Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich eröffne die 29. Tagung des Schleswig-Holsteinischen Landtages. Das Haus ist ordnungsgemäß einberufen und beschlussfähig. Erkrankt sind die Kolleginnen und Kollegen Monika Schwalm, Sandra Redmann, Ulrike Rodust und Konrad Nabel. - Ich wünsche allen von hier aus gute Besserung.
Am vergangenen Donnerstag verstarb im Alter von 76 Jahren der ehemalige Abgeordnete des Schleswig-Holsteinischen Landtages Klaus Köberle. Er gehörte dem Parlament in der vierten und fünften Wahlperiode als Mitglied der Fraktion der CDU an. Klaus Köberle trat 1955 in die CDU ein, war von 1961 bis 1964 Landesvorsitzender der Jungen Union und gilt als Gründer der Sozialausschüsse der CDU in Schleswig-Holstein.
Mit Klaus Köberle haben wir einen Politiker verloren, der als Jurist und Bankfachmann als ausgewiesener Experte im Finanzausschuss tätig war. Zugleich war er aber auch ein engagierter Sozialpolitiker im damals noch als Ausschuss für Volkswohlfahrt bezeichneten Sozialausschuss.
Klaus Köberle war im starken Maße geprägt durch die Schrecken während des Kriegsendes, als er als 14-Jähriger allein seine Flucht aus dem Sudetenland nach Eutin erlebte. Von Wegbegleitern als Fanatiker der Gerechtigkeit bezeichnet, nannte er die ursächlichen Zusammenhänge von Schuld, Versagen und Verantwortung beim Namen und er zog daraus Konsequenzen. Als Vorstandsmitglied der Gewerkschaft Handel, Banken und Versicherungen plädierte er für die Einheit der Gewerkschaften im DGB. Nur diese könnten mit einem Generalstreik die mögliche Gefahr eines erneuten staatlichen Irrweges, vergleichbar mit 1933, verhindern.
Wegen seiner Gradlinigkeit wurde er als verlässlicher und engagierter Abgeordneter und Kollege geschätzt. Die Förderung des wirtschaftlichen Mittelstandes lag ihm besonders am Herzen. Diese Aufgabe hat er auch als Direktor der Wirtschaftsbank
Der Schleswig-Holsteinische Landtag gedenkt Klaus Köberle in Dankbarkeit. Unsere Anteilnahme gilt seiner Frau und seiner Familie. Ich bitte, dem Verstorbenen ein stilles Gebet zu widmen. - Sie haben sich zu Ehren des Verstorbenen erhoben, ich danke Ihnen.
Ministerpräsident Carstensen hat mit Schreiben vom 15. Januar 2008 mitgeteilt, dass Herr Lothar Hay mit Wirkung vom gleichen Tag als Nachfolger für den zurückgetretenen Dr. Ralf Stegner zum Innenminister ernannt wurde. Nach Artikel 28 Abs. 2 der Landesverfassung hat der Landesminister im Anschluss an seine Berufung vor dem Landtag den Eid zu leisten. Ich bitte daher den Herrn Innenminister Lothar Hay, zur Vereidigung nach vorn zu kommen. Ich bitte die Anwesenden, sich zu erheben.
(Die Anwesenden erheben sich - Der Innen- minister wird nach folgender Eidesformel vereidigt: Ich schwöre: Ich werde meine Kraft dem Wohle des deutschen Volkes wid- men, seine Freiheit verteidigen, seinen Nut- zen mehren, Schaden von ihm wenden, die Gesetze der Bundesrepublik Deutschland und des Landes Schleswig-Holstein wahren, mei- ne Pflichten gewissenhaft erfüllen und Ge- rechtigkeit gegenüber allen Menschen üben, so wahr mir Gott helfe.)
Sehr geehrter Herr Innenminister, ich beglückwünsche Sie zu Ihrem Amt, wünsche Ihnen in der Amtsführung immer Glück und Erfolg und hoffe auf eine angenehme, freundschaftliche Zusammenarbeit zum Wohle unseres Landes. - Das Haus gratuliert Ihnen.
