Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich eröffne die 21. Sitzung des Abgeordnetenhauses von Berlin und begrüße Sie, unsere Gäste und Zuhörer sowie die Medienvertreter recht herzlich.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bitte Sie, sich von Ihren Plätzen zu erheben.
Am 17. Oktober verstarb der langjährige Abgeordnete Harald Grieger. Er gehörte unserem Haus von 1985 bis 1989 und dann wieder von 1991 bis 1999 an.
Harald Grieger wurde am 19. März 1945 in Berlin geboren. Nach dem Erwerb der Mittleren Reife 1963 begann er eine Ausbildung bei der Polizei. Den Polizeidienst versah Harald Grieger bis 1990.
1968 trat Harald Grieger der Christlich Demokratischen Union bei. Beheimatet war er im damaligen Kreisverband Schöneberg. In der dortigen Bezirksverordnetenversammlung war er von 1971 bis 1985 Bezirksverordneter, bevor er am 5. September 1985 für den ausgeschiedenen Abgeordneten Gerhard Lawrentz ins Berliner Abgeordnetenhaus nachrückte. In der 12. Wahlperiode gewann Harald Grieger den Wahlkreis 3 in Schöneberg direkt. In seiner parlamentarischen Arbeit nahmen die Berliner Schulangelegenheiten einen großen Raum ein. Später dann, in der 13. Wahlperiode war Harald Grieger im Ausschuss für Inneres, Sicherheit und Ordnung aktiv. Neben seiner politischen Arbeit engagierte sich der Christdemokrat auch in der Gewerkschaft der Polizei und beim UnionHilfswerk.
Nach dem Ausscheiden aus dem Abgeordnetenhaus beendete er seine politische Laufbahn und zog ins Nachbarland Polen. Dort wurde er auch kürzlich beigesetzt. Harald Grieger hinterlässt drei erwachsene Kinder. Ihnen gilt unser Mitgefühl.
Am Montag sind folgende fünf Anträge auf Durchführung einer Aktuellen Stunde eingegangen: 1. Antrag der Fraktion der SPD zum Thema: „Sicherheitsbehörden neu aufgestellt!“,
3. Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zum Thema: „NSU-Skandal, Personalnot, undichte Stellen: Hat Innensenator Henkel die Lage im Griff?“,
4. Antrag der Fraktion Die Linke zum Thema: „Pleiten und Pannen: ein Jahr Innensenator Henkel – ein Jahr Krise bei den Sicherheitsbehörden“,
5. Antrag der Piratenfraktion zum Thema: „Wie viele Bauernopfer müssen noch gehen, bevor Henkel seiner politischen Verantwortung nachkommt?“.
Die Fraktionen haben sich darauf verständigt, auf eine Begründungsrunde zu verzichten, und ich lasse über das Thema der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen abstimmen, da sich eine Mehrheit für diesen Antrag abzeichnete. Wer diesem Thema zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Danke schön! Gibt es Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Dann war das einstimmig. Somit rufe ich dieses Thema für die Aktuelle Stunde unter dem Tagesordnungspunkt 3 auf. Die anderen Anträge für die Aktuelle Stunde haben damit ihre Erledigung gefunden.
Dann möchte ich auf die Ihnen vorliegende Konsensliste sowie auf das Verzeichnis der Dringlichkeiten hinweisen. Ich gehe davon aus, dass allen eingegangenen Vorgängen die dringliche Behandlung zugebilligt wird. Sollte dies im Einzelfall nicht Ihre Zustimmung finden, bitte ich um entsprechende Mitteilung.
Die Entschuldigungen von Senatsmitgliedern für die heutige Sitzung: Herr Senator Henkel ist entschuldigt ab 19.00 Uhr. Grund ist die B-Länder-Vorbesprechung. Der Regierende Bürgermeister ist abwesend ab ca. 19.45 Uhr. Da ist der Grund die A-Länder-Vorbesprechung.
