Protocol of the Session on September 14, 2007

Liebe Kolleginnen und Kollegen, guten Morgen.

(Zurufe: Guten Morgen!)

- Prima, es geht doch.

Ich eröffne die heutige Sitzung und begrüße Sie alle sehr herzlich. Erkrankt sind die Abgeordneten Monika Schwalm, Ulrike Rodust, Tobias Koch und Thomas Stritzl. Ich wünsche den Kolleginnen und Kollegen von dieser Stelle aus alles Gute und gute Besserung.

(Beifall)

Die Abgeordneten Hay und Dr. Wadephul sind für den heutigen Tag beurlaubt. Ministerpräsident Carstensen sowie die Landesminister Dr. von Boetticher und Döring sind für den heutigen Tag ebenfalls beurlaubt.

Begrüßen Sie mit mir auf der Tribüne die Besuchergruppen. Es sind Schülerinnen und Schüler der Realschule Altenholz sowie Mitglieder des SPDOrtsvereins Loose aus dem Kreis RendsburgEckernförde und Teilnehmer des Grone-Bildungszentrums Kiel, die uns heute hier besuchen. - Seien Sie uns alle herzlich willkommen!

(Beifall)

Wir treten in die Tagesordnung ein. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 43 auf:

Kinderund Jugendgesundheitsbericht für Schleswig-Holstein

Bericht der Landesregierung Drucksache 16/1517

Ich erteile der Ministerin für Soziales, Gesundheit, Familie, Jugend und Senioren, Frau Dr. Gitta Trauernicht, das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Gut, dass wir in Schleswig-Holstein jetzt einen eigenen Kinder- und Jugendgesundheitsbericht haben. Aus der Fülle der Informationen, die dieser Bericht liefert, möchte ich heute auf vier Ergebnisse eingehen.

Bei Kindern und Jugendlichen aus Familien mit niedrigem sozialen Status finden wir vermehrt gesundheitliche Probleme und gesundheitlich riskante

Verhaltensweisen. Sie sind zu einem höheren Anteil übergewichtig. Sie haben häufiger psychische Auffälligkeiten. Sie verfügen über weniger ausgeprägte Schutzfaktoren. Sie sitzen länger vor dem Fernseher. Sie rauchen häufiger. Sie sind häufiger vom Passivrauchen belastet. Und sie sind zu einem höheren Anteil an Gewalt betroffen.

Sie gehen auch deutlich seltener zu Vorsorgeuntersuchungen. Während Familien mit hohem sozialen Status bis zu U8, das heißt bis zu vier Jahren, konstant hohe Teilnahmeraten an den Vorsorgeuntersuchungen haben - zwischen 97 und 99 % -, nimmt die Inanspruchnahme dieser Vorsorgeuntersuchungen bei niedrigem Status stetig ab und liegt bei U8, also bis zu vier Jahren, um 11 % niedriger als bei Familien mit hohem sozialen Status.

In sozial benachteiligten Familien treffen also gesundheitliche Risiken einerseits mit den niedrigsten gesundheitsfördernden Ressourcen andererseits zusammen. Sie benötigen deshalb besondere Unterstützung. Deshalb ist uns wichtig, dass die Früherkennungsuntersuchungen verbindlich werden, damit alle Kinder in den Genuss von Vorsorgeuntersuchungen kommen. Und es ist wichtig, dass wir diese Untersuchungen mit speziellen Landesprogrammen zur Förderung von Kindern in den Familien wie das Landesprogramm „Willkommen im Leben“ oder das Landesprogramm „Schutzengel für Schleswig-Holstein“ verkoppeln.

(Beifall)

Darüber hinaus hat Schleswig-Holstein - darauf möchte ich aufmerksam machen - als eines der wenigen Bundesländer sogenannte regionale Knoten aufgebaut. Regionale Knoten - das heißt Gesundheitsförderung besonders Benachteiligter; denn gerade bei dieser Zielgruppe muss man in besonderer Weise darauf hinwirken, dass man auf sie zugeht und nicht wartet, dass sie kommen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Unter der Regie der Landesvereinigung Gesundheitsförderung werden in Schleswig-Holstein Kursangebote gemacht, Multiplikatorenschulungen, Foren, verschiedenste Projekte, zum Beispiel für Alleinerziehende oder für sozial Benachteiligte, für junge Mütter, ganz praktisch und ganz konkret.

