Sehr geehrte Damen und Herren! Ich eröffne die 2. Sitzung des Abgeordnetenhauses von Berlin und begrüße Sie, unsere Gäste und Zuhörer sowie die Medienvertreter sehr herzlich.
Zu Beginn der heutigen Plenarsitzung habe ich eine traurige Pflicht zu erfüllen und bitte Sie, sich von Ihren Plätzen zu erheben.
Am 10. Oktober dieses Jahres ist der Berliner Horst Grabert im Alter von 83 Jahren verstorben. Er war ein Politiker, dessen bedeutender Anteil an der Entspannungspolitik Willy Brandts sich auch aus seinen Erfahrungen in der geteilten Stadt Berlin erklärt. Mit seinem Wirken als Politiker und Diplomat hat sich Horst Grabert um seine Stadt und um sein Land verdient gemacht.
1927 in Berlin geboren, wurde er von den Nationalsozialisten verfolgt und musste 1942 die Oberschule verlassen. Nach dem Krieg absolvierte er ein Studium an der Technischen Universität Berlin und legte zwei Examen ab, eines als Diplom-Ingenieur und ein weiteres als BauAssessor. Danach arbeitete er bei der Senatsverwaltung für Bau- und Wohnungswesen und stieg vom Baurat bis zum Baudirektor seiner Behörde auf.
Die Erfahrung von Verfolgung und Krieg bewog Horst Grabert, 1946 in seinem Heimatbezirk Steglitz der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands beizutreten. Von 1952 bis 1963 brachte er sein Wissen und sein Engagement zunächst als Bürgerdeputierter und später als Bezirksverordneter in der Bezirksverordnetenversammlung Steglitz ein. Von 1958 bis 1963 stand er als Vorsitzender der SPD-Fraktion in der Bezirksverordnetenversammlung Steglitz vor. 1962 wählten ihn die Steglitzer Sozialdemokraten zu ihrem Vorsitzenden. 1963 wurde er zum Senatsbaudirektor berufen, bis er 1967 die Leitung der Senatskanzlei unter dem Regierenden Bürgermeister Heinrich Albertz übernahm. 1969 wurde der Sozialdemokrat Senator für Bundesangelegenheiten und war zeitweilig Unterhändler für Passierscheinfragen – ein Thema, das die Berlinerinnen und Berliner ganz besonders bewegte. Von April 1971 bis Januar 1973 gehörte Horst Grabert dem Berliner Abgeordnetenhaus an.
Nach der Bundestagswahl 1972 holte Willy Brandt ihn als Chef des Bundeskanzleramtes nach Bonn. Damit war er während der schwierigsten Phase der Kanzlerschaft Brandts im Zentrum der Macht und musste unter großem Druck schwierige Entscheidungen mittragen und durchsetzen.
Nach dem Rücktritt Willy Brandts verließ auch Horst Grabert die damalige Bundeshauptstadt und wurde deutscher Botschafter in Wien. Der Höhepunkt seiner Tätigkeit dort war sicherlich der gelungene Besuch des Bundespräsidenten Scheel im Februar 1979 in Österreich. Im Frühjahr desselben Jahres wurde Horst Grabert Botschafter in Jugoslawien. Hier konnte er an einer deutlichen Verbesserung der deutsch-jugoslawischen Beziehungen mitwirken. Von 1984 bis 1987 vertrat er die Bundesrepublik im irischen Dublin.
Sein Leben hat den Steglitzer Bezirksverordneten Horst Grabert weit geführt: bis zum Kanzleramtschef in Bonn und zum Botschafter der Bundesrepublik in europäischen Hauptstädten. Als enger Vertrauter von Willy Brandt und Egon Bahr hat Horst Grabert seinen Anteil zur deutschen Ostpolitik beigetragen. Der Botschafter Grabert hat die Konzeption der Ostpolitik im diplomatischen Tagesgeschäft umgesetzt.
Unser Respekt gilt seinen Verdiensten für Berlin und für Deutschland. Wir trauern um unseren ehemaligen Kollegen Horst Grabert und gedenken seiner mit Hochachtung.
Das Abgeordnetenhaus von Berlin trauert um den früheren Abgeordneten, Bürgermeister, Senator und Stadtältesten Heinz Striek. Er starb am 29. Oktober 2011 im Alter von 93 Jahren in Berlin.
