Sehr geehrte Damen und Herren! Ich eröffne die 26. Sitzung des Abgeordnetenhauses von Berlin und begrüße Sie, unsere Gäste, die Zuhörer sowie die Medienvertreter sehr herzlich. Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte Sie bitten, sich von Ihren Plätzen zu erheben.
In der vergangenen Woche, am Montag, starb die langjährige Berliner Abgeordnete und Vizepräsidentin des Abgeordnetenhauses Inge Frohnert. Noch im letzten Sommer war sie hier im Plenarsaal als das SeniorenParlament stattfand. Mit Inge Frohnert haben wir eine profilierte Sozialpolitikerin verloren, die sich bis zum Ende ihres Lebens gesellschaftlich engagierte, in den letzten Jahrzehnten vor allem in der Seniorenpolitik.
Geboren wurde Inge Frohnert am 23. März 1924 im ostpreußischen Domnau. Nach dem Besuch der Realschule und der Höheren Handelsschule kam sie 1942 über Königsberg nach Berlin, wo sie recht schnell nach dem Kriegsende im Jahr 1946 eine Anstellung im öffentlichen Dienst fand. 1955 wurde Inge Frohnert Beamtin beim Senator für Finanzen. Als sie 1981 für die SPD in das Abgeordnetenhaus von Berlin einzog, schied Inge Frohnert gleichzeitig aus dem aktiven Dienst, zuletzt als Senatsrätin, aus. Ebenso beendete sie ihr engagiertes Wirken in der Bezirksverordnetenversammlung Spandau, der sie von 1976 bis 1981 angehörte.
Die Schwerpunkte ihrer politischen Arbeit im Abgeordnetenhaus waren bis 1991, dem Jahr ihres Ausscheidens, die Gesundheits- und die Sozialpolitik. Insbesondere für die Belange älterer und behinderter Menschen setzte sie sich ein und war Mitglied im Petitionsausschuss. Hier ging es ihr vor allem um die Interessen der Ausländer und Asylbewerber. Von April 1990 bis Januar 1991 amtierte Inge Frohnert in unserem Parlament als Vizepräsidentin.
Als Inge Frohnert 1991 aus dem Abgeordnetenhaus ausschied, initiierte sie das sogenannte Berliner Seniorenparlament, das alljährlich in diesem Plenarsaal im Rahmen der Berliner Seniorenwoche stattfindet. Im Arbeitskreis der Berliner Senioren war Inge Frohnert von Anfang an seit 1984 dabei. Dabei lagen ihr die Gründung von Seniorenvertretungen in den Bezirken, aber auch auf Landesebene besonders am Herzen. Doch auch auf der europäischen Ebene wirkte sie an der Interessenvertretung der Senioren mit. Jahrelang war Inge Frohnert VizePräsidentin der EURAG – der Europäischen Föderation der Älteren.
Inge Frohnert war nicht nur engagiert, sie war darüber hinaus auch sehr beliebt und geschätzt. Zahlreiche Aus
zeichnungen zeugen davon. So erhielt sie 2002 den Verdienstorden des Landes Berlin, und als besondere Anerkennung wurde ihr 2008 die Würde einer Stadtältesten zuteil. Zudem war sie Trägerin des Bundesverdienstkreuzes.
Auch in der SPD, deren Mitglied sie seit 1967 war, machte sich Inge Frohnert stark für die Interessen und Rechte der älteren Menschen. In der Arbeitsgemeinschaft der Senioren in der SPD – der AG 60 plus – war sie Vorsitzende von 1994 bis 2002. Inge Frohnerts sozialpolitisches Engagement in Berlin wird unvergessen bleiben.
Der politische Leitspruch von Inge Frohnert war: „Politik für die Älteren muss Politik mit den Älteren sein.“ Wir werden ihn weiterhin beherzigen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Nur wer weiß, wo er herkommt, kann wissen, wo er hin möchte. Gestern jährte sich der Tag der sogenannten Machtergreifung Hitlers zum 80. Mal. Es war der dunkelste Tag in der modernen deutschen Geschichte. Das wissen wir heute.
