Fabio Reinhardt

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Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Zum Tätigkeitsbericht des Berliner Landesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR für das Jahr 2015 kann man sagen: Der Bericht liegt heute vor. Die Behörde gibt es seit über 20 Jahren. Seit mittlerweile 25 Jahren tagt das Gesamtberliner Parlament. Seit 26 Jahren gibt es die deutsche Einheit, und 27 Jahre ist der Mauerfall her. Aber diese lange Zeitspanne dazwischen bedeutet nicht, dass nicht immer noch Menschen Beratungsbedarf haben, weil sie z. B. aus politischen Gründen in der DDR in Haft waren. Verständlich wird dies, wenn man bedenkt, dass viele versucht haben, mit dem düsteren Kapitel ihrer Haftzeit abzuschließen, mit genügend zeitlichem Abstand diesen Teil ihres Schicksals aber aufarbeiten möchten. Das zeigt auch das Beispiel eines Mannes, der im Bericht genannt wird, der seine Inhaftierung über Jahrzehnte aus Scham verdrängt hatte und erst kürzlich von seinem Rentenversicherungsträger auf Fehlzeiten in seinem Rentenverlauf hingewiesen und dann durch die Beratung über Entschädigungsregelungen für politische Häftlinge der DDR aufgeklärt wurde, mit denen er sich vorher nie beschäftigt hatte. Das ist ein Beispiel, das zeigt, dass der Beratungsbedarf immer noch besteht.
Das ist ein guter Grund, die Grundlage für die Beratungszeit und die Beratungsarbeit zu erhalten. Die SEDUnrechtsbereinigungsgesetze laufen nach dem jetzigen Stand zum 31. Dezember 2019 aus. Der Landesbeauftragte plädiert an dieser Stelle für eine Verlängerung der geltenden Rehabilitationsgesetzgebung. In diesem Zusammenhang sei auch darauf hingewiesen, dass die Existenz des Berliner Landesbeauftragten für die StasiUnterlagen, wie Kollege Otto und auch die anderen es schon erwähnt hatten, gegenwärtig nur bis November 2017 gesichert ist. Gerade vor diesem Hintergrund der aktuellen Entwicklungen erscheint es sinnvoll, möglichst zeitnah Entscheidungen zu treffen, die sein Wirken auch für die Zeit danach sicherstellen. Ich hoffe auch, dass das im nächsten Parlament in angemessener Debatte noch möglich sein wird.
Aber es muss auch über die Anpassung von Gesetzen gesprochen werden. Die besonderen Probleme bei der Rehabilitierung von DDR-Heimkindern verdeutlichen, dass das strafrechtliche Rehabilitierungsgesetz, das StrRehaG, von seiner Ausrichtung her vor allem ehemalige politische Häftlinge im Blick hat. Aus Sicht des Landesbeauftragten, der ich mich anschließen kann, müsste das strafrechtliche Rehabilitierungsgesetz novelliert oder gar eine andere gesetzliche Regelung gefunden werden, um rechtsstaatswidrige DDR-Heimeinweisungen als solche anzuerkennen bzw. zu rehabilitieren und zu entschädigen. Die Erfahrungen der letzten Jahre zeigen, dass das Instrumentarium dieses Gesetzes nicht dafür geeignet zu sein scheint, den Spezifika der entsprechenden Fälle in jedem einzelnen Fall gerecht zu werden.
Eine weitere Gruppe bilden die sogenannten verfolgten Schüler. Sie erhalten bei Nachweis ihrer VerfolgtEigenschaft eine Rehabilitiertenbescheinigung, können dann aber daran keinen Nachteilsausgleich knüpfen. Auch da geht es darum, eine Ausgleichsleistung nach § 8 des Rehabilitationsgesetzes zu ermöglichen und hier beim Bundesgesetzgeber diese Regelung zu erreichen.
Ich denke, dass wir oder das nächste Parlament auch über die Höhe der Auszahlungen noch sprechen können. Die Anhebung der monatlichen Auszahlungen der besonderen Zuwendung nach § 17 des eben genannten Gesetzes, das ist die Opferrente, zu Beginn des Jahres 2015 auf 300 Euro hat zu einer Entspannung der sozialen und finanziellen Lage bei den ehemaligen politischen Häftlingen geführt. Die Umstellung erfolgte durch das LAGeSo laut Aussagen von Herrn Gutzeit problemlos. Auch das kann einmal erwähnt werden, dass das auch funktionieren kann. Insofern finde ich, das ist ein guter Grund, das auch zu würdigen. Aber auch über die Höhe der Entschädigungszahlungen kann noch einmal gesprochen werden, auch z. B. über die Höhe der Ausgleichsleistungen nach § 8, die allerdings auch schon zu Ende 2014 um 30 Euro erhöht wurden.
Ärgerlich ist ein bisschen in dem Bereich die schlechte Kommunikation in den Ämtern. Die finanziellen Unterstützungsleistungen für ehemals politisch Verfolgte der SED-Diktatur dürfen nicht als Einkommen bei der Beantragung von Sozialleistungen angerechnet werden. Nach jüngerem BGH-Beschluss dürfen diese Leistungen, wenn sie angespart wurden, auch nicht als Vermögen angerechnet werden, weil es sich hierbei faktisch um eine Entschädigungsleistung für erlittenes Unrecht handelt und eben nicht um aus Arbeit angesparte Erträge. Leider ist diese Regelung in vielen Sozialämtern der Berliner Bezirke offenbar nicht ausreichend bekannt. Ich denke, dass man dort noch Kommunikation bewirken muss.
Letztendlich lässt sich zusammenfassend sagen, dass Ihre Arbeit, Herr Gutzeit, und damit meine ich Ihre gesamte Behörde, gerade in der heutigen Zeit, in der die Aufarbeitung der Vergangenheit nicht immer dem angemessenen Anspruch gerecht wird, wichtiger denn je ist. Es gibt, wie ich eben ausgeführt habe, einiges zu tun, nicht nur für Sie und Ihre Behörde, sondern auch für die Abgeordneten, die den Rahmen dafür schaffen müssen. Für mich war das mittlerweile meine fünfte Rede zu Ihrem Tätigkeitsbericht als Berliner Landesbeauftragtem. Es war auch immer eine interessante Abwechslung, mal zu einem Thema zu sprechen, das durchaus von Konsens geprägt ist, das ist ja auch nicht immer der Fall. Ich kann abschließend nur sagen, dass ich Ihnen, Herr Martin Gutzeit, und Ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in der Behörde im Namen der gesamten Piratenfraktion von Herzen danke für die geleistete Arbeit und Ihnen viel Erfolg wünsche bei der weiteren, noch zu leistenden Arbeit. – Vielen Dank!
Vielen Dank, Herr Präsident! – Herr Kollege Dregger! Sie können uns alles erzählen und vorwerfen. Arbeitsverweigerung können Sie uns in diesem Fall nicht vorwerfen.
Wir haben das Gesetz vorgelegt. Wir haben es gemeinsam nach intensiver und langer Beratung unter uns vorgelegt, weil Sie dazu nicht bereit waren. Dann haben wir es dem Parlament vorgelegt. Sie haben auch keine Änderungsideen oder -wünsche gehabt. Die hätten Sie im Ausschuss einbringen können. Insofern war die einzige Fraktion, die sich zumindest in diesem Fall überhaupt nicht beteiligt und gearbeitet hat, die Leistungen nicht erbracht und nicht geschaut hat, wo eigentlich der Handlungsbedarf ist, den Sie hier gerade noch am Rednerpult gesucht haben, die CDU-Fraktion. Sie haben es nicht
(Carsten Schatz)
getan. Sie haben nichts geleistet. Insofern liegt die Handlungsverweigerung bei Ihnen.
Die Rede zum Antidiskriminierungsgesetz gibt auch noch einmal die Gelegenheit, insgesamt etwas zum Stand der Debatte im Bereich Integration zu sagen, so wie ich es im Mai auch schon zum sogenannten Masterplan getan habe.
Das Verhalten im Ausschuss, das ich gerade schon angesprochen habe, war jetzt keine große Überraschung, natürlich nicht. Das hatten Sie ein stückweit schon im Plenum angekündigt. Es war natürlich trotzdem eine Enttäuschung. Sie waren in der Begründung Ihrer Ablehnung noch deutlich unkreativer, als Sie das sonst in aller Regelmäßigkeit sind. Sie sagten letztlich nur, man brauche das Antidiskriminierungsgesetz nicht.
Dazu kann ich Ihnen aber inhaltlich noch etwas sagen, falls Sie der Debatte nicht aufmerksam genug gelauscht haben. Mit dem Landesantidiskriminierungsgesetz als Ergänzung zum Bundesgesetz würden das Verbot der Diskriminierung und das Gebot der Gleichbehandlung im Land Berlin vollständig umgesetzt. Das ist bisher nicht der Fall. Deutschland hat zwei der vier europäischen Richtlinien im Bereich Antidiskriminierung, deren Zweck es ist, Diskriminierung aufgrund von Rasse, ethnischer Herkunft, Behinderung, Alter, sexueller Ausrichtung oder Geschlecht zu bekämpfen, nicht vollständig umgesetzt. Das ist eigentlich auch bekannt. Das können Sie auch überall nachlesen. Zudem gilt, dass diese Richtlinie gleichermaßen für Personen im öffentlichen wie im privaten Bereich gilt. Insofern wird dieses Landesantidiskriminierungsgesetz gebraucht, weil es die Lücke füllt. Das haben meine Vorrednerinnen/-redner zum Teil schon ausgeführt. Genau deswegen haben Sie es in Ihren Koalitionsvertrag hineingeschrieben, was auch richtig war. Zumindest vermute ich, dass Sie dabei waren.
Ich finde es passend zu diesem Thema, zum Landesantidiskriminierungsgesetz, auch noch einmal zu sprechen, nicht nur, weil wir viel Arbeit hineingesteckt haben – danke auch noch einmal an die Fraktion der Grünen, die dabei federführend war –, sondern auch, weil es eine meiner ersten Kleinen Anfragen war, die ich 2012 gestellt habe. Damals habe ich schon den Senat gefragt, ob noch Bedarf bei der Stärkung des Diskriminierungsschutzes gesehen wird. Darauf wurde mir geantwortet, dass das nach der Koalitionsvereinbarung umgesetzt werden soll, dass die verschiedenen Durchsetzungsinstrumente des allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes vor allem hinsichtlich der Fristen, der Beweislast und der unzureichenden Möglichkeit für Antidiskriminierungsverbände, Betroffene bei der Geltendmachung ihrer Rechte zu unterstützen, noch ausgebaut werden müsste und, soweit Länderzuständigkeiten berührt seien, der Senat im Wege
einer eigenen Gesetzesinitiative dafür sorgen werde, dass von Diskriminierung betroffene Menschen wirksam unterstützt werden. Frau Kolat! Vielen Dank für die Beantwortung meiner Anfrage von 2012, in der Sie das angekündigt haben. Schade, dass in den folgenden vier Jahren nichts daraus geworden ist. Aber gut, das Ergebnis sehen wir heute in der Ablehnung dieses Gesetzes.
Die Ablehnung ist eine vertane Chance. Das sage ich ganz klar. Es ist aber nicht die einzige vertane Chance, die wir in den letzten Jahren erlebt haben. Integrationspolitisch ist das, was den Schutz von Rassismus und Diskriminierung angeht, in den letzten fünf Jahren bestenfalls als Stillstand zu bezeichnen. Wir hatten beispielsweise den offenen Koalitionsbruch bei der Ablehnung der Ehe für alle. Wir hatten den Stillstand bei der ISV. Wir haben im Bereich Schutz vor Rassismus einen Polizeipräsidenten erlebt, der bei seinem Amtsantritt nicht einmal wusste, dass es Racial Profiling gibt und dies in der Wissenschaft thematisiert wird. Wir haben einen Innensenator, der mit den anlassunabhängigen Polizeikontrollen an den sogenannten kriminalitätsbelasteten Orten dieses Instrument des Racial Profiling noch unterstützt.
Wir haben auch das große Thema Wahlrecht. In einer Stadt, in der 620 000 Menschen von Wahlen aufgrund ihrer Staatsangehörigkeit ausgeschlossen sind,
kann man einfach das Bekenntnis dazu haben, dass man diese Menschen stärker beteiligt und sich dafür auf Landes- und Bundesebene einsetzt, das Wahlrecht auszweiten, damit diese mehr als eine halbe Million Menschen irgendwann hier auch mitwählen kann.
Wir haben in den letzten Jahren immer wieder konkrete Vorschläge zur Verbesserung gemacht. Und immer wieder berufen Sie sich von der SPD darauf, dass die CDU nicht möchte. Nun, wir haben jetzt eine Wahl. Wir werden erleben, ob dieses Argument nach der Wahl nicht mehr zieht und andere Argumente vorgebracht werden. Ich kann nur sagen, dass ich fachlich gesehen allen Menschen in Berlin eine bessere, offenere und eine progressivere Integrationspolitik wünsche.
Persönlich verabschiede ich mich hier noch einmal ohne lange Rede. Die inhaltlichen Punkte, die man sich mit auf Weg gibt, sind von vielen meiner Vorredner schon genannt worden. Denen füge ich jetzt nichts hinzu. Bleiben Sie bürgernah oder werden Sie es, je nachdem. Geben Sie sich Mühe, dass dieses Haus und die Stellung der Abgeordneten gestärkt und für das Wohl der Menschen in Berlin benutzt werden. Vielen Dank für die gute Zeit, und viel Erfolg für die Wahl.
Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Wie lässt sich die gestrige Entscheidung im Hauptausschuss, die Nutzung der Gerhart-Hauptmann-Schule für Geflüchtete ab dem 1. August und den Bau von Wohnungen auf dem Gelände zu vertagen, mit dem Credo des Regierenden Bürgermeisters, dass nun endlich alles für eine zügige Unterbringung von Geflüchteten getan werden müsse, in Einklang bringen?
Ja, natürlich kann der Senat, muss der Senat auch die Konsequenzen von Entscheidungen, die hier getroffen werden, bewerten. Immerhin hat er ja auch im April eine Pressemitteilung zum Freizug von Notunterkünften verschickt, in der steht, es werde „angestrebt, die Geflüchteten innerhalb desselben Bezirks unterzubringen, um entstandene sozialräumliche Bindungen zu erhalten.“ Das wäre möglich gewesen für die Geflüchteten z. B. aus der Turnhalle in der Geibelstraße, die im Juli umziehen sollen. Jetzt müssen die allerdings den Bezirk verlassen. Insofern: Wie können Sie jetzt noch Ihre eigenen Ansprüche, die Sie per Pressemitteilung geäußert haben, umsetzen?
Herr Kollege Höfinghoff! Was sagen Sie eigentlich zur Rolle der CDU in der DDR? Hat die sich da erfolgreich gegen den Mangel eingesetzt, oder war das vielleicht anders?
Vielen Dank, Herr Präsident! – Sehr geehrte Damen und Herren! Am Dienstag hat der Senat den sogenannten Masterplan Integration und Sicherheit beschlossen, sieben Stationen der Ankunft für Neuankommende auf 84 Seiten. Beim Lesen des Papiers entsteht der Eindruck, als hätte jede Verwaltung mal ein paar Maßnahmen, die entweder schon laufen oder die man vorher nicht in den Haushaltsentwurf reingekriegt hat, reinschreiben dürfen und als versuchten der Senat und McKinsey, es allen Beteiligen recht zu machen und alle Wünsche mit aufzunehmen. Aber zur Bewertung des Papiers stellen sich eigentlich die Fragen: Wo kommt es her? Was bedeutet es für die Betroffenen konkret? Lässt es sich mit dem bisherigen Handeln in Einklang bringen?
Es scheint mittlerweile üblich zu sein, dass, wenn ein Regierender Bürgermeister irgendetwas zur Chefsache erklärt, erst mal eine mittlere oder größere Katastrophe passiert. So war es auch diesmal. Statt um Inhalte ging es erstmal wochen- und monatelang darum: Wer hat welche eigene Klientel oder Genossen bedient? Wer wollte wem was zuschustern und hat dabei welche Ausschreibungsregeln verletzt oder nicht verletzt? – Das hat sich letztendlich alles als etwas weniger wild herausgestellt, als es schien, aber wichtig wäre es, sich die zwei Motivationen anzugucken, die hinter dem Papier standen.
Das Erste: ein tiefes gegenseitiges Misstrauen zwischen den beiden Parteien, laut Berichten im letzten November, Dezember kurz vor Koalitionsbruch, was den Regierenden Bürgermeister dazu gebracht hat zu sagen, er müsse sich um den gesamten Bereich Integration und Unterbringung persönlich kümmern, und das Ganze im Zweifel am Koalitionspartner vorbei. Sicherlich ist das besser, als gar nichts zu tun, das kann man so sehen, aber es wirft die Frage auf: Wer soll noch Vertrauen in den für die Unterbringung Zuständigen und in den Senat insgesamt haben, wenn sogar der eigene Koalitionspartner ihm so offen das Misstrauen erklärt?
Zum Zweiten stand hinter dem sogenannten Masterplan auch der Wunsch, dem Bund mehr Geld für Unterbringung und andere Leistungen aus den Rippen zu leiern, indem man diesen Maßnahmenplan mit Preisschildern, Etiketten, versieht und nach oben hin vorlegt. Das ist ein nachvollziehbarer Wunsch, mehr Geld vom Bund. Darüber sind sich hier immer alle einig. Nur waren das Gespräch am 22. April und auch die danach gelaufenen
Gespräche bislang nicht erfolgreich. Die 390 Millionen Euro, die laut Pressemitteilung des Senats in diesem Masterplan stehen, sind auch Gelder vom Bund, die sind schon eingeplant. Eine Gegenfinanzierung über den Haushalt gibt es noch nicht, das hat uns Staatssekretär Feiler gestern im Hauptausschuss so erklärt. Dann muss man so ehrlich sein zu sagen, dass die Absicht, den Bund als Mitfinanzier einzuspannen, bislang noch nicht erfolgreich war und dass ein Großteil der Maßnahmen nicht gegenfinanziert ist. Das gehört zur Ehrlichkeit dazu.
Dann zur Einordnung: Das bringt uns nämlich zur Frage, was das viel diskutierte, kürzlich beschlossene und demnächst dem Parlament zugeleitete, aber nicht gegenfinanzierte Papier konkret bedeutet, gerade für die Betroffenen. Eine Verbindlichkeit im juristischen Sinne kann man aus diesem sogenannten Masterplan nicht ableiten. Es hat keinen Gesetzes- und auch keinen Weisungscharakter. Eine moralische Verbindlichkeit für die nächste Regierung kann es nicht haben. Die Parteien haben eigene Wahlprogramme, in denen auch ganz andere Dinge stehen, und nach der Wahl wird es aller Voraussicht nach Koalitionsverhandlungen geben, in denen wiederum andere Dinge beschlossen werden. Was die frühere Regierung macht, wird nicht der Maßstab des Handelns der nächsten sein.
Insofern bleibt letztendlich ein in weiten Teilen gut klingendes Papier, das für die nächste Regierung nicht gilt, auf der Zielgeraden dieser Legislaturperiode. Das entspricht ungefähr dem vorherigen Papier, dem Vorläufer, das im September verabschiedet wurde, das sogenannte Senatskonzept zur Unterbringung. Von dem ist letztendlich auch nicht viel übrig geblieben, außer dass das ThFGesetz im Januar geändert wurde, was nicht für Zufriedenheit gesorgt hat.
Aber zur Einordnung des Masterplans ist die Frage wichtig: Was geschah eigentlich in den letzten viereinhalb Jahren? Ist der sogenannte Masterplan die konsequente Weiterentwicklung der bisherigen Politik, oder steht er in einem deutlichen Widerspruch dazu?
Ich bringe ein paar Beispiele, Beteiligungen: Auf Seite 26 des sogenannten Masterplans werden uns Bewohnerräte in den Unterkünften und im Quartiersmanagement versprochen, inklusive Flüchtlingsfürsprecher. Das klingt großartig, das klingt wie ein Wunschtraum, nur die Frage ist: Wer soll diesem Senat glauben, dass das jemals Wirklichkeit wird? Man hätte das schon längst angehen können. Über das Thema Beteiligung und Unterkünfte haben wir schon vielfach diskutiert. Um zu erkennen, dass Probleme besser gelöst werden können, wenn die Betroffenen eingebunden werden, muss man nicht erst eine Piratenfraktion im Abgeordnetenhaus haben. Das ist selbstverständlich klar. Dazu braucht man keinen Masterplan.
Der Senat hat keinen guten Leumund, wenn es um die Beteiligung und das Einhalten von Versprechen geht.
Ich erinnere an die Refugees, die Geflüchteten vom Oranienplatz. Man hätte sie damals als Vorzeichen kommender Migrationsbewegungen verstehen, sich mit ihnen und ihren Bedürfnissen auseinandersetzen und für die Zukunft lernen können. Stattdessen wurden sie nur als Gefahr und Bedrohung gesehen, die möglichst schnell aus der Öffentlichkeit verschwinden muss – was dann auch geschah. Die Anerkennung wurde ihnen verweigert, und die Menschen wurden sich selbst überlassen. Einige der Besetzer und Besetzerinnen vom Oranienplatz leben nach wie vor in Unterkünften, die ihnen die Berliner Kirchen bereitstellen. Andere wurden in die Obdachlosigkeit gedrängt. Auf den deutschen Staat hofft von ihnen keiner mehr.
Beispiel zwei: Qualitätsstandards in den Unterkünften. Der Masterplan verspricht permanente Qualitätssicherung, Gewaltschutz für besonders Schutzbedürftige und anonyme Beschwerdemöglichkeiten. – Großartig! Das fordern wir seit Jahren. Nur wann soll das kommen, und warum wurde es nicht schon längst eingeführt? Es ist doch klar, dass die Qualität leidet und uns die Betreiber auf der Nase herumtanzen, wenn Standards nicht kontrolliert werden. Es ist auch klar, dass die Geflüchteten die besten Ansprechpartner für Probleme sind. Auch dazu braucht man keinen Masterplan. – Seit Jahren lässt der Senat die Betreiber unkontrolliert werkeln. Mittlerweile gibt es zwar stichpunktartige Kontrollen, aber dabei wird immer noch nicht mit den Geflüchteten gesprochen. Es gibt nicht einmal mehr Verträge, häufig auch keine Hausordnung und keine verbindlichen Standards. Betreiber setzen Geflüchtete willkürlich auf die Straße, geben Helferinitiativen Hausverbot – wie der Akzente-Sozial UG in Kreuzberg –, und der Senat schaut stumm zu. Bis März sollte ein Konzept vorgelegt werden, das Beschwerde- und Einspruchsmöglichkeiten für Geflüchtete und Ehrenamtliche bietet. Darauf warten wir immer noch. – Am Wochenende wurde endlich einmal einem Skandalbetreiber gekündigt. Unter den Geflüchteten soll es danach zu regelrechten Jubelstürmen gekommen sein, weil er so verrufen war. Er ist aber eben nur einer von vielen: die PeWoBe und die GIERSO sind weiter im Geschäft. – Man braucht keinen Masterplan, um zu sehen, dass es hier Probleme gibt, die man lösen muss.
Beispiel drei: der Vergabeprozess für die Flüchtlingsunterkünfte. Auf S. 26 des Masterplans werden transparente Vergaben versprochen. – Nur wer soll Ihnen das glauben? 2013 haben wir schon kritisiert, dass es Direktvergaben und Verträge per Handschlag gibt. Die Vergabe ist völlig
undurchschaubar, unterliegt auch politischer Einflussnahme und ist enorm korruptionsanfällig. Im Zuge der Flüchtlingsunterbringung der zurückliegenden Jahre gab es wiederholt sogenannte freihändige Vergaben, bei denen unter Verweis auf Zeitdruck fragwürdige Aufträge ohne Vergabeverfahren direkt an Dritte vergeben worden sind. Neben den Vergaben für die Unterkünfte gab es unter anderem die Blumenhalle auf dem Tempelhofer Feld – das musste angeblich ganz schnell gehen und ohne konkreten Plan für die Nutzung – oder auch den Auftrag an McKinsey, wo bis heute unklar ist, worin genau die Leistungen dieser sogenannten Beratungsfirma bestanden haben, und wo sich der Senat konsequent gegen eine parlamentarische Aufklärung hinsichtlich der Auftragsvergabe stellt.
Die Kritik hinsichtlich der Vergabeverfahren wurde mittlerweile von der Innenrevision des LAGeSo, von externen Wirtschaftsprüfern, von Betriebsprüfern und vom Landesrechnungshof bestätigt. Im Februar wurde sogar ein Referatsleiter in Untersuchungshaft genommen, weil er 123 000 Euro angenommen haben soll. – Was hat sich seitdem verändert? – Es gibt immer noch keine Ausschreibungen, und mittlerweile weiß man nicht einmal mehr, ob das LAGeSo oder der Landeskoordinierungsstab, das LKF, die Vergabe macht. Anstatt diese Probleme zu lösen, wird jetzt im laufenden Prozess ein neues Flüchtlingsamt gegründet – was mittlerweile übrigens schon fast so oft verschoben wurde wie die Eröffnung des Flughafens. Ich frage Sie: Ist ein Flüchtlingsamt nicht schon schlimm genug? Wer soll Ihnen abnehmen, dass dadurch etwas besser wird?
So spiegelt dieser sogenannte Masterplan die Zerrissenheit wider, die wir in den letzten Jahren im Bereich Integration insgesamt erlebt haben: zwei Parteien die die Chancen ausgeschlagen haben, Neuankommende als Bereicherung und Chance zu begreifen, Notwendiges jahrelang aufgeschoben und keine weitreichenden Konzepte entwickelt haben. Natürlich werden auch die Wünsche der Union, die in allen Geflüchteten entweder eine Belastung oder eine Gefahr sieht, mit in den Masterplan aufgenommen, inklusive Zwangswertevermittlung für die angeblich Zivilisationsunerfahrenen und eine Erhöhung der Abschiebezahlen, an denen man sich – ich zitiere den Regierenden Bürgermeister – besoffen redet. Das Ergebnis ist ein Wunschpapier, das man nicht wirklich als Konzept begreifen kann, denn es fehlen der Zeitplan, die Finanzierung, die Verbindlichkeit, das Vertrauen in den Willen und die Kompetenz dieses Senats, das umzusetzen, und die Gewissheit, ob der nächste Senat daran überhaupt noch ein Interesse haben wird. Kurzum: Lösen Sie lieber die offensichtlichen Probleme, statt ein Traumpapier zu veröffentlichen, das ein paar existierende Maßnahmen beschreibt und ansonsten im Ungefähren bleibt!
