Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich eröffne die 39. Sitzung des Abgeordnetenhauses von Berlin und begrüße Sie, unsere Gäste und Zuhörer sowie die Medienvertreter sehr herzlich. Ich darf Sie bitten, sich von den Plätzen zu erheben.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Vor nunmehr knapp zwei Wochen – am 8. November – zog Taifun Haiyan eine Schneise der Verwüstung auf den Philippinen. Mit Windgeschwindigkeiten über 300 Stundenkilometern wurden etliche Ortschaften komplett verwüstet.
Die Folgen sind verheerend. Mehr als zwölf Millionen Menschen leiden unter den Folgen des Taifuns. Das Kinderhilfswerk UNICEF spricht von bis zu 4,7 Millionen betroffenen Kindern. Die offizielle Zahl der Toten nach dem Wirbelsturm ist noch unklar. Die philippinischen Katastrophenschutzbehörden gehen von knapp 4 000 Toten aus, Hilfsorganisationen befürchten höhere Zahlen. Vermisst werden nach Angaben des Roten Kreuzes inzwischen 22 000 Menschen. Die Vereinten Nationen erhöhten die Schätzungen der Obdachlosen im Katastrophengebiet. Die neuesten Statistiken zeigen eine Verdoppelung der Obdachlosenzahlen auf vier Millionen innerhalb von zwei Tagen – am 15. November ging man noch von 1,9 Millionen aus. Zum Vergleich: Das sind mehr Menschen, als hier bei uns in Berlin leben.
Für die Kinder und ihre Familien auf den Philippinen ist es ein Albtraum: Einer der schwersten Taifune aller Zeiten hat ihre Heimat zerstört und die Menschen in einer verzweifelten Situation zurückgelassen. Die Menschen sind traumatisiert. Viele der Bilder erinnern an den Tsunami 2004. Hunderttausende sind von Nahrungsknappheit und Wassermangel betroffen. Vor allem die Mädchen und Jungen brauchen jetzt unseren Schutz.
In Gefahr sind vor allem die Kleinsten. Unter den Obdachlosen sind auch 100 000 Kinder unter fünf Jahren. Viele sind unzureichend geimpft. Es gibt erste Fälle von Fieber. Täglich wächst das Risiko für Infektionskrankheiten wie Masern und Lungenentzündung. Durchfallerkrankungen setzen den Kindern besonders zu. Die Zeit drängt.
Wir sehen, dass die Hilfsmaßnahmen inzwischen intensiv anlaufen. Ich möchte dabei den Berliner Helferinnen und Helfern danken, die momentan auf den Philippinen im Einsatz sind. Vielen Dank für Ihre Solidarität und Unterstützung!
Unser Dank geht jedoch auch an alle Berlinerinnen und Berliner, die für die Opfer von Haiyan gespendet haben. Sie tragen dazu bei, das Leid der Menschen dort zu lindern. Ich würde mir wünschen, dass unsere Spendenbereitschaft nicht abreißt, auch wenn die Weihnachtszeit vor der Tür steht. Vielleicht kann ja an der einen oder anderen Stelle das Weihnachtsgeschenk ein wenig kleiner ausfallen und das gesparte Geld gespendet werden. Es wäre für viele Menschen auf den Philippinen ein kleiner Segen. Und diese Spenden helfen, Leben zu retten.
Das Abgeordnetenhaus gedenkt der Opfer der Naturkatastrophe auf den Philippinen. Unsere Anteilnahme gilt den Hinterbliebenen. Wir trauern mit ihnen.
Meine Damen und Herren! Ich möchte mit Ihnen des am 14. November verstorbenen Abgeordneten Manfred Bode gedenken. Zwei Wochen nach seinem 75. Geburtstag ist der frühere Abgeordnete der CDU, Manfred Bode, gestorben. Er war vom 24. April 1975 bis zum 30. November 1995 Mitglied in unserem Haus. Manfred Bode saß über 20 Jahre im Petitionsausschuss und kümmerte sich so direkt um die Anliegen der Bürgerinnen und Bürger. Zudem war er all die Zeit im Sportausschuss tätig.
1962 trat Manfred Bode der CDU bei. Von 1967 bis 1975 wirkte er in der Bezirksverordnetenversammlung Neukölln und sammelte hier seine kommunalpolitische Erfahrung. Diese konnte er dann auch erfolgreich in die Parlamentsarbeit auf Landesebene einbringen. Manfred Bode war wegen seiner besonnenen Art und wegen seiner Kompetenz über Fraktionsgrenzen hinaus beliebt und angesehen.
Leid und Freude liegen nahe beieinander. Frau Kollegin Dr. Gabriele Hiller von der Fraktion Die Linke hat heute Geburtstag. – Herzlichen Glückwunsch, Frau Kollegin!
Ich habe eine Mandatsänderung bekanntzugeben: In der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen ist Herr Oliver Schruoffeneger für Herrn Özcan Mutlu nachgerückt. – Herzlich willkommen!
