Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich eröffne die 77. Sitzung des Abgeordnetenhauses von Berlin und begrüße Sie, unsere Gäste, unsere Zuhörerinnen und Zuhörer sowie die Medienvertreter sehr herzlich!
Zunächst habe ich wieder Geschäftliches mitzuteilen: Am Montag sind folgende fünf Anträge auf Durchführung einer Aktuellen Stunde eingegangen.
− Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zum Thema: „Volksbegehren Radverkehr: Rot-schwarzer Senat blockiert Verkehrswende“
− Antrag der Fraktion Die Linke zum Thema: „Gestörtes Verhältnis der Koalition zu direkter Demokratie – politische Initiativen von Bürgerinnen und Bürgern erleichtern, nicht torpedieren!“
− Antrag der Piratenfraktion zum Thema: „Korruption, Vetternwirtschaft, Vergabeskandale – Czajas mangelnder Aufklärungswille verhindert weiterhin den Neuanfang am LAGeSo“
Die Fraktionen haben sich auf die Behandlung des Antrags der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen verständigt, sodass ich dieses Thema für die Aktuelle Stunde unter dem Tagesordnungspunkt 1 aufrufen werde. Die anderen Anträge auf eine Aktuelle Stunde haben damit ihre Erledigung gefunden.
Dann möchte ich auf die Ihnen vorliegende Konsensliste sowie auf das Verzeichnis der Dringlichkeiten hinweisen. Ich gehe davon aus, dass allen eingegangen Vorgängen die dringliche Behandlung zugebilligt wird. Sollte dies im Einzelfall nicht Ihre Zustimmung finden, bitte ich um entsprechende Mitteilung.
Entschuldigungen von Senatsmitgliedern für die 77. Sitzung: Folgende Entschuldigung lag bereits im Ältestenrat vor: Herr Senator Henkel ist ganztägig abwesend. Der Grund ist die Teilnahme an der mündlichen Verhandlung im NPD-Verbotsverfahren in Karlsruhe.
Nachträglich hat mich noch folgende Entschuldigung erreicht: Senatorin Scheeres abwesend von ca. 14.30 Uhr – –
Wenn jemand Nachfragen hat wegen der gestrigen Anwesenheit von Senator Henkel in Karlsruhe, dann kann er sich vielleicht bei seiner Fraktionsführung erkundigen. Ich finde, das ist im Ältestenrat ausführlich besprochen worden.
Senatorin Scheeres ist von ca. 14.30 Uhr bis 17.30 Uhr abwesend wegen der Teilnahme an der geschlossenen Ministerrunde im Rahmen der Konferenz International Summit on the Teaching Profession. – Heute bin ich davon unterrichtet worden, dass Frau Senatorin Yzer erkrankt ist. Ich möchte ihr und allen Kolleginnen und Kollegen, die wegen ihrer Erkrankung heute nicht hier sein können, im Namen des Hauses alles Gute und eine schnelle Genesung wünschen – und denen, die sich hierher geschleppt haben, auch.
[Beifall bei der SPD, den GRÜNEN und den PIRATEN – Martin Delius (PIRATEN): Schicken wir sie wieder nach Hause!]
Für die Besprechung der Aktuellen Stunde steht den Fraktionen jeweils eine Redezeit von bis zu zehn Minuten zur Verfügung, die auf zwei Redebeiträge aufgeteilt werden kann. Es beginnt die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. – Bitte, Herr Kollege Gelbhaar, Sie haben das Wort!
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Folgende zwei Sätze können Sie in den Zeitungen tagtäglich lesen: Der Radverkehr in Berlin wächst. Aber der Radverkehr wächst nicht wegen, sondern trotz der Politik des rot-schwarzen Senats.
Herr Kreins ist da, herzlich willkommen! – Die Zeitungen haben leider recht. Jetzt haben sich viele engagierte
Menschen zusammengefunden, die sich diese Verkehrspolitik des Senats nicht mehr gefallen lassen wollen, und das begrüßen wir. Der Senat hat Schwierigkeiten, damit einen Umgang zu finden, wie bisher mit jedem Volksbegehren.
Wir haben aus diesem Anlass die Aktuelle Stunde unter dem Titel „Volksentscheid Radverkehr: Rot-schwarzer Senat blockiert die Verkehrswende“ angemeldet. Dieses Thema bewegt die Berlinerinnen und Berliner wie nur wenige andere. Das geht uns Grünen so, aber ich meine, auch der Opposition insgesamt. Wir wollen eine andere, eine moderne Verkehrspolitik.
Mit Ihrer Politik, sehr geehrter Herr Verkehrssenator Geisel, mobilisieren Sie selbst für dieses nächste Volksbegehren. Haben Sie sich mal gefragt, warum so viele Menschen Zeit in ein Volksbegehren „Radverkehr“ investieren, anstatt die vielen schönen Dinge zu tun, die in Berlin sonst möglich sind? – Ich sage es Ihnen: Viele verstehen das so: Das Volksbegehren ist Notwehr gegen eine Politik, die den Fußgängern und Fahrradfahrern das Leben schwer macht, ja sie sogar tagtäglich gefährdet. Hören Sie diesen Menschen endlich zu, Herr Senator!
Doch, so ist es! – Als Bündnisgrüne wollen wir die Verkehrswende, denn ohne die Verkehrswende werden wir den Klimawandel nicht in den Griff bekommen, und der Radverkehr ist der Schlüssel dazu.
Ich höre von Ihnen, aber auch von den verkehrspolitischen Sprechern, ja, das wollen wir doch auch. Aber warum klappt das nicht? – Ich sage es Ihnen: Weil der politische Wille nicht da ist, weil Sie Papier schwärzen und das dann Radverkehrsstrategie des Senats nennen; aber eine Strategie ohne Umsetzung ist nichts wert, und das muss sich ändern.
In den letzten Jahren, ja Jahrzehnten haben sich viele Berlinerinnen und Berliner in den Fahrräten des Senats und der Bezirke redlich abgemüht, sei es vom ADFC, vom VCD, vom BUND oder von vielen anderen Verbänden und Initiativen. Immer wieder haben sie vom Verkehrssenator zu hören bekommen, was nicht geht, wie schwer alles ist und was es für Probleme gibt. Ich sage
Ihnen: Wenn Sie etwas wollen, dann finden Sie Wege. Wenn Sie etwas nicht wollen, dann finden Sie Gründe.
Aufgerieben haben Sie diese guten Leute und ein Schneckentempo hingelegt – unfassbar! Wenn Sie mit dieser Geschwindigkeit weiterarbeiten, dann haben wir in ca. 75 bis 80 Jahren an allen Hauptverkehrsstraßen eine Radverkehrsanlage. Mit Verlaub, das ist zu wenig, da muss mehr gehen. Und wenn dann Radwege noch im Nirwana enden oder wie an meiner Lieblingsstelle in der Nähe des Bundeskanzlerinnenamts einfach mal so eine Bake auf dem Radweg steht, das ist schon ziemlich hart. Deswegen haben wir heute zu Recht diese Aktuelle Stunde angemeldet,