Aber an die Lösung dieser Probleme in dieser Legislaturperiode glaubt keiner mehr.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir sprechen viel über die Situation von Menschen in
Asylverfahren in Berlin oder im Duldungsstatus. Viele Menschen, auch in dieser Stadt, sind aber ganz ohne regulären Aufenthaltsstatus. Auch die sind in Landeszuständigkeit. Ohne Papiere, ganz ohne regulären Aufenthaltsstatus kann man aus den unterschiedlichsten Gründen sein. Es kann sein, dass man eine Scheidung hinter sich hat, z. B. von einem gewalttätigen Menschen, dass der Aufenthaltstitel aus verschiedenen Gründen einfach nicht verlängert wurde, man Termine verpasst hat usw., also die unterschiedlichsten Gründe.
Die Schätzungen des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge gehen von bis zu 500 000 Menschen in ganz Deutschland für das Jahr 2010 aus, die keinen gültigen Aufenthaltstitel haben. Ich denke, wir sind uns einig, dass die Zahl mittlerweile deutlich höher sein wird. Die Ausgrenzung durch die Asylrechtsverschärfung in den letzten Monaten wird die Zahl auch noch stramm steigen lassen. Es gibt Schätzungen, die von einer Million oder noch mehr Menschen ausgehen. Viele sind hier schon Jahre oder Jahrzehnte.
Diese Menschen leben nicht nur im Schatten und dürfen nicht wählen. Sie leben auch in ständiger Unsicherheit. Sie müssen Angst davor haben, von der Polizei entdeckt, inhaftiert oder abgeschoben zu werden. Als Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer – das ist sicherlich für viele Fraktionen interessant – ohne Aufenthaltspapiere sind sie in besonderem Maß der Ausbeutung im Arbeitsverhältnis ausgesetzt, weil sie nicht auf die normalen Schutzmechanismen des Arbeitsrechts zurückgreifen können. Ähnlich ausbeuterische Verhältnisse herrschen natürlich auch hinsichtlich der existierenden Wohnverhältnisse. Eine Stadtstudie aus Hamburg zeigt, dass Illegalisierte oft in beengten Wohnverhältnissen mit geringem Komfort zu überhöhten Quadratmeterpreisen leben.
Der Gesundheitsbereich ist genauso prekär. Werden Menschen ohne Papiere krank, sind sie vom regulären Gesundheitssystem ausgegrenzt. Vertreterinnen und Vertreter staatlicher oder gesundheitlicher Behörden müssen Menschen ohne gültigen Aufenthaltsstatus, die sich medizinisch behandeln lassen, melden, denn nach § 87 Abs. 2 des Aufenthaltsgesetzes haben alle öffentlichen Stellen die Pflicht, Informationen über den fehlenden rechtmäßigen Status eines Ausländers an die Ausländerbehörde zu übermitteln, wenn sie davon Kenntnis erlangen. Das Problem ist, dass natürlich aus Angst vor Registrierung und Abschiebung Menschen darauf verzichten, Vorsorgeuntersuchungen oder Krankenhausaufenthalte in Anspruch zu nehmen, was wiederum zu Spätfolgen führt und das System auch belastet. Ein ähnliches Verhaltensmuster lässt sich bei der Beschulung feststellen. Sicherlich ist unstrittig, dass alle Kinder ein Recht auf Bildung haben, auch solche ohne Status, da Kinder keine eigene Migrationsentscheidung treffen können. Die Verwirklichung dieses Rechts stand in der Vergangenheit aber im Widerspruch zur Übermitt
(Susanne Graf)
lungspflicht nach § 87 Abs. 2 Aufenthaltsgesetz. Daher führt das Leben in der Illegalität dazu, dass Kinder aufgrund der Angst vor Entdeckung ihres irregulären Aufenthalts trotz bestehender allgemeiner Schulpflicht nicht zur Schule geschickt werden. Das kann ja keiner wollen.
Statt ihnen zu helfen, werden sie oft noch als Problem oder als Gefahr betrachtet. Sie stellen keine Gefahr für andere dar, sondern sie leiden unter dieser Situation. Ich finde, dem sollten wir uns stellen und das klar ansprechen.
Deswegen ist die Piratenfraktion der Meinung, dass Deutschland eine Legalisierungsoffensive braucht. Wir müssen Menschen, die hier leben, wohnen, arbeiten, endlich aus dem Schatten holen und an der Gesellschaft teilhaben lassen.
Die Details will ich hier gar nicht weiter ansprechen. Wir haben den Antrag allgemein gehalten. Man kann z. B. mit Stichtagsregelungen arbeiten. Da gibt es viele Varianten. Aber Berlin muss sich im Bundesrat für eine solche Regelung einsetzen. Es gibt hier dringlichen Handlungsbedarf. Selbst wenn man die Position vertritt, alle illegalisierten Menschen abschieben zu wollen, muss man sich einfach eingestehen, dass dies nicht realistisch ist und eine Legalisierung keine Einladung ist, sondern die Realität in diesem Land anerkennt.
Legalisierung bedeutet Entlastung von Behörden und Polizei, das kommt noch hinzu. Migrationskontrolle ist arbeitsintensiv und kostenaufwendig. In Deutschland werden im großen Umfang polizeiliche Kapazitäten durch Ermittlungen bei aufenthaltsrechtlichen Straftaten gebunden. Irreguläre Migration ist strafbar, und die Polizei muss nach dem Legalitätsprinzip – das wissen Sie – alle Straftaten verfolgen. Sie ist zum Handeln gezwungen und muss sie melden und dokumentieren. Das ist teuer und verursacht meist unsinnige Arbeit, die sich einsparen ließe.
Eine Legalisierungsoffensive wäre übrigens kein Alleinstellungsmerkmal für Deutschland. In vielen Staaten der Welt sind mehr oder weniger regelmäßige Legalisierungsprogramme an der Tagesordnung: von Argentinien über Australien bis zu den Vereinigten Staaten. In Italien z. B. ist durch die Amnestie, die dort „Sanatoria“ heißt, aus dem Jahr 2002 630 000 Menschen eine Aufenthaltserlaubnis verschafft worden. Auch in Deutschland gibt es verdeckte Legalisierung z. B. über die EU-Osterweiterung. Insofern braucht es hier den Mut, den richtigen Schritt zu tun, um gesellschaftliche Realitäten anzuerkennen, Menschen Sicherheit vor Ausbeutung zu geben und Behörden zu entlasten. Berlin muss hier Vorreiter sein. Deswegen sage ich ganz klar: Ich solidarisiere mich mit
allen Illegalisierten, mit allen Sans-Papiers, mit allen unsichtbar Gemachten, egal, ob hier oder in anderen Ländern. Ich trage stolz die Aufschrift „Kein Mensch ist illegal“ und rufe dazu auf, diese Forderung mit Leben zu erfüllen und sich auf allen Ebenen für die Legalisierung von illegalisierten Menschen einzusetzen. – Vielen Dank!
Das wird mir nicht schwerfallen, Herr Präsident! Herr Dregger hat in ausreichender Zahl Vorlagen geliefert. – Herr Dregger! Ich will Ihnen gerne noch mal die Überschrift erklären: Kein Mensch ist illegal – ein Slogan, der hier auch auf Kleidungsstücken zu finden ist, ist natürlich eine politische Forderung. Es ist ein Slogan, der in den letzten Jahrzehnten in verschiedenen Varianten und Sprachen immer wieder von verschiedenen Gruppen benutzt wurde, die sich für „Sans-Papiers“, für illegalisierte Menschen einsetzen. Das unterscheidet den juristischen Begriff „legal“ in Bezug auf den Aufenthalt einer Person in Deutschland von den Begriffen „legalisiert“ oder „illegalisiert“, die eine politische Forderung beinhalten. Es geht
darum, dass die Menschen hier von den Gesetzen illegalisiert werden und zahlreichen Benachteiligungen unterliegen, die ich bereits ausgeführt habe. Gerade deshalb muss es heißen: Menschen sind, politisch gesehen, moralisch gesehen, nicht illegal, niemals! Die Nachteile, die sie hier unsinnigerweise erleiden müssen, womit die Behörden auch noch belastet werden, müssen abgeschafft werden. Es muss juristisch legalisiert werden, um den – im politischen Sinne legalen – Menschen ihre Rechte zuzuführen.
Ja, es gab kleine Schritte, auch in die richtige Richtung. Die EU-Osterweiterung wie auch einige Änderungen im Aufenthaltsgesetz der letzten Jahrzehnte waren nicht falsch. Dann aber gab es wieder Schritte in die falsche Richtung, gerade in den letzten zwölf Monaten. Dass bestimmte Staaten zu sicheren Herkunftsländern erklärt werden und das Asylverfahren der von dort stammenden Menschen verkürzt und ihre Widerspruchsmöglichkeiten eingeschränkt werden, führt natürlich zu einer erhöhten Anzahl von Menschen, deren Asylstatus abgeschafft wird, deren Anträge abgelehnt werden und die dann ohne legalen Aufenthaltsstatus möglicherweise im Land bleiben. Aber auch das Beispiel der Familienzusammenführung: Wir haben alle die Geschichten gelesen von den Familienangehörigen, von Menschen, die sich im legalen Asylverfahren in Berlin befinden, die aber nicht nach Deutschland einreisen dürfen und auch nicht über die reguläre Familienzusammenführung hierher kommen können und deshalb an der europäischen bzw. mazedonischen Grenze darauf warten, dass wir uns endlich darauf besinnen und Familien hier gemeinsam leben dürfen.
Insofern geht es nicht nur darum, wie Sie gesagt haben, dass sich diese Menschen selbst legalisieren können. Sie können sich selbst ausweisen, sich können sich den Behörden melden, sie können ausreisen, das ist alles möglich, aber darum geht es gar nicht, sondern es geht darum, dass wir – das haben Sie zum Teil beschrieben – anerkennen, dass diese Menschen unsinnigen, unnötigen und menschenrechtsverletzenden Problemen ausgesetzt sind. Das ist eine Anerkennung von Realitäten, und die Anerkennung, dass man diese Probleme lösen muss und durch Legalisierung lösen kann, die in Dutzenden Ländern weltweit durchgeführt wurde und wird, hätte ich der CDU-Fraktion sowieso nicht zugetraut. Insofern hatte ich keine Hoffnung, dass Sie sich im Rahmen einer Ausschussberatung eines Besseren besinnen. Deswegen ist es egal gewesen, ob wir das im Jahr 2012 oder 2016 hier einbringen. Ich freue mich, dass wir darüber abstimmen können und die Positionen klar kriegen. Für mich heißt Souveränität übrigens auch Anerkennung.
Deswegen gehe ich davon aus, dass wir gleich unsere Souveränität dadurch zeigen, dass wir sagen: Kein
Mensch ist illegal. Wir wollen die Legalisierung jetzt sofort.
Sehr verehrte Damen und Herren! Es ist immer eine lustige Geschichte mit den Unterkünften, mit den Wohnungen für Flüchtlinge. Da klatscht man ein bisschen einen anderen Titel auf die Überschrift, und plötzlich sprechen die wohnungs- und baupolitischen Sprecher. Im Grunde genommen ist doch relativ klar. Wir brauchen mehr Wohnraum für geflüchtete Menschen in dieser Stadt. Dann kann man wie Herr Kollege Evers die Perspektive aufmachen: Nein, wir brauchen Wohnraum für alle. Da sagt auch keiner etwas dagegen. Die Frage ist, was passiert. Was läuft in dieser Stadt? Wird etwas richtig oder etwas falsch gemacht? Wie kann man es verbessern?
Insofern muss man jetzt gar nicht immer versuchen, noch einmal die Und-für-alle-Debatte aufzumachen. Auch dass hier bestimmte Punkte im Antrag enthalten sind, die unabhängig von der Frage, ob wir gerade für Geflüchtete Wohnungen brauchen oder nicht, richtig sind wie ein Leerstandskataster, machen den Antrag auch schlechter. Insofern haben Sie jetzt einige Punkte angesprochen, die man unterstützenswert finden sollte.
Gleichzeitig sagen Sie aber, dass Sie das Ganze im Ausschuss beraten wollen. Da sind wir alle schlauer. Das wird nicht passieren. Insofern sagen Sie, wir versenken das Ding, stehen nicht einmal dazu und lehnen es noch nicht einmal ab, sondern wollen es hintenherum über den Ausschuss machen. Das kann man so machen, finde ich aber ein wenig unehrlich, ehrlich gesagt.
Wenn man die Frage stellt, was hier konkret für die betroffene Gruppe der neu Ankommenden, der Geflüchteten
(Stefan Evers)
in dieser Stadt passiert, muss man sich auch einmal ein Stück weit ehrlich machen und sagen, dass es wirklich mehr als eine Katastrophengeschichte war. Wir hatten 2010 – ich will einmal einen Blick zurück werfen – eine Prozentzahl von 85 Prozent der Geflüchteten in dieser Stadt mit Asylbewerberstatus, die in Wohnungen gewohnt haben. Das waren 85 Prozent! Das Verhältnis hat sich natürlich komplett umgekehrt. Es wird immer gesagt, es seien so viele neue gekommen. Das ist klar. Wenn man sich aber einmal die Zahl der Menschen anschaut, die in Wohnungen wohnen, hat sie sich auch nicht merklich erhöht.
