Protocol of the Session on March 20, 2014

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich eröffne die 45. Sitzung des Abgeordnetenhauses von Berlin und begrüße Sie, unsere Gäste und Zuhörer sowie die Medienvertreter sehr herzlich.

Am Dienstag hat die Fraktion der SPD Vorstandswahlen durchgeführt. Stellvertretend für den gewählten Vorstand gratuliere ich dem Kollegen Raed Saleh zur Wiederwahl als Fraktionsvorsitzender. – Herzlichen Glückswunsch, Herr Kollege!

[Allgemeiner Beifall]

Ich möchte Ihnen, wie im Ältestenrat angekündigt, nun als Ergebnis der Überprüfungen durch den Ehrenrat Folgendes mitteilen: Am 24. Mai 2012 hat das Abgeordnetenhaus von Berlin einen parlamentarischen Ehrenrat eingesetzt, der das Verfahren zur Überprüfung der Mitglieder des Abgeordnetenhauses von Berlin auf eine hauptamtliche oder inoffizielle Tätigkeit oder politische Verantwortung für das Ministerium für Staatssicherheit/Amt für Nationale Sicherheit der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik durchführen sollte.

Alle 149 Mitglieder des Abgeordnetenhauses von Berlin haben eine Überprüfung beantragt. Der Bundesbeauftragte für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik hat diese Anträge geprüft. Abgeordnete, die zum Zeitpunkt der Auflösung des Staatssicherheitsdienstes mit Stichtag 12. Januar 1990 das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hatten, wurden aufgrund der Vorgabe des Stasi-Unterlagen-Gesetzes nicht überprüft. Hiervon waren 51 Abgeordnete umfasst. Hinsichtlich der überprüften Mitglieder des Abgeordnetenhauses kam der Ehrenrat einstimmig zu der Überzeugung, dass bei keinem der ihm vorliegenden Überprüfungsergebnisse ein Anlass besteht, irgendeine Empfehlung abzugeben.

Nun habe ich Ihnen noch folgendes Geschäftliches mitzuteilen: In der 42. Sitzung am 30. Januar 2014 wurde die Volksinitiative „Nachtflugverbot“ Drucksache 17/1390 an den Ausschuss für Bauen, Wohnen und Verkehr überwiesen. Nachdem dort die Anhörung der Vertrauensleute stattgefunden hat, sind die Fraktionen übereingekommen, die Angelegenheit auch noch mitberatend dem Ausschuss für Gesundheit und Soziales zu überweisen. – Ich höre hierzu keinen Widerspruch. Allerdings weise ich darauf hin, dass wir die Frist gemäß § 9 Abs. 1 Abstimmungsgesetz Berlin einzuhalten haben und das Anliegen der Volksinitiative in der Sitzung am 10. April 2014 aufgerufen werden sollte.

Dann habe ich wieder zur Tagesordnung mitzuteilen: Am Montag sind folgende fünf Anträge auf Durchführung einer Aktuellen Stunde eingegangen:

− Antrag der Fraktion der SPD zum Thema: „Berliner Beteiligungsunternehmen leisten einen wichtigen Beitrag zur Entwicklung der wachsenden Stadt und zur Stärkung der regionalen Wirtschaft“

− Antrag der Fraktion der CDU zum Thema: „Berliner Beteiligungsunternehmen leisten einen wichtigen Beitrag zur Entwicklung der wachsenden Stadt und zur Stärkung der regionalen Wirtschaft“

− Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zum Thema: „Chance für dritten Weg vertan? Koalition blockiert sozialen Wohnungsbau und Bürgerbeteiligung in Tempelhof“

− Antrag der Fraktion Die Linke zum Thema: „Chance für dritten Weg vertan? Koalition blockiert sozialen Wohnungsbau und Bürgerbeteiligung in Tempelhof“

− Antrag der Piratenfraktion zum Thema: „Chance für dritten Weg vertan? Koalition blockiert sozialen Wohnungsbau und Bürgerbeteiligung in Tempelhof“

Ich lasse nun abstimmen, und zwar zunächst über den Antrag der CDU. Wer diesem Thema zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die Koalitionsfraktionen und der fraktionslose Kollege. Gegenstimmen? – Das sind die drei Oppositionsfraktionen. – Enthaltungen sehe ich keine. Ersteres war die Mehrheit. Somit rufe ich dieses Thema unter Tagesordnungspunkt 1 auf. Die anderen Anträge auf Aktuelle Stunde haben damit ihre Erledigung gefunden.

Dann möchte ich auf die Ihnen vorliegende Konsensliste sowie auf das Verzeichnis der Dringlichkeiten hinweisen. Ich gehe davon aus, dass allen eingegangenen Vorgängen die dringliche Behandlung zugebilligt wird. Sollte dies im Einzelfall nicht Ihre Zustimmung finden, bitte ich um entsprechende Mitteilung.

