Protocol of the Session on November 13, 2014

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich eröffne die 55. Sitzung des Abgeordnetenhauses von Berlin und begrüße Sie, unsere Gäste, unsere Zuhörerinnen und Zuhörer sowie die Vertreter der Medien sehr herzlich.

Ich möchte mit einem Glückwunsch beginnen. Der Landesverband Berlin der Partei Die Linke hat am Wochenende Vorstandswahlen durchgeführt. Stellvertretend für den Vorstand gratuliere ich dem wiedergewählten Landesvorsitzenden, Dr. Klaus Lederer, ganz herzlich!

[Allgemeiner Beifall]

Dann habe ich wieder Geschäftliches mitzuteilen. Am Montag sind folgende fünf Anträge auf Durchführung einer Aktuellen Stunde eingegangen:

− Antrag der Fraktion der SPD zum Thema: „Exzellente Wissenschaft in Berlin“

− Antrag der Fraktion der CDU zum Thema: „Exzellente Wissenschaft in Berlin“

− Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zum Thema: „Stillstand im Senat beenden, Entscheidungen angehen: S-Bahn, BER, öffentlicher Dienst, Sanierungsstau, Energiewende, Wohnungs- und Liegenschaftspolitik, Flüchtlingspolitik“

[Benedikt Lux (GRÜNE): Ich habe noch was vergessen!]

− Antrag der Fraktion Die Linke zum Thema: „Stillstand im Senat beenden, Entscheidungen angehen: S-Bahn, BER, öffentlicher Dienst, Sanierungsstau, Energiewende, Wohnungs- und Liegenschaftspolitik, Flüchtlingspolitik“

− Antrag der Piratenfraktion zum Thema: „Stillstand im Senat beenden, Entscheidungen angehen: S-Bahn, BER, öffentlicher Dienst, Sanierungsstau, Energiewende, Wohnungs- und Liegenschaftspolitik, Flüchtlingspolitik“

Ich lasse nun abstimmen, und zwar zunächst über den Antrag der Fraktion der SPD. Wer diesem Thema, Stichwort: Wissenschaft in Berlin, zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die Koalitionsfraktionen und der fraktionslose Kollege. Gegenstimmen? – Das sind die Oppositionsfraktionen. Enthaltungen gibt es keine. Ersteres war die Mehrheit. Somit rufe ich dieses Thema für die Aktuelle Stunde unter dem Tagesordnungspunkt 1 auf. Die anderen Anträge auf Aktuelle Stunde haben damit ihre Erledigung gefunden.

Zur Geschäftsordnung erhält jetzt der Kollege Zillich das Wort. – Bitte schön, Herr Kollege!

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich beantrage die gemeinsame Aussprache über den Tagesordnungspunkt 15, Stichwort: Verwendung der freiwerdenden BAföG-Mittel für Bildung und Wissenschaft, in der Aktuellen Stunde. Gleiches gilt für die dringliche Beschlussempfehlung zum ähnlichen Thema aus dem Hauptausschuss. Ich beziehe mich dabei auf § 59 Abs. 7 unserer Geschäftsordnung. Dieser Absatz hat folgenden Wortlaut:

Die gemeinsame Aussprache über im Sachzusammenhang stehende Gegenstände kann jederzeit beschlossen werden.

Der Sachzusammenhang besteht in diesem Fall darin, dass die Frage einer Verwendung freiwerdender BAföGMittel für die Stärkung von Studium und für die Exzellenz von Wissenschaft eine entscheidende Voraussetzung ist, was das Thema der Aktuellen Stunde ist.

Des Weiteren beantrage ich die gemeinsame Behandlung des Tagesordnungspunktes 21, Stichwort: Energiewirtschaftsgesetz, unter dem Tagesordnungspunkt 3.1, Priorität meiner Fraktion. Dort geht es um das Stichwort „Stadtwerk, aber richtig“. Der Sachzusammenhang besteht erstens in der Notwendigkeit einer gemeinsamen energiepolitischen Strategie und zum Zweiten darin, dass beides Gegenstand des vor einem Jahr stattgefundenen Volksentscheids war, nämlich die Frage der Netze und des Stadtwerks.

