Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich eröffne die 60. Sitzung des Abgeordnetenhauses von Berlin. Ich begrüße Sie, unsere Gäste und Zuhörerinnen und Zuhörer sowie die Vertreterinnen und Vertreter der Medien recht herzlich.
In der letzten Woche haben wir uns von AltBundespräsident Richard von Weizsäcker mit einem Staatsakt im Berliner Dom verabschiedet. Sein Leben, sein Wirken wurde in den letzten Tagen und Wochen hinreichend gewürdigt. Ich möchte daher heute unseren Blick auf den Berliner Politiker Richard von Weizsäcker lenken.
Richard von Weizsäcker hat Bedeutendes für Berlin geleistet. Auch wenn er in Stuttgart geboren wurde und viele Jahrzehnte im Westen Deutschlands lebte – er war ein Sohn dieser Stadt. Berlin war ihm ans Herz gewachsen. Das rührte aus seinen Kindheitstagen her, die er in Berlin verbracht hatte. Sie schufen eine emotionale Verbindung zu den Menschen und zu ihrer Stadt, die Richard von Weizsäcker Zeit seines Lebens bewahrte. Das brachte ihm freilich auch so manchen Ärger ein. Aber er blieb standhaft.
Es war diese frühe Berliner Prägung gewesen, die Richard von Weizsäcker in den 1970er-Jahren zu einem Befürworter der Ost- und Deutschlandpolitik Willy Brandts hatte werden lassen. Er stellte sich damit quer zur eigenen Partei und Fraktion im Deutschen Bundestag, der er seit 1969 angehörte. Und auch wenn sich Richard von Weizsäcker bei der Abstimmung über die Ostverträge und den Grundlagenvertrag enthielt, den Kurs eines „Wandels durch Annäherung“ – den trug er aus Überzeugung mit.
Verantwortlich dafür war seine durch und durch religiöse Einstellung. Die neue Entspannungspolitik entsprach dem Christenmenschen Richard von Weizsäcker sehr wohl. Es ging ihm nicht nur um die Aufhebung der deutschen Teilung. Das natürlich auch. Er wollte, dass die Menschen in Ost und West wieder in Kontakt treten konnten. Und das hieß für ihn, „den Menschen die Leiden und Lasten der Teilung zu erleichtern“, wie er in seinen Erinnerungen schrieb.
Insofern war es keine wirkliche Überraschung, dass Richard von Weizsäcker 1983 als Regierender Bürgermeister Erich Honecker in Ostberlin besuchte. Es ging von Weizsäcker um spürbare Verbesserungen im Reise-
und Besuchsverkehr zwischen beiden Stadthälften. Gleichwohl: Die Kritik an diesem Treffen war heftig, befürchteten doch viele, dass mit diesem Schritt der Status von Westberlin infrage gestellt werden könnte. Noch nie zuvor war ein Regierender Bürgermeister direkt mit dem Generalsekretär der SED zusammengekommen.
Um nicht „die zarte Pflanze der Entspannung vertrocknen zu lassen“, wie Richard von Weizsäcker sagte, folgte er ebenfalls im Jahre 1983 einer kirchlichen Einladung nach Wittenberg. Dort wurde der 500. Luther-Geburtstag gefeiert. Richard von Weizsäcker reiste nicht in seiner Funktion als Regierender Bürgermeister in die Lutherstadt, sondern als Kirchenvertreter. Zehntausende Deutsche aus der DDR waren auf dem Marktplatz dort in Wittenberg versammelt, und Richard von Weizsäcker konnte eine Ansprache halten.
Die Entspannungspolitik sowie die Überwindung der Teilung blieb eines seiner primären politischen Anliegen. Für ihn war die deutsche Frage offen, solange das Brandenburger Tor geschlossen blieb. Dass er – schon als Bundespräsident – dann die Öffnung der Mauer und die Wiedervereinigung miterlebte, war die Bestätigung für die Folgerichtigkeit der Entspannungspolitik.
Wie kein anderer Politiker besaß Richard von Weizsäcker die Gabe der Rede. Legendär ist seine Rede zum 40. Jahrestag des 8. Mai 1945. Für uns Berlinerinnen und Berliner bleibt auch seine Rede zur Verleihung der Ehrenbürgerwürde unvergessen, die er im Juni 1990 in der Nikolaikirche hielt. Diese Rede war ein Bekenntnis zu Berlin – zur Stadt wie zur Hauptstadt Berlin eines vereinten Deutschlands. Er sprach als Bundespräsident, und er war sich bewusst, dass er mit dieser Rede sehr weit ging. Die politische Diskussion um die künftige deutsche Hauptstadt hatte noch nicht so richtig begonnen, da gab er als Staatsoberhaupt die Richtung vor: Berlin sollte es werden. – Die Geschichte gab ihm auch in dieser Frage recht, wie sich ein Jahr später zeigte. Zeitzeugen sprechen davon, dass es eine Rede war, die den Zuhörerinnen und Zuhörern aus dem Herzen sprach und Standing Ovations auslöste. „In Berlin haben wir, wie nirgends sonst, erfahren, was die Teilung bedeutet. In Berlin erkennen wir, wie nirgends sonst, was die Vereinigung von uns erfordert. Hier ist der Platz für die politisch verantwortliche Führung Deutschlands.“ – So Richard von Weizsäcker damals.