Es gab zwei Dinge, die man dafür hätte tun können. Das eine ist, mehr Wohnungen zu bauen. Ja, das wurde schon angesprochen. Das kann man aber nicht oft genug sagen; meine Kollegin Lompscher hat es heute auch deutlich gemacht. Wir hätten einfach mehr Wohnungen bauen müssen. Bei einem Bedarf von 40 000 Wohnungen pro Jahr reicht es nicht, wenn man im Jahr 2015 nur 10 000 Wohnungen baut. Das reicht einfach nicht.
Das Zweite ist, spezielle Kontingente auch für Geflüchtete bereitzuhalten. Wir hatten die Diskussion hier schon. Sozialsenator Mario Czaja hat uns vielfach gesagt, dass er den Vertrag für Wohnungen für Flüchtlinge von 2011, der 275 Wohnungen der sechs landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften pro Jahr vorsieht, auf das Doppelte erhöhen möchte. Er hat dann aber hier gesagt: Nein, es wird jetzt doch nicht erhöht. Vielleicht gibt es doch mehr als 275. Man kann noch einmal wünschen und hoffen. Das ist dann wirklich peinlich, wenn man letztlich die Wohnungsvermittlung nicht intensiv genug vorantreibt, wenn man dann die Kontingent- und Zielzahl nicht erhöht und dann auch noch zurückrudert, weil man sich offensichtlich nicht gegen die landeseigene Wohnungsbaugesellschaft durchsetzen konnte.
Dann wird weiter auf Massenunterkünfte gesetzt. Es ist nur die Frage, wie man das tut. Das Land Berlin und auch der Bund haben genug Liegenschaften, die man in den letzten Jahren hätte identifizieren, herrichten, nutzen können. Es ist nicht so, als gäbe es da nichts. Wir haben bis 2014 gebraucht, um überhaupt auf die Idee zu kommen, eigene Gebäude zu bauen, die für Flüchtlingsunterbringung genutzt werden können. Genau diese eigenen Gebäude waren immer noch riesige Massenunterkünfte am Stadtrand mit unansehnlichen Räumen und leider auch über den Bau der falschen Senatsverwaltung. Auch wenn da sehr engagierte Leute dorthin geschickt wurden, die Taskforce, hätte es gleich über die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt, Herrn Geisel, laufen müssen und nicht zunächst über die Sozialverwaltung.
Bis 2015 hat es dann gedauert, bis man überhaupt auf die Idee gekommen ist, die BIM zu bitten, die Gebäude, die vielleicht für die Unterbringung infrage kommen, zu identifizieren und herzurichten. Vier Jahre hat allein
dieser Senat gebraucht, um auf die Idee zu kommen, dass eine landeseigene Gesellschaft, die die Kompetenzen dafür hat, genutzt wird, um Gebäude zu identifizieren und herzurichten. Das ist doch absurd. Dass das vorher das LAGeSo macht, das offensichtlich von den Kapazitäten her dazu nicht in der Lage war, ist wirklich ein Hohn.
Jetzt – das hat die Kollegin Kapek auch schon gesagt – haben wir Zeitverzögerungen bei den sogenannten MUFs. Ich will aber noch mal betonen, die MUFs waren am Anfang völlig anders geplant. Wir hatten den Konsens, übrigens auch mit Senator Czaja, dass diese riesigen 480Personen-Bauten nicht gewünscht sind, dass das nicht sinnvoll ist, dass das zu Konflikten führt. Und er hat gesagt: Ja, Herr Reinhardt, ich will da umsteuern, ich will kleinere Elemente für 120 bis 240 Personen pro Standort bauen. Das nehme ich mir vor. – Das war vor etwa einem Jahr. Dann wurde es geändert. Es hieß dann plötzlich, es werden 300, 400, und jetzt heißt es, es werden 500 Personen pro Standort. Das sind nicht mehr die gleichen Gebäude. Das ist nicht mehr die gleiche Form von Unterbringung, die geplant ist, im Vergleich zu der, die angekündigt wurde.
Noch einen Satz zum Antrag: Ich finde den Antrag im Kern richtig. Wir haben letztendlich einen Hauptkonfliktpunkt, und das ist die Frage „Pro oder contra Holzbau“, darüber kann man noch länger diskutieren. Letztendlich hatte ich auch mal eine Anfrage an den Senat dazu gestellt, warum nicht z. B. in den Tempelhof-Hangars mit Holzbau gearbeitet wird. Kollegin Kapek, die mir gerade nicht zuhört, hat sich da immer wieder eingebracht. Ich weiß nicht, warum sie nicht zuhört. Es ist doch grundsätzlich interessant, aber gut.
Ich finde die Idee durchaus unterstützenswert, aber der Senat hat gesagt: Wir können nicht mit Holzbau arbeiten, es dauert Jahre.
Deswegen verstehe ich auch nicht, warum im Januar die AG Village eingeladen wird, um die Holzbauideen zu diskutieren, wenn es dann heißt: Sorry, kommt eh nicht infrage, das würde Jahre dauern, Holzgebäude zu errichten. – Ich verstehe es nicht, kann das auch nicht weiter bewerten.
Letztendlich wünsche ich mir, dass wir, wenn wir über das Thema Willkommensarchitektur diskutieren, vielleicht einen etwas größeren Blick werfen und nicht nur die Frage stellen, wie die Bauten aussehen können und aus welchem Material sie bestehen, sondern den gesamten Bereich Stadtentwicklung, Verkehrsanbindung usw. mit einbauen, integrative, inklusive Stadtentwicklungspolitik. Da gibt es spannende, großartige Aufsätze zum Thema „Open City“ von Richard Sennett oder Saskia Sassen, die ich Ihnen nur wärmstens ans Herz legen kann, damit wir die Gesamtdebatte aufmachen und nicht nur die
Wohnorte und den direkten Wohnortbezug in den Blick nehmen, sondern die gesamte Stadt als Willkommensort betrachten. Da müssen wir stärker hin. Darüber werden wir aber in dieser Legislaturperiode leider nicht mehr diskutieren können. – Vielen Dank!
Herr Senator Henkel! Wie bewerten Sie die Situation, dass die organisierte Kriminalität in Berlin in familiärer und nichtfamiliärer Struktur offensichtlich über Jahre nicht wirklich beobachtet und bekämpft wurde, und inwiefern sehen Sie es als wichtig an, dass Herr Kollege Juhnke hier noch einmal die Herkunft bzw. die Abstammung dieser Familienstrukturen betont hat?
Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Ich beziehe mich auf eine Untersuchung des Landesrechnungshofs bezüglich des Verwaltungshandelns im Bereich Flüchtlingsunterbringung, die die Piratenfraktion per IFG beantragt und online gestellt hat. Wie bewertet der Senat die Bemängelung seitens des Landesrechnungshofs bezüglich der nichtexistenten gesamtstädtischen Belegungssteuerung,
der rechtswidrigen Vertragsabschlusspraxis, der Nichteinhaltung der Mindeststandards, der Nichtberücksichtigung der Bedarfe schutzbedürftiger Flüchtlinge und der Bemängelung, dass die Aufsichtspflichten seitens der zuständigen Senatsverwaltung und des zuständigen Senators dabei massiv verletzt wurden?
Herr Senator! Das ist kein Zwischenstand, sondern die abschließende Bewertung des Landesrechnungshofs, die online ist und jeder auch nachlesen kann. Sie können alles noch einmal aus Ihrer Sicht bewerten. Dazu haben Sie jetzt auch die Gelegenheit gehabt. Sie haben allerdings außer Acht gelassen, dass der Rechnungshof im Unterschied zu den Wirtschaftsprüfern explizit auf Ihre persönliche Verantwortung eingegangen ist, auf Ihren Wissensstand. Dazu schreiben sie: Am 5. Dezember 2011 fand ein Abstimmungsgespräch zwischen LAGeSo und Fachaufsicht statt. Den Protokollen lässt sich auch entnehmen, dass die politische Leitung – das sind Sie – der für Soziales zuständigen Senatsverwaltung regelmäßig über die Entwicklung informiert wurde. Sie wussten Bescheid. Sie haben nichts getan.
Oder sind Sie anderer Auffassung?
Vielen Dank, Herr Präsident! – Meine sehr geehrten Damen und Herren Kollegen! Das Versagen in den Bürgerämtern und am LAGeSo hat gezeigt, viele Berliner Behörden sind auf das Bevölkerungswachstum und den Zuzug nicht eingestellt, nicht nur vom Umfang her, sondern auch von den zusätzlichen Aufgaben, neuen Schnittstellen, früher Planungsnotwendigkeit und weiteren Aufgaben. Dabei beziehe ich mich ausdrücklich nicht nur auf Flüchtlinge oder Migranten, sondern auf alle Neuberlinerinnen und Neuberliner. Flüchtlinge sind vor allem Neuankömmlinge mit einem besonderen Rechtsstatus, und auch dieser Rechtsstatus fällt nach der Anerkennung letztendlich weg.
Es geht hier also um Steuerung, Planung, Prognose und Schnittstellen. Es gibt keine Instanz, die momentan in dieser Stadt gesamtstädtisch frühzeitig beobachtet, berät, eingreift, keine Konzepte und keine umfassende Planung. Darüber können auch diese Flüchtlingskonzepte oder Masterpläne, oder wie auch sonst diese Papiere heißen mögen, nicht hinwegtäuschen. Das letzte Papier, der letzte Bericht, dem man diese Prognosefähigkeit zugestehen konnte, war der sogenannte „Bericht über den Stand der Einführung von ziel- und wirkungsorientierten Controllingsystemen in der Berliner Verwaltung“. Das war 2006.
Die Mängel und die fehlenden Kompetenzen innerhalb der Behörden werden auch bei dem vor Kurzem passierten Masterplandesaster offenbar. Über diesen Masterplan müsste man eigentlich ein bisschen länger inhaltlich diskutieren. Das können wir vielleicht noch nachholen. Hier geht es erst einmal um die formale Ebene. Staatssekretär Böhning, der gerade im wohlverdienten Urlaub weilt, sagte uns dazu im Hauptausschuss, man brauche die externe Beratung durch McKinsey – wir erinnern uns –, weil man über notwendige Informationen nicht verfüge, weil Schnittstellen berücksichtigt werden müssten und weil das Konzept umsetzungsfähig sein sollte. – Da habe ich herzlich gelacht. Falls das so stimmt – manche sagen ja, die Beauftragung von McKinsey hätte andere Gründe –, aber falls das so stimmt, dann heißt das doch, dass die Berliner Verwaltung für die nächsten Schritte bei der Integration und Betreuung von Neuankommenden in keiner Weise hinreichend aufgestellt ist, dass noch nicht einmal notwendige Daten dafür vorhanden sind, denn der Datentransfer an die Berliner Verwaltung ist sicherlich innerhalb dieses Prozesses von McKinsey nicht erfolgt, und genau das müsste sich ändern.
Zweites Beispiel ist tatsächlich der Landesrechnungshofbericht, über den wir heute Morgen schon diskutiert haben bezüglich des Verwaltungshandelns bei der Flüchtlingsunterbringung. Sehr lesenswert, nicht nur wegen gesetzeswidriger Verträge! Der Rechnungshof schreibt zum Beispiel auf Seite 6:
Voraussetzung für eine gesamtstädtische Planung und Steuerung bei der Flüchtlingsunterbringung sind zunächst verwertbare Daten.
Das klingt jetzt erst einmal ziemlich simpel.
Der Rechnungshof beanstandet, dass die für Soziales zuständige Senatsverwaltung ihre gesetzlichen Aufgaben zur gesamtstädtischen Planung und Steuerung bei der Unterbringung von Asylbegehrenden, Flüchtlingen und anderen unterzubringenden Menschen nicht hinreichend wahrgenommen hat. Trotz jahrelanger Kenntnis der steigenden Flüchtlingszahlen hat die zuständige Verwaltung weder auf ministerieller noch auf operativer Ebene die Unterbringung geplant und gesteuert.
Es fehlt ein Konzept der Datenerhebung zur adäquaten gesamtstädtischen Steuerung der Unterbringung von Flüchtlingen und der anderen wohnungslosen Personen. Notwendige Daten werden nicht erhoben.
Ich glaube, da kann man jetzt ohne viel Spekulation sagen, das gilt auch für viele andere Bereiche in der Verwaltung, wo genau diese notwendigen Daten eben nicht vorhanden sind. – Ich empfehle, den Bericht auf jeden Fall noch einmal zu lesen, exemplarisch gerade in den Bereichen gesamtstädtische Planung und Steuerung, Schnittstellen, Datengrundlagen und Controlling.
Unser Vorschlag dazu ist, aus dem offensichtlichen Defizit heraus nun für das weitere Vorgehen eine eigene Stelle für die Unterstützung der Verwaltung einzurichten. Wir wollen eine unabhängige, kontrollierende und beratende Behörde, die sich zumindest stichpunktartig die Behörden anschaut bezüglich der Neuankommenden, denn sonst steht das nächste Behördenversagen, egal in welchem Rechtsstatus nun gerade, vor der Tür.