Herr Schruoffeneger! Ihnen müssen wir ja nicht erklären, wie das hier abläuft. Auf gute Zusammenarbeit!
Zur Tagesordnung habe ich mitzuteilen, dass am Montag folgende fünf Anträge auf Durchführung einer Aktuellen Stunde eingegangen sind:
3. Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zum Thema: „Tempelhofer Feld: Planung ja, aber keine Fakten schaffen.“,
4. Antrag der Fraktion Die Linke zum Thema: „Prostitutionsdebatte: nicht moralisieren und kriminalisieren, sondern Menschenhandel und Zwangsprostitution verhindern, Gewaltopfer wirksam schützen“,
5. Antrag der Piratenfraktion zum Thema: „Unter aller Würde – Substandards in Berliner Flüchtlingsunterkünften“.
Zur Begründung der Aktualität erteile ich zunächst einem Mitglied der Fraktion der SPD das Wort. – Herr Kollege Karge, bitte schön!
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Gründer und Start-ups sind für uns ein wichtiger Wirtschaftsfaktor, der auch die Dynamik der Stadt wiedergibt. Die Medien berichten zu Recht über den Gründerboom der Stadt Berlin. Daher ist es wichtig, dass wir dieses Thema heute zur Aktuellen Stunde gewählt haben.
Berlin ist die Gründerhauptstadt Deutschlands. Wir haben in dieser Stadt eine Gründerdynamik, die in Deutschland ihresgleichen sucht. Seit dem Jahr 2006 haben wir Jahr für Jahr ein Plus von rund 8 Prozent Neugründungen. Die Zahl der Erwerbstätigen stieg von 2011 auf 2012 um rund 2,5 Prozent. Das ist doppelt so hoch wie der Bundesdurchschnitt. Forschungsinstitute gehen davon aus, dass wir bis 2020 pro Jahr einen Zuwachs von 3,1 Prozent an SV-pflichtigen Beschäftigungsverhältnissen haben werden. Daraus werden rund 430 000 neue Arbeitsplätze für Berlin resultieren. Der Anteil der Selbstständigen in der Hauptstadt beträgt 13,9 Prozent in Relation zu den Erwerbstätigen. Davon sind rund ein Drittel Frauen, und rund 20 Prozent der Selbstständigen haben einen Migrationshintergrund. Die sogenannten Gewerbeneuerrichtungen betrugen im Jahr 2012 126 je 10 000 Einwohner – ebenfalls der Spitzenplatz in Deutschland und auch weit vor dem Bundesdurchschnitt. In absoluten Zahlen bedeutet dies, rund 40 000 Unternehmen sind allein in diesem einem Jahr entstanden.
Was an dieser Zahl jedoch besonders erfreulich ist: Davon sind allein knapp 2 000 Unternehmen im Bereich der Informations- und Kommunikationsbranche tätig. Auch im Bereich des Start-up-Investitionskapitals belegen wir mit 133 Millionen Euro deutschlandweit den ersten Platz. Dies ist positiv. Wenn wir uns jedoch mit den Besten, zum Beispiel mit dem Silicon Valley, vergleichen, liegen wir hier noch ein Stück zurück. Dort beträgt das Investitionskapital rund 3 Milliarden Euro – Ansporn genug, dass wir hier noch mehr Kapital anwerben. Die Voraus
setzungen haben wir geschaffen und werden sie sukzessive weiter verbessern. Daraus kann man ableiten, dass Berlin durch die Start-ups in der Stadt einen wichtigen Impulsgeber für Wachstum und Beschäftigung besitzt.
Wie wichtig der Koalition die Gründer und Start-ups in der Stadt sind, kann man auch daran erkennen, dass wir in den Haushaltsberatungen ein neues Gründerzentrum errichten wollen, in der Nähe der FU, um eine enge Verzahnung zwischen Universitäten und Gründern zu ermöglichen. Wir wollen noch stärker werden, wenn es darum geht, dass Studenten zu Unternehmensgründern werden. In diesem Bereich wollen wir mit den großen Standorten weltweit konkurrenzfähig werden und sind es zum Teil auch schon.
In den Bereichen Talente, Infrastruktur, Kapital, Vernetzung und Außendarstellung, die sehr wichtig sind für Gründer, aber auch für eine positive Gründerkultur sowie für die Anziehungskraft der Stadt, sind wir in den letzten Jahren einen guten Weg gegangen. Dieser Weg hat uns zur Gründerhauptstadt Deutschlands gemacht und im europäischen Ranking weit nach vorne gebracht – Grund genug dafür, heute in der Aktuellen Stunde über die Gründer- und Start-up-Stadt Berlin zu reden und den Gründern in Berlin auch die damit verbundene Wertschätzung entgegenzubringen. Die Menschen, die eine gute Idee haben, sollen eingeladen werden, sich in Berlin selbstständig zu machen, um ihre Ideen zu verwirklichen. In diesem Sinne: Lassen Sie uns heute hierzu konstruktiv diskutieren!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Berlin hat sich zu einem dynamischen Zentrum für Gründungen und Start-ups entwickelt. Im Schnitt wird alle 20 Stunden ein neues Internetunternehmen in der Stadt eröffnet. Über alle Branchen hinweg entstehen ca. 40 000 Unternehmen pro Jahr. Viele Branchen stehen für das Wachstum und diese Gründungsdynamik. Besonders im Fokus steht die Digitalwirtschaft, aber auch die Gesundheitswirtschaft und die kreative Szene zeichnen das Bild des neuen Berlins.
