Sehr geehrten Damen und Herren! Ich eröffne die 62. Sitzung des Abgeordnetenhauses von Berlin. Ich begrüße Sie, ich begrüße unsere Gäste und Zuhörerinnen und Zuhörer sowie die Medienvertreter sehr herzlich.
Vor Beginn der Beratungen habe ich eine traurige Pflicht zu erfüllen. Ich bitte Sie, sich von Ihren Plätzen zu erheben.
Nach längerer Krankheit starb am 17. März der ehemalige Spandauer Bezirksbürgermeister und Stadtälteste Konrad Birkholz im Alter von 67 Jahren. Konrad Birkholz hatte sich einen legendären Ruf als Rathaus-Chef des Havelbezirks erworben. Die Menschen mochten ihn, weil er ihre Sorgen und Nöte ernst nahm. Bürgernähe war ein Markenzeichen seiner sechzehn-jährigen Regentschaft von 1995 bis 2011, der längsten Amtszeit, die bisher ein Berliner Bezirksbürgermeister absolvierte.
Die Eigenständigkeit der Bezirke war ihm wichtig. Dafür stritt er leidenschaftlich. Das bekamen auch wir Landespolitiker immer wieder zu spüren, wenn er von den „Herren im fernen Berlin“ sprach. Und wenn er Besucher auf den Rathaus-Turm führte, sprach er gerne den Satz: „Vom Dach unserer Stadt Spandau hat man einen herrlichen Blick auf die Stadt Berlin.“ Ironie war Konrad Birkholz nicht fremd. Das wirkte aber nicht unsympathisch, weil sie bei ihm auch Züge von Selbstironie hatte: So sprach er von sich als „Dorfschulzen“ Spandaus.
In Kladow am 3. Februar 1948 geboren, absolvierte er erst eine Verwaltungsausbildung und studierte später an der Fachhochschule Sozialarbeit und Pädagogik. 1965 trat er in die Junge Union ein. Seine berufliche Karriere begann er als Sozialpädagoge, um anschließend als Bewährungshelfer für Jugendliche tätig zu sein. In Spandau war er zunächst ab 1979 Mitglied der Bezirksverordnetenversammlung, danach ab 1992 Stellvertretender Bezirksbürgermeister und Stadtrat für Finanzen und Wirtschaft. 1995 erfolgte die Wahl zum Spandauer Bezirksbürgermeister.
Zeit seines politischen Lebens war Konrad Birkholz der Spandauer Bezirkspolitik verbunden. Seit 1989 war er Vorsitzender des Spandauer CDU-Ortsverbandes Kladow und seit 2009 Ehrenvorsitzender der CDU Spandau. Erst im Dezember 2014 wurde er vom Regierenden Bürgermeister von Berlin für seine Verdienste mit der Stadtältestenwürde Berlins ausgezeichnet.
Konrad Birkholz hat viel zur positiven Entwicklung Spandaus – und damit auch Berlins – beigetragen. Darüber hinaus hat er sich in einer Vielzahl von Ehrenämtern
großes Ansehen erworben. So engagierte er sich zum Beispiel mit viel Elan für seine Kirchengemeinde und für die Jugendarbeit.
Die Flaggen des Abgeordnetenhauses wehen auf halbmast. Wir alle sind tief erschüttert über den Absturz eines Germanwings-Flugzeugs vorgestern über den französischen Alpen. Im Gedenken an die 150 Opfer dieser unfassbaren Tragödie sprechen wir allen Angehörigen unser tief empfundenes Beileid aus.
Das Ausmaß der Katastrophe lässt uns kaum Worte finden. Was kann jetzt trösten? Wer beantwortet die Fragen nach dem „Warum“? Wir halten inne.