Entschuldigungen von Senatsmitgliedern für die heutige Sitzung: Senatorin Kolat ist ganztägig entschuldigt. Grund: Teilnahme an der Integrationsministerkonferenz in Magdeburg vom 19. bis 20. März 2014. Senatorin Scheeres wird von 16.30 Uhr bis ca. 19.00 Uhr abwesend sein. Grund: Teilnahme als Vertreterin von Berlin an der Verabschiedung des Präsidenten der Technischen Universität, Herrn Professor Steinbach.

Dann rufe ich auf

lfd. Nr. 1:

Aktuelle Stunde

gemäß § 52 der Geschäftsordnung des Abgeordnetenhauses von Berlin

Berliner Beteiligungsunternehmen leisten einen wichtigen Beitrag zur Entwicklung der

wachsenden Stadt und zur Stärkung der regionalen Wirtschaft

(auf Antrag der Fraktion der CDU)

Für die Besprechung der Aktuellen Stunde steht den Fraktionen jeweils eine Redezeit von bis zu zehn Minuten zur Verfügung, die auf zwei Redebeiträge aufgeteilt werden kann. Es beginnt die Fraktion der CDU. – Herr Dr. Garmer, bitte schön, Sie haben das Wort!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die landeseigenen Unternehmen leisten unzweifelhaft einen wesentlichen Beitrag zum Funktionieren unserer Stadt. Sauberes Wasser, saubere Straßen, pünktliche Busse und U-Bahnen, öffentlich zugängliche Bäder, jedenfalls solange nicht gestreikt wird, eine medizinische Versorgung auf weltweit höchstem Niveau – dafür stehen in Berlin öffentliche Unternehmen.

Die CDU-Fraktion bedankt sich ausdrücklich beim Management und bei den Beschäftigten der öffentlichen Unternehmen für die geleistete Arbeit im Dienste unserer Stadt.

[Beifall bei der SPD, der CDU und den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei den PIRATEN]

Auf der anderen Seite gab und gibt es aber auch immer wieder öffentliche Unternehmen in Berlin, wo es nicht funktioniert oder nicht funktioniert hat, wo wirtschaftliche und fachliche Ziele verfehlt, bisweilen erheblich verfehlt worden sind. Beispiele dafür fallen mir gerade keine ein. Aufgrund dieser Erfahrungen in Summe ist die CDU-Fraktion zu der Überzeugung gelangt, zwischen Privatisierungswahn auf der einen Seite und Rekommunalisierungsideologien auf der anderen Seite einen pragmatischen und auf den jeweiligen Einzelfall bezogenen Umgang mit den landeseigenen Unternehmen zu pflegen.

Für uns ist relevant, was den Berlinerinnen und Berlinern wirklich nützt. Wir lassen uns dabei von folgenden Grundsätzen leiten – erstens Einzelfallbetrachtung, wie schon gesagt: Öffentliche und private Unternehmen sowie Mischformen, also Beteiligungen des Landes Berlin, haben ihre spezifischen Stärken und daher in bestimmten Bereichen ihre jeweilige Berechtigung. Öffentlich ist nicht immer gut, privat ist nicht immer schlecht.

Zweitens: Subsidiarität. Das heißt, so viel öffentliches Engagement wie nötig, so viel private Initiative wie möglich. Mit dem Betrieb eines Unternehmens oder der Beteiligung an einem solchen ist unternehmerisches Risiko verbunden, das haben wir an der einen oder anderen Stelle schmerzlich erfahren müssen. Darüber hinaus fallen an: Kapitalkosten sowie zeitlicher Aufwand für Senatoren und Staatssekretäre in den Aufsichtsgremien und Organen und für die Begleitung durch das Abgeordnetenhaus.

Für diesen Aufwand muss es in jedem einzelnen Fall eine Begründung geben, und dies kann nicht der bloße Finanzbedarf des Staates sein. Wenn der Staat Geld braucht, ist das Erheben von Steuern und Abgaben das primäre Instrument. Für den Betrieb eines öffentlichen Unternehmens oder die staatliche Beteiligung daran ist eine weitergehende, also sachpolitische Begründung erforderlich. Der allgemeine staatliche Finanzierungsbedarf reicht nicht aus.

Drittens: Daseinsvorsorge. Der Staat kann lebenswichtige Leistungen, die er zu garantieren hat, entweder selber organisieren oder über Vergabe, Konzessionierungs- oder Lizenzverfahren an Private übergeben. In Bereichen, in denen aufgrund natürlicher Monopole kein Wettbewerb mehrerer Anbieter nebeneinander möglich ist, hat der Staat die Aufgabenerfüllung privater Partner zu überwachen; zum Beispiel – Sie kennen das – überwacht die Bundesnetzagentur die privaten Strom- und Gasverteilnetzbetreiber.