Ein zweites Thema, das Thema des Zigarettenkonsums Jugendlicher: Wir liegen in Schleswig-Holstein zum Glück etwas unter dem Bundesdurchschnitt. Aber der Prozentsatz jugendlicher Raucherinnen und Raucher, insbesondere der ganz jungen Raucherinnen und Raucher, muss weiter gesenkt werden. Es geht hier um die Veränderung von ju

gendlichen Werten und Verhaltensweisen. Es muss schlicht und ergreifend uncool sein zu rauchen. Das ist unser Ziel.

Deshalb haben wir das Programm „Nichtrauchen. Tief durchatmen“ auf den Weg gebracht. Jeder, der dieses Programm kennt, weiß, dass es ein sehr jugendgemäßes Programm ist und seine Wirkung entfaltet.

(Beifall der Abgeordneten Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]

Hinzu kommt aktuell - ich begrüße das außerordentlich - das Verbot für unter 18-Jährige, in der Öffentlichkeit zu rauchen. Ich weiß, das ist nicht einfach durchzusetzen, aber auch das ist ein normativer Wert, den ich unterstütze. Und die Abgabe von Tabakwaren ist seit dem 1. September letzen Jahres auch erst an mindestens 18-Jährige zulässig. Alles das wird Schritt für Schritt seine Wirkung entfalten.

Keine Frage, das in Schleswig-Holstein geplante Gesetz zum Schutz vor Passivrauchen wird auch ein ganz wichtiger Meilenstein bei der Bekämpfung des Rauchens von Kindern und jungen Menschen sein. Das Rauchen wird aus dem Alltag verschwinden.

Das dritte Thema, Alkoholkonsum junger Menschen: Dies beschäftigt uns in zunehmendem Maße. Sie alle sind vor Ort mit großen Partys, mit unmäßigem Alkoholkonsum konfrontiert. Die Zahlen aus dem Bericht des Robert-Koch-Instituts zeigen, dass auch in Schleswig-Holstein der Genuss von Alkohol durch Jugendliche Anlass zur Sorge gibt.

Ich will aus der Fülle informativer Fakten nur eine Zahl nennen. In der Befragung gaben zum Beispiel 18 % der Jungen - das heißt fast jeder fünfte Junge an, wöchentlich harte Alkoholika zu sich zu nehmen, wie übrigens der Hang zu harten Sachen ausgeprägter ist als zu Wein, was man allerdings auch nachvollziehen kann.

Ich erinnere daran, dass wir im Landtag bereits ein Aktionsbündnis gegen den Alkoholmissbrauch bei Kindern und Jugendlichen beschlossen haben. Dieses Aktionsbündnis wird unter Federführung der Staatskanzlei und meines Hauses mit vielen Kooperationspartnern entwickelt. Gerade in diesem Monat wird die Kampagne „Fun statt Vollrausch, Schleswig-Holstein feiert richtig“ eröffnet. Ein Ziel des Aktionsbündnisses ist der Schutz von Jugendlichen vor sogenannten Flatrate-Partys.

Ein letzter Punkt: Unter den 11- bis 17-jährigen jungen Menschen in Schleswig-Holstein erleiden jährlich rund 47.500 Kinder und Jugendliche einen

Unfall. Man muss sich diese Zahl vergegenwärtigen: 47.500 junge Menschen erleiden pro Jahr einen Unfall und brauchen ärztliche Hilfe. Wir liegen damit deutlich über dem Bundesdurchschnitt. Woran das liegt, wissen wir noch nicht. Die erhöhten Unfallzahlen betrachten wir mit Sorge. Deswegen haben Kollegin Ute Erdsiek-Rave und ich unter Federführung ihres Ministeriums bereits eine Arbeitsgruppe auf den Weg gebracht. Ziel dieser Arbeitsgruppe wird es sein, insbesondere das schulische Unfallgeschehen vertiefend zu untersuchen, die Ursachen zu ergründen und Vorschläge für Gegenmaßnahmen zu entwickeln.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, so vielfältig die Hinweise aus der RobertKoch-Studie zur gesundheitlichen Gefährdung unserer Kinder und Jugendlichen in Schleswig-Holstein sind, so vielfältig müssen auch die Aktivitäten sein.