Und auch wenn dieser grausame Absturz alles überschattet, wir erhalten auch große Solidarität von unseren europäischen Freunden. Wir helfen uns. Ich möchte den französischen Einsatzkräften am Unglücksort unseren besonderen Dank für ihren schweren Einsatz aussprechen und hoffe, dass sie die Kraft finden, ihre so belastende Aufgabe an diesem Schreckensort erfüllen zu können. Unser Dank gilt ebenso den Krisenhelferinnen und Krisenhelfern aus Spanien und auch aus unserem eigenen Land.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe wieder Geschäftliches mitzuteilen. Am Montag sind folgende fünf Anträge auf Durchführung einer Aktuellen Stunde eingegangen:
− Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zum Thema: „100 Tage Müller: Neue Sachlichkeit? Altes Problem! SPD und CDU fehlen Gemeinsamkeit und Idee für Berlins Zukunft.“
− Antrag der Fraktion Die Linke zum Thema: „100 Tage Müller: Neue Sachlichkeit? Altes Problem! SPD und CDU fehlen Gemeinsamkeit und Idee für Berlins Zukunft.“
Ich lasse nun abstimmen, und zwar zunächst über den Antrag der Fraktion der CDU. Wer diesem Thema – Jugendberufsagentur startet in den Bezirken – zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die Koalitionsfraktionen und der fraktionslose Kollege. Gegenstimmen? – Gegenstimmen bei allen Oppositionsfraktionen. Gibt es Enthaltungen? – Das ist nicht der Fall. Das Erstere war die Mehrheit. So rufe ich dieses Thema für die Aktuelle Stunde unter dem Tagesordnungspunkt 1 auf. Die anderen Anträge auf Aktuelle Stunde haben damit ihre Erledigung gefunden.
Ich möchte Sie auf die Ihnen vorliegende Konsensliste sowie auf das Verzeichnis der Dringlichkeiten hinweisen. Ich gehe davon aus, dass allen eingegangenen Vorgängen die dringliche Behandlung zugebilligt wird. Soweit das im Einzelfall nicht Ihre Zustimmung findet, bitte ich um entsprechende Mitteilung.
Entschuldigung eines Senatsmitglieds für die 62. Sitzung: Dazu habe ich mitzuteilen, dass der Regierende Bürgermeister bis ca. 14.30 Uhr abwesend ist – Grund: Teilnahme an der Besprechung der Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder.
Für die Besprechung der Aktuellen Stunde steht den Fraktionen jeweils eine Redezeit von bis zu zehn Minuten zur Verfügung, die auf zwei Redebeiträge aufgeteilt werden kann. Es beginnt die Fraktion der CDU. – Herr Dr. Korte, bitte schön! Sie haben das Wort.
Sehr geehrter Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Endlich kann in diesem Jahr die Jugendberufsagentur starten. Damit setzen wir einen weiteren, wichtigen Teil des Programms Berlin-Arbeit um, der mir besonders am Herzen liegt: Konkrete, engagierte Schritte zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit. Denn gerade hier geht es um Zukunftschancen für junge Menschen, für unsere Stadt, für den Wirtschaftsstandort Berlin.
Mit Freude, aber auch mit Hoffnung und Zuversicht sehen wir jetzt der Eröffnung der ersten Anlaufstellen der Jugendberufsagentur im Herbst entgegen. Sie werden Bausteine sein, um die Jugendarbeitslosigkeit deutlich
weiter zu senken. Sie vernetzen als Teil eines Arbeitsbündnisses die Potenziale der Bezirke, der Agentur für Arbeit und der Jobcenter. Im ersten Schritt wird unter dem Dach der übergeordneten Jugendberufsagentur in vier Bezirken jeweils eine regionale Anlaufstelle ihre Arbeit aufnehmen. Nach Friedrichshain-Kreuzberg, Marzahn-Hellersdorf, Tempelhof-Schöneberg und Spandau sollen bis Ende 2016 die anderen acht Bezirke folgen.
Es wurde durchaus auch diskutiert, ob es wirklich zwölf Anlaufstellen werden müssen. Vorteile kann auch die Konzentration auf weniger Standorte bieten, die eine Bündelung von Kompetenzen und eine klare Bedarfsorientierung möglich macht. Aber entscheidend ist erst einmal, dass die Jugendberufsagentur mit ihren Anlaufstellen nun wirklich startet.
Sie macht jungen Berlinerinnen und Berlinern neue Angebote und bereitet sie so vor, dass sie diese Angebote auch annehmen können. Denn die erfolglose Suche nach einer existenzsichernden Arbeit ist ein vielschichtiges Problem.
