Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich eröffne die 37. Sitzung des Abgeordnetenhauses von Berlin und begrüße Sie, unsere Gäste und Zuhörer sowie die Medienvertreter sehr herzlich.
Zu Beginn etwas Erfreuliches: Ich beglückwünsche den Kollegen Benedikt Lux von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zur Geburt des Sohnes Jannick Dae-An. – Herzlichen Glückwunsch! Alles Gute für die gesamte Familie!
Dann habe ich wieder Geschäftliches zur Tagesordnung mitzuteilen: Am Montag sind folgende fünf Anträge auf Durchführung einer Aktuellen Stunde eingegangen:
3. Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zum Thema: „Ja zum Klimaschutz am 3. November – saubere und bezahlbare Energie per Volksentscheid durchsetzen“,
4. Antrag der Fraktion Die Linke zum Thema: „Berlinerinnen und Berliner lassen sich von SPD und CDU nicht für dumm verkaufen. Deshalb: Beim EnergieVolksentscheid am 3. November mit Ja stimmen!“,
5. Antrag der Piratenfraktion zum Thema: „Am 3.11. Hamburg einholen und für den Volksentscheid stimmen!“
Zur Begründung der Aktualität erteile ich zunächst einem Mitglied der Fraktion der SPD das Wort. – Bitte, Frau Kollegin Radziwill!
Herr Präsident! Meine Damen, meine Herren! Es gibt viele aktuelle Themen in unserer Stadt. Eines der aktuellen Themen ist aus unserer Sicht Integrations- und Flüchtlingspolitik. Über eines der aktuellen Themen, das landeseigene Stadtwerk, werden wir heute auch ausführlich debattieren. Sie können sicher sein, dass die Gründung eines landeseigenen Stadtwerks für meine Fraktion von sehr großer Bedeutung ist, denn wir wollen saubere und bezahlbare Energie für die Berlinerinnen und Berliner. Diese Form der Rekommunalisierung ist aus unserer Sicht sinnvoll, und das werden wir bei einem anderen Tagesordnungspunkt debattieren.
Das ist nun mal nicht das einzige Thema in unserer Stadt, und deshalb wollen wir heute mit Ihnen über das Thema Integrations- und Flüchtlingspolitik in der Aktuellen
Stunde für eine bessere Asylgesetzgebung diskutieren. Gerade in der Zeit der Verhandlung um die Bildung einer neuen Bundesregierung ist es wichtig, aus der Hauptstadt diesen Schwerpunkt zu setzen und Aufmerksamkeit bei der Verhandlungsgruppe zu erreichen. Meiner Fraktion und den Kolleginnen und Kollegen in der Koalition sind die Menschen, die Schutz und Hilfe in unserer Stadt suchen, wichtig. Uns sind die Anliegen der Flüchtlinge wichtig. Uns ist die Integrationspolitik wichtig. Noch vor einigen Wochen, im Bundestagswahlkampf, konnten Sie landauf, landab die sozialdemokratischen Forderungen für eine modernere Asylpolitik deutlich vernehmen. Daran halten wir auch in Berlin fest. Es ist an der Zeit, dass endlich auf der Bundesebene bei den Koalitionsverhandlungen Verbesserungen erreicht werden.
Wir wollen Folgendes, und zu Recht fordert das auch die Berliner Integrationssenatorin ein. Erstens: Wir wollen die Asylbewerberleistungsgesetze modernisieren. Hierzu hat unter anderem das Bundesverfassungsgericht klare Aussagen gemacht. Zweitens: Wir wollen die Residenzpflicht abschaffen; sie ist menschenunwürdig.
Drittens: Wir wollen, dass Flüchtlinge einen Zugang zum Arbeitsmarkt bekommen. Viertens: Wir wollen, dass Flüchtlinge, die schon länger hier sind, ein Bleiberecht bekommen. Fünftens: Wir wollen ihre Integration so früh wie möglich fördern und ihnen die Teilnahme an Integrations- und Sprachkursen ermöglichen.
Es ist nun an der Zeit, werte Kollegen, endlich diese Forderungen auf politischer Ebene, auf der Bundesebene umzusetzen. Wir finden das Thema unserer Aktuellen Stunde deshalb wichtig, um hier noch einmal aus Berlin ein Zeichen zu setzen.