Ich will noch eine Anmerkung machen, und zwar war ich etwas enttäuscht über die Ausschussberatungen. – Kollege Schneider lächelt schon.
In einigen der Beratungen wurde offensichtlich, dass nicht ganz klar wurde, worum es hier geht. Auch der Unterschied zwischen einer Behörde, um die es hier ja gehen soll, und einer Einzelperson ist nicht immer ganz deutlich gewesen. Zum Teil wurde mir auch gesagt, dass der Antrag abgelehnt wurde, weil man ihn schlicht nicht verstanden hätte.
(Präsident Ralf Wieland)
Auch wurde er von Fraktionen abgelehnt, die sich zur Finanzierung genau dieser Stelle schon enthalten hatten. Das ist dann auch etwas lustig. Aber das ist mir eigentlich auch alles relativ egal.
Aber es geht mir ja gar nicht um diesen Antrag. Es geht darum: Sie müssen hier nicht zustimmen, Sie können zustimmen oder ablehnen, das sei Ihnen überlassen.
Aber mir geht es um die Diskussion, die mal geführt wird. Mit geht es darum, dass wir endlich darüber diskutieren, wie die Prognosefähigkeit bezüglich Zuwanderung, bezüglich des Umgangs damit wiederhergestellt werden kann. Insofern: Beschäftigen Sie sich doch bitte nicht immer nur mit dem aktuellen Behördenversagen, sondern auch mit dem nächsten und dem übernächsten! Diskutieren Sie doch bitte darüber und gehen Sie dem nicht mehr aus dem Weg, wie man hier mit Neuankommenden umgeht, anstatt einfach nur Sonderprogramme zu beschließen oder toll klingende, kurzsichtige Masterpläne zu entwerfen! – Vielen Dank!
Bei dem Senat schweben einem wahrscheinlich häufiger mal Superhelden vor, die da ein bisschen aufräumen. Aber gut!
Ich würde einfach mal die Frage stellen: Wenn Sie sagen, wir haben das im Hauptausschuss diskutiert, meinen Sie damit sich selbst als nicht im Hauptausschuss vertretenes Mitglied oder meinen Sie die Kolleginnen und Kollegen,
die keinen einzigen Redebeitrag zu dem Thema abgegeben haben? Insofern würde mich einfach interessieren, welche Diskussion Sie meinen, denn die ist mir nicht bekannt.
Frau Kollegin Kahlefeld! Mich interessiert jetzt nur, ob Ihre Kollegen im Hauptausschuss Ihnen die umfangreichen Änderungsanträge weitergeleitet haben, weil Sie jetzt hier auch Sachen vorlesen, die wir eigentlich geändert haben wollten im Hauptausschuss. Sie haben sich nicht immer eingebracht, weil sie ja abgelehnt wurden, aber ich hoffe, dass Sie da von Ihren Kollegen informiert wurden.
Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Die Belegung von Turnhallen mit Geflüchteten ist und bleibt auch weiterhin problematisch. Unser Turnhallenbelegungssenator ist jetzt gar nicht da. Aber wir kennen die Probleme, glaube ich, alle. Die Turnhallen bieten keine Einzelzimmer. Sie bieten keine Atmosphäre, keine Küchen. Es gibt nur Gemeinschaftsduschen. Ich habe schon einige Turnhallen, die als Flüchtlingsunterkünfte belegt werden, persönlich besucht. Die Geflüchteten wollen alle dort weg.
Der zweite Problembereich, der vor allem von den sportpolitischen Sprechern angesprochen wurde, ist der Entzug von Sportflächen. Das betrifft nicht nur allgemein den Sport und die Vereine, sondern speziell integrationspolitisch offene Vereine oder Inklusionsprojekte. Auch da sind mir schon Geschichten berichtet worden, dass z. B. Vereine, die spezielle Angebote haben und mit Geflüchteten in Interaktion treten, von den Einschränkungen betroffen sind, was natürlich doppelt schade ist.
(Dr. Gabriele Hiller)
Allerdings ist es leider die einzige Möglichkeit für den Senat, innerhalb von ein bis zwei Tagen eine Unterkunft zu eröffnen. Deswegen wurde davon in den letzten sechs Monaten auch rege Gebrauch gemacht. Dabei war es eigentlich schon das zweite Jahr infolge, wo das gemacht wurde. Insofern hätte man aus dem ersten Jahr bereits lernen können. Es war vor allem eine Folge mangelnder Planung – siehe letzte Debatte – und mangelnder Kapazitäten, die nicht frühzeitig geschaffen wurden. Angeblich will niemand die Turnhallenunterbringung, aber trotzdem findet sie weiterhin statt, vermutlich auch wieder im nächsten Winter – schauen wir mal!
Unabhängig davon, ob sich alle einig sind, dass das nicht gewollt ist, bin ich der Meinung, dass wir keine Volksbegehren brauchen, um Unterschriften gegen die Turnhallenbenutzung zu sammeln. Wir schränken den Senat hier in einer Variante der Unterbringung von Flüchtlingen ein. Und dieses Volksbegehren strotzt nur so von Egoismus und Engstirnigkeit. Deswegen spreche ich mich dagegen aus, das in dieser Form weiterzutreiben, auch von Anwesenden im Raum.
Es geht um dieses Jahr. Es geht um den Freizug der Turnhallen. Es geht darum, dass hier gesagt wird, dass Container gebaut werden, um die Turnhallen nicht mehr weiter als Flüchtlingsunterkünfte zu nutzen und für die Flüchtlinge andere Unterkünfte einzurichten. Allerdings scheint es noch keinen wirklichen Termin zu geben, wann das tatsächlich stattfindet. Eigentlich sollte es im Frühjahr passieren. Dann hieß es Sommer. Jetzt heißt es am 6. April zumindest für Pankow: Bezirksbürgermeister Matthias Köhne von der SPD bedauert, dass der Senat auch Flächen für zukünftige Flüchtlingsunterkünfte veröffentlicht hat, deren tatsächliche Realisierbarkeit nicht im Vorfeld durch die zuständigen Landesbehörden abschließend geprüft und mit dem Bezirksamt abgestimmt wurde.
Das ist der Stand, das heißt, wir haben viele Flächen, die eigentlich für Container oder Modulbauten genutzt werden sollten, aber nicht mehr zur Verfügung stehen. Das ist Mist. Hier wird offensichtlich schon wieder die eigene Planung konterkariert. Das schadet der Glaubwürdigkeit nicht nur dieses Senats, sondern der Politik insgesamt gegenüber der Sportlandschaft und den Vereinen. Das ist doppelt schade.
Wenn der Freizug doch endlich geschieht, zu einem unbekannten Datum, dann wird zum einen die Frage des finanziellen Umfangs geklärt werden müssen. Herr Kollege Trapp! Ich hoffe sehr, dass der Senat dann auch in klare Leistungen eintritt, denn z. B. das Horst-KorberSportzentrum, das ich übrigens vor wenigen Wochen auch selber besucht habe, um mir dort ein Bild zu machen, braucht schon laut Prognose der „Berliner Zeitung“ vom 10. März allein über 4 Millionen Euro für die Herrichtung und Sanierung. Das ist immerhin das Vierfache
von dem, was mit 1,1 Millionen Euro zur Sanierung von Sportanlagen im Titel 54802 für genau diese Leistungen vorgesehen ist, allein in einer einzigen Halle. Das heißt, der Antrag, der fordert, zusätzliche Förderprogramme zu überlegen und eine Kostendeckung sicherzustellen, spricht das an und aus, was wir hier alle denken, nämlich dass die Sanierung kostenmäßig gedeckt sein muss.
Bei dem anderen Problem setzt der Antrag einen eigenen Akzent, nämlich dass die Kommunikation bei der Belegung zum Teil extrem schlecht funktioniert hat und dass es die Befürchtung gibt, dass die Kommunikation bei dem Auszug der Geflüchteten und bei der Sanierung genauso schlecht funktioniert. Insofern ist es ein nachvollziehbarer Vorschlag, hier eine zentrale Stelle einzurichten, die die Koordination durchführt und damit auch das Verfahren beschleunigt, weil dann unter allen Beteiligten nur einmal abgestimmt werden muss. Das geht also durchaus in die richtige Richtung. Der Antrag ist also kein Durchbruch, aber durchaus unterstützenswert. – Vielen Dank!
Ich möchte eingangs mal sagen, dass ich es unsäglich finde, wenn eine klare Fragestellung im Raum steht, dass diese einfach nicht beantwortet wird. Es geht um den administrativen Notstand, der sich an vielen Stellen zeigt, unter anderem daran, dass es nur eine einzige Ausschreibung für die Betreibung einer Flüchtlingsunterkunft gab, –
unter anderem auch diese Vergabe, um die es bei McKinsey ging, unter anderem auch die Vergabe am Flughafen Tempelhof an die Firma Triad. Wird dieser Notstand bald abgestellt, der ja schon zahlreich in Medien thematisiert wurde? Wann ist das der Fall?
Angesichts der angespannten Situation in den Bürgerämtern würde mich interessieren, ob der zusätzliche Einsatz dieser Dokumentenprüfgeräte zu mehr oder weniger Aufwand für die Mitarbeiter vor Ort führt.
(Vizepräsident Andreas Gram)
Herr Kollege Dr. Weiß! Ich will meine Frage von vorhin wiederholen. Angesichts der vielen Fehlalarme und der anderen Probleme, die Sie gerade geschildert haben: Halten Sie den konkreten Einsatz für einen Mehr- oder einen Minderaufwand für die Mitarbeiter in den Bürgerämtern?
Herr Senator Czaja! Ich habe eine Nachfrage zum Verständnis. Sie haben gesagt, es handelte sich um ein Geschäft zwischen einem Sicherheitsunternehmen und der Arbeiterwohlfahrt. Aber wenn ich es richtig verstehe, geht es doch um eine Einflussnahme auf Vergaben bezüglich von Unterkünften der AWO. Können Sie noch mal klarstellen, was das konkret bedeutet?
Ich möchte gern noch einmal bezüglich des soeben angesprochenen Themas nachhaken. Wann hat der Senat konkret von den Vorwürfen gegen den Referatsleiter Stefan T. erfahren? Wie hat er gerade im Hinblick darauf reagiert, dass schon im April letzten Jahres über Disziplinarverfahren gegen leitende LAGeSo-Mitarbeiter öffentlich berichtet wurde?
Entschuldigung! Es liefen doch im letzten Jahr schon Disziplinarverfahren. Sie müssen doch reagiert oder die Innenrevision eingeschaltet haben oder irgendetwas tun. Sie stellen es so dar, als wäre das gerade vom Himmel gefallen.
Wann haben Sie konkret davon erfahren, dass ein Verdacht gegen diesen Mitarbeiter vorliegt? Wie steht das im Zusammenhang mit den Disziplinarverfahren, die schon im letzten Jahr liefen?
Vielen Dank, Herr Präsident! – Meine Kolleginnen und Kollegen! 70 000 Menschen sind im vergangenen Jahr mehr nach Berlin gekommen, als erwartet worden war. Das bedeutet viele zusätzliche Aufgaben, nicht nur die Unterbringung und Unterstützung, sondern das bedeutet auch Partizipation auf allen Ebenen der Gesellschaft. Für einen angemessenen Selbstwert und Erfüllung im Leben, für Teilhabe an der Gesellschaft und einen angemessenen Lebensstandard ist und bleibt Arbeit immer noch – ich möchte fast „leider“ sagen – ein entscheidendere Aspekt.
Wie es jetzt weitergeht, und wie sich die Zuwanderung auf den Arbeitsmarkt und auch auf den Sozialstaat auswirkt, das ist in vielen Bereichen noch unklar. Da muss einiges neu justiert werden, aber zu den Auswirkungen der Einwanderung auf Arbeitsmarkt und Sozialstaat lohnt sich auf jeden Fall schon mal ein Blick in die gleichnamige Publikation von Prof. Herbert Brücker von 2013, die man bei „Mediendienst Integration“ herunterladen kann. Allerdings ist da noch vieles im Umbruch. Da müssen wir dranbleiben und schauen, welche Entwicklung es da noch geben wird.
Der Wert von Arbeit für Neuankommende ist übrigens beiderseitig. Die Neuankommenden profitieren davon, die Gesellschaft und die Wirtschaft profitieren ebenfalls davon, und das kann auf vielen Ebenen passieren.
Ich weiß, Sie werden auch sagen, dass der Senat – vor allem der Integrationssenat – an dieser Stelle schon vieles tut und dass die Wichtigkeit dieser Thematik erkannt wurde. Trotzdem reicht das nicht, und gerade angesichts der Dringlichkeit haben wir einige Forderungen erarbeitet, die wir für besonders sinnvoll halten, und wir haben einige Defizite identifiziert, die wir angehen müssen.
Zum einen: Es ist immer noch so, dass viele Geflüchtete, viele Neuankommende nicht in Deutschland arbeiten können. Deswegen wollen wir, dass die vielen Hemmnisse für die Geflüchteten abgeschafft werden. Von der Integrationssenatorin Kolat sind viel Sympathie für diese Forderung zu hören, aber leider tut sich auf der Bundesebene so gut wie gar nichts oder wenig, und zum Teil geht es in die falsche Richtung. Die Aktivitäten Berlins kann man dort leider kaum erkennen.
