Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich eröffne die 75. Sitzung des Abgeordnetenhauses von Berlin. Ich begrüße Sie, unsere Gäste und Zuhörer sowie die Medienvertreter sehr herzlich.
Zunächst habe ich wieder Geschäftliches mitzuteilen. Am Montag sind folgende fünf Anträge auf Durchführung einer Aktuellen Stunde eingegangen:
− Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zum Thema: „Czaja versagt bei der Flüchtlingsunterbringung, Müller will Tempelhof bebauen und das Ergebnis der Volksabstimmung kassieren – Senat muss endlich Probleme lösen, statt neue zu schaffen“
− Antrag der Fraktion Die Linke zum Thema: „Czaja versagt bei der Flüchtlingsunterbringung, Müller will Tempelhof bebauen und das Ergebnis der Volksabstimmung kassieren – Senat muss endlich Probleme lösen, statt neue zu schaffen“
− Antrag der Piratenfraktion zum Thema: „Rigaer 94: Politische Instrumentalisierung der Berliner Polizei“
Die Fraktionen haben sich auf die Behandlung des Antrags der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen verständigt, sodass ich dieses Thema für die Aktuelle Stunde unter dem Tagesordnungspunkt 1 aufrufen werde. Die anderen Anträge auf Aktuelle Stunde haben damit ihre Erledigung gefunden.
Ich möchte Sie auf die Ihnen vorliegende Konsensliste sowie auf das Verzeichnis der Dringlichkeit hinweisen. Ich gehe davon aus, dass allen eingegangen Vorgängen die dringliche Behandlung zugebilligt wird. Sollte dies im Einzelfall nicht Ihre Zustimmung finden, bitte ich um entsprechende Mitteilung.
Entschuldigungen von Senatsmitgliedern für die heutige Sitzung: Der Regierende Bürgermeister wird ab 13.45 Uhr abwesend sein, Grund: Teilnahme an der Besprechung mit allen A-Ministerpräsidenten, im Anschluss um 15.30 Uhr Teilnahme an der A-Länder-Vorbesprechung für die Sitzung des Bundesrates sowie die Vorbesprechung der A-Länder für die Sonder-Ministerpräsidentenkonferenz „Asyl“ mit der Bundeskanzlerin. – Frau Senatorin Scheeres ab 17.30 Uhr, Grund: die Teilnahme der geschlossenen Ministerrunde bezüglich der Ergebnisse der Imboden-Kommission für das Land Berlin.
„Czaja versagt bei der Flüchtlingsunterbringung, Müller will Tempelhof bebauen und das Ergebnis der Volksabstimmung kassieren – Senat muss endlich Probleme lösen, statt neue zu schaffen“
Gesetz zur Errichtung eines Landesamtes für Flüchtlingsangelegenheiten und zur Anpassung betroffener Gesetze
Dringliche Beschlussempfehlung des Ausschusses für Gesundheit und Soziales vom 18. Januar 2016 und dringliche Beschlussempfehlung des Hauptausschusses vom 27. Januar 2016 Drucksache 17/2689
Dringliche Beschlussempfehlung des Ausschusses für Stadtentwicklung und Umwelt vom 27. Januar 2016 und dringliche Beschlussempfehlung des Hauptausschusses vom 27. Januar 2016 Drucksache 17/2690
Ich eröffne die zweiten Lesungen zu den Gesetzesvorlagen und schlage vor, die Einzelberatung der sieben Artikel der Vorlage auf Drucksache 17/2620 und der zwei Artikel der Vorlage auf Drucksache 17/2583 miteinander zu verbinden – und höre dazu keinen Widerspruch.
Ich rufe auf die Überschrift und die Einleitung sowie die Artikel 1 bis 7 in der Vorlage der Drucksache 17/2620 sowie die Artikel 1 und 2 in der Vorlage der Drucksache 17/2583. Für die Besprechung der Aktuellen Stunde bzw. die Beratung steht den Fraktionen jeweils eine Redezeit von bis zu zehn Minuten zur Verfügung, die auf zwei
Redebeiträge aufgeteilt werden kann. – Es beginnt die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, Frau Kapek. – Bitte schön, Sie haben das Wort, Frau Kollegin!
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ja, man kann sogenannte Volksgesetze ändern. Rechtlich ist dies vollkommen unbedenklich.
Aber wenn man dieses tut, dann sollte man es zumindest auf eine politisch verantwortliche Weise tun.
Sprich, mit einer nachvollziehbaren Begründung, mit einer transparenten und auch ehrlichen Kommunikation und mit einem überzeugenden Konzept dafür, was sich durch diese Änderung verbessern soll. Angesichts der Vorgeschichte des Volksentscheids Tempelhof und vor dem Hintergrund des außergewöhnlich klaren Votums für dieses Volksgesetz wäre dieses einmal mehr geboten.
Was Sie aber in den letzten Wochen betrieben haben, war das genaue Gegenteil davon. Im Schweinsgalopp soll eine Änderung des Tempelhof-Gesetzes durch das Parlament gepeitscht werden.
Die Kommunikation lief mit täglich neuen Wasserstandsmeldungen zu angeblichen Plänen geradezu unterirdisch. Eine Bürgerversammlung vor einer Woche musste als reine Schaufensterveranstaltung herhalten, und das, obwohl die Koalitionsfraktionen bereits Tage zuvor ihre Zustimmung zu dem Gesetz ausgedealt hatten. Eine Machbarkeitsstudie für die Unterbringung von 7 000 Menschen, ganz zu schweigen von einem ressortübergreifenden Konzept des Berliner Senats, gibt es bis heute nicht.
Nein, diese Art von Umgang ist politischer Irrsinn und ein gefährlicher noch dazu. Ihr Verhalten führt zu Politikverdrossenheit, demotiviert all diejenigen, die sich ehrenamtlich vor Ort, aber auch an anderen Stellen engagieren, und spielt leider vor allem denen – das hat man auch auf der Bürgerversammlung letzte Woche gesehen – in die Hände, die auf „die da oben“ schimpfen, die „sowieso machen, was sie wollen“, und das alles auf dem Rücken der Flüchtlinge.
Lieber Herr Oberg! Auch Sie sollten endlich einsehen, die Berliner wollen nicht mehr von oben regiert werden.
Und das alles, obwohl gar keine Gesetzesänderung nötig wäre! Denn es wäre auch heute schon möglich, sowohl die Unterbringung als auch Versorgungs- und Integrationsbauten ohne Not vor Ort unterzubringen. Temporäre Bauten am Tempelhofer Damm, am Columbiadamm, in den Innenhöfen oder auf dem Vorfeld könnten Sie ohne eine Gesetzesänderung jederzeit aufstellen.