Ich möchte von dieser Stelle aus auch einen Glückwunsch an den neuen Fraktionsvorsitzenden der sozialdemokratischen Fraktion, Herrn Dr. Stegner, richten. - Alles Gute!
Meine Damen und Herren, die Fraktionen von CDU und SPD haben mit der Drucksache 16/1828 einen Vorschlag zur Wahl eines richterlichen Mitglieds des Richterwahlausschusses eingereicht. Ich schlage Ihnen vor, diese Vorlage als Tagesordnungspunkt 10 a in die Tagesordnung einzureihen und den Punkten ohne Aussprache hinzuzufügen. Des Weiteren haben sich die Fraktionen darauf verständigt, den Tagesordnungspunkt 3, Gesetzentwurf der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zur Än
derung des Schulgesetzes, Drucksache 16/1715, in dieser Tagung abschließend zu beraten. - Ich höre keinen Widerspruch, dann werden wir so verfahren.
Meine Damen und Herren, ich habe Ihnen eine Aufstellung der im Ältestenrat vereinbarten Redezeiten übermittelt. Der Ältestenrat hat sich verständigt, die Tagesordnung in der ausgedruckten Reihenfolge mit folgenden Maßgaben zu behandeln: Zu den Tagesordnungspunkten 6, 8 bis 11, 14, 15 sowie 20 bis 27 ist eine Aussprache nicht geplant. Von der Tagesordnung abgesetzt werden soll der Tagesordnungspunkt 2, Gesetzentwurf der Fraktion der FDP zur Änderung des Schleswig-Holsteinischen Schulgesetzes, Drucksache 16/1762. Anträge zur Aktuellen Stunde oder zur Fragestunde liegen nicht vor. Wann die weiteren Tagesordnungspunkte voraussichtlich aufgerufen werden, ergibt sich aus der Ihnen vorliegenden Übersicht über die Reihenfolge der 29. Tagung.
Wir werden heute unter Einschluss einer zweitsündigen Mittagspause längstens bis 18 Uhr tagen, am Donnerstag ist das Ende der Tagung, ebenfalls unter Einschluss einer zweistündigen Mittagspause, gegen 16:30 oder 17 Uhr zu erwarten. - Ich höre keinen Widerspruch, dann werden wir so verfahren.
Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, auf der Tribüne begrüßen wir sehr herzlich Rechtspflegeranwärterinnen und -anwärter vom Amtsgericht Kiel, Schülerinnen und Schüler mit ihren Lehrkräften von der Kreisberufsschule Segeberg und angehende Verwaltungsfachangestellte mit ihren Lehrkräften von den Beruflichen Schulen Rendsburg sowie unsere früheren Kollegen Behm, Plüschau und Poppendiecker. - Seien Sie uns alle sehr herzlich willkommen!
Gesetzentwurf der Fraktionen von CDU, SPD, FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Abgeordneten des SSW Drucksache 16/1817
Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Ich eröffne die Grundsatzberatung und erteile für die Fraktion der CDU Herrn Abgeordneten Thomas Stritzl das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Tagesordnungspunkt spiegelt wider, dass wir - so könnte man es skeptisch sagen - ein weiteres Mal Hand an unsere Verfassung legen wollen. Vielleicht ist es aber die konsequente Überlegung, um für verfassungsrechtliche Änderungen auch ein Landesverfassungsgericht für Schleswig-Holstein einzurichten.
So geht es bei der vorliegenden Frage nur noch darum, was jemand vor dem Landesverfassungsgericht des Landes Schleswig-Holstein mit Rechtsmitteln angreifen können soll. Dem Vorschlag liegt die fraktionsübergreifende Überlegung zugrunde, dass mit einer Klage vor dem Landesverfassungsgericht des Landes Schleswig-Holstein eben nicht nur kommunale Verfassungsstreitigkeiten, sondern auch abstrakte Normenkontrollen durchgeführt und Grundrechtsverletzungen durch Landesrecht geltend gemacht werden können. - Ich will jetzt keine längeren Ausführungen zum Thema machen; abstrakte Normenkontrollen und konkrete Normenkontrollen sind nicht Gegenstand der parlamentarischen Diskussion.