Wir fordern die Abschaffung des vollständigen Arbeitsverbots während der ersten drei Monate des Aufenthalts nach § 61 Asylgesetz. Menschen müssen von Tag eins der Ankunft in Berlin und in Deutschland arbeiten können.
Wir fordern des Weiteren die Abschaffung der Zustimmungserfordernisse durch die Ausländerbehörde und die Arbeitsagentur zur Aufnahme einer Beschäftigung während der ersten vier Jahre des Aufenthalts nach § 61 Asylgesetz. Wir fordern die Abschaffung der Wohnsitzauflage nach § 60 Asylgesetz sowie die Abschaffung aller Wartezeiten und Einschränkungen für die Möglichkeit des Bezugs von oder Teilnahme an den Leistungen und Maßnahmen, die wir skizziert haben. Ferner fordern wir ein Ende der absolut schädlichen und nicht konstruktiven Diskussion über eventuelle Wohnsitzauflagen für anerkannte Geflüchtete. Auch das darf und soll es nicht geben. Das verhindert Integration und Teilhabe an der Gesellschaft.
Wenn die Menschen nach Deutschland kommen und wenn sie denn arbeiten dürfen, dann ist es tatsächlich so, dass viele über hohe Qualifikationen und Abschlüsse verfügen, aber dann geht es natürlich darum, auch die Anerkennung dieser Abschlüsse zu bewerkstelligen. Dort ist tatsächlich einiges in den letzten Jahren passiert. Ich erinnere an das von uns gemeinsam verabschiedete Berliner Berufsqualifikationsfeststellungsgesetz, das BQFG. Leider wurde dieses Gesetz in Berlin als einem der letzten Bundesländer überhaupt verabschiedet. Immerhin wird dort auch viel Gutes geregelt, aber das reicht nicht. Die Anerkennung dauert viel zu lange. Das Personal muss aufgestockt werden, aber wichtig ist auch, dass es
dort keine Gleichbehandlung gibt. Wichtig wäre, die Dauer der Verfahren zur Anerkennung von ausländischen Abschlüssen und Qualifikationen auf drei Monate zu beschränken, und zwar für alle beteiligten und betroffenen Gruppen.
Es ist tatsächlich so, dass nicht alle Flüchtlinge, die hierher kommen, hochqualifiziert sind. Deswegen sollte man gezielte Maßnahmen einführen, mit denen man zur Steigerung der Qualifikation der Flüchtlinge beitragen kann. Unser Antrag fordert auch, dass zum Beispiel junge Geflüchtete, die keinen Schulabschluss haben und gemäß § 42 Schulgesetz nicht mehr regelschulpflichtig sind, trotzdem weiterhin Schulklassen in ausreichender Anzahl besuchen können, damit sie ihren Bildungsweg fortsetzen und einen Schulabschluss erwerben können.
Deswegen ist es sinnvoll, dass dieser Antrag – neben dem Integrationsausschuss – auch im Bildungsausschuss beraten wird.
Aber klar ist auch: Nicht jeder, der hierher kommt, kommt in den ersten Arbeitsmarkt. Daher sollte auch das Ziel sein, die Geflüchteten für gemeinnützige bzw. dem öffentlichen Interesse dienende Tätigkeiten zu gewinnen. Es ist gut, Angebote zur Betätigung zu schaffen, aber es sollte immer berücksichtigt werden, dass dort kein künstlicher, prekärer Arbeitsmarkt geschaffen wird. Wir fordern daher, dass die Angebote zur Ausweitung der Beschäftigungsangebote zum Einstieg in einen beruflichen Integrationsprozess geschaffen und die bestehenden Angebote ausgeweitet werden. Dazu muss das Land Berlin mit der Regionaldirektion zusammenarbeiten und eigene Programme zur Ausweitung der Beschäftigungsangebote erarbeiten.
Aber es ist auch wichtig zu sagen: Nicht alle Geflüchteten, die hierher kommen, wollen auf dem ersten oder sogenannten zweiten Arbeitsmarkt unterkommen. Viele wollen einfach einer selbstständigen Tätigkeit nachgehen und ein eigenes Unternehmen gründen, aufbauen und führen. Deswegen wollen wir die Geflüchteten bei der Existenzgründung stärker unterstützen. Dazu wollen wir die Hindernisse für die Ausübung einer selbstständigen Tätigkeit abschaffen, denen Gestattete, Geduldete und Ausländerinnen und Ausländer im Rahmen einer Aufenthaltserlaubnis unterliegen. Den Gestatteten und Geduldeten soll die Ausübung einer selbstständigen Tätigkeit erlaubt werden. Ausländerinnen und Ausländern mit einer Aufenthaltserlaubnis soll die Ausübung einer selbstständigen Tätigkeit ermöglicht werden, ohne eine Erlaubnis gemäß § 21 Abs. 6 Aufenthaltsgesetz speziell beantragen zu müssen. Das eigene wirtschaftliche Vorhaben soll nicht einer Ermessensentscheidung unterzogen werden müssen.
Immer noch gibt es dort viel zu viele Hürden auf Landes- und Bundesebene, die abgeschafft werden müssen.
Ich bitte Sie, tun Sie das Thema zum einen nicht als unwichtig ab! Ich glaube nicht, dass Sie das tun. Und das McKinsey-Gutachten zum Thema Integration, das in den letzten Wochen hier auch ausreichend diskutiert wurde, zeigt ja, dass die Dringlichkeit seitens des Senats ein Stück weit auch gesehen wird. Aber es zeigt auch, dass dort noch viel Nachholbedarf besteht. Insofern bitte ich Sie zum Zweiten: Bitte tun Sie nicht so, als gäbe es schon ausreichend Unterstützung und Aktivitäten seitens der Landesebene! Vieles muss noch angegangen werden, hier auf Berliner Ebene und eben auch auf Bundesebene.
Seien Sie offen für die formulierten Ideen, die wir skizziert haben, die wir auch mit zahlreichen Gruppen und Organisationen diskutiert haben und deren Impulse – seitens der Zivilgesellschaft, Migrantenorganisationen, aber auch der Handwerkskammer – in unsere Vorschläge eingeflossen sind! Seien Sie offen für die skizzierten Ideen! – Vielen Dank!
Frau Kollegin Breitenbach! Ich glaube ja nicht, dass wir weit auseinanderliegen. Was Ihre Position zu guter Arbeit mit gutem Auskommen betrifft, bin ich tatsächlich bei Ihnen. Aber könnte man aus Ihren Ausführungen jetzt entnehmen, dass Sie die Abschaffung von Bufdi, die Abschaffung von Ein-Euro-Jobs und die Abschaffung von allen ÖBS-Stellen fordern?
Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Eigentlich wollte ich mich hinstellen und sagen: Es ist alles gesagt. Aber die Debatte fand ich an einigen Stellen so lustig, dass ich darauf noch eingehen möchte. Ich fange mit Frau Kollegin Grosse an. Jetzt haben Sie im Grunde genommen das Gleiche gemacht, was Sie vorhin auch schon gemacht haben, nämlich zu sagen, im Großen und Ganzen ist alles gut. Wir lehnen das ab. Nur, das Lustige ist, wenn Sie sagen, es gibt das Landesrahmenprogramm als Konzept, und deswegen braucht es den Antrag nicht – das ist ein bisschen komisch. Wir kriegen regelmäßige Berichte von Senatorin Kolat im Ausschuss. Aber das Landesrahmenprogramm selbst ist ja von 2013, und darauf dann 2016 zu verweisen und zu sagen, deswegen gibt es ein Konzept, deswegen brauchen wir den Antrag nicht, in dem durchaus sinnvolle Fragestellungen formuliert werden,
das halte ich für sehr kurz gegriffen für eine Begründung der Ablehnung des Antrags.
Frau Kollegin Breitenbach! Auch bei Ihnen kann ich heute ein Muster erkennen, und zwar: Sie scannen jeden Antrag, der hier vorliegt, egal, ob es darum geht, irgendwie zusätzlich Informationen zu kriegen, ein Konzept zu erstellen oder irgendwelche zusätzlichen Maßnahmen aufzufahren, auf die Frage: Kann man darauf eine Existenz aufbauen? Also, ist es ein gut finanzierter Job mit Rentenversicherung usw.? – Zwischenfrage?
Jetzt wäre es ja komisch, wenn ich es nicht machen würde, oder?
Es besteht hier, glaube ich, ein Missverständnis. Es geht nicht um mich dabei und darum, wie ich zur Arbeit stehe. Das können wir auch gerne noch mal diskutieren.
Nein! Es geht ja um die Frage, wie diese Gesellschaft zur Arbeit steht. Das habe ich heute Morgen auch schon ausführlich erläutert, dass es leider so ist, dass man in dieser Gesellschaft ohne Arbeit sehr wenig Geld hat, zum Teil auch sehr wenig Selbstwertgefühl und auch wenig Anerkennung von der Gesellschaft bekommt. Das betrifft übrigens Neuzuwanderer und Neuankommende ganz besonders. Das bedaure ich auch sehr stark. Ich würde mir eine Gesellschaft wünschen, in der wir uns alle viel weniger über Arbeit definieren; in der leben wir aber
momentan nicht. Und wenn Sie einfach pauschal sagen, jede Maßnahme, jedes Konzept, jede Stelle, die nicht so ausfinanziert ist, wie ich mir einen guten und auskömmlichen Arbeitsplatz unter dem Thema gute Arbeit vorstelle, lehne ich pauschal ab, dann finde ich, das greift zu kurz, auch wenn ich das im Ansatz durchaus nachvollziehen kann.
Ich denke, es gibt durchaus auch sinnvolle Maßnahmen. Man kann durchaus sagen, dass bei den Integrationslotsinnen und -lotsen und Stadtteilmüttern auch sinnvolle Maßnahmen stattfinden. Ich finde das richtig, dass wir immer wieder im Ausschuss gemeinsam dieses Konzept loben. Insofern steht die Frage im Raum, und da kann ich nur weiterhin sagen: Ich verstehe nicht, dass die sich so gegen diesen Antrag aussprechen, in dem im Grunde genommen nicht viel drinsteht, außer dass bestimmte aktuelle Entwicklungen und Perspektiven dieses Programms aufgezeigt werden sollen. Das ist eigentlich so wenig angreifbar, dass wir uns als Fraktion dazu auch ganz entschieden enthalten werden.
Ansonsten ist sicherlich noch mal spannend, dass wir vielleicht irgendwann aktuelle Zahlen bekommen: Wie entwickeln sich die Integrationslotsinnen und -lotsen, die Stadtteilmütter? Das haben wir im Ausschuss leider nicht bekommen. Wie viele von denen finden welche Möglichkeiten, auf den ersten Arbeitsmarkt überzuwechseln? Das ist das Ziel des Senats. Solange wir dazu nichts Belastbares bekommen, können wir viel im Nebel stochern und uns wenig darüber unterhalten, welche Maßnahmen sinnvoll wären und welche nicht. Ansonsten, bezüglich des Berufsbilds stochern wir auch viel im Nebel. Es ist durchaus sinnvoll, dort eins zu bekommen. Soll das auf Landesebene passieren, auf Bundesebene, wann, wie, in welchem Rahmen? Dazu lässt sich momentan relativ wenig sagen.
Eine entschiedene Ablehnung des Antrags finde ich, ehrlich gesagt, unsinnig, und zwar von allen Seiten. Aber das über den Klee loben würde ich auch nicht. Insofern vielen Dank für die Aufmerksamkeit!
Frau Kollegin Breitenbach! Das waren ja jetzt viele Aussagen, die jeder hier im Raum unterschreiben würde.
Ich bin für gute Arbeit, wer würde dazu nicht Ja sagen? Ich bin gegen Arbeitszwang, da würde auch die SPD mitgehen, da würde auch Herr Prof. Korte mitgehen. Letztendlich muss man doch erst mal definieren, worüber man spricht. Natürlich geht es darum, dass Jobs fair bezahlt werden und Arbeitsbedingungen eingehalten werden. Da ist doch hier auch gar kein Dissens im Raum. Es geht aber auch um die Frage, zum Beispiel haben Sie es korrekt gesagt: Wird Reproduktionsarbeit wertgeschätzt? Das wird sie von dieser Gesellschaft natürlich nicht angemessen. Ich erinnere an Kampagnen, die sich auf Carearbeit konzentrieren. Da ist es so, dass wir noch eine ganz große Kluft in dieser Gesellschaft haben, weil eben die Arbeit, die nicht fair bezahlt wird, die aber auch für die Gesellschaft relevant ist, auch ehrenamtliche Arbeit, bei allem Lob – sie wird nicht angemessen wertgeschätzt von dieser Gesellschaft, auch von diesem Parlament nicht. Da sitze ich glücklicherweise immer noch in der einzigen Fraktion, die sich überzeugend – das tut Ihre ja auch nicht – für die Umsetzung eines bedingungslosen Grundeinkommens einsetzt, was genau diese Fragen lösen würde und was dafür sorgen würde, dass man Arbeit – egal ob Erwerbsarbeit, Reproduktionsarbeit oder Carearbeit oder Ähnliches – eben auch wertschätzen würde, womit wir ein gesellschaftliches Umdenken erreichen würden. Das ist das, was wir immer noch als Gesellschaft anstreben sollten. Ich bleibe dabei, auch wenn Ihre Partei, Ihre Fraktion sich dem leider nicht anschließen kann.