Wir verneigen uns nun vor einem großen Deutschen und Berliner, der – wie einst Ernst Reuter oder Willy Brandt – immer an unserer Seite stand. Dass wir heue als Gesamtberliner Parlament demokratisch zusammenarbeiten können, haben wir auch dem politischen Wirken von Richard von Weizsäcker zu verdanken. Wir werden es nicht vergessen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich darf als Erstes dem Kollegen Dr. Hans-Christian Hausmann von der Fraktion der CDU zur Geburt des Sohnes Lorenz gratulieren. – Herzlichen Glückwunsch und alles Gute für die gesamte Familie!
Ich habe dann wieder Geschäftliches mitzuteilen. Am Montag sind folgende fünf Anträge auf Durchführung einer Aktuellen Stunde eingegangen:
− Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zum Thema: „Show-Investitionen reichen nicht aus – Senat muss eine Gesamtstrategie für die Stadt im Wandel vorlegen“
− Antrag der Fraktion Die Linke zum Thema: „Olympiapolitik fällt durch bei Demokratieexperten, bei Wirtschaftsexperten, bei der Bevölkerung – und hilfloser Senat spielt Satirepolizei“
− Antrag der Piratenfraktion zum Thema: „Werkstätten, Foren, Plenen, Workshops, Redaktionsgruppen und Onlinedialoge – Senat stolpert kopflos in die Beteiligungslüge.“
Ich lasse nun abstimmen, und zwar zunächst über den Antrag der Fraktion der CDU. Wer diesem Thema seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die Koalitionsfraktionen und der fraktionslose Kollege. Gegenstimmen? – Das sind die drei Oppositionsfraktionen. Ersteres war die Mehrheit. Somit rufe ich dieses Thema für die Aktuelle Stunde unter dem Tagesordnungspunkt 1 auf. Die weiteren Anträge auf Aktuelle Stunde haben damit ihre Erledigung gefunden.
Ich möchte Sie dann auf die Ihnen vorliegende Konsensliste sowie auf das Verzeichnis der Dringlichkeiten hinweisen. Ich gehe davon aus, dass allen eingegangenen Vorgängen die dringliche Behandlung zugebilligt wird. Sollte dies im Einzelfall nicht Ihre Zustimmung finden, bitte ich um entsprechende Mitteilung.
Für die Besprechung der Aktuellen Stunde steht den Fraktionen jeweils eine Redezeit von bis zu zehn Minuten zur Verfügung, die auf zwei Redebeiträge aufgeteilt werden kann. Es beginnt die Fraktion der CDU. – Herr Kollege Trapp, bitte schön! Sie haben das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das neue Berliner Bäderkonzept 2025 ist ein emotionales Thema mit Blick in die Zukunft. Der Vorgängersenat hat 2008 das Konzept „Versorgung mit Bäderangeboten gewährleisten – Bäderkonzept fortschreiben“ beschlossen. Das Abgeordnetenhaus hat dieses Konzept zur Kenntnis genommen und ein Entwicklungskonzept für die Berliner Bäder gefordert. Den ersten Schritt hat diese Koalition mit dem Doppelhaushalt 2012/2013 gesetzt, indem sie den Zuschuss für die Bäder-Betriebe auf 45 Millionen Euro angehoben und zusätzlich 5 Millionen Euro Investitionsmittel zur Verfügung gestellt hat. Hier noch einmal einen herzlichen Dank an unsere Haushälter, die den Empfehlungen des Sportausschusses gefolgt sind!
Dies war der erste richtige Schritt in die richtige Richtung, und richtigerweise muss jetzt der zweite Schritt mit dem Bäderkonzept 2015 folgen. Wir haben lange auf dieses Konzept gewartet. Aber das Warten hat sich aus unserer Sicht gelohnt – wohlbedachte Entscheidungen brauchen Zeit. Die Grundlage für dieses Bäderkonzept ist vor allem der Abstimmung mit den regionalen Beiräten und dem organisierten Sport zu verdanken. Es ist mir persönlich ganz wichtig, und ich möchte es deutlich hervorheben: Es ist die Basis einer nutzerorientierten Bäderstruktur, wenn die Mitgliedsverbände und die Vereine eingebunden sind. Einer der größten Schwimmvereine, die Friesen, begrüßt dieses Bäderkonzept.
Insofern begrüßt auch die CDU-Fraktion es ganz besonders, dass dieses Konzept genau dort anknüpft, wo wir in Berlin tatsächlich einen entsprechenden Bedarf haben.
Und es ist eine konsequente Fortführung unserer erfolgreichen Bäderpolitik. Niemand aus der Koalition braucht sich da zu verstecken, erst recht nicht der Sportsenator und Aufsichtsratsvorsitzende der Bäder-Betriebe. Im Folgenden will ich gern erklären, warum dieses Konzept eine Fortführung erfolgreicher Bäderpolitik ist.