Es gilt aber auch, die Partizipation an den demokratischen Prozessen für Menschen mit Migrationshintergrund, die länger hier leben, zu verbessern. Die Möglichkeit der doppelten Staatsbürgerschaft für Migrantinnen und Migranten aus Drittstaaten muss auf der Bundesebene umgesetzt werden. Auch hier kann ich nur sagen: Das fördert die Integration und die Demokratie, und auch da wollen wir aus Berlin ein Zeichen setzen.
Flüchtlinge dürfen in unserem Rechtsstaat auf ihre Situation aufmerksam machen, und sie dürfen protestieren. Das ist ihr gutes Recht und das auch auf dem Pariser Platz. Die Unterbrechung des Hunger- und Durststreiks ist sinnvoll, ihre Botschaft ist angekommen. Die zuständigen Senatsmitglieder für Integration, Frau Kolat, für Soziales, Herr Czaja, aber auch für Inneres, Herr Henkel, werden mit ihren Möglichkeiten Hilfestellung leisten. Geltende Bundesgesetze können wir nicht einfach ignorieren, aber wir können gemeinsam Veränderungen einfordern und diese auch gemeinsam umsetzen.
Gern spreche ich an dieser Stelle meinen Dank an die Gemeinde der Heilig-Kreuz-Kirche aus. Sie hat den Flüchtlingen vom Pariser Platz unkompliziert eine Unterbringung angeboten. Dieses ist eine Interimslösung. Die zuständigen Senatsverwaltungen werden sie und auch die Flüchtlinge am Oranienplatz bei der Suche nach einer besseren Bleibe unterstützen.
Über das aktuelle Thema Integrations- und Flüchtlingspolitik in Berlin wollen wir heute mit Ihnen in der Aktuellen Stunde ausführlich debattieren. Ich werbe um Ihre Zustimmung und bedanke mich für Ihre geschätzte Aufmerksamkeit.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Bilder aus Syrien, aber auch die Nachrichten über gekenterte Boote vor der Mittelmeerinsel Lampedusa lassen uns nicht kalt. Sie zeigen das unermessliche Leid vieler Menschen. Daher müssen wir uns fragen: Welche Verantwortung für die Vorgänge im Mittelmeer trifft uns? Werden wir unserer Verantwortung gerecht? Und werden wir ihr auch gerecht bei unserem Umgang mit den Asylbewerbern in unserem Land?
Erstens ist zunächst zu konstatieren, dass Deutschland auf vielfältige Weise zu helfen versucht. Durch Diplomatie und Aufbauhilfe versucht unser Land in vielen Krisenregionen der Welt, die Not zu lindern und die Situation zu verbessern. Durch ein rechtsstaatliches Asylverfahren stellen wir zudem sicher, dass diejenigen, die bei uns um Schutz nachsuchen, ein faires Asylverfahren erhalten.
Manche sagen, das ist zu wenig. Von denjenigen, die das sagen, räumen aber die Vernünftigeren gleichfalls ein, dass unser Land wohl mit der Aufnahme aller auf der Flucht befindlichen Syrer überfordert wäre.
Und wenn das richtig ist, muss man darauf hinweisen, dass es nicht viele andere Staaten gibt, die dem deutschen Beispiel bislang gefolgt sind und neben den Asylbewerbern ein nennenswertes Kontingent an syrischen Flüchtlingen aufgenommen haben.
Zweitens stellt sich somit die Frage, welche Handlungspflicht unser Land im Hinblick auf die Lage der Schiffbrüchigen vor der Mittelmeerinsel Lampedusa hat. Zunächst möchte ich mit der Legende aufräumen, die europäischen Südstaaten – also die Mittelmeeranrainerstaaten Italien, Spanien, Griechenland – seien einer Flut von Flüchtlingen ausgesetzt, der sie nicht gewachsen sein können. Wenn ich mir die vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge veröffentlichten Zahlen ansehe, frage ich mich, von welcher Flüchtlingsflut da gesprochen wird. Griechenland hat im Jahr 2012 über 9 575 Asylanträge zu entscheiden gehabt, Italien über 17 350 Asylanträge und Spanien, ebenfalls Mittelmeeranrainer, über 2 565 Asylanträge. Unser Land Deutschland hat über 77 651 Asylanträge zu entscheiden gehabt. Auch wenn Sie das umrechnen auf die Größe, die Population eines jeden Landes, liegen wir damit weit vorne. Diese Zahlen zeigen, dass es keine Zumutung für unsere südeuropäischen Freunde ist, ihrer Verantwortung als Mittelmeeranrainerstaaten uneingeschränkt nachzukommen.