Bevor ich die erste Anfrage aufrufe, teile ich mit, dass die Fraktion der SPD um den Tausch der Nrn. 1 und 6 gebeten hat. – Widerspruch höre ich nicht. Dann verfahren wir so. Dann hat das Wort zur ersten Mündlichen Anfrage, also nunmehr Nr. 6, Frau Abgeordnete Dr. Kitschun von der SPD-Fraktion mit der Frage über
FES-Studie über rechtsextreme Einstellungen die aktuelle Entscheidung des Bundes, keine Verpflichtungsermächtigungen für die Weiterfinanzierung der Bundesprogramme gegen Rechtsextremismus ab 2014 in den Bundeshaushalt einzustellen?
2. Was würde die Nichteinstellung der Verpflichtungsermächtigungen in den Bundeshaushalt 2013 für die Projekte in Berlin bedeuten?
Vielen herzlichen Dank, Herr Präsident! – Sehr geehrte Frau Dr. Kitschun! Ich beantworte Ihre Fragen wie folgt: Die neue Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung zu rechtsextremen Einstellungen ist in der Tat auch für mich erschreckend und zeigt, dass die Auseinandersetzung mit Rassismus, Antisemitismus und Rechtsextremismus weiterhin eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe bleibt. Die Studie belegt auch, dass rechtsextreme Haltungen in allen Teilen der Gesellschaft in erheblichem Maße anzutreffen sind. Wir wissen aus früheren Untersuchungen, dass auch in Berlin Menschenverachtung in ihren unterschiedlichen Facetten in der Bevölkerung präsent ist. Deshalb setzen wir in Berlin mit unseren ganz eigenen Strategien auf einen sehr breiten Ansatz, der die gesamte Gesellschaft im Blick hat – und dies mit einem langen Atem.
Dazu trägt unser Landesprogramm gegen Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus bei. Dort fahren wir seit vielen Jahren die erfolgreiche Strategie, auf Prävention und Stärkung der Zivilgesellschaft zu setzen und vor allem auch Opferschutz zu betreiben. Der Berliner Senat wird auch weiterhin ein verlässlicher Partner für die Berliner Demokratieprojekte sein.
Vor dem Hintergrund dieser neuen Studie, aber auch alter, bekannter Studien und der Entwicklung in Berlin ist es sehr wichtig, jetzt auch auf die Bundesebene zu schauen, wie es dort weitergeht mit dem Bundesprogramm „Toleranz fördern – Kompetenz stärken“. Wir beobachten die Beratungen im Bundestag dazu auch sehr intensiv, weil wir ein großes Interesse haben, dass dieses Bundesprogramm fortgeführt wird. Es gibt schon öffentlich Kritik von einigen Seiten. Z. B. haben der Zentralrat der Juden und die Amadeu-Antonio-Stiftung ihre Sorge zum Ausdruck gebracht und darauf hingewiesen, dass die Bundesregierung, was die Bekämpfung von Rechtsextremismus, Antisemitismus und Rassismus angeht, eine verlässliche und langfristige Unterstützung bieten sollte. Dem kann ich mich auch aus Berliner Sicht nur anschließen. Heute war, glaube ich, die Beratung des Einzelplans im Bundestag. So ist die Finanzierung des Programms bis
2013 gesichert. Ab 2014 – so ist mein aktueller Stand – ist die Fortführung noch offen. Ich werde das natürlich weiterhin beobachten und mich aus Sicht von Berlin dafür einsetzen, dass das Bundesprogramm weitergeführt wird, wenn es sein muss, auch mit einem Brief an die Bundesregierung.
Zu Ihrer zweiten Frage: Was heißt es für Berlin konkret? – In Berlin werden aktuell 16 lokale Aktionspläne, das Berliner Beratungsnetzwerk und 19 Modellprojekte des Bundesprogramms „Toleranz fördern – Kompetenz stärken“ gefördert. Sie kennen die Aktivitäten vor Ort im Kiez. Das Weitlingkiez ist dafür ein Beispiel, aber auch die Aktivitäten vor Ort in Schöneweide zeigen, dass insbesondere diese Angebote sehr wichtig sind, wenn es darum geht, Strukturen zu durchbrechen. Die lokalen Aktionspläne sind gerade für Aktivitäten der Bürgergesellschaft vor Ort als Unterstützung sehr wichtig. – Sofern die Bundesregierung keine nahtlose Anschlussfinanzierung im Jahr 2014 sicherstellt, wird voraussichtlich ein Großteil dieser Strukturen und Kompetenzen wegbrechen, da alternative Finanzierungsmöglichkeiten aus dem Landeshaushalt nicht zur Verfügung stehen.