Für mich schien Jugendarbeitslosigkeit früher ein reines Vermittlungs- oder Motivationsproblem zu sein. Junge Menschen waren entweder arbeitslos, weil es einfach nicht genügend Arbeitsplätze für sie alle gab oder weil sie bei der Suche nicht motiviert oder flexibel genug waren. Durch meine Lehrtätigkeit kam ich oft in Kontakt mit Mitarbeitern von Sozialämtern und Jobcentern. Aus ihren Erzählungen habe ich gelernt, wie viel komplexer die Dinge liegen, aber auch, wie dramatisch die persönliche Situation junger Menschen in der Arbeitslosigkeit ist und – das möchte ich aus eigener Überzeugung hinzufügen – wie unselig es für die Zukunft unserer Stadt und unseres Wirtschaftsstandorts ist, wenn gerade die Jungen keinen Platz im Berufs- und Arbeitsleben finden.
Solche Überlegungen teilt man auch in anderen Großstädten der Welt wie New York oder Rotterdam. Aber genau wie wir wollten sich die Verantwortlichen auch dort mit diesem Status quo nicht abfinden. Ich habe mir vor Ort zeigen und erklären lassen, wie und mit welchen Instrumenten man die Jugendarbeitslosigkeit anderswo erfolgreich senken konnte. Davon können wir lernen, ebenso wie von der Erfahrung mit der Jugendberufsagentur in Hamburg. Mit den Zielen des Programms Berlin-Arbeit und der Jugendberufsagentur tun wir genau das: Wir nutzen die guten Erfahrungen und Projektmodelle, die andernorts bereits erfolgreich funktioniert haben, und entwickeln sie weiter für uns in Berlin.
Das Ziel der Jugendberufsagentur ist es, alle Einrichtungen unter einem Dach zu bündeln. Sie soll sich um den Übergang von der Schule in den Beruf und um die Integration junger Männer und Frauen in den Arbeitsmarkt kümmern. Jugendliche und junge Erwachsene sollen in Ausbildung und Beschäftigung gebracht werden. Ihnen
und uns allen sollen sich damit gute Zukunftsperspektiven eröffnen. Das ist die grundlegende Intention des Koalitionsprogramms Berlin-Arbeit. Es zeigt bereits deutliche Erfolge.
Wir alle kennen noch die alarmierenden Zahlen der Vergangenheit nur zu gut: vor fünf Jahren über 25 000 junge Arbeitslose unter 25 in Berlin – eine Quote von sage und schreibe 16 Prozent. Unser Ziel war es, die Jugendarbeitslosenquote bis 2016 unter 10 Prozent zu senken. Geschafft haben wir das schon im November 2014: Die Jugendarbeitslosenquote lag erstmals unter 10 Prozent, und Berlin hatte weniger als 15 000 junge Arbeitslose. Das waren nach drei Jahren guter Zusammenarbeit in der Koalition eine erfolgreiche Trendwende und gut ein Drittel weniger Jugendliche ohne Arbeit als zuvor. Das spricht auch für den unerschütterlichen Willen der CDU, Menschen in unserer Stadt in Arbeit zu bringen – wohlgemerkt, in den ersten Arbeitsmarkt.
Der Erfolg bei der Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit ist aber auch ein Erfolg der vielen jungen Menschen, die Zeit und Kraft in Ausbildung, Qualifikation und Bewerbung investieren. Der positive Trend bleibt trotz aller saisonbedingten Schwankungen erhalten und bestätigt den arbeitsmarkt-, aber auch den wirtschaftspolitischen Kurs der Koalition. Das ist Grund zur Freude, aber kein Grund zum Ausruhen.
Der drastische Rückgang der Jugendarbeitslosigkeit seit der Abwahl von Rot-Rot spricht eine deutliche Sprache. Seit die CDU in Berlin wieder mitregiert, haben wir es schon mehr als 9 000 jungen arbeitslosen Menschen ermöglicht, einen Arbeitsplatz zu bekommen. Sie können jetzt ihren Lebensunterhalt bestreiten, finden Anerkennung und Perspektiven, tragen zum Wachstum des Wirtschaftsstandorts Berlin bei – und es sollen noch viel, viel mehr von ihnen werden.
Uns allen muss aber auch klar sein, dass wir nach dem Anlauf der Jugendberufsagentur mit einem vorübergehenden Anstieg der Jugendarbeitslosenzahlen zu rechnen haben. Denn wir haben die große Hoffnung, dass viele junge Menschen, die aus der Statistik herausgefallen wären oder bereits herausgefallen sind, nun durch die Jugendberufsagenturen in Arbeit gebracht werden können.