Und was diese Übergangsjobs und diese Maßnahmen angeht: Ja, ich war in vielen Flüchtlingsunterkünften, und da wurde mir vor Ort berichtet, dass die Ein-Euro-Jobs – und das sind einige der Punkte, die Sie angegriffen haben – sinnvoll sind, damit Geflüchtete sich dort beschäftigen, damit die rauskommen aus den Unterkünften und damit die auch Anschluss finden und zum Teil in andere Arbeitsplätze wechseln können. Und wenn mir das vor Ort berichtet wird, dann sage ich doch nicht per se: Das ist nicht existenzsichernd, das lehne ich einfach ab – und beschäftige mich damit nicht weiter. Dann sage ich doch: Das höre ich mir an als Maßnahme und lehne das nicht einfach grundlegend ab. Deswegen bin ich offen für solche Gedankenspiele, auch wenn das kein langfristiges Ziel sein kann, sondern immer nur eine Übergangsbeschäftigung. Insofern finde ich, da ist viel gesagt worden, was letztendlich sehr allgemein ist. Aber in der Sache ist relativ wenig passiert.
Vielen Dank! – Ich würde gern noch mal nachhaken, weil Sie gerade sagten: „ohne weitere Verzögerung“: Wie bewerten Sie es, dass uns vor einem Jahr – im April – angekündigt wurde, dass es keine weiteren Containerbauten, aber diese Modulbauten geben wird, wobei die ersten schon im Frühjahr dieses Jahres fertig sein sollten, und es jetzt noch nicht mal eine Einigung über die Standorte der Modulbauten gibt, sodass wir jetzt wieder mit den Containern vorliebnehmen müssen, die eigentlich schon längst ausgeschlossen worden waren?
Vielen Dank, Herr Präsident! – Sehr geehrte Damen und Herren! Dass die CDU das „C“ in Ihrem Namen nicht mehr so ernst nimmt und Ehe und Familie als Werte mit Füßen tritt, ist mittlerweile nichts Neues. Dass Sie den Familiennachzug einschränken wollen, das auch noch loben und sich in dem Sinn äußern, jedes syrische Kind, das nicht in Deutschland ist, sei gut, ist wirklich Hohn, das ist ekelhaft und keiner Fraktion in diesem Abgeordnetenhaus würdig.
Unabhängig von allen Aspekten, bei denen wir hier im Haus nicht einer Meinung sind, das sind durchaus einige – beispielsweise, wenn es um die sogenannten sicheren Herkunftsstaaten geht oder die beschleunigten Asylverfahren oder schärfere Aufenthaltsregelungen –, gibt es Aspekte, die eigentlich nicht unbedingt einen Dissens hervorrufen sollten. Es ist interessant, mir ist sowohl beim Kollegen Juhnke als auch beim Kollegen Zimmermann aufgefallen: Sie haben beide bestimmte Aspekte dieses großes Pakets herausgepickt und sich darüber lobend oder mäßig lobend geäußert. Es waren bestimmte Aspekte, die ich jetzt nicht noch einmal einzeln aufzählen
werde. Beide haben Sie letztlich bestimmte Dinge aber auch nicht erwähnt.
Das ist spannend, denn wir haben in den letzten Monaten mehrere sogenannte Asylpakete bekommen, mehrere Veränderungen im Aufenthalts- und Asylverfahrensbereich, die das Land Berlin akut betroffen haben. Der nicht mehr anwesende Sozialsenator Czaja kann davon ein Lied singen. Die Unterbringung im Land Berlin, die Registrierung und Leistungsausgabe ist dadurch massiv zurückgeworfen und eingeschränkt worden. Sie alle haben das in den letzten Monaten erlebt.
Wir hatten zum Beispiel die verkürzte Auszahlung von Taschengeld, die jetzt monatlich erfolgen soll. Das war eine neue Bundesregelung, die dem Misstrauen gegenüber allen neu Ankommenden in Deutschland entspringt, aber de facto dazu geführt hat, dass wir im Land Berlin Mitarbeiter im Landesamt hatten, die bei der Leistungsausgabe überhaupt nicht mehr hinterherkamen, was uns bei der Leistungsausgabe und im Bereich Unterbringung zurückgeworfen hat. Es gab außerdem die Verlängerung des verpflichtenden Aufenthalts in Sammelunterkünften. Das hat dazu geführt, dass Menschen nicht mehr bei Freunden und Familien unterkommen können, obwohl sie schon ein Netzwerk haben. Das belastet den Staat unnötig, das belastet die Menschen unnötig. Es gab beispielsweise auch die Diskussion über die Wiedereinführung des Sachleistungsprinzips. Auch das ist etwas, das eigentlich abgeschafft worden ist, weil es unnötige Bürokratie bedeutet. Residenzpflicht: unnötige Bürokratie, unnötige Repression und so weiter und so fort.
Sie alle haben in den letzten Monaten erlebt, dass von der Bundesebene völlig kontraproduktive, lediglich absurde Ressentiments seitens bestimmter Gruppen der Bevölkerung dienende neue Erlasse und Regelungen kommen, die niemandem helfen und die uns im Land Berlin um Meilen zurückwerfen. Da kann ich nicht verstehen, dass Sie sich hier hinstellen und ein Loblied auf das Asylpaket II singen, denn das wird wieder passieren, und es wird wieder so sein, dass das Land Berlin dadurch nur Nachteile hat und die Repressionen und die Nachteile für die Betroffenen auch weiterhin auf dem Papier stehen.
Weiterhin ist interessant, dass Sie beide das Asylpaket II loben, obwohl wir schon aktuell im Land Berlin und in Deutschland gegen geltendes internationales und Europarecht verstoßen. Wir hatten dazu gestern eine Debatte im Europaausschuss. Wir haben darüber diskutiert, dass wir aktuell gegen verschiedene europäische Asylverfahrensrichtlinien und Aufnahmerichtlinien verstoßen – gerade im Bereich Unterbringung. Berlin bemüht sich da, kommt aber nicht hinterher. Das Asylpaket II verstößt eindeutig gegen die EU-Aufnahmerichtlinie und verschlimmert noch die aktuelle Situation.
(Dr. Robbin Juhnke)
Besonders schwerwiegend wird es daher schutzbedürftige Flüchtlinge treffen – Kranke, Traumatisierte und Minderjährige –, gerade wegen der Einführung beschleunigter Verfahren und wegen des Mangels an der Möglichkeit, Rechtsmittel einzulegen. Kranke müssen in detaillierten Attesten nachweisen, warum eine Erkrankung gegen die Abschiebung spricht. Abschiebungshindernisse in Form von PTB werden nicht mehr anerkannt. Die Aussetzung des Familiennachzugs für minderjährige Flüchtlinge wird außerdem gegen die UN-Kinderrechtskonvention verstoßen. Ich weiß nicht, wie Sie, Frau Bentele und die Sprecher bei der SPD-Fraktion, dazu stehen. Ich kann es nicht gutheißen. Unabhängig davon, dass es Nachteile für die Betroffenen bringt, verstößt Berlin, verstößt Deutschland gegen internationale Konventionen, gegen UN-Konventionen. Das wird durch das Asylpaket II noch verschärft.
Herr Zimmermann! Sie haben gesagt, wir würden keine Vorschläge machen. Ich weiß nicht, ob Sie den Diskussionen der letzten Monate gefolgt sind. Hier sind zahlreiche Vorschläge zur besseren Unterbringung gemacht worden – beispielsweise zur Unterbringung in zweckentfremdeten Ferienwohnungen und vieles mehr, was wir hier schon diskutiert haben. Aber ganz konkret werfe ich Ihnen vor, dass Sie mit keinem Jota angesprochen haben, wie Berlin Einfluss auf das aktuelle Verfahren nimmt. Wir diskutieren hier alle darüber, ob man dieses oder jenes machen soll. Meiner Ansicht nach ist es letztendlich irrelevant, was wir hier diskutieren, solange der Regierende Bürgermeister hier sitzt und keinerlei Einfluss auf die Verfahrensveränderungen auf Bundesebene nimmt. Dazu hört man nichts.
Herr Regierender Bürgermeister! Ich würde mir wünschen, dass Sie abseits aller Parteivorstellungen mal darauf Einfluss nehmen, dass so etwas, was wir im November erlebt haben, dass nämlich das Land Berlin massive Nachteile dadurch hat, dass auf Bundesebene völliger Murks beschlossen wird – das ist die Aussage Ihres eigenen Sozialsenators, durch mich leicht umformuliert –, nicht wieder passiert und dass so ein Schwachsinn – ich darf das Wort jetzt sagen, es wurde vorhin nicht gerügt – hier nie wieder passiert. Darauf sollten Sie auch aktiv Einfluss nehmen, denn sonst bringt uns die gesamte Debatte hier überhaupt nichts. – Vielen Dank!
Kollege Lauer wird sich dann noch persönlich äußern. Das ist jetzt schon mal angekündigt. – Kommen wir jetzt noch mal zum Thema zurück:
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich werde dazu auch noch mal etwas sagen. – Es geht hier im Kern um etwas anderes. Es geht um Gesetzentwürfe, die auf dem Tisch liegen, und um eine Aktuelle Stunde zur TempelhofNutzung.
(Stefan Evers)
Im November wurde eine Massenunterkunft mit 5 000 Menschen und die Änderung des Tempelhofer-FeldGesetzes angekündigt. Mitte November gab es dann eine Informationsveranstaltung, auf der Staatssekretär Gaebler persönlich versprach, dass es, wenn er das als Staatssekretär sage, nur um die Seite des Tempelhofer Damms gehe. Am nächsten Tag kam Senator Geisel: Natürlich brauche man auch die Neuköllner Seite. – Eine Woche später sagte dann der Senat: Auch der Columbiadamm! – Das heißt, es gab ständig neue, tagesaktuelle Informationen.
Dann gab es im November die Aussprache hier in der ersten Lesung, und ich will noch mal auf ein oder zwei Punkte hinweisen, die ich dabei durchaus bemerkenswert fand. Herr Kollege Evers hat auch einiges von sich selber zitiert. Aber Sie haben eine Sache interessanterweise weggelassen. – Herr Kollege, Sie brauchen auch nicht nur auf das Smartphone zu gucken. – Sie haben persönlich gesagt, dass Sie alle Alternativen, die es für die Unterbringung gibt, vorher geprüft haben wollen und sonst einer Gesetzesänderung nicht zustimmen und es auch nicht zulassen würden, dass Ihre Fraktion das tut. Genau das erwarte ich auch von Ihnen, wenn Sie mal nicht nur damit beschäftigt sind, sich irgendwo zu beschweren, dass Immobilien vielleicht einen Wertverlust erleiden, sondern sich darauf konzentrieren, wie wir in dieser Stadt wirklich Flüchtlinge unterbringen können.
Aber angeblich war es ja nur ein Vorratsgesetz. Obwohl es nur ein Vorratsgesetz war, musste es natürlich direkt in der Folgewoche ohne vorherige Ankündigung, ohne vorherige Möglichkeit, eine Anhörung zu beantragen, und ohne eine sinnvolle sozialpolitische, inhaltliche Diskussion durch den Sozialausschuss gepeitscht werden. Kollege Buchholz! Das ist genau das, was nach Ihrer Darstellung angeblich nicht passiert ist, nämlich das Durchpeitschen durch die Gremien, ohne sich intensiv damit beschäftigen zu können.
Übrigens hat der Sozialausschuss ja eine Variante beraten, die heute gar nicht mehr auf der Tagesordnung steht. Theoretisch hätte man das noch mal in den Sozialausschuss geben müssen, um dort die völlig andere, die geänderte Version, die ja nichts mehr mit der Ursprungsversion zu tun hat, auch noch mal auf ihre sozialpolitischen Aspekte zu prüfen.
Dass das der Sozialausschuss eh nicht tut, weil die Koalition dort kein Interesse an sozialpolitischen Fragen hat, wissen Sie genauso gut wie ich.
Anfang Dezember kam dann eben eine völlig neue Version. Wegen Gegenwind und wegen Machbarkeit hieß es dann, man wolle die Randflächen gar nicht mehr nutzen,
und man wolle sich jetzt doch auf das Vorfeld konzentrieren, von dem es vorher noch geheißen hatte, dass es gar nicht zu nutzen sei – wegen der mangelnden Medien. Der vorherige Entwurf war damit komplett obsolet.
Dann im Januar ein Fachgespräch, wo erstmalig erklärt wurde, was man in der neuen Fassung überhaupt konkret plant. Interessanterweise war bei diesem Fachgespräch schon klar, dass am 28. Januar abgestimmt wird und was das Ergebnis der Abstimmung sein wird, nämlich dass Sie zustimmen. Formal wollten Sie aber vorher noch eine Bürgerversammlung abhalten, die aber völlig irrelevant ist, weil offensichtlich war, dass Ihr Abstimmungsverhalten schon feststeht. Insofern können sich die über tausend Menschen, die sich dort im Januar getroffen haben, fragen, warum sie dorthin gehen, wenn die Koalition ja doch den Bürgerwillen komplett ignoriert, obwohl er dort zutage getreten ist.
