Protocol of the Session on June 19, 2014

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich eröffne die 50. Sitzung des Abgeordnetenhauses von Berlin. Ich möchte Sie begrüßen, unsere Gäste und Zuhörer sowie die Vertreter der Medien.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, meine Damen und Herren! Vor Beginn der Beratungen habe ich eine traurige Pflicht zu erfüllen. Ich bitte Sie, sich von Ihren Plätzen zu erheben.

[Die Anwesenden erheben sich von ihren Plätzen.]

Am späten Abend des vergangenen Donnerstags starb unser ehemaliger Kollege Werner Salomon im Alter von 87 Jahren. Seine eigentliche Berufung fand er in der Aufgabe, Spandauer Bezirksbürgermeister zu sein. Dies war er von 1979 bis 1992. Mit Leidenschaft, aber immer mit Augenmaß füllte er dieses Wahlamt aus. Die Spandauerinnen und Spandauer verehrten ihn dafür und gaben ihm den Titel „König Salomon“. Werner Salomon lässt sich auch heute noch im Rückblick als Prototyp des Bezirksbürgermeisters bezeichnen. Bürgernähe, das war sein Markenzeichen.

Geboren wurde Werner Salomon am 1. Oktober 1926 in Berlin-Charlottenburg. In Spandau ging er zur Schule und erwarb dort nach dem Zweiten Weltkrieg das Abitur, um dann eine Ausbildung als Steuerinspektor einzuschlagen. 1960 trat Werner Salomon der SPD bei. Zuvor war er engagierter Gewerkschafter für die Beamten im Deutschen Gewerkschaftsbund.

1971 wurde Werner Salomon ins Abgeordnetenhaus von Berlin gewählt. Er behielt das Mandat bis Februar 1974. 1973 übernahm er zusätzlich die Aufgabe des Arbeitsdirektors bei der GASAG. Diese Arbeit legte er nieder, nachdem er 1979 zum Bezirksbürgermeister von BerlinSpandau gewählt wurde.

Werner Salomon war ein populärer Bezirksbürgermeister. Er hatte für die Bürgerinnen und Bürger seines Bezirks immer ein offenes Ohr, kümmerte sich auch direkt um ihre Anliegen und Sorgen. Dabei begriff Werner Salomon die Bezirkspolitik nie als Nabelschau. Sein Blick ging auch immer über die eigenen Bezirksgrenzen hinweg. Über die Partnerschaften des Bezirks Spandau betrieb er „Spandauer Außenpolitik“. So beriet er etwa die Stadtväter in Kairo in kommunalen Verwaltungsangelegenheiten. Oder während des Golfkrieges zeigte er sich solidarisch mit der israelischen Partnerstadt Ashdod – er reiste dort hin.

Und auch in der Deutschlandpolitik engagierte sich Werner Salomon auf eigene Art: So brachte er 1988 nach mehreren Anläufen eine Partnerschaft zur brandenburgi

schen Stadt Nauen in der DDR auf den Weg. Zu Nauen unterhielt er auch nach der Wiedervereinigung intensive Kontakte.

1992 legte Werner Salomon die Amtskette ab. Er ging in den Ruhestand, setzte sich aber nicht zur Ruhe. Ihm wurde 1993 wegen seiner Verdienste die Würde eines Stadtältesten verliehen. Zudem engagierte er sich weiterhin im Spandauer Partnerschaftsverein, beim Arbeiter-Samariter-Bund der Stadt Nauen, beim Fußball-Club 1. FC Spandau und in der Vereinigung ehemaliger Mitglieder des Abgeordnetenhauses.

Vor wenigen Wochen schrieb Werner Salomon:

Menschen, die in die Kommunalpolitik gehen, müssen für ihre Aufgabe brennen, das heißt, sie müssen ihr Leben ganz in den Dienst für ihre Stadt stellen.

Werner Salomon hat diesen Satz nicht nur geschrieben. Er hat ihn gelebt.

Unsere ehrliche Anteilnahme gehört seiner Frau und den Angehörigen.

[Gedenkminute]

Ich danke Ihnen, dass Sie sich zu Ehren des Verstorbenen erhoben haben.

Zunächst möchte ich dem Kollegen Christopher Lauer von der Piratenfraktion recht herzlich zum heutigen Geburtstag gratulieren. – Herr Kollege! Herzlichen Glückwunsch!

