständnis nicht dem Verhältnis von Parlament und Regierung in einer parlamentarischen Demokratie entspricht.
Deshalb hat die Parlaments- und Verfassungsreform 1990 dem Landtag das Recht eingeräumt, durch eine autonome Entscheidung die Wahlperiode vorzeitig zu beenden. Der Landtag hat es damit
Ich nehme wahr, dass es inzwischen auch der Wunsch einer deutlichen Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger dieses Landes ist, zu vorgezogenen Neuwahlen zu kommen.
- Herr Nabel, wenn ich den Umfragen glauben darf - und dies ist meine Wahrnehmung! Von dieser Stelle aus will ich nicht versuchen, über die Gründe und Ursachen der vorliegenden Krisensituation zu philosophieren. Tatsache ist: Am vergangenen Freitag haben die Redner aller Fraktionen in diesem Haus für vorgezogene Neuwahlen plädiert.
Wenn dies aber der Wunsch aller Fraktionen ist, dann sollte der Landtag selbst diese Entscheidung treffen und das Heft des Handelns nicht an den Ministerpräsidenten abgeben, um ihn auf den Weg zu einer unechten Vertrauensfrage zu schicken, um zum allseits gewünschten Ziel der vorzeitigen Beendigung der Wahlperiode zu kommen.
Ich möchte in diesem Zusammenhang auch an unsere Debatte vom vergangenen Mittwoch erinnern, in der wir bei der Diskussion über die Schuldenbremse noch einmal sehr ernsthaft über das Selbstverständnis des Parlaments und der Volksvertretung dieses Landes diskutiert haben. Diese Debatte möchte ich Ihnen gerade heute ins Gedächtnis zurückrufen, weil es auch heute um ein bedeutsames Recht des Parlaments und letztlich um das Selbstverständnis dieses Parlaments sowie unser aller Verständnis vom freien Mandat geht.
So wie ich in der letzten Woche dafür plädiert habe, die ebenfalls grundlegende Entscheidung über die neue Schuldenregelung hier im Landtag zu treffen und diese Entscheidung nicht etwa dem Bund zu überlassen, plädiere ich an dieser Stelle: Liebe Kolleginnen und Kollegen, nehmen Sie als Parlamentarier alle Ihre Verantwortung wahr, und geben Sie die Entscheidung nicht in die Hand des Ministerpräsidenten! Gehen Sie verantwortungsvoll mit dem Recht dieses Landtags um!
- Ich kann keinen Missbrauch des Amtes erkennen, Herr Kollege Neugebauer, Herr Kollege Fischer, wenn ich an unsere Verfassung erinnere, auf die Rechtsfolgen hinweise und auf das autonome Recht dieses Parlaments. Im Übrigen glaube ich, dass Sie
den entscheidenden Satz nicht wahrgenommen haben: Ich habe nämlich auch darauf hingewiesen, dass ich es nicht für richtig halte, dem Ministerpräsidenten den Weg zu einer in meinen Augen nicht gerechtfertigten Vertrauensfrage zu geben.
Bevor wir zur Abstimmung kommen, gebe ich das Wort zu einer persönlichen Erklärung an die Frau Abgeordnete Ute Erdsiek-Rave.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Landtagspräsident, ich bin seit 22 Jahren Mitglied dieses Landtags. Ich denke, ich habe alle Entscheidungen, die ich hier getroffen habe, immer nach bestem Wissen und Gewissen getroffen. Das gilt auch heute.
Im Einvernehmen mit meiner Fraktion möchte ich als Abgeordnete und zugleich als stellvertretende Ministerpräsidentin mein Abstimmungsverhalten erklären.
Ich habe in den zurückliegenden vier Jahren eine Regierungsarbeit mitgestaltet, die von notwendigen harten Konflikten, aber zugleich von dem Bemühen um gemeinsame Lösungen und um Konsens und Kompromisse bestimmt war. Ich habe die gefundenen Kompromisse nach außen vertreten, und ich habe dabei Widerstände aus Teilen der Koalition, aber ebenso auch große Rückendeckung erfahren.