Letztlich ist politisch zu entscheiden, ob wir als Landtag den Weg dafür öffnen wollen, um auch vor dem Landesverfassungsgericht des Landes Schleswig-Holstein Klagen durchführen zu können, die Grundrechtsverletzungen seitens der Antragsteller durch Landesgesetze infrage stellen. Das ist die politische Diskussion.
Das Haus hat sich mit überragender Mehrheit, also interfraktionell, darauf verständigt zu sagen: Jawohl, wir machen das wie fast alle anderen Landesgesetzgeber auch. Ich glaube, Hamburg ist das einzige Bundesland, das noch keinen Grundrechtsbezug in seiner Landesverfassung hat. Wir hatten diesen Grundrechtsbezug nicht, weil wir kein Landesverfassungsgericht hatten. Nun haben wir ein Landesverfassungsgericht. Insofern soll auch dieses die Möglichkeit haben, die Grundrechtskonformität von Landesgesetzes prüfen zu können. Das ist unsere Überzeugung.
Von daher ist es klug, das Landesverfassungsgericht des Landes Schleswig-Holstein mit Personen zu besetzen, die die Befähigung zum Richteramt haben.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist so weit: Seit mehr als zehn Jahren versuchen wir als SPD, in Schleswig-Holstein die dritte Staatsgewalt unseres Landes mit dem noch fehlenden Landesverfassungsgericht auszustatten. Mit Rot-Grün in den 90er-Jahren und auch der Unterstützung durch die FDP, Herr Kubicki, war die dafür erforderliche Zweidrittelmehrheit im Landtag nicht erreichbar. Die Große Koalition aus SPD und CDU hat es nun möglich gemacht: Mit Gesetz vom 17. Oktober 2006 haben wir beschlossen, es allen anderen Bundesländern gleichzutun und auch bei uns und für uns zur Klärung verfassungsrechtlicher Streitfragen und Meinungsverschiedenheiten ein eigenes Gericht zu errichten.
Bis dato war es dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe vorbehalten, schleswig-holsteinische Landesverfassungsfragen zu klären. Künftig werden also Juristinnen und Juristen, die im schleswigholsteinischen Landesrecht zu Hause sind, ortsnah, sachnah und hoffentlich zeitnah die an sie herangetragenen Streitfälle entscheiden.
In der Dezember-Tagung des vergangenen Jahres haben wir in einem Landesverfassungsgerichtsgesetz und in der Geschäftsordnung unseres Landtages Organisations- und Verfahrensfragen geregelt. Entscheiden wird das neue Gericht zum Beispiel über die Auslegung der Landesverfassung, wenn es Streitigkeiten über Rechte und Pflichten von Verfassungsorganen wie Landtag oder Landesregierung gibt. Entscheiden kann das neue Gericht bei Meinungsverschiedenheiten über die Vereinbarkeit von Landesgesetzen mit der Landesverfassung auch auf Antrag kleinerer Oppositionsfraktionen. Und endlich kann in Schleswig-Holstein vor Ort entschieden werden über Verfassungsbeschwerden von Gemeinden und Kreisen, die das in der Landesverfassung verankerte Recht auf kommunale Selbstverwaltung durch den Landesgesetzgeber verletzt sehen.