Vielen Dank! – Frau Dr. Kitschun! Haben Sie eine Nachfrage? – Das ist nicht der Fall. Dann hat Frau Bayram das Wort für die erste Nachfrage. – Bitte schön!
Frau Senatorin! Sie haben gesagt, es würden dort keine Berliner Mittel zur Verfügung gestellt, um dann aufzustocken, wenn die Bundesmittel wegfielen. Haben Sie geprüft, ob Mittel entweder umgewidmet oder neu eingestellt werden können? Finden Sie es eine verantwortungsvolle Politik, insbesondere mit Blick auf NSU und den wachsenden Rassismus in der Gesellschaft? Ist das nicht ein falsches Zeichen, insbesondere ins rechte Milieu hinein?
Frau Abgeordnete Bayram! Es wäre ein schlechtes Zeichen, wenn ich sofort die Richtung einschlagen würde, die Sie hier vorgeschlagen haben, denn die Bekämpfung von Rechtsextremismus, Antisemitismus und Rassismus ist nicht nur eine landespolitische Aufgabe. Ich sehe da die Bundesregierung auch in der Pflicht. Wir haben hier einen großen Konsens in diesem Parlament, sodass unser
Landesprogramm in den letzten Jahren nie gekürzt wurde. Wir haben die Mittel verlässlich in unserem Haushalt.
Ich bin mir auch sicher – deswegen möchte ich hier auch etwas optimistisch sein –, dass es auch auf Bundesebene weitergehen wird. Ich glaube, richtig wirksam sind die Maßnahmen, die wir treffen, nur dann, wenn beide Ebenen mitwirken. Und das Bundesprogramm ist erfolgreich gewesen. Wir können in Berlin nachvollziehen, dass mit den Aktionsplänen sowohl im Weitlingkiez als auch jetzt aktuell in Schöneweide sehr viel bewirkt wird. Wir brauchen einen langen Atem und auch eine verlässliche Basis. Deswegen möchte ich gerne diese geteilte Verantwortung von Bund und Land aufrechterhalten.
Frau Senatorin! Ich habe mit großer Freude gehört, dass Sie den Schwerpunkt verstärkt auf prophylaktische Arbeit legen wollen. Das ist genau eine der entscheidenden Schlussfolgerungen, die die Autoren der Studie auch ziehen, weg von der Bosselei an Folgewirkungen, ran an die Ursachen. Ich möchte wissen, inwieweit Sie sich aufgrund dieser Erkenntnis dafür einsetzen, dass in den Bereichen der öffentlichen Verwaltung, die in unmittelbarem Kontakt zu anfälligen Schichten der Bevölkerung stehen, ganz vorsichtig ausgedrückt,
ja, das ist sehr breit geworden inzwischen, leider Gottes, Frau Bayram! – Überlegungen zum Personalabbau, vor allen Dingen in den Bezirken z. B. im Jugendbereich, endlich gestoppt werden?
Die Studie hat ganz sicher das, was wir vorher schon an Erkenntnissen hatten, noch einmal verstärkt und verdeutlicht. Wir fangen in Berlin mit unserem Landesprogramm ja nicht neu an, sondern können auf zehn Jahre erfolgreiche Politik zurückblicken. Einer der zentralen Punkte in unserem Landesprogramm ist in der Tat die Prävention. Und da sind wir genau bei dem, was Sie angesprochen haben. Das fängt bei der Demokratieerziehung an, bei der
Jugendarbeit und damit, dass in Schulen und Jugendeinrichtungen genau diese Ansätze schon da sind, dass man eben beispielsweise auch herkunftsübergreifend gemeinsam Erfahrungen macht und dadurch erst einmal vorbeugt, dass überhaupt so ein Gedankengut bei Kindern und Jugendlichen entstehen kann und dass das Miteinander im Vordergrund steht. Diesen Ansatz verfolgen wir in Berlin seit vielen Jahren schon erfolgreich. Das heißt nicht, dass wir da nicht noch mehr machen könnten, da gebe ich Ihnen recht, man kann sicher noch mehr machen.