Nun werden sich viele von Ihnen fragen: Warum beantragt der Geschäftsführer das hier, und warum klärt ihr das nicht im Vorfeld in den Geschäftsführerrunden oder im Ältestenrat, die ja dafür zuständig sind, eine vernünftige Tagesordnung zu klären? – Sie haben in der Tat recht mit dieser Frage, und die Tatsache, dass ich das hier beantrage, ist ein Indiz dafür, dass eine solche Klärung gerade nicht möglich war. Die Geschäftsordnung gibt das her, und es ist eine gute Tradition, dass man, genau um eine vernünftige, effektive und attraktive Tagesordnung für die Plenarsitzung hinzubekommen, an dieser Stelle solche Zusammenführungen macht. Es ist zudem eine gute Tradition, dass man es, wenn es sich um zwei Anträge einer Fraktion handelt, wie es bei meinem zweiten Antrag der Fall ist, in jedem Fall tut.

Natürlich kann man bei der Frage des Sachzusammenhangs unter Umständen unterschiedlicher Auffassung sein. Aber dass ohne die Angabe eines Sachgrundes, einfach nur, weil man es kann, eine solche Zusammenziehung, abgelehnt wird, halte ich für einen Vorgang, der nicht günstig ist für ein gemeinsames Verständnis und für das gemeinsame Herstellen einer wirklich vernünftigen Tagesordnung und guter Abläufe hier im Parlament. Deswegen die Zusammenziehung.

[Beifall bei der LINKEN, den GRÜNEN und den PIRATEN]

Natürlich bekommt diese Frage der Zusammenziehung nach der neuen Parlamentsreform mit der neuen Situation, dass es nur eine begrenzte Anzahl von Zugriffen der Fraktionen gibt, eine besondere Bedeutung. Insofern wirft die Verweigerung so einer Zusammenziehung ein Licht darauf, inwieweit der Geist, der durchaus weitgehend vorgeherrscht hat, dass man sich hier gemeinsam darum kümmern wolle, mit der Parlamentsreform eine attraktive Sitzung hinzubekommen und die Sitzung zu straffen, tatsächlich noch vorhanden ist und die derzeitige Vorbereitung der Sitzung noch bestimmt.

[Beifall bei der LINKEN, den GRÜNEN und den PIRATEN]

Nun kann man darüber mutmaßen, was denn jeweils im Einzelfall der Grund dafür war, also ob die Koalition eine solches Begehren der Opposition oder auch nur irgendeiner Fraktion deswegen ablehnt, weil sie es kann, oder ob es was damit zu tun hat, dass sie nicht in der Lage ist, sich auch in solchen geschäftsleitenden Fragen auf eine gemeinsame Position zu verständigen. Es gibt wohl das eine oder andere Problem. Wir haben diesmal keine Prioritäten der Koalitionsfraktionen. Darüber will ich aber gar nicht weiter mutmaßen. Entscheidend ist – und auch dafür steht in gewisser Weise mein Antrag –, dass wir hier zu einem Verfahren zurückfinden, wo wir ein gemeinsames Interesse daran entwickeln, dass wir tatsächlich eine effektive, faire und auch für die Öffentlichkeit sinnvolle Abwicklung unserer Parlamentssitzung hinbekommen. – Danke schön!

[Beifall bei der LINKEN, den GRÜNEN und den PIRATEN]

Als nächste Wortmeldung haben wir den Kollegen Schneider und dann den Kollegen Lux. – Ich frage in die Runde: Haben auch die anderen Fraktionen Redebedarf? – Nicht! – Bitte schön, Herr Kollege Schneider!

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir würden Ihnen durchaus zustimmen,

[Beifall von Andreas Otto (GRÜNE)]

wenn es – und das ist der einzige Beurteilungsmaßstab – diesen Sachzusammenhang, der das angezeigt erscheinen ließe, tatsächlich gäbe. Ich nehme einmal exemplarisch den Antrag, die Tagesordnungspunkte 7 und 21 gemeinsam zu beraten: Im Tagesordnungspunkt 7 geht es um die Frage, ob es wirtschaftlich sinnvoll ist, dass das bestehende Stadtwerk, an dem das Land Berlin beteiligt ist, werbend so weit am Markt tätig wird, dass es Strom kauft und vertreibt. Das kann man unter verschiedenen Aspekten sehen. Es gibt da ordnungspolitische Bedenken, und wir haben dazu eine Position, die nachher deutlich gemacht wird. Im Tagesordnungspunkt 21 geht es um die