1918 in Berlin geboren, absolvierte Heinz Striek nach der Mittleren Reife eine Banklehre und war bis zum Kriegsausbruch als Angestellter tätig. 1939 wurde er eingezogen und kam gegen Kriegsende zuerst in amerikanische und dann in englische Kriegsgefangenschaft. 1946 kehrte Heinz Striek nach Berlin zurück, arbeitete bei der Berliner Steuerverwaltung und nach dem Besuch der Finanzschule als Steueroberinspektor. Später wurde er Beamtensekretär beim Deutschen Gewerkschaftsbund. Nach seiner politischen Karriere arbeitete er als Steuerberater.
1946 trat Heinz Striek in die SPD ein und wurde 1954 zum ersten Mal in das Berliner Landesparlament gewählt. Dem Abgeordnetenhaus gehörte Heinz Striek mit einer Unterbrechung insgesamt 21 Jahre an. 1962 wurde er Senatsdirektor für Finanzen und fünf Jahre später Finanzsenator unter den Regierenden Bürgermeistern Heinrich Albertz und Klaus Schütz. Der Sozialdemokrat setzte sich für ausgeglichene Haushalte, aber auch für konjunkturelle Impulse für die Westberliner Insel ein. Unvergessen ist, dass Senator Striek in seiner Verwaltung als erster im öffentlichen Dienst des Landes Berlin die elektronische Datenverarbeitung einführte.
Heinz Striek war nicht nur ein leidenschaftlicher Politiker, sondern auch ein begeisterter Fußballfunktionär. Um „seinen“ Verein Hertha BSC und den Berliner Fußball hat er sich außerordentlich verdient gemacht. Sein erstes
Spiel sah er bereits 1928 im Alter von zehn Jahren. Er war langjähriger Vizepräsident und Schatzmeister der Hertha und verpasste fast kein Spiel. Als moralische Instanz im Verein hat er alle Veränderungen, Krisen und Siege des Vereins begleitet.
Über 20 Jahre lang, von 1976 bis 1998, setzte sich Heinz Striek als Landesvorsitzender der Deutsch-Israelischen Gesellschaft für Aussöhnung und für die Vertiefung der Beziehungen zwischen Deutschland und Israel ein. Seine Heimatstadt ehrte ihn 1985 für seine große Lebensleistung mit der Verleihung der Würde eines Stadtältesten von Berlin.
Heinz Striek war bekannt für seine Aufrichtigkeit und Bescheidenheit. Hinter seiner sachlichen Art verbargen sich große Emotionen und die unverbrüchliche Treue zu seiner Stadt und seinem Fußballverein. Seine Leidenschaftlichkeit für zukunftsweisende Politik bleibt für uns Verpflichtung und Ansporn zugleich. Unsere Gedanken sind in dieser Stunde bei seiner Familie.
Berlin nimmt Abschied vom langjährigen Abgeordneten und Christdemokraten Heinz Zellermayer. Er gehörte dem Landesparlament von 1959 bis 1979 über fünf Legislaturperioden hinweg an. Heinz Zellermayer starb am 31. Oktober 2011 im Alter von 96 Jahren.
1915 in Berlin geboren, absolvierte Heinz Zellermayer nach dem Besuch des Realgymnasiums eine Ausbildung zum Hotelkaufmann. 1936 wurde er zum Arbeitsdienst herangezogen. Ein Jahr später erhielt er den Einberufungsbescheid zum Wehrdienst. Nach dem Zweiten Weltkrieg übernahm Heinz Zellermayer als Inhaber das von seinem Vater gegründete „Hotel am Steinplatz“. Er wurde Obermeister der Hotel- und Gaststätteninnung Berlin und war Mitbegründer des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes DEHOGA. In den 50er-Jahren eröffnete er das Parkhotel Zellermayer an der Meinekestraße. Heinz Zellermayer gelang es in den folgenden Jahrzehnten, wirtschaftlich erfolgreich zu bleiben, zahlreiche Ehrenämter im Bereich der Hotellerie und der Gastronomie auszuüben und dabei politisch engagiert zu sein.
Von 1959 bis 1979 gehörte der Christdemokrat Zellermayer zwei Jahrzehnte lang unserem Parlament an und engagierte sich im Wirtschaftsausschuss. Er verkörperte den Prototyp des erfolgreichen Berliner Unternehmers. Er bereicherte die Debatten des Abgeordnetenhauses mit seinen von wirtschaftlichem Optimismus und hoher Sachkenntnis geprägten Reden.