[Allgemeiner Beifall]

Leider muss ich an dieser Stelle einen schwerwiegenden Vorgang ansprechen. Aufgrund der Presseberichte über eine Durchsuchung der Büroräume des Abgeordneten Michael Braun und der Beschlagnahme von Akten habe ich am Montag, dem 16. Juni, die Prüfung der Einhaltung der Immunitätsregeln veranlasst. Es wurde sofort festgestellt, dass zwar eine Mitteilung der Staatsanwaltschaft über die Eröffnung eines Ermittlungsverfahrens aus dem Mai dieses Jahres vorlag, jedoch das spezielle Verfahren gemäß Anlage 5 unserer Geschäftsordnung nicht eingehalten worden war. Um die Arbeit der Justizorgane zu erleichtern, haben wir in der Anlage 5 der Geschäftsordnung auch die Durchsuchung und Beschlagnahme bei Abgeordneten zugelassen, ohne dass ein großes Immunitätsaufhebungsverfahren durchgeführt werden muss. Jedoch muss die Staatsanwaltschaft die Zustimmung des Rechtsausschusses einholen. Dies ist hier nicht erfolgt. Es gab keine Mitteilung an das Abgeordnetenhaus. Vermutlich ist die Staatsanwaltschaft erst durch Nachfragen der Parlamentsverwaltung auf das schwere Versäumnis aufmerksam geworden.

Gestern, am 18. Juni, habe ich in einem Schreiben an den Regierenden Bürgermeister um umfassende Aufklärung

den Vorgang den Abgeordneten Braun betreffend verlangt und um geeignete Veranlassung gebeten, damit die Justizbehörden, die aus Artikel 51 der Verfassung von Berlin und unserer Geschäftsordnung sich ergebenden Immunitätsregeln in Zukunft einhalten.

In der Zwischenzeit ist ein Schreiben des Staatssekretärs für Justiz, Herrn Straßmeir, eingegangen, mit dem eine Aufarbeitung des Vorgangs angekündigt wird. Das hat mir Herr Senator Heilmann vor anderthalb Stunden in einem Telefonat auch noch einmal zugesagt.

Die Immunitätsregeln schützen das Parlament als Ganzes. Über den Einzelfall hinaus hat der Vorgang eine prinzipielle Bedeutung, und das sage ich hier ganz deutlich: Er darf sich nicht wiederholen.

[Allgemeiner Beifall]

Ich habe dann wieder Geschäftliches mitzuteilen. Am Montag sind folgende fünf Anträge auf Durchführung einer Aktuellen Stunde eingegangen:

− Antrag der Fraktion der SPD zum Thema: „Randale in Friedrichshain-Kreuzberg und Gewalt gegen Polizisten – Berlin sagt entschieden Nein zu extremen Gewaltexzessen!“

− Antrag der Fraktion der CDU zum Thema: „Randale in Friedrichshain-Kreuzberg und Gewalt gegen Polizisten – Berlin sagt entschieden Nein zu extremen Gewaltexzessen!“

− Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zum Thema: „Verspielt der Senat das Renommee der Charité?“

− Antrag der Fraktion Die Linke zum Thema: „Olympia – erst bewerben, dann die Bürger fragen? SPD und CDU haben aus Tempelhof nichts gelernt.“

− Antrag der Piratenfraktion zum Thema: „Olympia nicht ohne die Berlinerinnen und Berliner! Keine Bewerbung ohne nachhaltiges und erfolgsversprechendes Konzept und transparente Beteiligungsverfahren.“

Ich lasse nun abstimmen, und zwar zunächst über den Antrag der Fraktion der CDU. Wer diesem Thema – Stichwort: Randale in Friedrichshain-Kreuzberg – zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die Koalitionsfraktionen und der fraktionslose Kollege. Gegenstimmen? – Das sind die Oppositionsfraktionen. Das Erste war die Mehrheit. Somit rufe ich dieses Thema für die Aktuelle Stunde unter Tagesordnungspunkt 1 auf. Die anderen Anträge auf Aktuelle Stunde haben damit ihre Erledigung gefunden.

Dann möchte ich auf die Ihnen vorliegende Konsensliste sowie auf das Verzeichnis der Dringlichkeiten hinweisen. Ich gehe davon aus, dass allen eingegangenen Vorgängen die dringliche Behandlung zugebilligt wird. Sollte dies im Einzelfall nicht Ihre Zustimmung finden, bitte ich um entsprechende Mitteilung.

Zur Entschuldigung von einem Senatsmitglied für die 50. Sitzung: Herr Senator Henkel ist von 14.30 Uhr bis 17.00 Uhr abwesend. Der Grund: Auf Einladung des Polizeipräsidenten nimmt er an der offiziellen Feierstunde anlässlich des 90. Geburtstags des Polizeipräsidenten a. D. Klaus Hübner teil. – Daran gab es Kritik der Opposition im Ältestenrat.

