Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich eröffne die 30. Sitzung des Abgeordnetenhauses von Berlin und begrüße Sie, unsere Gäste und Zuhörer sowie die Medienvertreter sehr herzlich.
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Vor Beginn der Beratungen habe ich eine traurige Pflicht zu erfüllen. Ich bitte Sie, sich von Ihren Plätzen zu erheben.
Am 13. April verstarb der ehemalige Senator und Abgeordnete Georg Wittwer. Er gehörte unserem Haus von 1989 bis 1995 an.
Georg Wittwer wurde am 8. April 1932 im badischen Waldshut-Tiengen geboren. Nach dem Abitur absolvierte er zunächst eine zweijährige Maurerlehre, bevor er Anfang der Fünfzigerjahre ein Architekturstudium an der TU Berlin aufnahm. 1960 legte er die Diplomprüfung ab. Zu seinen Lehrern zählte auch Hans Scharoun.
Nach dem Studium verließ Georg Wittwer zunächst Berlin, um in Düsseldorfer Architekturbüros zu arbeiten. Eine Assistentenstelle an der TU Berlin führte ihn zurück in unsere Stadt. Doch 1967 zog es ihn erneut in den Westen: Georg Wittwer wurde Geschäftsführer einer Bau- und Stadtplanungsgesellschaft in Dorsten.
1981 berief dann der damalige Stadtentwicklungssenator Volker Hassemer Georg Wittwer zum Staatssekretär. Diese Tätigkeit übte er bis 1986 aus, trat zwischenzeitlich 1984 in die CDU ein. Dann schlug ihn der Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen als Senator für Bau- und Wohnungswesen vor. Das politische Amt des Bausenators übte Georg Wittwer drei Jahre lang aus – bis zur Abgeordnetenhauswahl von 1989. Es kam zum Regierungswechsel, zu einem rot-grünen Senat. In der Folgezeit war Georg Wittwer bis 1995 Mitglied des Abgeordnetenhauses. Über die Bezirksliste der CDU-Kreuzberg, deren Vorsitzender er seit 1989 war, wurde er ins Berliner Parlament gewählt. In den knapp sieben Jahren seiner Abgeordnetentätigkeit widmete sich Georg Wittwer weiterhin der Bau- und Stadtentwicklungspolitik. Er war in den entsprechenden Ausschüssen aktiv. 1991 übernahm er auch den Vorsitz des Ausschusses für Umweltschutz.
1995 zog sich Georg Wittwer aus der Politik zurück, wirkte wieder als Architekt. In späteren Jahren nahm auch die Malerei einen immer breiteren Raum in seinem Schaffen ein. Im letzten Jahr – anlässlich seines 80. Geburtstages – zeigte eine Galerie in einer Ausstellung seine ansprechenden Kunstwerke.
Georg Wittwer verkörperte für Berlin einen eher ungewöhnlichen Politikertyp. Er lebte in einem Spannungsbogen aus Kunst, wozu auch die Architektur gehört, und Politik. So werden wir ihn in Erinnerung behalten.
Bevor ich zu den geschäftlichen Hinweisen komme, gestatten Sie mir noch eine Bemerkung: In der Nacht vom 9. auf den 10. April verübten Unbekannte einen Farbbeutelanschlag auf das Haus unseres Kollegen Kurt Wansner. Hinter dem Anschlag stehen ganz offensichtlich politische Motive. Ich denke, ich spreche im Namen aller Abgeordneten unseres Parlaments, wenn ich diesen Anschlag aufs Schärfste kritisiere.
Gewalt gegen Sachen und Personen ist kein Mittel der politischen Auseinandersetzung, schon gar nicht in einem demokratischen Land. Die Zeiten, in denen Politik und Gewalt eine fragwürdige Symbiose eingingen, sind in Deutschland endgültig vorbei. Einschüchterungen und Bedrohungen gegenüber Repräsentanten des demokratischen Rechtsstaats verfehlen ihre Wirkung. Für Gewalttaten gibt es nämlich keine Rechtfertigung.
Dann habe ich auch noch etwas Erfreuliches mitzuteilen: Der Kollege Abgeordnete und Senator Mario Czaja von der CDU-Fraktion ist am 28. März 2013 Vater der Tochter Pauline geworden. – Herzlichen Glückwunsch und alles Gute für die Familie!
Nachträglich habe ich noch eine Mandatsänderung mitzuteilen: In der Fraktion Die Linke ist Herr Steffen Zillich nachgerückt. – Herzlichen willkommen! Vielen von uns sind Sie schon aus den vergangenen Wahlperioden bekannt. Auf gute Zusammenarbeit, Herr Kollege!
Ich komme nun zum Geschäftlichen. Am Montag sind folgende fünf Antrage auf Durchführung einer Aktuellen Stunde eingegangen:
1. Antrag der Fraktion der SPD zum Thema: „Berlin ist Studentenstadt: Wohnraum für Studenten dem Bedarf anpassen: Lage, Größe und Ausstattungen der Wohnungen sinnvoll planen und Mietpreise bezahlbar gestalten“,
2. Antrag der Fraktion der CDU zum Thema: „Berlin ist Studentenstadt: Wohnraum für Studenten dem Bedarf anpassen: Lage, Größe und Ausstattungen der Wohnungen sinnvoll planen und Mietpreise bezahlbar gestalten“,
3. Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zum Thema: „Berlin entscheidet über Stadtwerksgründung und Energienetze: die Bürgerinnen und Bürger handeln – der Senat ist untätig“,
4. Antrag der Fraktion Die Linke zum Thema: „SPD und CDU machen Bus und Bahn unattraktiv – Fahrpreiserhöhung ist unsozial“,
Zur Begründung der Aktualität erteile ich zunächst einem Mitglied der Fraktion der SPD das Wort. – Herr Kollege Oberg, bitte schön!