Damals, am 30. Januar 1933, begann das, was kein damaliger Zeitzeuge so wirklich für möglich gehalten hatte. Mit der Ernennung Hitlers durch den Reichspräsidenten Paul von Hindenburg zum Reichskanzler wurde aus Deutschland eine nationalsozialistische Diktatur mit einem Anspruch nach Weltherrschaft, die einzig und allein rassistisch begründet wurde. Der Siegeszug der Fackelträger von SA, SS und Stahlhelm durch das Brandenburger Tor und das Regierungsviertel noch am gleichen Tag, kündete von kommenden Gefahren, die schon bald Realität wurden. Der Rechtsstaat wurde komplett ausgehebelt, Bürgerrechte ignoriert. Installiert wurde ein Regime, das jüdische Mitbürger, Minderheiten und politisch Andersdenkende gnadenlos verfolgte, rücksichtslos ermordete, zunächst in den eigenen Grenzen, dann ab 1939 in ganz Europa. Jegliche Innenpolitik hatte bis dahin nur ein Ziel: die Unterdrückung und Militarisierung der Gesellschaft und die Mobilmachung der Wirtschaft, um eines Tages einen Eroberungsfeldzug durch ganz Europa zu starten.
Unsere Gemeinsamkeit als Demokraten ist: Wir wollen nie wieder den Terror als Regierungsform. Wir wollen nie wieder Krieg. Wir wollen nie wieder Menschenvernichtung. Was in deutschem Namen über sechs Millionen Juden angetan wurde, können und wollen wir nicht vergessen. Wir können nur unsere Hand reichen und sagen: Nie, nie wieder.
Noch heute quält uns die Frage, wie dies alles passieren konnte. Wie konnte aus einer zivilisierten Nation im
Herzen Europas ein Land werden, das den Frieden, die Toleranz, den Humanismus so brachial verteufelte? Wir stehen heute nicht vor einem Rätsel, denn die zusammengetragenen geschichtlichen Fakten sprechen eine mehr als deutliche Sprache. Aber wir verstehen nicht, dass in deutschem Namen das Ungeheuerliche geschehen konnte. Daraus, aus dem Unbeschreiblichen, leitet sich immer noch unsere Verantwortung ab. Ja, es stimmt: Die heutigen Generationen in Deutschland haben keine Schuld auf sich geladen, doch die historische Verantwortung bleibt für uns alle: heute, morgen und für alle Zeit.
Ein wichtiger Baustein ist Erinnerungsarbeit, ist unsere Erinnerungskultur, mit der wir unsere Verantwortung als Deutsche dokumentieren. In der gestrigen Gedenkstunde im Deutschen Bundestag hat Inge Deutschkron dazu ihre ganz eigenen Worte gefunden:
Ich aber war wie besessen von der Idee, dass Vergleichbares nie wieder geschehen dürfe. Dass Menschen anderen Menschen das Recht auf Leben streitig machen könnten, ganz gleich welcher Hautfarbe, welcher Religion, welcher politischen Einstellung, nicht hier und nicht anderswo.
Um dieses Zieles wegen gilt es, die Wahrheit zu wissen, die ganze Wahrheit. Denn solange die Frage Rätsel aufgibt, wie konnte das Fürchterliche geschehen, ist die Gefahr nicht gebannt, dass Verbrechen ähnlicher Art die Menschheit erneut heimsuchen.
Das Berliner Abgeordnetenhaus bleibt nicht tatenlos. Hier in unserem Haus gibt es jedes Jahr Veranstaltungen, die sich mit der Geschichte des Nationalsozialismus und den modernen Formen rechter Gesinnung, rechter Gewalt und rechten Hasses befassen. Da ist zum einen das Jugendforum „denk!mal“. Und da ist zum anderen die Verleihung der „German Jewish History Awards“ der ObermayerStiftung. Zudem: Unsere für dieses Jahr geplanten Ausstellungen werden sich auch mit diesem 80. Jahrestag auseinandersetzen.
Dem Grauen der zwölf Jahre zwischen 1933 und 1945 folgte die Befreiung. Und der Befreiung folgte die Versöhnung. Aus deutscher Sicht ist etwas sehr Bewegendes geschehen nach 1945. Unsere Nachbarn streckten trotz aller Greueltaten ihre Hände uns entgegen, erst zögerlich, aber mit fortschreitender Zeit immer entschlossener. Sie luden uns ein, ein neues gemeinsames Haus zu bauen – das Haus eines demokratischen Europas. Und unsere Nachbarn standen Pate, als es 1990 um die deutsche Wiedervereinigung ging. Sie freuten sich mit uns. Gerade wir in Berlin haben davon besonders profitiert. Berlin ist wieder Hauptstadt eines demokratischen Deutschlands.