Viertens: Stadtrendite. Nötig ist staatliches Handeln insbesondere dort, wo private Initiative und marktwirtschaftliche Angebote nicht ausreichen, um politisch erwünschte Ziele zu erreichen. Diese Ziele sind von der Politik klar zu benennen. Die Zielerreichung ist regelmäßig zu überprüfen. Klar ist auch, dass für solche politischen Ziele, die der Markt alleine nicht hergibt und die auch durch marktkonformes Verhalten der landeseigenen Unternehmen alleine nicht erreichbar sind, Haushaltsmittel eingesetzt werden müssen. Das heißt: Wenn wir als Politik bei der BVG vergünstigte Bus- und U-Bahnfahrscheine bestellen, dann müssen wir sie auch aus dem Haushalt bezahlen. Diese Haushaltsmittel sind transparent im Haushalt auszuweisen.

Fünftens und damit zusammenhängend: Verschuldungsverbot. Mehrheitlich öffentliche Unternehmen sind betriebswirtschaftlich selbstverständlich nach den Kriterien der Effizienz und den Grundsätzen eines ordentlichen Kaufmanns zu führen. Insbesondere dürfen Fremdmittel nur insoweit aufgenommen werden, wie damit als lohnenswert eingeschätzte Investitionen mit absehbaren finanziellen Rückflüssen finanziert werden, zum Beispiel im Bereich des Wohnungsbaus eine wichtige Randbedingung. Eine Verschuldung eines landeseigenen Unternehmens für einen dauerhaft defizitären laufenden Betrieb wäre ein Schattenhaushalt, das heißt, eine Kreditaufnahme vorbei am letztlich haftenden Haushaltsgesetzgeber, und das ist zu unterlassen.

Sechstens: gute Unternehmensführung. Mehrheitlich öffentliche Unternehmen orientieren sich am Corporate Governance Kodex. Abweichungen sind jährlich zu benennen, wie das ja auch geschieht. Das Land Berlin, um auf das Thema Aufsichtsräte zu kommen, entsendet darüber hinaus Vertreter in die Aufsichtsräte von landeseigenen Unternehmen. Selbstverständlich ist die Präsenz

(Präsident Ralf Wieland)

des Senats – von Senatoren oder Staatssekretären – in diesen Aufsichtsräten sinnvoll. Darüber hinaus sollten allerdings auch sachkundige Experten von außerhalb der Politik entsandt werden. Hier ist – wie Sie alle wissen – an der einen oder anderen Stelle durchaus noch Potenzial. Zu einer guten Unternehmensführung gehört im Übrigen auch eine gute, das heißt eine transparente und ehrliche Rechnungslegung. Wie Sie wissen, die Presse hat auch darüber bereits berichtet, denkt der Finanzsenator über eine Holdingstruktur für die landeseigenen Unternehmen nach.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Schäfer?

Aber gerne!

Bitte schön, Herr Kollege Schäfer!

Vielen Dank, Herr Präsident! – Herr Kollege Dr. Garmer! Wie bewerten Sie denn vor dem Hintergrund Ihrer Ausführungen die Bewerbung des Senats für eine Übernahme des Gasnetzes?

[Jörg Stroedter (SPD): Sehr positiv! – Weiterer Zuruf von der SPD: Sehr, sehr positiv!]

Ich habe ja darauf hingewiesen, dass wir eine Einzelfallbetrachtung machen, also nicht sagen können, das ist nun grundsätzlich gut oder grundsätzlich schlecht. Hier sind wir durch eine Einzelfallbetrachtung zu dem Ergebnis gekommen, dass diese Bewerbung zur Politik der Koalition geworden ist.

[Zurufe von den GRÜNEN und der LINKEN]

Die Diskussion im Einzelnen möchte ich hier nicht noch einmal wiederholen. Das haben Sie alles mitverfolgt, aber diese Entscheidung ist, wie gesagt, eine Einzelfallentscheidung.

Wenn eine auch eine gute Rechnungslegung in einer Holdingstruktur noch besser möglich ist, dann ist das auf jeden Fall zu begrüßen. Wir orientieren uns ja zurzeit in mehreren Punkten an Hamburg. Vielleicht kommen wir ja demnächst dahin, dass wir für das Land Berlin einschließlich seiner Landesbeteiligungen auch einen Konzernabschluss nach Hamburger Vorbild aufstellen. Ich würde das sehr begrüßen, auch wenn die Ergebnisse eines solchen Konzernabschlusses – bei Einbeziehung zum Beispiel der BVG-Schulden oder der Abschreibungen auf

die öffentliche Infrastruktur – möglicherweise im ersten Schritt noch nicht sehr freundlich ausfallen würden.

Wir haben zusammengefasst gemeinsam mit den landeseigenen Unternehmen in der Vergangenheit sehr viel erreicht. Das hindert uns aber überhaupt nicht daran, bei den Themen Aufstellung, Strategie, Aufsicht und Ergebnisse dieser Unterhemen in Zukunft noch besser zu werden. – Herzlichen Dank!

[Beifall bei der CDU – Vereinzelter Beifall bei der SPD – Dr. Wolfgang Albers (LINKE): Dafür nicht!]

Vielen Dank! – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Frau Pop. - Bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Man fragt sich ja, was ist eigentlich die Aktuelle Stunde hier im Plenum?

[Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den PIRATEN]