Ich will und werde nicht akzeptieren, dass die heutige Abstimmung ein Scheitern der Großen Koalition in ihrer Regierungsarbeit ist. Politik wird von Menschen gemacht. Sie lebt von verschiedenen Persönlichkeiten, und sie lebt von unterschiedlichen Grundauffassungen und Überzeugungen. Unversöhnlichkeit und Feindschaft darf daraus nicht werden.
Ich habe die Große Koalition immer auch als Chance verstanden, Gräben zuzuschütten und dieses Freund-Feind-Denken zu überwinden. Ich will nicht akzeptieren, dass dies gänzlich gescheitert ist. Ich stimme deshalb einer Auflösung des Landtags, die mit dem Scheitern der gemeinsamen Politik begründet wird, nicht zu.
Diese Erklärung tragen meine Kollegen und meine Kollegin, die Minister Uwe Döring, Lothar Hay und Ministerin Dr. Gitta Trauernicht mit.
Ich weise darauf hin, dass nach Artikel 13 Abs. 2 der Landesverfassung eine Mehrheit von zwei Dritteln der Mitglieder des Landtags, das heißt 46 Abgeordnete, erforderlich ist, um die 16. Wahlperiode vorzeitig zu beenden.
Wer dem Antrag der Fraktionen von CDU, FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Abgeordneten des SSW, Drucksache 16/2801 (neu), zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Meine Damen und Herren, damit ist die erforderliche Mehrheit, das Quorum von zwei Dritteln, nicht erreicht, und der Antrag Drucksache 16/2801 (neu) ist bei Zustimmung der Fraktionen von CDU, FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Abgeordneten des SSW gegen die Stimmen der Fraktion der SPD abgelehnt.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Nach den Geschehnissen der vergangenen Wochen und besonders nach den Geschehnissen der vergangenen Tage lassen Sie mir nach dieser Abstimmung keine andere Wahl.
Ich beantrage gemäß Artikel 36 Abs. 1 der Verfassung des Landes Schleswig-Holstein, mir das Vertrauen auszusprechen. Einen gleichlautenden schriftlichen Antrag übergebe ich dem Herrn Landtagspräsidenten. Der Antrag wird von mir im Rahmen der Aussprache weiter begründet werden. Ich bitte darum, eine Entscheidung über diesen Antrag unverzüglich nach Ablauf der Frist aus Artikel 36 Abs. 1 Satz 2 der Landesverfassung herbeizuführen.
Meine Damen und Herren! Herr Ministerpräsident Peter Harry Carstensen hat mir soeben schriftlich den Antrag überreicht, mit dem er die Vertrauensfrage nach Artikel 36 Abs. 1 Landesverfassung stellt:
Nach Artikel 36 Abs. 1 Landesverfassung müssen zwischen dem Antrag und der Abstimmung 48 Stunden liegen. Eine Debatte über diesen Antrag ist jedoch bereits jetzt zulässig.
Ich denke, die Geschäftsordnungsmeldung zielt auf Unterbrechung der Sitzung ab. Bitte, Herr Dr. Wadephul, Sie haben das Wort.
Herr Landtagspräsident! Ich beantrage, die Sitzung zu unterbrechen, eine Ältestenratsitzung einzuberufen und uns die Möglichkeit zu geben, in den Fraktionen zusammenzukommen.
Da gibt es, denke ich, keine Gegenreden. Dann wird die Sitzung jetzt für - so schlage ich vor - eine Stunde zur Durchführung einer Ältestenratssitzung, die sofort stattfindet, unterbrochen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Heute ist ein besonderer Tag. Uns liegt der Wunsch einer Fraktion vor, die Tagung erst um 13 Uhr fortzusetzen. Ich bitte um Verständnis.
Wir setzen die Tagung also um 13 Uhr mit den Tagesordnungspunkten 1 a) und 31 - Atomkraftwerk Krümmel - fort. Bis dahin haben Sie noch frei.
Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bitte zunächst die Herren Fotografen, sich aus dem inneren Rund zu begeben. Der Ministerpräsident ist nicht hier. Es lohnt sich nicht, leere Plätze zu fotografieren.