Heute geht es nun darum, die Palette der inhaltlichen Kompetenzen noch einmal zu erweitern. Wir wollen mit einem gemeinsamen Gesetzentwurf aller Fraktionen des Hauses dafür sorgen, dass das neue Gericht auch über die Vereinbarkeit von Landesgesetzen mit den bürgerlichen Grund- und Frei
Erforderlich dafür ist eine erneute Ergänzung unserer Landesverfassung. Rechtlich möglich wäre die Formulierung eines eigenen landesrechtlichen Grundrechtskatalogs - das haben viele andere Bundesländer so gehandhabt - oder die schlichte Übernahme der Grundrechte des Grundgesetzes in die Landesverfassung durch ausdrückliche Bezugnahme. Wir haben uns für die zweite Möglichkeit entschieden und wollen nach mecklenburg-vorpommerischen Vorbild folgenden Satz in unsere Landesverfassung schreiben: „Die im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland festgelegten Grundrechte und staatsbürgerlichen Rechte sind Bestandteil dieser Verfassung und unmittelbar geltendes Recht.“
Ebenfalls noch in dieser Tagung des Landtages werden wir dafür sorgen, dass für die Besetzung des Landesverfassungsgerichts mit kompetenten verfassungsrechtlich versierten Persönlichkeiten die parlamentarischen Vorbereitungen getroffen werden. Wir werden einen Wahlvorbereitungsausschuss konstituieren und an dessen Spitze die Fraktionsvorsitzenden der beiden großen Koalitionen wählen. Wir hoffen, dass dann spätestens Mitte des Jahres das hohe Gericht im Namen des Volkes seine Arbeit aufnehmen kann.
Für die Fraktion der FDP erteile ich dem Oppositionsführer, Herrn Fraktionsvorsitzenden Wolfgang Kubicki, das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist zu dem gemeinsamen Gesetzentwurf auf Änderung der Landesverfassung eigentlich alles gesagt - nur nicht von mir. Deshalb möchte ich einige Anmerkungen anschließen.
Diese kleine Änderung, die wir im vorliegenden Gesetzentwurf mithilfe einer sogenannten Rezeptionsklausel vornehmen, wird zu einer entscheidenden materiellrechtlichen qualitativen Aufwertung unserer Landesverfassung führen. Es ist die logische Konsequenz für die Einrichtung eines Landesverfassungsgerichts, dass die Gesetze, die wir hier verabschieden, mit der Landesverfassung vereinbar sein müssen und dass sie auch dem Grundrechtekatalog des Grundgesetzes entsprechen. Es wäre
absurd, wenn wir beispielsweise bei Grundrechtseingriffen das Bundesverfassungsgericht anrufen müssten, weil wir eine entsprechende Rezeptionsklausel in der Landesverfassung nicht verankert hätten.
Herr Kollege Puls, meine Fraktion - das wissen Sie - hat ausdrücklich darauf bestanden, die Rezeptionsklausel einzufügen. Denn es ist praktikabel. Stellen Sie sich einmal vor, wir würden einen eigenen Grundrechtekatalog normieren. Angesichts der Geschwindigkeit, mit der die Grundrechte auf Bundesebene regelmäßig novelliert werden, müssten wir als Landesgesetzgeber ständig hinterherlaufen, wenn wir -
- Für die Grundrechte, Herr Kollege Hentschel, sind wir bedauerlicherweise trotz unserer Allzuständigkeit nicht zuständig. Das macht der Bundesgesetzgeber. Wir müssten also entsprechende Regelungen, wie sie in anderen Landesverfassungen vorgesehen sind, regelmäßig novellieren, was zu nachlaufenden gesetzgeberischen Aktionen führen würde. Deswegen ist die Rezeptionsklausel der sichere Weg.
Ich möchte mich an dieser Stelle ausdrücklich beim Wissenschaftlichen Dienst des Landtages bedanken, der uns und alle anderen Fraktionen auf die Problematik hingewiesen hat, die uns zum Handeln veranlasst hat. Ich bin dankbar, dass wir in dieser wichtigen Frage eine einvernehmliche Lösung über alle Parteiengrenzen hinweg in diesem Hause gefunden haben. Denn das tut der Verfassung gut. Es tut dem neuen Gericht gut und ich bin mir sicher, Herr Kollege Puls, dass das Verfassungsgericht, das wir jetzt eingerichtet haben, auf dieser Grundlage eine sehr wirkungsvolle und sinnvolle Arbeit leisten kann.