Drittens, die Zahlen machen deutlich, dass es gerade wegen der Emotionalität dieses Themas ratsam ist, die Fakten zur Kenntnis zu nehmen. Da die Zahlen so sind, wie ich sie vorgetragen habe, sollten wir unser Augenmerk auf die Lage der Flüchtlinge in unserem eigenen Land richten.
Und wie ist sie zu den Asylbewerbern, die vor der Kulisse des Brandenburger Tores versucht haben, ihren Forderungen durch einen Hungerstreik Nachdruck zu verleihen? Zunächst sind wir sicher alle erleichtert, dass es gelungen ist, die Betroffenen von der Fortsetzung ihres Hungerstreiks abzubringen. Allen, die daran mitgewirkt haben, möchte ich auch von dieser Stelle aus danken.
Uns liegt nun unter anderem ein Antrag der Grünen vor, in dem diese ein Bleiberecht für alle fordern. Da geht es zum einen um die Lampedusa-Flüchtlinge, die über Libyen und Italien nach Deutschland gekommen sind und die aufgrund des geltenden Asylrechts ihre Asylverfahren in Italien zu führen haben. Es geht zum anderen um die Asylbewerber, die es aufgrund Verletzung geltenden Rechts, nämlich der Residenzpflicht, versäumt haben, ihre Rechte in laufenden Asylverfahren fristgerecht wahrzunehmen. Meine Sorge, die ich diesen Vorschlägen entgegenbringe, ist, dass Sie hier mit Anträgen Präzedenzentscheidungen fällen wollen, die eine Einladung an andere darstellen, es ihnen gleichzutun. Deswegen, glaube ich, ist es viel wichtiger, dass wir uns einzelfallbezogen um die Schicksale der Betroffenen kümmern und sie
Daher begrüße ich viertens die Anstrengungen des Senats, für eine Unterbringung von LampedusaSchiffbrüchigen und anderen im Rahmen einer Winterschutzhilfe zu sorgen. Das ist ein Akt der Menschlichkeit und schafft keinen falschen Präzedenzfall. Ich möchte das Engagement vieler Ehrenamtlicher, insbesondere auch der christlichen Kirchen, anerkennen, hier für Notunterkünfte zu sorgen.
In der Kürze der Zeit konnte ich diese Fragen nur andiskutieren. Aber da das Thema viele Menschen in unserer Stadt bewegt, schlagen auch wir vor, dieses Thema in der Aktuellen Stunde zu behandeln. Vielen Dank!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Eine Vorbemerkung: Natürlich wollen wir heute über beides reden, über die Flüchtlingspolitik und über das Stadtwerk.
Wir sind der Auffassung, dass wir bei der Flüchtlingspolitik von den üblichen Schuldzuweisungen und dem großen Theater wegkommen sollten und uns konkret über Lösungen für die Menschen, die ein konkretes humanitäres Problem haben – hier am Oranienplatz – zu verständigen und zu gucken, wie wir denen aus dieser schlimmen Situation helfen können. Darüber wollen wir mit Ihnen reden.
Beim Stadtwerk macht es einen Unterschied, ob es die Aktuelle Stunde ist oder eine Priorität. In der Aktuellen Stunde müsste Frau Yzer als zuständige Senatorin hier erstmals sagen, was sie denn machen will mit diesem Stadtwerk. Das wollen wir wissen! Deshalb muss es die Aktuelle Stunde sein. Denn die Leute, die abstimmen, die Berlinerinnen und Berliner, die aufgerufen sind abzustimmen, sollen erfahren, was die ab heute zuständige Senatorin zu diesem Thema zu sagen hat.