1948 gelang Heinz Zellermayer ein Bravourstück der unternehmerischen Interessenvertretung. Er setzte sich bei den Alliierten der Westsektoren für eine Aufhebung der Sperrstunde ein. „Die Franzosen und Engländer setzten mich gleich wieder vor die Tür“, erzählte Zellermayer
später einmal. Aber General Howley, der erste Kommandant der US-Besatzungstruppen, stimmte der Aufhebung der Sperrstunde für eine Probezeit von 14 Tagen zu. Dabei ist es bis heute geblieben – zum Glück für die heutige Weltstadt Berlin.
Im gesellschaftlichen Leben Westberlins war Heinz Zellermayer eine angesehene und beliebte Persönlichkeit, wirtschaftlich und sozial engagiert, eine Institution weit über seine Branche hinaus. Bis ins hohe Alter wirkte er aktiv im Deutschen Hotel- und Gaststättenverband mit und hatte das Amt des Ehrenobermeisters in Berlin inne. 1985 wurde Heinz Zellermayer für seine Verdienste um Hotellerie und Tourismus das Große Verdienstkreuz des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland verliehen.
Berlin verliert mit Heinz Zellermayer eine prägende Unternehmerpersönlichkeit und einen engagierten Christdemokraten. Wir werden ihm ein ehrendes Andenken bewahren.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Sie haben sich zu Ehren der Verstorbenen von Ihren Plätzen erhoben. Ich danke Ihnen.
Zunächst habe ich wieder Geschäftliches mitzuteilen. Ich weise Sie auf die Ihnen vorliegenden Sitzungstermine für das Jahr 2012 hin. Für das restliche Jahr 2011 empfiehlt der Ältestenrat die beiden Sitzungen am 24. November sowie am 8. Dezember 2011. – Ich höre dazu keinen Widerspruch, dann sind diese beiden Termine so beschlossen. Wer nun dem vorliegenden Terminplan für die Plenarsitzungen im Jahr 2012 zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. Danke schön! – Gibt es Gegenstimmen? Stimmenthaltungen? – Dann ist das einstimmig so beschlossen.
In Richtung Pressetribüne weise ich darauf hin, dass auch in dieser Wahlperiode darum gebeten wird, dass keine Kameras auf die Unterlagen der Abgeordneten gerichtet werden. Wir werden das auch konsequent durchsetzen – vielen Dank!
1. Antrag der Fraktion der SPD zum Thema: „Charité und Max-Delbrück-Centrum – Zusammenarbeit für Spitzenergebnisse in Wissenschaft und Forschung“,
2. Antrag der Fraktion der CDU zum Thema: „Charité und Max-Delbrück-Centrum – Zusammenarbeit für Spitzenergebnisse in Wissenschaft und Forschung“,
3. Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zum Thema: „Klimakrise verschärft sich – und SPD und CDU verweigern sich, Berlins klimapolitische Verantwortung anzunehmen“,
4. Antrag der Fraktion Die Linke zum Thema: „Erhöhung des Mindestlohns auf 8,50 Euro bei öffentlicher Auftragsvergabe in Berlin jetzt umsetzen“.
Zur Begründung der Aktualität erteile ich zunächst einem Mitglied der Fraktion der SPD das Wort. – Herr Kollege Isenberg – bitte schön!
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Erinnern wir uns – noch heute ist die deutsche Forschungsgemeinschaft begeistert: Am Donnerstag, 23. Juni 2005, kurz nach 17 Uhr, kam die erlösende Nachricht über den Nachrichtenticker. Die Ministerpräsidenten und der Bundeskanzler sowie die SPD-Bundesministerin Edelgard Bulmahn hatten den Weg für die sogenannte Exzellenzinitiative freigemacht. Mit dieser Initiative ist es gelungen, zusätzliche Milliarden Euro – auch in Berlin – für die deutschen Hochschulen bereitzustellen. Aufbruch und Erneuerung in Bildung und Forschung, Exzellenz in Wissenschaft, aber auch hervorragende universitäre Forschung, Lehre, universitäre Krankenversorgung auf maximalem Niveau – diesen Weg der Exzellenzinitiative neu zu justieren und auszugestalten, dafür lohnt es sich, politisch zu schaffen, das ist es, was wir uns für die nächsten Jahre vorgenommen haben.