Diese Entwicklung hat mit dem Selbstverständnis zu tun, die richtigen Rahmenbedingungen zur guten Weiterentwicklung zu setzen. Dieser politischen Herausforderung wollen wir uns stellen, und diese politische Herausforderung nehmen wir an. Unser Ziel ist, Berlin als Referenzstadt für Neues und Kreatives zu etablieren.
Die Unternehmensberatung McKinsey hat in einer neuen Studie für Berlin die Chance formuliert, mit einer konzertierten Initiative Metropole der Gründer in Europa zu werden und damit 100 000 zusätzliche Arbeitsplätze zu schaffen. Darüber wollen wir heute sprechen.
Von entscheidender Bedeutung ist dabei, dass Ideen generiert werden, die richtigen Köpfe da sind, die Orte für diese Unternehmungen bereitgestellt und Investitionen ermöglicht werden.
Herr Kollege Karge hat zu Recht angesprochen, dass die Vernetzung von Wissenschaft und Wirtschaft und die Durchlässigkeit von Forschungsunternehmen und dem Mittelstand dafür von entscheidender Bedeutung sind. Diese Ausgründungen aus den Unternehmen geben die Möglichkeit, neue Ideen in Unternehmungen umzusetzen. Deswegen sind wir ganz besonders froh, dass es in den Haushaltsberatungen gelungen ist, einen Durchbruch bei dem neuen Existenzgründungszentrum zu erzielen, das im Südwesten der Stadt an der Freien Universität entstehen soll. Das ist ein positives Signal für die Wirtschaftskraft der Stadt und auch für den Bereich im Südwesten Berlins. Das haben wir als gutes und wichtiges Signal umsetzen können.
Auch die weiteren Gründerzentren und die vielfältigen privaten Initiativen tragen zur erfolgreichen Vernetzung zwischen Wissenschaft und Wirtschaft bei. Allen, die daran einen Anteil haben, gilt unser Dank.
Der Auf- und Ausbau der Zukunftsorte ist hier ausdrücklich mit erwähnt. Berlin-Buch beispielsweise ist der Zukunftsort der Gesundheitswirtschaft. Unsere Aufgabe als politisch Verantwortliche ist es, hier die richtigen Rahmenbedingungen, die richtige Infrastruktur bereitzustellen. So gibt es beispielsweise in Buch ein großes Zutrauen in die inhaltliche Expertise, aber wenig Verständnis dafür, wie die verkehrliche Anbindung dieses Zukunftsortes funktioniert. Hier muss sich etwas ändern.
Andere Beispiele wie Adlershof, der Cleantech Business Park in Marzahn oder der EUREF-Campus zeichnen ein positives Bild für Berlin und sind hinlänglich bekannt.
Auch in Tegel wird es nach Beendigung des Flugbetriebes einen weiteren Zukunftsort geben. Das soll die Berliner Entwicklungspotenziale nachhaltig stärken. Mit dem Schwerpunkt Urban Tech sollen hier die Industrie und die Technologie mit der Wissenschaft vernetzt werden. Die Beuth Hochschule steht dafür bereit. Die Planungen – ein Masterplan existiert und ist beschlossen – sind im vollen Gang. Und auch hier gilt es herauszustellen, dass die Koalition aus SPD und CDU in diesen Haushaltsberatungen Sorge dafür trägt, dass nach Schließung des Flughafens keine weitere Zeit verloren wird.
Es ist gut und richtig, hier einen politischen Akzent zu setzen, mit zusätzlichen Planungsmitteln dafür zu sorgen, dass der Zukunftsort nach Schließung des Flughafens tatsächlich schnellstmöglich zum Leben erwacht – ein gutes politisches Signal.
Keine Idee, kein Ort kann sich entwickeln ohne die notwendigen Investitionen. Deutschlandweit wird das meiste Kapital in Berliner Gründer investiert. Die Investitionsbank ist mit ihrem Fonds für Venture Capital hier ebenfalls führend. Viele internationale Unternehmen bauen ihre sogenannten Inkubatoren und Axillatoren in Berlin auf und wirken als Finanzierer. Die Start-up- und Gründerszene wird von diesen Kapitalgebern unterstützt, und das ist eine ganz entscheidende Maßnahme für den Erfolg.