Ich bin sicher, dass dieser Bericht ein Nachschlagewerk sein wird, das nicht nur dazu beiträgt, dass Informationen über die Gesundheitssituation in Schleswig-Holstein präsenter und öffentlicher sind, sondern das auch für vielfältige Träger, Institutionen und Personen Anlass sein wird, Aktivitäten auf den Weg zu bringen.

Ich freue mich über die Diskussion auf der Basis dieses Berichts in den einschlägigen Ausschüssen.

(Beifall bei SPD, CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Ich danke der Frau Ministerin für Ihren Bericht und teile den Fraktionen mit, dass ihnen aufgrund des Überziehens der Redezeit durch die Landesregierung eine Minute Redezeit mehr zur Verfügung steht.

Ich eröffne die Aussprache und erteile für die antragstellende Fraktion der Frau Abgeordneten Monika Heinold das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Mit dem vorliegenden Kinder- und Jugendgesundheitsbericht für Schleswig-Holstein liegt uns dank der guten Grundlagenarbeit des Robert-Koch-Instituts ein umfassender und qualifizierter Zustandsbericht über die Gesundheit unserer Kinder vor. Nun ist es Aufgabe der Politik, diese umfassende Studie nicht in die Schublade zu legen, sondern die Ergebnisse auszuwerten und Konsequenzen daraus zu ziehen. Ziel muss es sein, die Gesundheitssituation

(Ministerin Dr. Gitta Trauernicht)

von Kindern und Jugendlichen in Schleswig-Holstein weiter zu verbessern.

Der Bericht zeigt auf, wo es Handlungsbedarf gibt. Weniger als die Hälfte der befragten Kinder und Jugendlichen essen einmal pro Tag Obst, nur 7 % essen täglich Gemüse. 20 % der Mädchen zwischen 14 und 17 Jahren sind übergewichtig oder adipös. Bei den Jungen sind es 15,8 %. Hieraus müssen wir Konsequenzen ziehen und dafür Sorge tragen, dass Schulen und Kindergärten gesunde Mahlzeiten anbieten.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir müssen Sorge dafür tragen, dass auch Kindern aus armen Familien dieses Essen in Anspruch nehmen können.

Dazu hat die Grünen-Fraktion mit dem Antrag „Gesunde Ernährung an Kindertagesstätten und Schulen“ einen konkreten Vorschlag auf den Tisch gelegt, den wir im Anschluss beraten werden.

Erschreckend ist die klare Aussage im Bericht, dass die gesundheitliche Situation von Kindern stark vom sozialen Status abhängig ist. Hier verfestigen sich die Erkenntnisse der PISA-Studie. Gerade in Deutschland haben Kinder aus armen Familien schlechtere Startbedingungen. Wir müssen uns also Gedanken darüber machen, wie wir alle Kinder so fördern, dass Bildung und Gesundheit für sie selbstverständlich sind.

Auch hierzu haben wir einen Landtagsantrag vorgelegt, in dem wir ein Landeskonzept zur Weiterentwicklung von Kinder- zu Familientagesstätten vorschlagen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dieses Konzept, eine zentrale Anlaufstelle im Viertel zu schaffen, ist ein erfolgreiches Konzept. So erste Erfahrungen insbesondere der CDU in Nordrhein-Westfalen. Es ist gut geeignet, um Familien umfassend zu helfen, und es ist gut geeignet, um das gesunde Aufwachsen von Kindern zu unterstützen.

Es ist mir unbegreiflich, dass CDU und SPD allein die Forderung, ein Konzept für Schleswig-Holstein zu erarbeiten, im Bildungsausschuss alternativlos abgelehnt haben.

(Beifall des Abgeordneten Karl-Martin Hent- schel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])