Dann kommen wir zu

lfd. Nr. 1:

Aktuelle Stunde

gemäß § 52 der Geschäftsordnung des Abgeordnetenhauses von Berlin

„Randale in Friedrichshain-Kreuzberg und Gewalt gegen Polizisten – Berlin sagt entschieden Nein zu extremen Gewaltexzessen!“

(auf Antrag der Fraktion der CDU)

Für die Besprechung der Aktuellen Stunde steht den Fraktionen jeweils eine Redezeit von bis zu zehn Minuten zur Verfügung, die auf zwei Redebeiträge aufgeteilt werden kann. Es beginnt die Fraktion der CDU. – Herr Dr. Juhnke! Bitte schön, Sie haben das Wort!

Vielen Dank, Herr Präsident! – Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Es ist keine neue Erkenntnis, dass wir im Abgeordnetenhaus alle zwei Wochen sicherlich genug wichtige Themen finden, über die man sprechen kann und die wir auswählen müssen. Zum Beispiel Charité: Die CDU entzieht sich bei keinem Thema der Debatte. Das gilt genauso für Senator Czaja. Aber auch die Beteiligung der Bürger an einer möglichen Olympia-Bewerbung ist ohne Frage aktuell. Für die CDU steht fest, dass eine Bewerbung nur mit großer Zustimmung der Bevölkerung gelingen kann. Nur mit einem umfassenden Dialog und begeisternden Konzepten kann man diese Basis schaffen.

[Beifall bei der CDU]

Da würden wir uns auch im Übrigen in einer Aktuellen Stunde nichts anderes von der Opposition einreden lassen.

Aber man muss Entscheidungen treffen, und das Haus hat sich für eine Aktuelle Stunde zu dem gesellschaftlichen Problem von Randale und Gewalt gegen unsere Polizei entschieden. Ich begrüße das ausdrücklich, denn es ist notwendig, dass wir als Volksvertreter in dieser Frage eine klare Position beziehen. Es ist Aufgabe der Stadtgesellschaft, diesen Auswüchsen die rote Karte zu zeigen.

[Beifall bei der CDU – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Das Thema „Gewalt gegen die Polizei“ ist leider ein Dauerbrenner. Es wächst die Zahl von Vorfällen, wo gegen Mitarbeiter der Polizei aggressiv und tätlich auf

(Präsident Ralf Wieland)

getreten wird. Dabei geht es nicht nur um körperliche Gewalt, sondern auch um verbale Gewalt – also Bedrohung, Beschimpfung und Beleidigung. Dies trifft auch nicht nur auf Polizeiangehörige zu, sondern auch auf Feuerwehrleute, Fahrkartenkontrolleure, Sicherheitspersonal bei der Bahn oder Zugbegleiter. Das ist auch kein Phänomen, das wir ausschließlich in Berlin beobachten – es ist in ganz Deutschland anzutreffen, ob in Ballungsräumen oder im ländlichen Raum. Deshalb sind die Lösungen, die wir suchen müssen, nicht lokal zu beschränken, und sie müssen auch alle gesellschaftlichen und politischen Wirkungsbereiche umfassen.

Die Polizei tut im Übrigen insbesondere in Berlin alles, was man auf dem Feld der Vertrauensbildung tun kann – im direkten Dialog mit den zumindest verständigen Bürgern auf der Straße oder auf Veranstaltungen oder in der Gewaltprävention insbesondere in den Schulen, wo die Beamten tatsächlich noch als Freund und Helfer wahrgenommen werden. Ich denke zum Beispiel an das Umfeld des 1. Mais, wo die Polizei Fußballturniere organisiert. Durch ständige Weiterbildungen und Erfahrungen im Umgang mit vielen verschiedenen Menschen und Kulturen bringt gerade die Berliner Polizei – wie vermutlich kaum eine andere Polizei in Deutschland – eine professionelle Haltung mit, die dem Grundsatz der Wahl des geringsten Mittels im Konfliktfall gerecht wird. Ständig werden auch mehr Mitarbeiter mit ausländischen Wurzeln bei der Polizei beschäftigt. So wird unsere Polizei kompetenter und einsatzfähiger. Nicht zuletzt hat die Berliner Polizei eine in Deutschland einmalige Erfahrung und Kenntnis in der Beherrschung von Großlagen mit Gewaltpotenzial. Diese Großlagen bewältigt sie im Übrigen fast zu 100 Prozent mit einer wohlausgewogenen Strategie, die auch Polizeiskeptiker – ich rede hier nicht von Leuten, die nicht bereit sind, ihre Vorurteile über Polizeigewalt zu revidieren – davon überzeugt, dass das Gewaltmonopol des Staates nicht missbräuchlich verwendet wird.

[Beifall bei der CDU – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Ich bin daher fest davon überzeugt, dass die Arbeit der Polizei in unserem Rechtsstaat keinen Anlass gibt, ihr gegenüber irgendwelche Gewalt zu rechtfertigen.