übergeordnete Frage, ob es In-House-Vergaben – wie im europäischen Maßstab üblich – nicht nur zum Beispiel im Verkehrssektor gibt, sondern auch im Energiesektor. Das schließt eine fundierte Auffassung des § 46 Energiewirtschaftsgesetz und anderer Normen dieses Gesetzes für Deutschland aus, und insoweit haben wir da ein europäisches Alleinstellungsmerkmal. Wir können nicht erkennen, dass es hier eine hinreichende Schnittmenge gibt und diese Themen einen Sachzusammenhang aufweisen, was diesen Geschäftsordnungsantrag als begründet auswiese. Das haben wir Ihnen auch so auseinandergesetzt.

Deshalb entsteht die Frage: Was wird mit diesem Geschäftsordnungsantrag eigentlich bezweckt? – Wir werden heute ja nicht nur einen diskutieren. Eins ist jedenfalls klar: Maßstab kann es – neben den objektiven Gründen – nicht sein, dass möglicherweise eine besondere Affinität in einer Fraktion besteht – in diesem Fall in der Linksfraktion –, dass ein Redner gerne reden möchte. Für unsere Fraktion kommen da viele in Betracht: Da könnte der beteiligungspolitische Sprecher in Betracht kommen, weil wir eine avisierte Beteiligung adressieren. Es könnte aus strategischen Gründen der parlamentarische Geschäftsführer oder der finanzpolitische Sprecher in Betracht kommen. Der entsprechende Berichterstatter des Hauptausschusses könnte in Frage kommen oder der energiepolitische Sprecher und eine ganze Reihe von anderen mehr, so dass der Maßstab, welcher Redner sich hier mit einer besonderen Affinität adressiert sieht, für die anderen Fraktionen jedenfalls kein ausschlaggebender sein kann.

[Zurufe von der LINKEN und den GRÜNEN]

Der einzige Maßstab ist der von mir vorher genannte, nämlich der objektive Sachzusammenhang, den wir hier als nicht hinreichend sehen. Also wirft das die Frage auf: Was bezwecken Sie eigentlich? – Eigentlich bezwecken Sie – da Sie mit Ihrer Aktuellen Stunde nicht verfangen haben; und das zeigt auch Ihre Unruhe jetzt –, hier in gewisser Weise eine Skandalisierung herbeizureden. Das machen wir nicht mit!

Was ist die faktische Lage? – Die Geschäftsführer verabreden sich im Ältestenrat auf die Zusammenfassung von möglicherweise auch nicht im Sachzusammenhang stehenden Rederunden, um dann zwei Tage später von Ihnen ad hoc – und das finde ich parlamentarisch sehr problematisch – dringliche Anträge zu bekommen, die Sie sich freigeschaufelt haben. In der letzten Plenarsitzung hatten wir acht davon! Das ist der eigentliche Zweck, und ich glaube, dafür sollte die Geschäftsordnung nicht herhalten.

[Zuruf von den PIRATEN]

Das ist eine politische Frage, und das können Sie so auch diskutieren! – Deswegen weisen wir das zurück, und wir werden das Spielchen nicht mitmachen. – Vielen Dank!

[Beifall bei der SPD und der CDU]

(Steffen Zillich)

Bei Geschäftsordnungsanträgen gibt es Für- und Gegenrede. Die Information, es sei gestern in der Geschäftsführerrunde etwas anderes besprochen worden, scheint eine Fehlinformation zu sein. – Herr Lux, Sie haben das Wort! Ich sage nur für die Zukunft: Bei Geschäftsordnungsanträgen einer dafür, einer dagegen. Davon werde ich künftig nicht abweichen. Aber weil ich Sie schon genannt habe, haben Sie ausnahmsweise das Wort, Herr Kollege!