Und dennoch sollten wir die Mahnung, die Bundestagspräsident Lammert gestern an uns richtete, ernst nehmen:
nicht ein für allemal geschenkt, sondern muss täglich gestaltet, mit Leben erfüllt und – ja – auch verteidigt werden. Wie bitter nötig das auch heute ist, haben uns in jüngster Zeit die unglaubliche, entsetzliche NSU-Mordserie und antisemitisch motivierte Gewalttaten gezeigt.
Die Geschichte, das Geschehene können wir nicht mehr verändern. Was uns bleibt, ist die Gestaltung von Zukunft in Frieden und Freiheit. Und wenn es eine Lehre gibt, die uns der 30. Januar 1933 mit auf den Weg gibt, dann ist es dies: Wir wissen, wo wir herkommen. Und wir wissen, dass wir dorthin nie wieder zurück wollen. Niemals! – Schalom!
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Nun habe ich wieder Geschäftliches mitzuteilen. Am Montag sind folgende fünf Anträge auf Durchführung einer Aktuellen Stunde eingegangen:
1. Antrag der Fraktion der SPD zum Thema: „Qualitativ hochwertigen, sicheren und störungsfreien S-Bahnbetrieb für Berlin gewährleisten“,
2. Antrag der Fraktion der CDU zum Thema: „Qualitativ hochwertigen, sicheren und störungsfreien S-Bahnbetrieb für Berlin gewährleisten“,
3. Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zum Thema: „Gefährdung des S-Bahnbetriebs durch fehlerhafte Ausschreibung des Senats“,
4. Antrag der Fraktion Die Linke zum Thema: „Es fährt kein Zug nach irgendwo: S-Bahn im Ausschreibungsdesaster“,
5. Antrag der Piratenfraktion zum Thema: „Berlin braucht eigene S-Bahnzüge statt rechtswidriger Verträge!“.
Die Fraktionen haben sich im Ältestenrat auf das gemeinsame Thema „Wie weiter mit der S-Bahn?“ verständigt, das ich als Aktuelle Stunde unter dem Tagesordnungspunkt 3 auf Antrag aller Fraktionen aufrufen werde. Die am Montag eingegangenen Anträge haben damit ihre Erledigung gefunden.
Dann möchte ich auf die Ihnen vorliegende Konsensliste sowie auf das Verzeichnis der Dringlichkeiten hinweisen. Ich gehe davon aus, dass allen eingegangenen Vorgängen die dringliche Behandlung zugebilligt wird. Sollte dies im Einzelfall nicht Ihre Zustimmung finden, bitte ich um entsprechende Mitteilung.
Entschuldigungen von Senatsmitgliedern für die heutige Sitzung: Der Regierende Bürgermeister ist ab ca. 19.30 Uhr abwesend, Grund: Teilnahme an der A-Länder-Vorbesprechung zur Vorbereitung der Sitzung des Bundesrates am 1. Februar 2013. Senator Henkel ist ab ca. 19.00 Uhr abwesend, Grund: Teilnahme an der BLänder-Vorbesprechung.
Im Ältestenrat lag zudem eine Entschuldigung für Herrn Senator Heilmann vor, der erkrankt ist. Im Namen des Hauses möchte ich ihm eine schnelle Genesung wünschen.
Bevor ich die erste Frage aufrufe, teile ich Ihnen mit, dass aufgrund eines aktuellen Vorfalls die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen gebeten hat, Frage Nummer 8 an die sechzehnte Stelle zu schieben, Frage Nummer 12 an achter Stelle aufzurufen und die Nummer 16 an zwölfter Stelle.
Ich höre dazu keinen Widerspruch, dann verfahren wir so. Das Wort zu einer ersten Mündlichen Anfrage hat Frau Abgeordnete Birgit Monteiro von der SPD-Fraktion mit der Frage:
1. Wie wird der Intention des Gesetzgebers, durch das persönliche Budget Assistenz und Pflege im Arbeitgebermodell zu ermöglichen und damit den Betroffenen ein hohes Maß an Selbstbestimmung und Eigenverantwortung zukommen zu lassen, im aktualisierten Rundschreiben über Hilfe im Arbeitgebermodell nach SGB XII Rechnung getragen?
2. Warum plant der Senat, die bewährte Sicherung der Ergebnisqualität aus Nutzerperspektive, wie sie bisher im Arbeitgebermodell gegeben ist, durch eine Aufweichung der Qualitätssicherung in Richtung Dokumentation der Prozessqualität auszuhöhlen, und wie positionieren sich die Arbeitgeber mit Behinderung dazu?