Dann kam die Abstimmung gestern in den drei Ausschüssen – auch das natürlich im Schnellverfahren an einem Tag: Ausschuss für Stadtentwicklung, Ausschuss für Bauen und Verkehr und der Hauptausschuss. – Das ist jetzt erst mal die Chronologie der Ereignisse zu diesem Gesetzentwurf.
Ich will aber auch mal auf einen anderen wichtigen Punkt hinweisen, und zwar darauf: Hier wird ständig von Gemeinsamkeiten gesprochen. Kollege Evers hat schon wieder gesagt, er würde sich wünschen, dass wir hier mal an einem Strang ziehen. Wir haben am 12. November eine Regierungserklärung des Regierenden Bürgermeisters Müller unter dem Titel „Eine gemeinsame Kraftanstrengung für Berlin“ erlebt. Gemeinsam! Acht Mal kam das Wort „gemeinsam“ in der Regierungserklärung vor – zwölf Mal das Wort „zusammen“. Aber es gibt kein „zusammen“, es gibt kein „gemeinsam“. Sie machen Vorschläge und wollen, dass wir die absegnen. Unsere Vorschläge werden rundheraus abgelehnt. Auch wenn Vorschläge beispielsweise gestern im Hauptausschuss einstimmig angenommen wurden, werden Sie die heute wieder ablehnen. Es gibt kein Interesse von Ihnen an einer Zusammenarbeit. Wir können Vorschläge machen – noch und nöcher –, aber wenn wir Kritik üben oder wenn wir eingebunden werden wollen, dann kritisieren Sie uns noch dafür und sagen uns, dass wir ja nicht gemeinsam arbeiten würden. Das ist ein Hohn.
Die Widersprüche im aktuellen Verfahren sind eklatant. Es wird zum einen damit argumentiert, dass das Ganze nur temporär bis 2019 sei. In § 9 Abs. 4 des aktuell vorliegenden Gesetzentwurfs ist jedoch ausdrücklich kein Rückbau vorgesehen. Außerdem gibt es keine Argumente, die dagegen sprechen, dass Sie es einfach verlängern.
Insofern kann hier über eine temporäre Nutzung nur spekuliert werden.
Im Übrigen sprechen wir von einem Gelände, nämlich dem Vorfeld, bei dem es noch den Verdacht gibt, dort lägen Altlasten. Vor einer Bautätigkeit auf dem Gelände, bei der man beispielsweise in das Erdreich eindringen würde, müsste es eigentlich eine Kampfmittelfreigabe geben. Auch das ist nicht erfolgt.
Dann wird gesagt, man wolle das Vorfeld mitnutzen und auch darüber hinaus – das liegt heute vor. Aber zum Beispiel wurde auf der Veranstaltung am 8. Januar 2015 – dem Fachgespräch – von der sog. AG Village ein alternatives Konzept vor allen Experten präsentiert. Das wurde auch ins Internet gestellt. Darin werden gute und sinnvolle Vorschläge gemacht, die keiner Änderung des Gesetzes bedürfen. Das wurde einfach ignoriert. Es hieß, man wolle das mal prüfen. Aber wenn Sie schon nicht glaubwürdig darstellen können, warum Sie jetzt über das Vorfeld hinausbauen müssen, und wenn Sie nicht erklären können, warum die Vorschläge von Bürgerinnen und Bürgern, die ehrenamtlich arbeiten und im Prozess mitwirken, nicht funktionieren, dann machen Sie sich unglaubwürdig. Dann können Sie auch nicht wirklich erklären, warum wir jetzt unbedingt dieser Gesetzesänderung zustimmen müssen.
Jetzt wollen Sie die bestehende Massenunterkunft am Tempelhofer Feld ausbauen. 7 000 Menschen sollen dort eingepfercht werden. Ich will noch einmal an den Stand vor Ort erinnern. Von den 300 Kindern, die jetzt vor Ort sind, ging letzte Woche keins in eine Kita oder in eine Schule. Es gibt dort immer noch keine Duschen und Waschmaschinen. Es gibt keine Besuchsmöglichkeiten für die Menschen dort. Wenn das keine Isolation ist, weiß ich es nicht. Über das Wort Gettoisierung kann man sich unterhalten.
Die Konflikte vor Ort sind vorprogrammiert. Die Massenschlägerei hat wenige Tage vor der Beratung im Ausschuss für Gesundheit und Soziales stattgefunden, aber darauf wurde gar nicht eingegangen. Man hat immer noch keinen aktuellen Aufklärungsstand. Man weiß nicht, was dort vorgefallen ist. Es gibt die Betreiberversion. Es gibt die Version der Geflüchteten, die danach rausgesetzt wurden. Der Senat hat vergangene Woche selbst gesagt, er wisse nicht, was passiert ist, er kenne nur die eine Version und sei der anderen nicht nachgegangen. Wenn Sie der Ursache des Konflikts noch nicht einmal auf den Grund gehen, dann ist doch wohl abzusehen, dass die Konflikte in Zukunft noch zunehmen werden.
Aber das Wichtigste: Die Wohnfläche dort beträgt 2 Quadratmeter pro Person. In den Mindeststandards stehen 6 bis 9 Quadratmeter. Seriöse Bundesarbeitsgemeinschaften für Wohnungslose empfehlen 15 Quadrat
meter. Sie wollen insgesamt 7 000 Menschen auf je 2 Quadratmetern einpferchen. Das ist nicht akzeptabel.
Aber die Standards sind mittlerweile fast überall schlecht. Es ist unbestritten, dass Menschen, für die wir verantwortlich sind, in sozialen Einrichtungen dieses Landes hungern müssen, weil sie ihr Geld nicht ausbezahlt bekommen. Es ist unbestritten – es gibt tagesaktuelle Bilder –, dass es immer noch unendlich lange Schlangen vor dem LAGeSo gibt, die zu Erfrierungen und Krankheiten führen. Manche Heimbetreiber hindern ihre Bewohner aus Fürsorge an der Fahrt zum LAGeSo bei bestimmten Wetterlagen.
Dann die furchtbare Nachricht gestern! Eine ganze Stadt hat den Atem angehalten. Gott sei Dank hat sich das nicht bewahrheitet. Der Mensch, der das in die Welt gesetzt hat, braucht unsere Hilfe und Unterstützung. Er hat sich dort monatelang verausgabt und ist vielleicht verzweifelt. Aber es ist doch wohl offensichtlich: Jeder konnte sich vorstellen, dass das dort passiert ist. Der Grund dafür ist, dass es vorstellbar ist. Wir haben dort die Ermordung des kleinen Mohamed erlebt. Es gab dort vier Fehlgeburten und unzählige Krankheitsfälle. All das ist passiert. Insofern ist offensichtlich, dass sich dort etwas ändern muss. Ich würde mir wünschen, dass der Satz: Beim Warten auf Unterstützungsleistungen auf dem Amt ist jemand erfroren. –, Lacher und Häme nach sich ziehen würde, weil jeder weiß, dass so etwas in Deutschland, in Berlin unmöglich ist. Das Gegenteil ist der Fall.
Selbst Senator Czaja sagte gestern in der Abendschau: Wir können nicht ausschließen, dass schon jemand dort gestorben ist. – Das ist eine treffende Zustandsbeschreibung.
Das Problem ist die Situation vor Ort. Herr Senator Czaja! Sie haben Anfang des Jahres versprochen, dass es besser wird. Sie haben gestern Abend noch gesagt: Sie werden dort niemand ohne Termin sehen. – Das ist zynisch, da die Menschen, die einen Termin haben, mit einem neuen Termin wieder weggeschickt werden. Ich kenne Menschen, denen das schon fünf Mal so gegangen ist. Das muss sich ändern. Die Ehrenamtlichen, die dort arbeiten, brauchen unsere Unterstützung und Anerkennung und nicht noch den Zynismus, der hämisch aus den Reihen der CDU kommt.
Dieser Senat und diese Koalition verhindern Gemeinsamkeiten. Sie erklären die Änderung des TempelhofGesetzes für unausweichlich, um eine Massenunterkunft auszubauen, können aber nicht erklären, warum Sie nicht
endlich alle Anstrengungen mobilisieren, um Wohnungen zu nutzen und Bestandsgebäude herzurichten. Dem werden wir nicht zustimmen.
Das tue ich. – Sie laden zu Veranstaltungen ein, auf denen Alternativkonzepte präsentiert werden, die Sie dann ignorieren. Sie legen sich mit 740 000 Menschen an, halten die Zivilgesellschaft in Atem, nur um das Volksgesetz zu ändern. Die Energie hätte man sinnvoller nutzen können. Dem werden wir nicht zustimmen. Sie bringen ohne Konzept neue Behörden ins Spiel. Dem werden wir nicht zustimmen. Sie reden von gemeinsam, handeln aber allein. Sie verspielen Ihre Glaubwürdigkeit, Herr Czaja und Herr Müller! Die ist weg. Sparen Sie sich lieber Ihre Schön-Wetter-Reden! Reden Sie nicht von Gemeinsamkeiten! Handeln Sie einfach! Machen Sie Ihren Job!
Vielen Dank! – Ich frage mal immer weiter nach dem Bereich Wohnungsunterbringung; darum geht es ja eigentlich: Sie hatten mehrfach im Ausschuss, aber auch im Plenum angekündigt, dass das bestehende Kontingent der landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften auf 500 Wohnungen pro Jahr verdoppelt werden soll. Ist das passiert?
Ich bleibe mal bei dem Themenfeld Ankündigungen unseres Ankündigungssenators Czaja: Sie hatten mehrfach – August, September, auch dieses Jahr wieder – gesagt, Sie wollen auf 1 000 Registrierungen pro Tag kommen in den verschiedenen Einrichtungen. Ist das jetzt der aktuelle Stand?
Ich entnehme der Antwort erst mal, dass Sie die angestrebte Zahl von 1 000 Registrierungen pro Tag nicht erreicht haben und auch gar nicht mehr vorhaben, sie zu erreichen. Ich würde jetzt aber gern noch mal wissen: Sie hatten vorhin gesagt, dass Sie aus dem Registrierungsbereich jetzt Personal abziehen in den Leistungsbereich, und ich gehe davon aus, dass das möglicherweise dazu führt, dass der Registrierungsbereich wieder der Flaschenhals wird. Wie wollen Sie dem jetzt vorbeugen?
Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir sprechen über einen Vorschlag für die Reform der Berliner Ausländerbehörde. Was ist der Grund für die Notwendigkeit des Antrags?
[Benedikt Lux (GRÜNE): Na, wer ist denn dafür zuständig? – Heidi Kosche (GRÜNE): Herr Kollege Lux möchte auf den Senator warten. – Elke Breitenbach (LINKE): Wer könnte denn dafür zuständig sein?]
Ich glaube, der Herr Kollege Lux möchte das zuständige Senatsmitglied herbeizitieren.
Ja, bitte!
Herr Henkel! Willkommen bei uns, zum Thema Ausländerbehörde! Wir gehen natürlich alle stark davon aus, dass Sie das Thema genauso ernst nehmen wie IT-Fragen und Sport, wo Sie auch immer im Ausschuss sind.
Insofern fangen wir doch mal von vorne an. Die Ausländerbehörde ist zuständig für essenzielle Aufgaben in den Leben von Nichtdeutschen in dieser Stadt. Da geht es um Aufenthalt, um Arbeit, um Weiterbildung, um Studienzulassung. Der Koalitionsvertrag sagt an der Stelle auch relativ klar: Integration ist „eine wichtige Querschnittsaufgabe, die alle Politikbereiche umfasst.“ – „Genau!“, sage ich an der Stelle nur, und das betrifft natürlich auch die Kernaufgaben, die die Ausländerbehörde regelt. Dennoch werden Aufenthaltsfragen, auch die von mir beschriebenen Aufgabenbereiche, lediglich als Steuerungsaufgabe – so wie z. B. auch die Bürgerämter oder die Beantragung von Kfz-Kennzeichen – empfunden. Daher sind Aufenthaltsfragen bzw. der ganze Bereich Ausländerbehörde und auch der ganze Bereich Härtefallkommission z. B. Teil der Innenverwaltung. Die Innenverwaltung, die die Integration nicht unbedingt als Schwerpunktthema hat – und schon gar nicht unter unserem Möchtegern-Hardliner-Senator, der jetzt endlich zumindest im Raum ist. Die Eingliederung dieser Fragen in echte Integrationsbereiche ist sinnvoll. Das sieht z. B. auch Herr Senator Czaja so – der jetzt gerade nicht anwesend ist. Herr Senator Czaja sagte uns nämlich letzte Woche im Sozialausschuss und auch gestern wieder im Hauptausschuss, er könne sich gut vorstellen, dass die Zuständigkeiten für essentielle Integrationsbereiche, die jetzt gerade bei Frau Kolat liegen, aber auch Zuständigkeiten im Aufenthaltsbereich, die bei der Ausländerbehörde liegen, in Zukunft gemeinsam mit den Flüchtlingsfragen und der Unterbringung in einem gemeinsamen Landesamt untergebracht werden. Das wäre nach seiner Vision das heute beschlossene Landesamt für Flüchtlingsangelegenheiten, wo das momentan noch nicht drin ist, künftig aber so sein soll. – Das ist eine interessante Vision. Allerdings wäre das an einem unbestimmten Zeitpunkt in der Zukunft. Es ist also gut zu sehen, dass dort ein bisschen Bewegung in der Sache möglicherweise drin ist. Leider ist es noch zu wenig.