Vielen Dank, Herr Präsident! – Das ist keine Ausnahme, sondern ich habe einen eigenen Geschäftsordnungsantrag für meine Fraktion. Es geht um das Hinzuziehen des Tagesordnungspunkts 13 F zur Aktuellen Stunde. Es gibt hier einen Sachzusammenhang mit dem Antrag des Kollegen Zillich, den ich vollkommen teile. Es ist eine dringliche Beschlussempfehlung auf Antrag meiner Fraktion, BAföG-Mittel im Bildungs- und Hochschulbereich zu investieren. Der objektive Sachzusammenhang, den Kollege Schneider gerade genannt hat, ist offenkundig gegeben. Insofern denke ich, dass Sie hier unserem Antrag zustimmen müssten.

Ich möchte noch eines sagen, weil ich die Kritik der Linksfraktion an der Geschäftsordnungsreform wohlwollend gehört habe: Es ist in der Tat ein Problem, wie die Koalition eine effektive Parlamentsarbeit behindert. Das haben wir an der Aktuellen Stunde gesehen, wo Sie das Thema „Stillstand im Senat beenden, Entscheidungen angehen: S-Bahn, BER, öffentlicher Dienst, Sanierungsstau, Energiewende, Wohnungs- und Liegenschaftspolitik, Flüchtlingspolitik“ nicht mit uns diskutieren wollen – und da fehlt noch einiges. Wohlgemerkt: Sie haben einen Antrag auf der gesamten Tagesordnung und nicht eine Aussprache außer der Aktuellen Stunde angemeldet. Sie haben keine Priorität angemeldet. Das alles spricht schon für sich.

[Beifall bei den GRÜNEN, der LINKEN und den PIRATEN]

Ich glaube, dass wir in der Zukunft in der Tat häufiger darüber reden müssen, wie ein schlagkräftiges Parlament aufgestellt wird. Anscheinend geht das nur mit den Oppositionsfraktionen. Die Politik in Berlin hätte das verdient, und das wäre auch für die Berlinerinnen und Berliner gut. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

[Beifall bei den GRÜNEN, der LINKEN und den PIRATEN]

Danke für die Klarstellung, dass das ein eigenständiger Geschäftsordnungsantrag ist! – Zur Gegenrede Kollege Schneider.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Auch hier gibt es ganz andere rechtliche Bedenken, die im Ältestenrat diskutiert wurden.

[Oh! von den GRÜNEN und der LINKEN]

Darüber will ich mich jetzt nicht verbreiten; ich will nicht die Gedächtnislücken des Kollegen Lux in dieser Frage ausfüllen. Aber eins ist klar: Was die Zeitungen schreiben, haftet Ihnen an und tut Ihnen weh. Sie haben es gerade gesagt: Der Parlamentarismus braucht die Opposition, und die Stadt hätte das verdient. Ich habe heute in verschiedenen Kontexten in der Zeitung gelesen, dass die Stadt und die Koalition die Opposition hätten, die ihnen guttut. Das hat der Regierende Bürgermeister auch auf unserem Parteitag gesagt.

[Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Ich will Ihnen einmal eins sagen: Diese kleinen Spielchen – okay, da wird dann in der Zeitung stehen, es gab eine GO-Debatte. Aber aus strategischer Sicht nutzt Ihnen das gar nichts. Es kommt gelegentlich vor, dass die amorphe Unzufriedenheit mit einem Altvorderen oder hier mit der Koalition bei einer Wechselstimmung dazu führt, dass man allein aus der zugeschriebenen Schwäche des Altvorderen einen Wechsel organisieren kann. Aber auf lange Sicht – und da sind wir mit der CDU verabredet – wird das nicht Maßstab sein, sondern auf lange Sicht wird gefragt, ob Sie eine inhaltliche Alternative sind. Und wenn Sie solche Debatten hier führen und in Zukunft führen wollen, perpetuieren Sie die Sicht auf die Opposition insgesamt. Sie definieren sich nicht über inhaltliche Schwerpunkte, die eine echte Alternative darstellen, sondern Sie adressieren die vermeintliche Schwäche, die Sie bei uns erkennen wollen.

[Zurufe von den GRÜNEN und der LINKEN]

Das genügt aber im politischen Wettstreit nicht. Sie sind momentan tatsächlich nicht in der Verfasstheit, dass Sie uns inhaltlich stellen können. Deshalb: Ersparen Sie uns doch freundlicherweise diesen Kleinkram!

[Beifall bei der SPD und der CDU]