Herr Präsident! Meine Damen, meine Herren! Parlamente sind Orte der Schwarz-Weiß-Malerei. Das Berliner Abgeordnetenhaus ist da keine Ausnahme. In der Regel läuft das Spiel so: Wir von den Regierungsfraktionen erzählen Ihnen, Berlin und die Welt ist gut, Sie von den Oppositionsfraktionen erzählen, die Dinge in Berlin laufen schlecht, die Welt ist schlecht. Die Berlinerinnen und Berlin sind aber klüger und wissen es besser.
Sie wissen auch, dass hinter den Erfolgsgeschichten, die wir so gerne erzählen, oft auch Herausforderungen stecken, über die wir nicht so gerne reden.
Sie wissen auch, dass Erfolgsgeschichten zwar Erfolge sind, aber eben auch Kehrseiten haben. Ich möchte dies an einem Beispiel festmachen, das belegt, dass es Erfolge sind und dennoch Schattenseiten haben.
Ja, es ist eine gute Nachricht, dass immer mehr Menschen in Berlin leben wollen und immer mehr Menschen nach Berlin kommen, um hier zu leben und zu arbeiten. Ja, es ist ein Erfolg, dass Berlin wächst und es auch wirtschaftlich in den letzten Jahren ordentlich voran gegangen ist.
Ja, es ist wunderbar, dass immer mehr junge Menschen nach Berlin kommen wollen, um hier zu studieren. Ja, es ist eine tolle Leistung dieses Gemeinwesens, dass es gelingt, es immer mehr Menschen die Aufnahme eines Studiums zu ermöglichen, weil es mehr Studienplätze gibt.
Aber: Die Kehrseite dieser großen Anziehungskraft, dieser großen Attraktivität kennen alle Berlinerinnen und Berliner: Der Wohnraum wird knapp. Die Mieten steigen. Viele fragen sich, ob sie sich ihre Wohnung auf Dauer noch leisten können.
Besonders prekär ist diese Situation für diejenigen, die über wenig Geld verfügen und sich eine neue Wohnung suchen müssen. Zu diesen Gruppen, die unter dieser Entwicklung ganz besonders stark zu leiden haben, gehören zweifellos die Studierenden in Berlin. Gemessen an der Zahl der Studienplätze haben wir in Berlin verhältnismäßig wenig Studentenwohnheimplätze.
Es ist klar, dass das aktuelle Angebot an Studentenwohnheimplätzen nicht ausreicht, um für nennenswerte Entlastung auf dem Wohnungsmarkt zu sorgen.
Ja, es ist plötzlich gekommen, weil es in der Vergangenheit überhaupt kein Problem gab, für Studierende in Berlin günstigen Wohnraum zu finden. Durch die Entwicklung der Stadt hat sich das aber deutlich geändert.
Weil die Regierungsfraktionen diese Entwicklung nicht verschlafen haben, hat das Abgeordnetenhaus vor einiger Zeit einen Antrag beschlossen, mit dem wir den Senat aufgefordert haben, ein Konzept zu entwickeln, mehr günstigen Wohnraum für Studierende in Berlin zu schaffen.
Es ist bemerkenswert, dass es nun der Regierende Bürgermeister war, der diese Initiative aufgegriffen und mit dem Studentenwerk eine ganz konkrete Verabredung getroffen hat.
In den nächsten Jahren sollen in Berlin 5 000 zusätzliche Studierendenwohnheimplätze entstehen. Wir möchten gern heute mit Ihnen und dem darüber sprechen, wie das realisiert wird. Wir möchten gern darüber diskutieren, welche Anforderungen es an studentisches Wohnen in Berlin geben muss. Wir möchten mit Ihnen darüber diskutieren, welche Strategien es jenseits der Studentenwohnheime gibt, um die Wohnsituation für Studierende in Berlin zu entspannen.
Wichtig ist uns aber dabei, dass der Kontext gewahrt bleibt und dass die gesamte Wohnsituation in Berlin berücksichtigt wird. Wir können nicht nur isoliert über eine Gruppe sprechen, auch wenn man für diese Gruppe konkrete Lösungen braucht. Deshalb wollen wir heute am Beispiel der Studierenden auch darüber sprechen, wie man insgesamt diese große soziale Frage des Wohnens in Berlin angehen kann.
Es ist aber so, dass es in einer Stadt wie Berlin immer mehr als nur ein Thema gibt, das die Menschen brennend interessiert. Deshalb werden wir wohl an einem anderen Tag über dieses Thema sprechen müssen, weil es sich im Vorhinein abzubilden scheint, dass die Frage der Preiserhöhung bei BVG und S-Bahn auch ein Thema ist, das
ganz viele bewegt. Es sei Ihnen aber versichert, dass wir dieses Thema weiter verfolgen werden. Es bleibt bei uns ganz oben auf der Tagesordnung. Wir werden uns weiter darum kümmern, dass die Situation für die Studierenden in Berlin, was das Wohnen angeht, verbessert wird. Wir werden das Thema auch wieder in dieses Haus tragen und sehen dann, wie weit bereits gehandelt wurde und wie noch gehandelt werden kann. – Vielen Dank!