Unmittelbar mit Beginn der 17. Legislaturperiode haben wir uns das Ziel gesetzt, die Berliner Bäder-Betriebe auf einen Weg zu führen, der die Wirtschaftlichkeit dieses Betriebs deutlich anhebt. Es geht nicht darum, Gewinne zu generieren. Aber der damalige Status quo war untragbar, und daher war ein politisches Einlenken zwingend erforderlich. Ich sage Ihnen: Wir haben uns dieser Herausforderung bewusst gestellt. Eins ist nämlich klar: Die Gesellschaft Berlins verändert sich kontinuierlich, und
die Bäder-Betriebe haben sich bis dato diesem Wandel in keiner Weise angepasst. Dieses Versäumnis korrigiert die Koalition.
Das ist eine Selbstverständlichkeit, weil wir die Bäder als Grundversorgung der Bevölkerung, also als staatliche Daseinsvorsorge und als wichtigen Bestandteil der Sportstadt Berlin verstehen wollen. Insbesondere begrüßen wir dieses zukunftsorientierte Konzept 2025 und die neue Ausrichtung der Bäder-Betriebe unter dem Aspekt der Angebotsoptimierung und der ökonomischen und ökologischen Notwendigkeiten. Es ist klar, dass wir uns hier auf einem steinigen Weg bewegen. Aber wir haben alle Möglichkeiten, diesen Hürdenlauf erfolgreich zu beenden. Ich bin fest davon überzeugt, dass es uns mit diesem Konzept gelingen wird, den Spagat zwischen dem ortsnahen Versorgungsauftrag und der Sozialverträglichkeit der Eintrittspreise auf der einen Seite sowie der Erhöhung der Wirtschaftlichkeit auf der anderen Seite durchzusetzen.
Natürlich müssen wir sozialverträgliche Tarife gestalten, und natürlich müssen wir die sozial schwachen Gruppen entlasten. Das ist uns klar. Aber vor allem ist die Zufriedenheit der Kunden ein wichtiger Aspekt. Die neue Tarifstruktur darf nicht dazu führen, dass die Bürgerinnen und Bürger aus finanziellen Gründen den Wassersport nicht mehr betreiben können. Deshalb finden wir es gut und begrüßen es, dass der Schwimmsport auch über das Bildungs- und Teilhabeprojekt mitfinanziert werden kann.
Natürlich müssen wir auch soziale Faktoren mit einem Mindestmaß an ökonomischer Nachhaltigkeit in Einklang bringen. Das ist unsere Verantwortung den Schwimmern, aber auch dem Steuerzahler gegenüber. Wir dürfen nicht vergessen: Zum sozialen Aspekt gehört auch die Tatsache, dass alle Sportstätten, auch die Bäder, gebührenfrei nutzbar sind, und zwar für Kitas, Schulen und Vereine. Es darf nicht verkannt werden, dass uns diese einmalige Leistung stolz machen sollte. Ich sage es ganz bewusst: Wir leisten uns in Berlin etwas, was in anderen Bundesländern nicht selbstverständlich ist.
Aus diesem Grund haben wir eine Verantwortung für die Gesellschaft, denn der gesundheitliche Gedanke des Schwimmens ist in Berlin in besonderer Weise verankert. Aus diesem Selbstverständnis heraus ist für uns die unentgeltliche Nutzung der Schwimmbäder für Schulen und Kitas eindeutig förderungswürdig. Allerdings trägt dieser Umstand im Übrigen erheblich dazu bei, dass die Bäder-Betriebe finanziell und personell chronisch überfordert sind. Trotzdem wollen wir den Berlinerinnen und Berlinern das Schwimmen im Rahmen der Daseinsvorsorge unbedingt ermöglichen.
Ich will noch einen weiteren Grund nennen, warum wir der Meinung sind, dass wir hier in einer Bringschuld sind: Bei genauer Betrachtung der Nichtschwimmerquote fällt es auf, dass innerhalb der Bezirke erheblicher Handlungsbedarf besteht. Unser gemeinsames Ziel muss es sein, die Nichtschwimmerquote weiter zu reduzieren. Voraussetzung hierfür ist natürlich, dass die Bäderinfrastruktur in unserer Stadt nicht nur aufrechterhalten, sondern kontinuierlich verbessert und den modernen Anforderungen angepasst wird. Ohne Schwimmbäder kein Schwimmunterricht. Deshalb müssen die Sommerbäder Staaken und Tegel wieder in Betrieb genommen werden, und ich glaube, der Sportsenator ist da mit dem Finanzsenator auf einem guten Weg.
Im Haushalt 2014/15 investieren wir wieder über 100 Millionen Euro in unsere Bäder-Betriebe. Wir bekennen uns damit zu den Bäder-Betrieben und machen deutlich, dass Schwimmen für uns zur Daseinsvorsorge gehört. Die Haushaltsmittel werden aber voraussichtlich nicht reichen, denn Sanierung und Erhalt der Wasserflächen kosten weitaus mehr. Deshalb müssen wir bei den anstehenden Haushaltsberatungen den Zuschussbedarf der Bäder-Betriebe voraussichtlich etwas korrigieren.