Der frische Wind von damals weht noch heute. Rund 50 Tage nach Beginn der Sondierungsgespräche, nur rund sechs Wochen nach Aufnahme der Koalitionsverhandlungen zeigt sich, die SPD und ihr zukünftiger Koalitionspartner – herzlichen Glückwunsch, vermutlich, meine sehr geehrten Damen und Herren von der Union! – sind dabei, zukünftig zuzupacken und mit Klaus Wowereit einen neuen, leistungsfähigen Senat zu bilden, der diesen Weg weiter ausgestaltet. Berlin ist gut, die SPD und die Union in einer möglichen Koalition sind stark für Berlin!
Was sich aus den bisherigen Erkenntnissen der Zustimmung des Bundes zur Exzellenzinitiative abzeichnet, ist ein Erfolg für Berlin.
Gut für Berlin, nicht langweilig und auch nicht verstaubt, sondern erneuter Aufbruch zu neuen Stärken, Dynamik und Mut, und – das ist mir wichtig – mit viel Spaß am politischen Gestalten, das ist es, was sich für die nächsten Jahre in Berlin abzeichnet.
Die jüngsten Erfolge bei den Verhandlungen mit dem Bund zur Kooperation der Charité mit dem MDC sind ein Vorgeschmack auf diesen frischen Wind, der durch die Stadt wehen wird.
Berlin und Deutschland brauchen Spitzenuniversitäten und Universitätskliniken mit internationaler Ausstrahlung – neben der Breitenförderung für jeden, der ein Studium aufnimmt oder aufnehmen möchte. Berlin ist schon heute spitze in vielen Forschungsgebieten. Die universitäre Medizin mit der Charité und auch die außeruniversitären Einrichtungen wie dem MDC sind Weltklasse. Über 1 400 qualifizierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beim MDC, 17 Charité-Centren mit über 103 Kliniken und Instituten, 230 Professorinnen und Professoren, 16 Sonderforschungsgebiete und Exzellenzcluster – das ist der Bereich der Life Sciences, das ist der Bereich, mit dem wir in Berlin heute schon wuchern können.
Darauf ruhen wir uns nicht aus, vielmehr packen wir mutig an, wenn es darum geht, künftig in Deutschland – aber auch in Europa – Spitzenklasse und Weltklasse zu sein.
Um es mit den Worten des zu Beginn des Jahres amtierenden Vorsitzenden des Wissenschaftsrats zu sagen: In Zeiten, in denen Wissenschaft immer spezialisierter wird, wird die zunehmende Zusammenarbeit zwischen den Disziplinen immer wichtiger. In besonderer Weise gilt es für die Universitätsmedizin mit ihren vielen außeruniversitären Einrichtungen und zahlreichen Teilfächern, sich gut aufzustellen. Exzellenzbildung nicht nur in den nächsten Jahren, sondern auch darüber hinaus, ist eben auch und gerade eine nationale Aufgabe. Die politischen Hausaufgaben haben wir in Berlin gemacht, jetzt ist der Bund an der Reihe.
Lassen Sie mich auch als Gesundheitspolitiker sagen: Es ist gut, wenn die Spitzenleistungen der Grundlagenforschung des MDC beispielsweise bei Krebs und HerzKreislauf-Erkrankungen schnell in den Versorgungsalltag der schwerstkranken Patientinnen und Patienten der Universitätskliniken übergehen. Es macht genauso viel Sinn, die Praxiserfahrungen exzellenter Ärztinnen und Ärzte, exzellenter universitärer Klinikerinnen und Kliniker bei der Ausgestaltung der Hochleistungsforschungsprogrammatik intensiv einzubeziehen.
Das schon heute erfolgreiche Zukunftscluster Gesundheit wird auf diesem Weg nachhaltig und mit großen Chancen für sowohl Patientinnen und Patienten wie auch der Berliner Forschung, Lehre und Gesundheitswirtschaft gestärkt. Die neue Charité-, MDC- und Bundeskooperation wird Maßstäbe setzen. Das hilft auch der Charité, sich in den nächsten Jahren intensiv auf ihre wissenschaftliche Exzellenz zu konzentrieren.